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Die Kendricks: Das Leuchten der Träume

Roman - Die große Familiensaga, Band 2 | Das bewegende Südstaatenepos endlich auch im eBook!

©2023 726 Seiten
Reihe: Die Kendricks, Band 2

Zusammenfassung

Der Glanz eines neuen Morgens: Die dramatische Familiensaga »Die Kendricks: Das Leuchten der Träume« von Lonnie Coleman jetzt als eBook bei dotbooks.

Die wogenden Baumwollfelder von Savannah, Mitte des 19. Jahrhunderts: Als Herrin der prachtvollen Plantage »Beulah Land« kämpft Sarah Kendrick Tag für Tag darum, ihren Familiensitz in eine sichere Zukunft zu führen. Doch der tobende Bürgerkrieg hat mittlerweile das ganze Land erfasst – und macht auch vor ihrer Heimat nicht Halt: Als ein Trupp selbsterklärter Freiheitskämpfer in die Ländereien einfällt und von den stolzen Herrenhäusern nur noch rauchende Trümmer zurücklässt, gerät Sarahs eiserne Zuversicht ins Wanken. Bis das Schicksal Sarah in der Stunde der größten Not mit einem unerwarteten Besucher zusammenführt – und sie daran erinnert, dass die Bewohner von »Beulah Land« nur gemeinsam den Stürmen des Lebens trotzen können …

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die mitreißende Südstaaten-Saga »Die Kendricks: Das Leuchten der Träume« von Bestseller-Autor Lonnie Coleman wird alle LeserInnen von Tara Haigh und Catherine Tarley begeistern – für die Fans von »Vom Winde verweht«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Die wogenden Baumwollfelder von Savannah, Mitte des 19. Jahrhunderts: Als Herrin der prachtvollen Plantage »Beulah Land« kämpft Sarah Kendrick Tag für Tag darum, ihren Familiensitz in eine sichere Zukunft zu führen. Doch der tobende Bürgerkrieg hat mittlerweile das ganze Land erfasst – und macht auch vor ihrer Heimat nicht Halt: Als ein Trupp selbsterklärter Freiheitskämpfer in die Ländereien einfällt und von den stolzen Herrenhäusern nur noch rauchende Trümmer zurücklässt, gerät Sarahs eiserne Zuversicht ins Wanken. Bis das Schicksal Sarah in der Stunde der größten Not mit einem unerwarteten Besucher zusammenführt – und sie daran erinnert, dass die Bewohner von »Beulah Land« nur gemeinsam den Stürmen des Lebens trotzen können …

Über den Autor:

Lonnie Coleman (1920–1982) wurde in Georgia geboren und verbrachte seine Jugend im amerikanischen Süden. Während des Zweiten Weltkriegs diente er bei der US-Marine. Er schrieb zahlreiche Romane und Theaterstücke. Seine große Familiensaga rund um die Kendricks wurde weltweit gefeiert und machte ihn international berühmt.

Bei dotbooks veröffentlichte der Autor seine große Südstaatensaga um die Familie Kendrick mit den Bänden »Die Kendricks: Die Stimme der Hoffnung«, »Die Kendricks: Das Leuchten der Träume« und »Die Kendricks: Die Erben des Südens«.

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eBook-Neuausgabe März 2023

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1977 unter dem Originaltitel »Look Away, Beulah Land« bei Doubleday, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1977 unter dem Titel »Ein Blatt im Wind« bei Droemer Knaur.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1977 by Lonnie Coleman

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1977 Droemer Knaur Verlag Schoeller & Co., Ascona

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/PRILL, Kateryna Spot

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-562-0

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Lonnie Coleman

Die Kendricks:
Das Leuchten der Träume

Roman – Die große Familiensaga

Aus dem Amerikanischen von Margarete Längsfeld

dotbooks.

Erster Teil

1864/1865

»Die Hölle ist leer, und alle Teufel sind hier.«

Shakespeare, Der Sturm

Kapitel 1

Ein vorüberkommender Fremder wäre wohl stehengeblieben und hätte sich oder seinen Begleiter gefragt: »Was ist das dort für ein Besitz? Wer wohnt da?«

Von der Landstraße kam man auf einem schmalen Fahrweg durch einen Obstgarten zu der Allee aus Eichen und Zedern, welche bei dem grauen, säulengeschmückten Haus endete, dem Herzen der Plantage Beulah Land. Von weitem sah das Gebäude noch fast so aus wie früher. Schön war es nie gewesen, höchstens in den Augen derer, die es liebten, aber selbst die vier Kriegsjahre hatten ihm nichts von seinem autoritären Flair nehmen können. Das graue Äußere wurde einst regelmäßig gestrichen. Jetzt fehlte es an Farbe und den nötigen Händen, um sie aufzutragen, und der graue Anstrich war den gleißenden Sommern und den naßkalten Wintern Georgias ausgesetzt.

Die Feldsklaven machten den Anfang. Nachts gingen sie davon, um irgendeinen Hafen zu finden; denn sie hatten gehört, daß in jedem Hafen Schiffe lägen, mit Gold beladen, das sie sich nur zu holen brauchten. Aus der Sklaverei würden sie unmittelbar in den Himmel auf Erden treten, voller Müßiggang und Reichtum. Solche Geschichten kursierten in unzähligen Variationen, aber im Grunde besagten sie alle dasselbe.

Als die ersten weggingen, hatte Edna Davis, die achtzigjährige Herrin der benachbarten Plantage Oaks, zu Sarah Kendrick gesagt: »Das sind ja bloß die Feldarbeiter; sie hängen nicht so an uns wie unsere Hausbediensteten ...« Aber auch die Haussklaven schlichen sich allmählich davon, hier eine Frau, die ihrem zu Straßen- oder Hafenarbeiten in Savannah abberufenen Mann folgte, dort eine ungeduldige Magd oder ein Gärtner in der Hoffnung auf die seidenen Kleider und die goldenen Uhren, welche die Gerüchte versprachen. Sarah bemerkte die Veränderung, die mit ihrer Welt vor sich ging, und sie wußte, daß sich noch mehr ändern würde. Deshalb verließ sie Beulah Land nur ungern, nicht einmal für nur eine Stunde, aber an dem Nachmittag, als sie erfuhr, daß Edna krank war, ging sie sofort nach Oaks hinüber. Ihr Weg führte hinten durch den Wald und kreuzte eine Ecke jener Farm, welche die beiden Plantagen voneinander trennte.

Auf Oaks marschierte sie, ohne nach ihrer Tochter Rachel noch nach ihrer Enkelin Jane zu fragen, durch das Haus geradewegs zu Ednas Zimmer.

»Was fehlt dir?« fragte sie, als Edna die Augen aufschlug und sie neben dem Bett stehen sah. Obwohl sie dreißig Jahre jünger als Edna war, kannte Sarah ihrer Freundin gegenüber keine Förmlichkeiten.

»Bin eben alt und verbraucht.«

»Die anderen haben gesagt, es ist Rheuma.«

»Es beruhigt sie, wenn ich ihnen so was sage«, meinte Edna. »Ich möchte sterben, bevor Sherman hierherkommt. Ist das nicht eine gute Idee?« Sarah registrierte erleichtert, daß Edna nicht ernstlich krank war. »Du hast schon bessere gehabt.«

»Er wird bald hier sein, nachdem er jetzt Atlanta genommen hat.«

»Woher willst du wissen, daß Atlanta ihn nicht eine Zeitlang beschäftigt?« Edna stöhnte. »Die Hälfte unserer Offiziere soll betrunken sein.«

»Es wird eine Menge geredet. Wenn es darum geht, schlechte Nachrichten in die Welt zu setzen, sind die Leute sich schnell einig. Wenn er kommt, zieht er vielleicht zehn Meilen von uns entfernt vorbei. Dann wärst du umsonst gestorben, wo wir dich alle so brauchen.«

»Mich braucht niemand. Die Ernte ist so kümmerlich, daß ich sie mit meinen zwei Händen einbringen könnte. Das meiste Vieh ist verkauft oder hergegeben. Nein, Madam, es gibt nichts mehr zu tun, außer auf Mr. Sherman zu warten, und das will ich nicht. Mir wäre lieber, jemand würde mich nach draußen bringen und erschießen. Ich komme mir vor wie ein altes Maultier, das an den Pfahl gespannt ist, um den Mahlstein für das Zuckerrohr zu drehen. Es läuft immer im Kreis herum, ohne zu denken. Mehr ist von meinem Leben nicht geblieben.«

»Möchtest du dich aufsetzen, wenn ich noch ein paar Kissen hole?«

»Nein.«

Sarah schaute sich verärgert im Zimmer um. »Wo sind die anderen alle?«

»Ich sagte, sie sollten mich allein lassen. Doreen zappelt doch bloß herum, wenn sie nicht draußen ist. Sie wird wohl bei ihren Hühnern sein oder mit ihrem Vater in der Gegend herumspazieren, oder sie reitet auf Pharao aus.«

»Benjamin wird sicher bei ihr sein. Für ihn ist Doreen mehr die Mutter als Rachel.«

»Sie beschäftigt sich auch mehr mit ihm. Das Kreuz mit Rachel ist, daß sie James auch nicht mal eine Minute lang vergißt. Sie will nicht begreifen, daß Beschäftigung das beste Mittel ist.«

»Ich werde nochmal mit ihr sprechen«, sagte Sarah. »Vielleicht kann ich sie dazu überreden, für einen Tag zu mir hinüber zu kommen.«

»Das wird sie nicht tun. Sie hat Angst, nicht da zu sein, wenn James plötzlich heimkommt.«

»Wo ist meine Jane?«

»Sie war hier, aber ich hab’ sie hinausgeschickt. Sie hat mich nervös gemacht.«

»Wenigstens ein Dienstmädchen sollte hier bei dir sitzen, falls du irgendwas brauchst.«

»Wir haben ja kaum genug Leute für die Arbeit. Ich will keine alte Oma, die mich mit gefalteten Händen beobachtet und hofft, daß ich sterbe, bloß damit sie allen erzählen kann, daß sie mir dabei zugeguckt hat.«

Sarah lächelte zaghaft. »Du hörst dich nicht gerade wie eine Sterbende an.«

Edna sah sie herausfordernd an. »Wie viele Hausbedienstete hast du noch?«

Sarah überlegte, bevor sie antwortete: »Mehr als ich durchfüttern kann.«

Edna nickte. »Die hierbleiben, sind zu alt zum Arbeiten, und sie wissen auch genau, daß niemand sie zurückholt, wenn sie weglaufen.«

Sie schwiegen kurze Zeit, bis Sarah sagte: »Tut’s dir irgendwo weh?«

»Nein«, sagte Edna.

Sarah zog sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich. Als sie Edna wieder ansah, waren deren Augen geschlossen, und die runzligen Wangen waren naß von Tränen. Sarah ergriff ihre Hand und hielt sie fest, bis Edna eingeschlafen war.

Kapitel 2

Es dämmerte, als Sarah nach ihrem Besuch bei Edna den Waldweg verließ und querfeldein auf das große Haus zuging. Die Szenerie war ihr zu jeder Jahreszeit und zu jeder Stunde bei Tag und Nacht vertraut. Früher hatte sie die Dämmerung am liebsten, um auszuruhen und sich ein bißchen umzuschauen. Nach getaner Arbeit änderte sich der Pulsschlag der Plantage, die Nacht brach herein, und man zog sich in die schützende Behaglichkeit des Hauses zurück. Die Leute erzählten sich die Neuigkeiten des Tages. Drinnen und draußen wurden Feuer angezündet. Vereinzelte Hunde trotteten herum und inspizierten neugierig ein letztes Mal das Gelände, oder sie standen beieinander und bellten aus purem Übermut herausfordernd in die Dunkelheit. Eine Kuh muhte klagend, ein Maultier schrie und verstummte. Ein helles fröhliches Lachen durchdrang einen Moment lang die Luft und erstarb. Überall roch es nach Essen.

Doch heute war der Schauplatz ruhiger. Weniger Kamine rauchten, denn viele Hütten standen leer, wie auch die meisten Schlafzimmer im Haupthaus jetzt unbenutzt waren. Einst waren sie dutzendweise von Familienmitgliedern und zu Besuch weilenden Freunden belegt, und jeder wollte die Möbel auf seine besondere Art gestellt und die Fenster anders geöffnet haben; aber jetzt stiegen nur noch Sarah und Tante Nell abends mit Kerzen die Treppe hinauf.

Die Plantage war bewirtschaftet, seit Leon Kendricks Großvater sich 1783 auf Beulah Land niedergelassen hatte, und noch immer kam es vor, daß hin und wieder ein Pflug Pfeilspitzen und Scherben von indianischer Keramik zutage förderte. Kendrick hatte ein Haus mit separaten Wirtschaftsräumen an der Rückseite gebaut, aber als das Gebäude später vergrößert wurde, hatte man die beiden Teile durch einen überdachten Gang miteinander verbunden. Obwohl Hunderte von Sklaven und Aufsehern auf Beulah Land ihr Leben beendet hatten, gab es auf den sechzehnhundert Morgen nur ein einziges Grab. Dieses enthielt die Überreste von Ezra, der als Sklave geboren und als freier Mann gestorben war. Manche Leute behaupteten, Ezra und seine Familie hätten für die Kendricks mehr bedeutet als ihre eigenen Angehörigen. Ezra war Schmied, aber er hatte sich häufig auch bei Mensch und Tier als Arzt bewährt. Seine Frau Lovey war Hausverwalterin auf Beulah Land. Leons Mutter Deborah hatte sie für diese Arbeit ausgewählt, als sie selbst eine junge Braut und Lovey beinahe noch ein Kind war. Nun war Deborah schon lange tot und Lovey mit vierundachtzig Jahren fast blind. Ihre Tochter Pauline war mit Deborahs Tochter Selma befreundet, und ihr Sohn Floyd war der beste Freund von Leon, Sarahs Mann. Floyd war es dann auch, der ihn im Stall fand und abschnitt, als Leon sich dort zu Beginn des Krieges erhängt hatte.

Sarah ging an den Hütten vorbei und trat gerade in den dunklen Schatten der Bäume neben dem Haus, als sie eine Gestalt auf Ezras Grabstein sitzen sah. »Lovey?« rief sie. Die Gestalt richtete sich auf und wandte den Kopf.

»Bist du’s, Lovey?«

»Wer sonst?« antwortete die alte Frau.

»Ich hab’ dich nicht erkannt. Es wird schon dunkel.«

»Für mich gibt es da kaum einen Unterschied«, sagte Lovey ohne Selbstmitleid.

»Es ist kühl heute abend.«

»Ich spür’ nichts davon«, sagte Lovey.

»Komm mit in die Küche! Lotus macht das Abendessen. Riechst du’s nicht? Du kannst dich reinsetzen und einen Kaffee trinken.«

Die alte Frau schob verächtlich die Lippen vor. »Kaffee aus Erdnüssen! Ich habe nie gedacht, daß ich erlebe, wie ...«

»Immerhin ist er heiß und süß.«

Sie gingen zusammen hinein. Lotus war eine kräftige Frau Mitte Dreißig. Mit ihrem Zwillingsbruder Otis hatte sie zu den ersten Schülern jener Schule gehört, die Sarah leitete, bis Deborah starb und sie Herrin von Beulah Land wurde.

»Was kochst du da?« fragte Sarah. »Es riecht ja meilenweit.«

»Geschmortes Kaninchen mit Zwiebeln. Otis hat zwei mit seiner Falle erwischt. So ein Glück, was?«

»Bedanke dich für mich bei ihm«, sagte Sarah, zog einen Stuhl für Lovey an den Herd und wollte sie hinführen.

Lovey stieß sie aber weg und fand den Weg allein. »Du brauchst mich nicht wie ein Kind zu behandeln«, murrte sie.

»Floyd wartet im Büro«, sagte Lotus.

Sarah warf ihr einen überraschten Blick zu. Floyd kam doch täglich um diese Zeit ins Büro, um die Arbeit des zu Ende gehenden und die Pläne des folgenden Tages zu besprechen. Sie freute sich auf diese Stunde, während der sie ohne jede Angst, falsch verstanden zu werden, ungezwungen und ehrlich denken und reden konnte.

Durch den überdachten Gang gelangte sie in die große Halle, welche sich über die gesamte Länge des Hauses erstreckte. Bevor sie das Büro betrat, glaubte sie, aus dem Salon Stimmen zu hören, und sie blieb stehen. Als sie dann hineinging, fand sie nur Nell, die sich in einem niedrigen Schaukelstuhl wiegte, wobei ihre Füße jedesmal in der Luft hingen, wenn der Stuhl nach hinten kippte.

»Ich dachte, ich habe jemanden sprechen gehört«, sagte Sarah.

»Ich hab’ gesungen. Ich war so allein.«

»Ich bin drüben auf Oaks gewesen«, sagte Sarah. »Edna liegt im Bett.«

»Was fehlt ihr?«

»Sie sagt, sie sei alt und verbraucht.«

»Blödsinn«, sagte Nell. »Sie ist nur zwei Jahre älter als ich, und ich bin nicht verbraucht. Vielleicht hat sie nur eine Schwefelkur nötig.«

»Sie sagt, sie möchte sterben, bevor Sherman herkommt.«

»Ich nicht«, antwortete Nell. »Wenn er kommt, erwarte ich ihn an der Tür und verpasse ihm eine Ohrfeige. Lotus kocht Kaninchenfleisch. So einen guten Eintopf mit viel Zwiebeln und Salbei hab’ ich gern.«

»Ich möchte vor dem Abendessen noch mit Floyd reden. Lotus tat so, als wäre etwas Besonderes ...«

»O ja!« Nell hörte mit dem Schaukeln auf und kicherte.

»Was?«

»Manchmal siehst du nicht mal, was direkt vor deiner Nase passiert!«

»Gut, nachdem anscheinend alle außer mir Bescheid wissen, will ich es jetzt auch herauskriegen«, sagte Sarah freundlich.

Floyd blickte auf, als sie ins Büro kam; dann heftete er seine Augen wieder auf das flach aufgeschlagene Hauptbuch vor sich auf dem Tisch. »Hier waren wir stehengeblieben«, sagte er und wies mit dem Zeigefinger auf eine Zahlenreihe. Sarah schaute ihm über die Schulter, und nachdem sie seine Erläuterungen angehört hatte, nahm sie neben dem Tisch Platz.

»Die Verhältnisse sind so schlecht; ich habe längst aufgehört, mich darüber aufzuregen.«

»Es wird noch schlimmer werden, bevor es wieder aufwärtsgeht.«

»Wird es denn jemals wieder aufwärtsgehen?«

»Aber ja.« Floyd war der einzige schwarze Aufseher weit und breit. Sie hatten mehr als ihr halbes Leben lang zusammengearbeitet. Sie hatten jeden Verdruß geteilt, und sie vertrauten einander. Wenn sie beisammen waren, dachten sie nahezu das gleiche, weil sie beide dasselbe für Beulah Land empfanden. Es war seine Heimat ebenso wie ihre, und er lebte schon länger dort als sie, wie er ihr einmal erklärt hatte. Mit achtundfünfzig Jahren war Floyd noch ein kräftiger Mann, doch sein kurzgeschnittenes Haar war schon mehr grau als schwarz, und tiefe Falten durchzogen Gesicht und Nacken. Er und Sarah sahen sich so regelmäßig, daß sie sich nur selten genauer betrachteten; aber als sie ihn heute forschend ansah, merkte sie, daß er alt wurde. Das erinnerte sie an ihr eigenes Alter, und sie mußte lachen. Floyd schrieb gerade etwas in das Hauptbuch. Ohne die Augen zu heben, fragte er: »Was ist?«

»Ich habe weiß Gott keinen Grund zu lachen. Mir fiel nur gerade ein, daß ich dreiundfünfzig bin.«

»Wirklich?« sagte er freundlich, als habe sie von einer unwichtigen, alltäglichen Angelegenheit gesprochen.

»Das weißt du doch genau.«

»Ich denke nie darüber nach.«

»Ich auch nicht«, sagte sie. »Deshalb kommt es mir ja so merkwürdig vor, wenn es mir wirklich mal einfällt. Ich fühle mich kein bißchen anders als vor dreißig Jahren.«

»Dann sollten Sie aber bald damit anfangen«, sagte er mit wohlwollender Ironie. »Es gibt eine Menge zu überlegen.«

»Aber nicht viel zu tun«, sagte Sarah. »Wir können nur versuchen durchzuhalten, bis sich irgend etwas ändert.«

»Das ist nicht so einfach.«

»Wenn uns bloß alle unsere Leute über den Winter bleiben und wir den Mais aussäen können.«

»Ich hetze sie so schnell von den Feldern zur Sägemühle und an die Entkernungsmaschine für die Baumwolle, daß sie überhaupt nicht dazu kommen, ans Weglaufen zu denken. Sie sind zu müde dazu.«

»Guter Gott«, sagte Sarah. »Ich habe immer gedacht, eines Tages würde alles in Ordnung kommen.«

»Es ist doch auch lange alles gutgegangen.«

»Es kommt mir so vor, als wäre alles, was ich tue, nicht mehr wichtig.« Dann erzählte sie ihm von ihrem Besuch bei Edna am Nachmittag und schloß mit den Worten: »Die einzigen Alten, die noch leben, sind Edna und deine Mutter und Tante Nell. Wenn sie nicht mehr sind, bilden wir die ältere Generation. Floyd, ich kann das einfach nicht glauben! Ich kann doch jetzt noch nicht alt sein!«

Floyds Lächeln war nicht ganz echt. »Vielleicht habe ich deshalb beschlossen zu heiraten.«

Sarah hörte es zwar, aber sie konnte es nicht gleich begreifen. »Was hast du beschlossen?«

Floyd sah auf die aufgeschlagenen Seiten, seufzte und schloß das Buch. »Ich werde Lotus morgen früh heiraten, bevor ich zur Sägemühle gehe.«

Sarah sah ihn an und merkte, daß es ihm ernst war. »Lotus tat schon so, als ob du irgendwas auf dem Herzen hättest. Warum, ich meine, warum Lotus, nach all diesen Jahren?«

»Sie bekommt ein Kind. Es ist meins, und ich möchte es haben.«

Sarah hielt den Kopf so steif, daß er zu zittern anfing. »Sie bekommt ihre Freiheitsurkunde von mir – aber da ist mir Mr. Lincoln schon zuvorgekommen, nicht?«

Jetzt war es an ihm, sie forschend zu betrachten, und als sie es merkte, vermied sie es, ihm in die Augen zu sehen. »Nun gut! Das wäre also entschieden. Darauf können wir uns alle freuen, egal, was sonst geschieht.« Sie schwieg, unfähig, noch etwas zu sagen. Als sie ihn ansah, betrachtete er sie noch immer.

»Wie denken Sie wirklich darüber?« fragte er.

Ein langes Schweigen lastete auf ihnen, bevor sie antwortete: »Ich wollte, es wäre mein Kind.«

Seine Züge entspannten sich. Er lächelte, und dann lachte er. »Immer haben Sie die Kinder von anderen angenommen!«

»Nur die von Leon.« Jetzt lachte sie auch. »Du tust so, als wäre ich eine Henne, die das Nest einer anderen klaut und deren Eier ausbrütet. O ja, was wäre mir nicht alles entgangen, wenn ich Roman und Rachel nicht aufgezogen hätte.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2023
ISBN (eBook)
9783986905620
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (März)
Schlagworte
Landschaftsroman Südstaaten-Saga Frauensaga Vom Winde verweht Catherine Tarley Linda Belago Tara Haigh Historischer Liebesroman Neuerscheinung eBooks
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Titel: Die Kendricks: Das Leuchten der Träume