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Das Schokoladenmädchen

Die Saga in einem eBook: »Die Zuckerbäckerin von Riga« und »Die Liebe der Zuckerbäckerin«

©2022 965 Seiten

Zusammenfassung

Zwischen Liebe und Schicksalsschlägen: Die bewegende historische Saga »Das Schokoladenmädchen« von Katryn Berlinger jetzt als eBook bei dotbooks.

Sie kreiert zartschmelzende Versuchungen für andere – aber darf sie auch wagen, sich ihre eigenen Träume zu erfüllen? Ende des 19. Jahrhunderts begegnet die junge Madeleine dem berühmten Schweizer Konditor Urs Martieli … und weiß schon bald: Schokolade ist ihre Leidenschaft und Berufung. Von nun an führt sie ihr bewegtes Leben in eine bekannte Hamburger Konditorei, nach Riga und in die Häuser der feinen Gesellschaft. So lernt sie auch András Mazary kennen, einen äußerst charmanten ungarischen Grafen, und verliebt sich in ihn. Als András sie um ihre Hand bittet, sollte Madeleines Glück eigentlich vollkommen sein – aber kann ihre Liebe wirklich den großen Standesunterschied zwischen dem Schokoladenmädchen und dem Grafen überwinden?

Exzellenter Lesestoff für alle, die sich für mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe, die auf ganz eigene Art Geschichte schrieben, begeistern: »Wunderbar leicht geschrieben, flott und nie langatmig.« Mindener Tagblatt

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der gefühlvolle Sammelband »Das Schokoladenmädchen« von Katryn Berlinger – für die Leserinnen der Bestseller »Die Kaffeehaus-Saga« von Marie Lacrosse und die »Schokoladen-Saga« von Maria Nikolai. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Sie kreiert zartschmelzende Versuchungen für andere – aber darf sie auch wagen, sich ihre eigenen Träume zu erfüllen? Ende des 19. Jahrhunderts begegnet die junge Madeleine dem berühmten Schweizer Konditor Urs Martieli … und weiß schon bald: Schokolade ist ihre Leidenschaft und Berufung. Von nun an führt sie ihr bewegtes Leben in eine bekannte Hamburger Konditorei, nach Riga und in die Häuser der feinen Gesellschaft. So lernt sie auch András Mazary kennen, einen äußerst charmanten ungarischen Grafen, und verliebt sich in ihn. Als András sie um ihre Hand bittet, sollte Madeleines Glück eigentlich vollkommen sein – aber kann ihre Liebe wirklich den großen Standesunterschied zwischen dem Schokoladenmädchen und dem Grafen überwinden?

Exzellenter Lesestoff für alle, die sich für mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe, die auf ganz eigene Art Geschichte schrieben, begeistern: »Wunderbar leicht geschrieben, flott und nie langatmig.« Mindener Tagblatt

Über die Autorin:

Katryn Berlinger arbeitete lange Zeit als Direktionsassistentin, entschied sich dann aber für ein Studium der Literaturwissenschaften und Systematischen Musikwissenschaft. Nach ihrem Abschluss war sie in einem Hamburger Schallplattenunternehmen erfolgreich tätig. Für einige Jahre tauschte sie dann den Beruf gegen die Familie ein. Heute lebt und arbeitet die Autorin in Norddeutschland.

Bei dotbooks sind von Katryn Berlinger bereits »Die Zuckerbäckerin von Riga« und »Die Liebe der Zuckerbäckerin« erschienen, die in diesem Sammelband zusammengefasst sind.

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Sammelband-Originalausgabe April 2022

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Die Copyrights der Einzelbände finden Sie gesammelt am Ende des eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Digiselector, Elina Vasilchenko, Boris Stronjko

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96655-776-4

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Katryn Berlinger

Das Schokoladenmädchen

Die Saga in einem eBook: »Die Zuckerbäckerin von Riga« und »Die Liebe der Zuckerbäckerin«

dotbooks.

Die Zuckerbäckerin von Riga

Ende des 19. Jahrhunderts kommt die junge Madelaine nach Riga: Wird es ihr hier gelingen, ihre tragische Vergangenheit zu vergessen? Die begabte Zuckerbäckerin macht sich mit ihren köstlichen Tortenkreationen und Trüffeln schnell einen Namen – noch dazu sind die lettischen Männer geradezu berauscht von der Schönheit des »Schokoladenmädchens«. Als sich Madelaine zum ersten Mal verliebt, scheint ihr Glück perfekt zu sein. Doch András ist ein ungarischer Graf – und geradezu unerreichbar für eine Bürgerliche …

Kapitel 1

Im Winde auf und ab schwebend flogen Silbermöwen, Vorboten des heimatlichen Kontinents, dem Schiff entgegen. Neugierig umflatterten sie den Bug des deutschen Frachtdampfers Eleonora, der sich 1896 unter Führung von Kapitän Hilmar Pilar zügig der europäischen Küste näherte. Doch im Schiffsbauch, ohne Licht, ohne Frischluft, kämpfte die knapp 18-jährige Madelaine Elisabeth Gürtler mit jeder Seemeile gegen Seekrankheit und Albträume.

Wie mochte Alabaster aussehen? Madelaine delirierte seit Tagen. Trotz ihrer Übelkeit stellte sie sich weiße Blüten vor, so blendend weiß wie die in der chilenischen Sonne gleißenden Kristalle der Salpetersalze, die auf Ladebühnen in der Oficina, der verhassten Salpeterfabrik, zu riesigen Kegeln gehäuft wurden. Alabaster, umflort von einer selig machenden Kraft, die Wunden schloss, Schmerzen nahm und Trauer in Frohsinn wandelte. Madelaines Zähne knirschten, sie versuchte zu schlucken. Vage spürte sie den brackigen Lappen, den ihre Mutter ihr unters Kinn legte, und fühlte fiebernd die Nässe ihres verklebten Körpers. Doch die Erinnerungen drückten sie wie eine Ertrinkende zurück – in die Trauer um den toten Vater. Madelaines Seele war wund und flatterte wie ein verängstigter Vogel, der sich in einem fremden Haus verirrt hat.

Erst als die Eleonora sich der Küste des portugiesischen Festlands näherte, fiel sie in einen traumlosen Schlaf.

***

Kapitän Hilmar Pilar betrachtete nachsinnend ein bauchiges weißgraues Wolkengebilde, das backbords seines Dampfschiffs auftauchte – rund wie die Großsegel eines Windjammers, in die der kräftige Wind blies, rund wie Busen und Hüften einer Frau. Pilar schnalzte mit der Zunge und rief sich Figur und Gesicht eines weiblichen Passagiers in Erinnerung, der tief unten im Bauch seines Schiffs auf den harten Pritschen des Zwischendecks lag, nur durch eine Bretterwand von der kostbaren Salpeterladung und den Edelhölzern getrennt.

Eine schmucke Deern, das ist sie, dachte er, mit Augen, dunkel und schimmernd wie Südseemuscheln, Lippen …, er überlegte amüsiert … na ja, wie ein aufgeschlagener Granatapfel. Und unter den Lumpen ein Körper, der nach Zimt und Vanille duften könnte. Er runzelte die Stirn und fügte in Gedanken hinzu: Wenn sie gesund und sauber wäre … das arme Ding! Kam schon schmutzig und unglücklich an Bord.

Steuerbordseitig lag nur wenige Seemeilen entfernt die nordspanische Küste. Die Fahrt von Chile, rund ums sturmgepeitschte Kap Hoorn, quer über den Atlantik war ohne Zwischenfälle verlaufen. Der Wind blies von Nordwest, und hätte er, Kapitän Pilar, noch wie früher einen schönen Windjammer unter den Füßen, hätte er ohne Probleme mit vollen Segeln in den Ärmelkanal einlaufen können. Doch die Zeit der stolzen Großsegler, die als Frachtschiffe eingesetzt waren, ging zu Ende. Dieses war nun schon die sechste Fahrt von Hamburg nach Valparaíso, und er hatte mehr und mehr Gefallen an diesem modernen, technisch aufgerüsteten Dampfschiff und seiner Geschwindigkeit gefunden.

Mit der messerscharfen Kante ihres begradigten Klipperbugs durchschnitt die Eleonora die leichte Dünung der See, volle Kraft voraus. Vor gut zwei Wochen hatte sie in Valparaíso, Chiles berühmtestem Hafen, Salpeter, Tropenhölzer, Kisten mit Zigarren und Zigaretten, Post und Pakete geladen. Seitdem war sie unterwegs, hatte nur kurz in Lissabon Anker geworfen und fuhr jetzt weiter gen Osten, Zielhafen Hamburg.

Die Mehrzahl der gut 30 Erste-Klasse-Passagiere lag in Liegestühlen aus Teakholz auf dem Oberdeck und löffelte heiße Brühe. Es waren vornehmlich Techniker, Vertreter deutscher Handelshäuser, Kaufleute und höhere Beamte. Manche von ihnen kannte Kapitän Pilar von früheren Reisen. Allesamt eigentlich langweilige Leute. Interessanter waren da schon der Bankdirektor und der Naturforscher mit weißem Kakadu, am unterhaltsamsten aber war Urs Martieli, der Schweizer Konditor mit Hang zu Klavierspiel und flotten Liedern.

Alles ging seinen gewohnten Gang. Im Bauch der Eleonora fütterten Heizer in glühender Hitze die Kessel mit Kohle, und heißer Dampf trieb die malmenden Schiffsschrauben an. Der Rauch, der aus den beiden Schornsteinen qualmte, zerstob im Blaugrau des Himmels. Jedes Mal, wenn Krüger, der hagere Steward, seinen hölzernen

Servierwagen über das Deck rollte, zog ein leichtes Zittern über die Planken. Sich bückend und verbeugend verteilte er die stärkende Suppe nebst Servietten und weißem Brot. Die Passagiere plauderten unter einer aufgezogenen Markise. In den Duft der Brühe mischte sich der würzige Rauch von Zigarren, die zwei beleibte Herren in schwarzem Anzug und Zylinder mittschiffs an der Reling schmauchten.

»Ein Fraß ist das, was der Engländer Cunard auf seinen Schiffen anbot«, empörte sich Christian Voith, Banker aus Hamburg. »Stellen Sie sich einmal vor, dunkelgelb gekochte Hammelkeule. Und als Dessert ein verdorbenes Mischmasch aus Äpfeln, Trauben und Orangen. Scheußlich, sage ich Ihnen, scheußlich! Aber die Zeiten haben sich geändert.«

»Zum Glück«, pflichtete ihm Werner Strauss, Maschinentechniker aus Dortmund, bei. »Und der Collins aus Amerika hat’s ihm ja auch gegeben. Allein die Keller seiner Schiffe fassten schon 40 Tonnen Eis. Buntglasfenster, Spiegel überall, Brocatelli-Marmor und das Schiffsinnere aus Steineiche, Rosen- und Atlasholz. Und nun ist er pleite. Vorbei der Prunk. Doch Sie haben recht, wie beim Essen so auch sonst – alles ändert sich. Vorbei die Zeit der Segler. Charlie Parsons Dampfturbine macht 18.000 Umdrehungen die Minute. Das gibt Kraft. Unsere Schiffe pflügen jetzt geradezu durch die Meere. Ohne Bugspriet, dafür mit stolzen Schornsteinen.«

»Albert Ballin bringt ja beides unter einen Hut, Sicherheit und Luxus. Und ein gutes Verhältnis zum Kaiser hat er auch.«

»Na ja, wo er doch seine Passagierschiffe mit Doppelschrauben ausrüstet und nach des Kaisers Gemahlin getauft hat – Auguste Victoria und Columbia. Der Kaiser soll sogar mehrmals im Jahr privat zum Essen zu Ballin ins Haus kommen.«

»Ein schlauer Fuchs ist er. Residiert im Schloss an der Elbe. Und auf der Auguste gibt es eine Rokokotreppe über zwei Decks. Stellen Sie sich mal vor, was das gekostet hat. Und dann noch sternförmige Lampen, die von vergoldeten Cherubim gehalten werden.«

»Wissen Sie, worauf ich jetzt Appetit habe? Auf Schildkrötensuppe, Truthahn in Austernsoße, Gans in Champagner und Mandelpudding.«

»Oh, gegen gekochten Barsch in Sauce hollandaise plus Apfelbeignets in Gelee und Johannisbeertörtchen hätte ich auch nichts einzuwenden.«

Die beiden Herren lachten und winkten einen wohl 15-jährigen Schiffsjungen herbei. Barsch befahlen sie ihm, man möge ihnen einen Cognac bringen. Die Gläser kamen schnell. Rasch schoben die Herren ihren Zylinder in den Nacken und prosteten mit ausgestrecktem Arm dem Kapitän auf der Brücke zu. Pilar grüßte grimmig zurück. Noch mindestens 14 Jahre Seefahrt, dann würde auch er es sich gemütlich machen können. Plötzlich lauschte er. Tatsächlich, da spielte jemand im Salon Klavier. Er gab dem wachhabenden Offizier ein Zeichen und verließ die Kommandobrücke. Und wirklich, am alten Biedermeierflügel saß in grauem Cut und schwarz-grau gestreiften Hosen Urs Martieli, jener Schweizer Konditor, der in Valparaíso seinen Bruder besucht hatte. Es gibt sie eben auch, dachte Pilar mit Genugtuung, die erfolgreichen Aussiedler, die keine Probleme bereiten, weder im Heimatland noch im Gastland, noch an Bord.

Je näher er dem Salon kam, desto deutlicher hörte er die ihm vertrauten Worte, verpackt in eine schwelgende Melodie.

»… Ihr Fröhlichen, singt, weil das Lehen noch mait:

Noch ist ja die schöne, die blühende Zeit,

noch sind die Tage der Rosen,

die Tage der Rosen!«

Du Schwerenöter, dachte Pilar belustigt, denn der fröhliche Sänger mochte bereits die 40 überschritten haben. Nun hob dieser zur zweiten Strophe an.

»Frei ist das Herz, und frei ist das Lied,

und frei ist der Bursch, der die Welt durchzieht,

und ein rosiger Kuss ist nicht minder frei,

so spröd’ und verschämt auch die Lippe sei.

Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuss sich beut,

da heißt’s: Noch ist blühende, goldene Zeit,

noch sind die Tage der Rosen,

die Tage der Rosen!«

Auf die dritte Strophe verzichtete der temperamentvolle Alt-Jüngling und stimmte stattdessen einen Strauss’schen Walzer an, dem er, ohne Atem zu holen, eine flotte Polka folgen ließ. Pilar blieb hinter einem Pfeiler stehen, lächelte und summte leise mit. Leidenschaftlich schwang der Schweizer Konditor mit der Musik vor und zurück, bis er die Polka mit kräftigen Akkorden beendete. Kurz schaute er zur Decke, schüttelte die Hände seitwärts aus, um mit neuem Elan die Tasten zu bearbeiten. Pilar riss die Augen auf – das kannte er doch auch, diesen Gassenhauer und Schmachtfetzen.

Urs Martieli lehnte sich zurück und sang, wie es über den Noten stand, »Mit Feuer« und aus vollem Herzen.

»Mein Herz ist wie ein Bienenhaus,

die Mädchen drinnen sind die Bienen,

sie fliegen ein, sie fliegen aus,

grad wie in einem Bienenhaus,

in meines Herzens Klause,

hollia hoja, hollia hoja,

holliaho, holliaho, holliaho!«

Und da es ihm so gut gefiel, wiederholte er das Lied. Pilar brummte den Text mit und wunderte sich immer mehr über diesen seltsamen lockeren Vogel. Er wusste sich zu kleiden und war galant zu den wenigen Damen an Bord, obwohl diese verheiratet waren. Dabei beherrschte er sogar die Kunst, sich gleichzeitig die Sympathie der Ehemänner zu sichern – durch aufmerksames Zuhören, weitläufiges Wissen und derbe, intime Witze, die selbst erfahrenen Herren rote Ohren bescherten. Pilar betrachtete den lockigen Rundkranz seines Haars. Wahrscheinlich trug dieser Schwärmer bei der Arbeit eine gestärkte weiße Mütze, hoch wie ein perfektes Soufflé! Und das Haupthaar war darunter im Laufe der Zeit langsam verdorrt. Pilar grinste in sich hinein. Doch er fand, dass Martieli, selbstbewusst, wie er seinen Kopf trug, ungemein attraktiv wirkte. Ein Wink mit seinem Rührlöffel, und die Damenwelt lag flach. Verheiratet war er laut Passagierliste nicht, Geld aber musste er wohl besitzen. Er strahlte es einfach aus.

Mit Hingabe spielte Martieli einen Walzer von Suppé, und Pilar grübelte darüber nach, wie es angehen mochte, mit Zucker, Butter und Mehl Dinge zu zaubern, die einen wohlhabend machen konnten, ohne dass man seinen Platz verlassen musste. Doch die herbeieilenden Schritte eines seiner Offiziere rissen ihn aus seinen Gedanken.

»Schlägerei auf dem Zwischendeck!«, meldete ihm der Zweite Offizier.

»Verdammte Halunken!«, zischte Pilar verärgert. Unwillig riss er sich von seinem geheimen Lauschplatz los und folgte ihm. »Einsargen sollte man sie! Oder in Fässer stecken wie die Heringe!«

»Soll ich Folker befehlen, noch eine Trennwand zu nageln?«

»Kommt nicht infrage. Nägel und Bretter brauchen wir noch. Haut ihnen eine rein«, befahl Pilar ungeduldig. »Und so was kommt in unser schönes Europa, unser aufstrebendes Deutschland zurück.« Er schüttelte sich vor Widerwillen. »Verrecken hätten sie sollen da drüben!«

»Kommen ja nur wenige zurück«, sagte der Offizier und gab dem Unteroffizier einen Wink. »Raus aus Europa und dem Osten wollen viele, aber nur die Tüchtigsten schaffen es wirklich.«

»Die meisten sind sowieso nur Träumer und Tunichtgute. Unnützes Gewürm!«, schnaubte Pilar erneut, noch immer verärgert darüber, aus einer schönen Stimmung gerissen worden zu sein.

»Wie sieht es bei den Weibern aus?«

Der Offizier zuckte mit den Schultern. »Alles ruhig, meine ich.«

Kapitel 2

Kurze Zeit nachdem die Eleonora in den Ärmelkanal eingelaufen war, wachte Madelaine auf. Ihre Übelkeit war verschwunden. Beschämt merkte sie, wie erbärmlich sie roch. Doch sie war froh, wieder bei Sinnen zu sein und klar denken zu können.

Wo war sie? Richtig, sie lag hier unten im Bauch dieses Dampfschiffs im verrufenen Zwischendeck. In einem rau zusammengezimmerten Brettergestell, dessen Pritschen

ungefähr so breit wie ihr Unterarm lang waren. Zwischen ihrer Pritsche und der über ihr lagen nur wenig mehr Zentimeter. Sie hörte das Dröhnen der Schiffsmotoren durch Holzlatten und Wände. Es drang bis in den feinsten Nerv.

Doch sollte sie sich darüber beklagen? Was waren sie denn mehr als eine schäbige Horde von Aussiedlern, die in ihre Heimat zurückkehrten. Fast verhungert in der Alten Welt, waren sie nun auch noch in der Neuen Welt gescheitert. Und beladen mit der Schande, als Versager zurückkehren zu müssen – das Geld für die Rückreise gestohlen, von Krepierten geerbt oder wie auch immer.

Ihre Rückfahrt und die ihrer Mutter aber war mit ehrlicher Hände Arbeit verdient. Jedoch bezahlt mit Vaters Leben. Wie einen Hund hatte man ihn in fremder Erde begraben. Er lag nicht auf dem schönen mauerumsäumten Friedhof von Valparaíso, auf dem die leuchtend roten Bougainvilleen und vielfarbigen Rhododendren so herrlich dufteten. Nein, Vater nicht.

Mutter und sie hatten es eines Tages in der Wüste bei Antofagasta, hoch im Norden von Valparaíso, nicht mehr ausgehalten. Eine Gegend, in der es so heiß war, dass Eisen nicht rostete, Fleisch nicht verfaulte und Leichen nicht verwesten, sondern vertrockneten. Sand, der immerzu Staub aufwirbelte, bedeckte die Straßen von Antofagasta, der reichen Salpeterprovinz. Es gab keine Bäume, keine Schönheit, kaum Feuchtigkeit, nur Kakteen, Hitze, dornige Algarrobos, ein paar Pfefferbäume und tägliche Mühsal. Und jene menschenverachtende Salpeterfabrik, wo Vater schuftete. Und sie zu dritt unter gewalttätigen Gesellen hausen mussten. Bis es Mutter zu viel wurde. Sie kehrte mit ihr, Madelaine, dem Salpeter und Vater den Rücken und ging nach Valparaíso zurück, in eine Holzhütte in den Hügeln jenseits der Stadt. Die Wäsche der anderen, die sie wusch, flatterte jedem schon von Weitem entgegen.

Vater blieb dort. Er schaffe es schon, hatte er ihnen versichert. Noch ein paar Jahre, dann habe er Geld genug, um wenigstens ein kleines Stück Land, Bauholz, einen Ochsen und Gemüsesaat zu kaufen.

Monate vergingen, ein Jahr, ein zweites. Selten bekamen sie ein Lebenszeichen von ihm. Doch Vater kehrte nicht zurück. Irgendwann hieß es, er sei gestorben. Immer wieder stellte sich Madelaine vor, wie die rauen Gesellen dort Thaddäus Gürtler in der trockenen Erde verscharrt hatten. Madelaine blinzelte im Halbdunkel zum Gestell gegenüber, wo eine ältere Frau in den Wehen lag. Das Kind wollte und wollte nicht kommen. Zu ausgezehrt war der verhärmte Körper der Frau. Ob das Kind ahnt, in welch aussichtslose Welt es gelangen wird?, dachte Madelaine. Sie bildete sich ein, dass ihm der mütterliche Schoß bereits zuraunte, wie unbarmherzig das Leben enden konnte.

Wie sehr hatte Vater sie geliebt. Mit wie viel Träumen hatte er sie aus dem feuchten Kellerloch des Hamburger Gängeviertels aufs Auswandererschiff gelockt. Valparaíso – welch ein Klang. Vater hatte von Gummi- und Mandelbäumen geschwärmt, Palmen, schmeichelnden Winden und einem eigenen bunten Häuschen und redlich verdientem Wohlstand. Valparaíso sei eine bedeutende Hafenstadt, in der aufstrebende Engländer und Deutsche in imponierenden Villen rund um den Hafen lebten. »Schiffsagenturen, Börse, Banken, Kontore, Wechselstuben – alle brauchen sie Arbeitskräfte und zahlen gut.« Aufsteigen würde man, hatte Vater gejubelt. Mit Fleiß und Ausdauer.

Doch das Pech hatte ihn in Valparaíso verfolgt, ein Spekulationsgeschäft hatte die Ersparnisse vernichtet. Als er dann noch verdächtigt wurde, Geld unterschlagen und einen Diebstahl begangen zu haben, musste er mit Frau und Kind ins verhasste Salpeterland fliehen.

Vergangen, alles vergangen.

Madelaine schnürte sich der Hals zu. Jetzt lag sie hier im stinkenden Zwischendeck eines Handelsschiffs neben kranken alternden Weibern. Und einer Mutter, deren Worte ihr seit frühester Kindheit in die Seele gebrannt waren: Du hast mein Leben zerstört.

Weil sie sich einmal mit dem im Gängeviertel allseits beliebten Thaddäus Gürtler eingelassen hatte – nach dem Tanz in den Mai, hinter einem Fliederbusch. Sie hatte ihn heiraten müssen. Statt ledig zu bleiben und Weißstickerin zu werden, musste sie ein Kind großziehen und nach Chile auswandern.

Madelaine wusste, dass ihre Mutter es nur als gerecht empfand, dass ihr Mann tot war und sie die Rückreise nach Hamburg antreten konnte. Sie presste die Faust auf ihren Leib. Ein abgewetzter Gürtel raffte ihre übereinander getragenen Kleider zusammen. An diesem Gürtel hing ein Beutel mit dem Ehering ihres Vaters und ihrer Geburtsurkunde. Der Ring war in buntes Schokoladenpapier gewickelt. Chocolata, die Speise der Götter. Wann immer es Vater möglich war, hatte er beim italienischen Kaufmann in der Pulperia Schokolade für sie gekauft. Chocolata ist gut für die Seele, sagte er mit den Einheimischen. Selbst die gewalttätigen Gesellen stimmten dem zu.

Wie oft hatte sie Vaters Hände dafür geküsst, seine zerschundenen, vom Salz verätzten Hände. Madelaine rief sich noch einmal in Erinnerung, wie Vater gearbeitet hatte. Erst musste Caliche, die eigentliche Salpeterschicht, mit dem Brecheisen gelockert werden. Dann wurde sie auf Karren gelagert, zur Fabrik gefahren, in Schächten zermalmt, mit riesigen Mengen Wasser ausgelaugt, in Kochkesseln gesiedet, in Pfannen, den Falcas, getrocknet, auf die Canchas, die Ladebühnen, gehievt und schließlich in Säcke geschaufelt – Säcke, wie sie jetzt im Laderaum dieses Schiffs lagen.

Madelaine sah, wie ihre Mutter sich erhob und energisch zwischen den Pritschen hin und her lief. Ein grimmiger Blick traf sie. Madelaine versuchte, ihm auszuweichen. Klein und ungeliebt kam sie sich im Bannstrahl dieser Augen vor. Zwar kannte sie es nicht anders, doch hier, auf dieser Pritsche, mit Schweiß und Erbrochenem am Leib, wirkte der Wille ihrer Mutter wie ein Todesstoß.

»Ein Gutes hat es ja gehabt, die paar Jahre in Chile«, hörte sie ihre Mutter sagen. »Er hat mir ja sonst was versprochen. Nichts ist geworden. Nichts. Doch ich habe wenigstens etwas gelernt, die Weißstickerei nämlich. Damit werde ich mir mein Geld selbst verdienen. Für mich leben. Nur für mich!«

»Was du nur wieder willst, Herta«, hörte Madelaine die Frau sagen, die unter ihr lag. »Dein Mann ist unter der Erde. Deine Tochter kann heiraten, gebären. Und du willst neu anfangen? Für die feinen Damen arbeiten? Gib’s auf. Du bist bald welk wie ich.«

Sie hustete und spuckte Blut in den schmutzigen Blecheimer, der am Brettergerüst festgebunden war. Die wenigen Frauen in den schmierigen und von Schmutz jeglicher Art stinkenden Brettergestellen tuschelten untereinander. »Das liegt nur an deiner Hurerei. Den Tod haben sie dir reingestoßen«, hörte Madelaine ihre Mutter, eine kräftige Frau Ende 30, erwidern. »Ich lasse mir von niemandem mehr etwas vorschreiben, weder von einem Mann noch von der da.«

Madelaine durchzog ein dumpfer Schmerz. Sie kam sich vor wie ein Beutetier im Würgegriff einer Anakonda. Was war sie mehr wert als Haut, Zähne und Knochen?

»Herta, versündige dich nicht«, hörte sie die Frau stöhnen, die in den Wehen lag. »Versündige dich nicht.«

Madelaine sah zu ihr hin und bemerkte das wehmütige Leuchten in ihren Augen. Doch von Schmerz durchpeitscht, sackte die Frau gleich darauf wieder in sich zusammen.

»Wie heißt sie noch mal, deine Tochter?«

»Madelaine. Ich wollt ja einen Jungen, wenn es denn schon sein musste. Hermann oder Wilhelm hätt ich ihn genannt.«

»Warum Madelaine?«, hakte die Gebärende angestrengt nach, als wollte sie das letzte Geheimnis des Lebens erkunden.

»Mir war es gleich. Aber ihr Vater hat 70/71 gegen die Franzosen gekämpft, wo er den Namen als Souvenir an eine Kokotte mitgebracht hat. Wie Männer halt so sind.« Mit welcher Verachtung Mutter wieder von Vater sprach. Mehr als einmal hatte er ihr gesagt, wie anmutig und weiblich sanft der Name in seinen Ohren klinge.

Sie erinnerte sich an einen besonders schönen Tag, an dem er sie mit einer ganzen Tafel Schokolade überrascht hatte. Sie saßen in Valparaíso im Schatten eines gewaltigen Trompetenbaums. Noch jetzt hörte sie ihn erzählen. »Damals im Krieg wurde ich am Kopf verletzt. Ich wurde bewusstlos. Und weißt du, wo ich aufwachte? In einem Ziegenstall. Ich lag auf Stroh und mein Kopf im Schoß eines französischen Bauernmädchens. Sie setzte mir eine Flasche an die Lippen. Etwas so Köstliches hatte ich noch nie zuvor geschmeckt – Burgunderwein. Sie sorgte für mich wie eine Schwester, brachte mir jeden Tag Brot, Käse und Milch. Sogar um meine Wunde kümmerte sie sich. Sie wusch sie mit einem Sud von Wermut und Lavendel aus, legte Blätter von Steinklee und Ringelblume darauf, bis sie sich geschlossen hatte. Dann musste ich gehen. Sie nahm mich an die Hand und geleitete mich in einer mondverhangenen Nacht bis über die Dorfgrenze hinaus. Nie werde ich das vergessen. Mutter darf es nie erfahren. Sie würde es nicht verstehen.«

Madelaine wollte sich erheben, doch sie stieß gegen die niedrige Decke der oberen Pritsche. Ihr kam es vor, als ob das Schiff zu schlingern beginnen würde. Selbst das monotone Stampfen schien einem malmenden Brausen zu weichen. Die Frauen starrten alle in eine Richtung. Die Gebärende hatte aufgehört zu atmen. Sie war tot, und ihr Kind starb in diesen Sekunden in ihrem Leib.

Kapitel 3

Als Kapitän Pilar die Kommandobrücke betrat, war er froh, sein Schiff frei von den heimtückischen Nebelbänken zu wissen, für die der Ärmelkanal berüchtigt war. Doch ein Blick auf das Barometer verhieß Sturm. Und gegen Mittag bereits schwoll der Wind, der vom Atlantik aus blies, so stark an, dass Pilar befahl, die Maschinen zu drosseln. Die Fahrt wird schwierig werden, dachte er verärgert. Regen hatte eingesetzt. Pilar warf sich seinen Mantel über und ging nach draußen an die Reling. Besorgt sah er nach achtern. Die rasch zunehmende Windstärke verursachte eine stürmisch nachlaufende See, die fast schon die Höhe der Heckreling erreichte. Zurück auf der Kommandobrücke, zündete er sich seine Pfeife an, schob sie sich nach einigen schmatzenden Zügen in den rechten Mundwinkel, kaute am Stiel und hoffte das Beste.

Madelaine und die übrigen Passagiere des Zwischendecks konnten nichts sehen, da die Luken mit Brettern zugenagelt waren. Die wenigen Laternen, die einen schwachen Schimmer verbreiteten, schwankten heftig gegen die Holzpfosten. Einige Frauen hatten die Tote in ihre Decke eingenäht. Da die Leiche von der Pritsche zu fallen drohte, banden sie sie mit Schnüren am Brettergestell fest. Keine von ihnen wagte einem der Matrosen zu sagen, dass jemand von ihnen gestorben sei. Eine merkwürdige Scheu hielt sie davon ab, eine soeben Verstorbene in die kalte Einsamkeit des Ozeans zu werfen.

Das Schlingern des Schiffs nahm zu. Wer auf den Pritschen lag, rollte immer stärker hin und her. Gleichzeitig hob und senkte sich der Bug des Schiffs beängstigend. Wer stand, musste sich mit beiden Händen festhalten, weil der Boden unter den Füßen schwankte, als wäre er ein Brett auf einer Kugel. Plötzlich kam es Madelaine so vor, als schlügen Wellen auf das Oberdeck.

»Mutter, wir müssen nach oben!«, rief sie.

Auch die anderen Frauen drängten jetzt zur Tür, sich an den Wänden des schmalen Gangs abstützend, mal links, mal rechts, wie Betrunkene. Während das Schiff von Minute zu Minute stärker schlingerte, erreichten sie die Holztreppe, die nach oben führte. Von den Männern des Zwischendecks waren bereits etliche in die große Eingangshalle gestürmt, aus der die Matrosen sie schimpfend zurückzudrängen versuchten. Auch in dieser Notsituation galt es zunächst, den Passagieren der ersten Klasse zu helfen. Doch die wütenden Männer benutzten bereits ihre Fäuste und schlugen schließlich so heftig auf die Matrosen ein, dass diese die Flucht ergriffen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2022
ISBN (eBook)
9783966557764
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (April)
Schlagworte
Historischer Roman Frauensaga Liebesroman Riga Ungarn 20. Jahrhundert Lena Johannson Maria Nikolai Neuerscheinung eBook
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Titel: Das Schokoladenmädchen