Lade Inhalt...

Highland Brothers - Stürmische Leidenschaft

Die Saga in einem Book: »Das Schicksal des Highlanders«, »Die Lust des Highlanders« und »Das Schwert des Highlanders«

©2022 1182 Seiten

Zusammenfassung

Ist Ehre wichtiger als Liebe? Der Romantik-Sammelband »Highland Brothers – Stürmische Leidenschaft« von Hannah Howell jetzt als eBook bei dotbooks.

Die rauen schottischen Highlands im 15. Jahrhundert: Seit Generationen schwelt die Fehde zwischen den Clans der Murrays und der Beatons – und so ist der stolze Balfour Murray entsetzt, dass seine Geliebte eine Spionin der Feinde sein soll. Oder verbirgt Maldie ein ganz anderes Geheimnis vor ihm? Balfours Bruder muss indes das Land seiner Väter verlassen – und begegnet in Frankreich der betörenden Gisèle, die auf der Flucht vor den Schatten ihrer Vergangenheit ist. Wird es ihm gelingen, sie zu retten? Und auch der jüngste Murray-Bruder Eric muss lernen, dass Liebe und Gefahr oft untrennbar miteinander verbunden sind – denn welches Band besteht zwischen der schönen Unbekannten, die sein Herz erobert hat, und dem Clan der Beatons?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Romance-Sammelband »Highland Brothers – Stürmische Leidenschaft« von New-York-Times-Bestsellerautorin Hannah Howell vereint die historischen Liebesromane »Das Schicksal des Highlanders«, »Die Lust des Highlanders« und »Das Schwert des Highlanders«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


DAS SCHICKSAL DES HIGHLANDERS

Aus dem Englischen von Angela Schumitz

Er liebt sie über alles, aber kann er ihr trauen?

Schottland im Jahre 1430. Seit langer Zeit schwelt der Konflikt zwischen den Highland-Familien der Murrays und Beatons – doch nun kommt es zum offenen Kampf! Als sein Bruder schwer verletzt wird, ist Balfour Murray verzweifelt. Kann die ebenso schöne wie geheimnisvolle Maldie Kirkcaldy ihn retten? Schon bald entbrennt zwischen dem Lord und der Heilerin eine ungeahnte Leidenschaft… aber dann fällt ein dunkler Verdacht wie ein Schatten auf ihr Glück: Ist Maldie eine Spionin der Beatons? Als sie von der Burg der Murrays flieht, ist Balfour von ihrer Schuld überzeugt – und ahnt nicht, dass Maldie bereit ist, alles zu riskieren, um ihre Unschuld zu beweisen und ihre Liebe zu retten…

Kapitel 1

Schottland, Frühjahr 1430

»Der junge Eric ist weg.«

Balfour Murray, Laird von Donncoill, blickte stirnrunzelnd von seinem üppigen Wildeintopf auf. Vor ihm stand der gedrungene Wachhauptmann James, schmutzig, erschöpft und blass vor Sorge. James war an und für sich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Balfour wurde flau im Magen, sein Appetit war wie weggeblasen.

»Was meinst du damit – weg?«, fragte er und spülte den Mund mit einem kräftigen Schluck Rotwein.

James schluckte und trat von einem Bein aufs andere. Die frischen Binsen, die heute auf den Boden des großen Saals gestreut worden waren, raschelten leise. »Der Junge ist entführt worden«, gestand er und betrachtete den großen, dunklen Laird von Donncoill mit einer Mischung aus Beschämung und Wachsamkeit. »Wir waren auf der Jagd, als fast ein Dutzend Männer uns umzingelte. Colin und Thomas wurden niedergemacht, Gott schenke ihren tapferen Seelen Ruhe; aber sie nahmen doppelt so viele Männer mit, bevor sie zu Boden gingen. Als sich eine Bresche zwischen unseren Feinden auftat, sagte ich Eric, er solle fliehen. Wir galoppierten los, doch sein Pferd strauchelte. Bevor ich ihm zu Hilfe eilen konnte, hatten sie ihn schon erwischt. Sie machten sich zusammen mit ihm aus dem Staub. An mir waren sie nicht weiter interessiert, deshalb bin ich gleich zurückgekehrt.«

»Woher kamen die Männer?«, fragte Balfour, nachdem er einem jungen Pagen befohlen hatte, seinen Bruder Nigel zu holen.

»Es waren Beatons Leute.«

Dass Sir William Beaton wieder einmal Ärger machte, verwunderte Balfour nicht weiter, denn der Laird von Dubhlinn reizte die Murrays schon seit vielen Jahren. Doch dass er Eric entführt hatte, war ein Schock. Eric entstammte einer Liaison zwischen ihrem Vater und einer von Beatons verstorbenen Gemahlinnen. Der Mann hatte das Neugeborene kaltherzig auf einem Hügel ausgesetzt, wo es gewiss gestorben wäre, wenn nicht James auf dem Heimweg von der Jagd zufällig vorbeigekommen wäre. Der winzige Eric war in ein Tuch mit den Farben der Beatons gewickelt gewesen, und sein Vater hatte bald herausgefunden, wer dieses Kind war. Die Murrays waren entsetzt, dass Beaton ein hilfloses Kind zum Sterben ausgesetzt hatte, noch dazu einen kleinen Murray. Das erzürnte sie zutiefst. Die Beatons waren ihnen zwar immer ein Dorn im Auge gewesen, doch von da an wurden sie zu richtigen Feinden. Balfour wusste, wie sehr sein Vater Beaton hasste, und dieser Hass war bei dem plötzlichen und sehr merkwürdigen Tod von Erics Mutter, der Frau, die er geliebt hatte, noch gewachsen. Es war zu einer blutigen, erbitterten Fehde gekommen. Nach dem Tod des Vaters hatte Balfour gehofft, dass endlich Frieden einkehren würde. Doch nun war klar, dass dem Laird von Dubhlinn nicht an Frieden gelegen war.

»Was will Beaton von Eric?«, fragte Balfour erregt. Er packte seinen schweren Silberkelch so fest, dass dessen reiche Verzierungen in seine Handfläche schnitten. »Glaubst du, dass er den Jungen töten will? Dass er vollenden will, was er vor vielen Jahren schon einmal versucht hat?«

»Nein«, erwiderte James, nachdem er eine Weile nachdenklich die Stirn gerunzelt hatte. »Wenn Beaton den Jungen hätte töten wollen, dann hätte er seinen Leuten befohlen, ihm an Ort und Stelle den Garaus zu machen. Er hat die Sache gründlich geplant. Es war keine zufällige Begegnung, bei der den Beatons plötzlich einfiel, dass die Zeit günstig sei, unsere Zahl zu dezimieren. Diese Männer haben uns aufgelauert, uns und vor allem Eric.«

»Das heißt, dass wir gefährlich sorglos geworden sind. Ah, Nigel«, rief Balfour, als sein jüngerer Bruder in den großen Saal schlenderte. »Gut, dass man dich so rasch gefunden hat.«

»Der Bursche, den du nach mir geschickt hast, plapperte etwas davon, dass Eric entführt worden sei?« Nigel ließ sich auf die Bank neben Balfour nieder und schenkte sich Wein ein.

Balfour fragte sich, wie Nigel nur so ruhig sein konnte. Doch dann sah er, dass sein Bruder den Kelch genauso fest umklammerte wie er selbst und dass das Blut aus seinen Knöcheln wich. In Nigels bernsteingelben Augen lag ein harter Blick, der sie verdüsterte, bis sie fast ebenso dunkel waren wie seine eigenen. Balfour glaubte nicht, dass er jemals aufhören würde zu staunen, wie gut sein Bruder starke Gefühle beherrschen konnte. Lakonisch berichtete er ihm das Wenige, was er erfahren hatte. Dann wartete er ungeduldig, dass Nigel aufhörte, an seinem Wein zu nippen, und endlich den Mund aufmachte.

»Beaton braucht einen Sohn«, meinte Nigel endlich. Die Kälte in seiner Stimme war der einzige Hinweis auf seine Wut.

»Er hat Eric vor langer Zeit ausgesetzt«, wandte Balfour ein und bedeutete James, sich zu ihnen zu setzen.

»Stimmt. Aber damals dachte er bestimmt, er habe noch viel Zeit, einen Sohn zu zeugen. Doch das hat er nie geschafft. In Schottland wimmelt es von seinen Töchtern, Kinder, die ihm seine Frauen, seine Geliebten, seine Huren und arme, unwillige junge Mädchen geboren haben, die das Pech hatten, in seine Reichweite zu gelangen.«

James nickte langsam und fuhr sich nachdenklich durch sein bereits ergrauendes schwarzes Haar. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass es um die Gesundheit des Mannes nicht allzu gut bestellt ist.«

»Der Mann klopft an die Tür des Todes!«, entgegnete Nigel gedehnt. »Seine Verwandten, seine Feinde und seine nächsten Nachbarn rücken ihm auf den Pelz. Bislang hat er noch niemanden zu seinem Erben bestimmt. Wahrscheinlich hat er davor Angst, denn dieser Mann würde seinen Tod bestimmt beschleunigen. Die Wölfe heulen vor seinen Toren, und er versucht mit aller Macht, sie draußen zu halten.«

»Als er Eric seinem traurigen Schicksal auf dem Hügel überließ, gab er aller Welt zu verstehen, dass er nicht glaubte, das Kind sei von ihm«, meinte Balfour.

»Eric ähnelt seiner Mutter mehr als seinem Vater. Beaton könnte Anspruch auf ihn erheben. Ihm würden zwar nur wenige glauben, aber niemand könnte etwas dagegen tun, denn schließlich hat Beatons Gemahlin das Kind zur Welt gebracht. Mit irgendeinem Lügenmärchen über blinde Eifersucht könnte er erklären, warum er damals behauptet hat, dass unser Vater ihm Hörner aufgesetzt hätte. Der Mann neigt zu blinden Wutanfällen, das wissen alle. Vielleicht würden manche an seiner Vaterschaft zweifeln, aber keiner würde daran zweifeln, dass er so wütend werden könnte, ein Kind auszusetzen, selbst wenn es sein eigenes wäre.«

Balfour fluchte und fuhr sich mit langen Fingern durch das dichte, kastanienbraune Haar. »Dann hat der Mistkerl also vor, den jungen Eric zwischen sich und seine Feinde zu stellen.«

»Beweisen kann ich es natürlich nicht, aber ich glaube, genau darum geht es ihm.«

»Wenn ich bedenke, was ich von dem Mann weiß, was ich in letzter Zeit gehört habe und was du denkst, fallen mir keine Gegenargumente ein. Eric ist zu jung, um in diese Drachenhöhle geworfen zu werden. Vielleicht passiert ihm nichts, solange Beaton noch am Leben ist und seine Männer aus Angst loyal sind. Aber ich glaube, sobald der Laird von Dubhlinn so schwach ist, dass man sich nicht mehr vor ihm zu fürchten braucht, oder tatsächlich gestorben ist, wird Eric nicht lange überleben.«

»Nein. Wahrscheinlich wird er nicht einmal das Begräbnis des Halunken überstehen. Wir können den Jungen nicht dort lassen. Er ist ein Murray!«

»Ich denke nicht daran, ihn den Beatons zu überlassen, auch wenn er ebenso viel Anspruch auf Beatons karge Hinterlassenschaft hat wie alle anderen. Ich frage mich nur, wie viel Zeit wir haben, um ihn aus Beatons tödlicher Umklammerung zu befreien.«

»Vielleicht ein paar Tage, vielleicht auch Monate oder Jahre.«

»Oder vielleicht auch nur ein paar Stunden«, warf Balfour ein. Er verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln, als Nigel mit den Schultern zuckte und damit bedeutete, dass er derselben Meinung sei.

»Wir müssen sobald wie möglich nach Dubhlinn aufbrechen«, meinte James.

»Jawohl, wahrscheinlich hast du recht«, pflichtete Balfour ihm bei.

Fluchend trank er seinen Wein in großen Zügen, um sich ein wenig zu beruhigen. Wieder würde es zu einer Schlacht kommen. Wieder würden wackere Männer ihr Leben lassen, Frauen leiden, Kinder ihre Väter verlieren. Balfour hasste es. Vor dem Kampf hatte er keine Angst. Wenn es darum ging, sein Heim, die Kirche oder den König zu verteidigen, war er unter den Ersten, die die Rüstung anlegten. Doch die ständigen Fehden und das Blutvergießen machten ihm große Sorgen. Viele Murrays waren schon gestorben, weil sein Vater die Gemahlin eines anderen geliebt und das Lager mit ihr geteilt hatte. Nun würden weitere bei dem Versuch sterben, das Kind, das bei dieser außerehelichen Affäre entstanden war, zu retten. Obgleich Balfour seinen kleinen Bruder liebte und glaubte, der Junge verdiene es, dass man für ihn kämpfte, war es doch auch die Fortsetzung einer langen Fehde, die erst gar nicht hätte anfangen dürfen.

»Wir werden uns morgen gleich bei Tagesanbruch auf den Weg nach Dubhlinn machen«, ordnete Balfour schließlich an. »Rüste die Männer, James!«

»Wir werden gewinnen und uns den jungen Eric wiederholen«, versicherte Nigel seinem Bruder, sobald James den großen Saal verlassen hatte.

Balfour betrachtete seinen Bruder nachdenklich und fragte sich, ob Nigels Optimismus echt war. In manchem waren sie sich sehr ähnlich, in manch anderem aber so unähnlich, dass er immer wieder staunte. Nigel war viel heiterer und sein Teint viel heller. Balfour hatte sich nie darüber gewundert, dass Nigel bei den Ladies viel mehr Erfolg hatte, denn Nigel war wortgewandt und charmant, was ihm völlig abging. Außerdem sah Nigel blendend aus. Wenn Balfour sich im Spiegel betrachtete, fragte er sich oft, wie man nur so dunkel sein konnte, angefangen von den Haaren über die Augen hin zu einem dunklen Teint. Manchmal musste er gegen den bitteren Geschmack des Neides auf seinen Bruder ankämpfen; vor allem, wenn die Damen sich wieder einmal schmachtend über das dichte, rotbraune Haar seines Bruders, seine bernsteingelben Augen und seine goldene Haut ausließen. Jetzt war er, wie so oft, versucht, sich von seinem Bruder und dessen hoffnungsvollem Blick auf die kommende Schlacht anstecken zu lassen. Doch sein Gefühl, dass sie alle geradewegs in ihren Tod marschierten und womöglich auch noch Erics Tod herbeiführen würden, wollte nicht weichen. Balfour beschloss, seine Stimmung irgendwo zwischen diesen beiden Polen anzusiedeln.

»Mit Gottes Hilfe werden wir gewinnen«, meinte er schließlich widerwillig.

»Einen unschuldigen Knaben wie Eric vor einem Mistkerl wie Beaton zu retten sollte ja wohl ein Anlass sein, den Gott wohlwollend bedenkt.« Nigel verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Allerdings hätte Gott diese Viper schon vor Jahren erschlagen müssen, wenn er tatsächlich aufpassen würde.«

»Vielleicht hat Er auch beschlossen, dass Beaton eher den langsamen, qualvollen Tod verdient, den er gerade erleidet.«

»Wir werden dafür sorgen, dass dieser Mann alleine stirbt.«

»Was du über Beatons Pläne gesagt hast, kommt mir einleuchtend vor. Aber der Mann muss vollkommen von Sinnen sein, wenn er glaubt, dass er damit Erfolg hat. Nun gut, vielleicht bringt er andere dazu zu glauben, dass Eric sein Sohn ist, oder zumindest dazu, es nicht offen anzuzweifeln. Doch bei all seinen Intrigen hat er unseren kleinen Eric nicht in Betracht gezogen. Der Junge ist zwar nicht besonders kräftig, aber er ist nicht schwach und auch nicht dumm. Beatons Plan funktioniert nur, wenn Eric mitspielt. Aber ich bin mir sicher, dass der Junge aus diesem Irrenhaus flieht, sobald der Mann in seiner Wachsamkeit nachlässt.«

»Stimmt, aber es gibt viele Möglichkeiten, ein dürres Bürschchen wie ihn festzuhalten.« Seufzend rieb sich Nigel das Kinn und kämpfte um seine Beherrschung. »Und außerdem wissen wir, dass es viele Wege gibt, Menschen zu manipulieren. Erwachsene Männer, starke, kampferprobte Ritter, sind gezwungen worden, Verbrechen zu gestehen, die sie nie begangen haben. Geständnisse wurden ihnen entlockt, die sie das Leben kosteten; sie wurden in einen Tod geschickt, der oft weder rasch noch ehrbar war. Eric ist zwar mutig und klug, aber trotzdem ist er noch sehr jung und nicht besonders kräftig.«

»Und er ist allein«, murmelte Balfour. Er musste sich beherrschen, nicht sofort nach Dubhlinn zu reiten und mit gezücktem Schwert Beatons Kopf zu fordern. »Warten wir den morgigen Tag ab. Ob wir nun gewinnen oder verlieren – zumindest wird der Junge wissen, dass er nicht alleine ist und dass sein Clan um ihn kämpft.«

Der frühe Morgen hüllte sich in einen kühlen, grauen Nebel. Balfour stand in dem Gewimmel seiner Männer auf dem Burghof und bemühte sich, den düsteren Gedanken beiseitezuschieben, dass einige nicht von dieser Schlacht zurückkehren würden. Doch selbst wenn Eric nicht von allen in Donncoill geliebt worden wäre, hätte es die Ehre geboten, ihn aus den Fängen des Feindes zu befreien.

»Komm, Bruder!«, murmelte Nigel, der mit den Pferden zu Balfour trat. »Du musst wirken, als dürstetest du nach Beatons Blut und als hegtest du keinerlei Zweifel an unserem Sieg!«

Gedankenverloren tätschelte Balfour den muskulösen Hals seines Schlachtrosses. »Ich weiß. Du wirst mich nicht mehr wanken sehen, sobald wir im Sattel sitzen. Ich hatte nur inständig gehofft, uns wären jetzt friedlichere Zeiten vergönnt, Zeiten, um alte Wunden endlich heilen zu lassen, zu Kräften zu kommen und unser Land zu bearbeiten. Unser Boden ist gut, aber wir hatten nie Zeit, die volle Ernte einzubringen. Entweder mussten wir das Land vernachlässigen, um in den Kampf zu ziehen, oder unsere Feinde zerstörten, was wir angebaut hatten, und wir mussten wieder von vorne beginnen. Ich bin einfach müde.«

»Das verstehe ich gut, auch ich fühle mich manchmal so. Doch jetzt kämpfen wir um Erics Leben, ja vielleicht sogar um seine Seele. Daran solltest du denken, und an nichts sonst.«

»Das werde ich. Schließlich ist das mehr als genug, um den Kampfgeist zu wecken, den man braucht, um Männer in die Schlacht zu führen.« Er stieg in den Sattel und hielt sein Pferd zurück, bis Nigel ebenfalls im Sattel saß. Dann führte er sein Gefolge vom Hof.

Unterwegs folgte Balfour Nigels Vorschlag und dachte nur an seinen jungen, freundlichen Bruder. Bald war er mehr als bereit, Beaton und seinen Männern mit dem Schwert entgegenzutreten. Es war wirklich allerhöchste Zeit, diesem Mann und seinen Verbrechen ein Ende zu setzen.

***

Nigel stürzte aus dem Sattel. Ein Pfeil steckte in seiner Brust, ein weiterer in seinem rechten Bein. Balfour stieß einen heftigen Fluch aus, Angst und Wut ließen seine tiefe Stimme wie Donner grollen. Er sprang vom Pferd und drängte sich durch seine wild kämpfenden Männer zu Nigel. Als er neben Nigel kauerte, ohne sich um Schutz vor dem tödlichen Pfeilregen aus Dubhlinn zu kümmern, merkte er, dass sein Bruder noch atmete.

»Gott sei Dank!«, murmelte er und bedeutete zweien seiner Männer, Nigel hochzuheben.

»Nein, wir dürfen nicht aufgeben, nur weil ich gefallen bin«, protestierte Nigel, als er ans hintere Ende des Heers gebracht wurde. »Ihr dürft diesen Schuft nicht gewinnen lassen!«

Balfour wies seine Leute an, eine Bahre für Nigel herzurichten, dann wandte er sich wieder an seinen Bruder. »Er hatte diesen Kampf schon gewonnen, bevor wir uns auf dem verdammten Schlachtfeld aufgestellt hatten. Der Mann wusste, dass wir kommen würden, um Eric zu holen, und hat sich vorbereitet.« Er packte einen bleichen Pagen und zog ihn von den anderen Jungen fort, die bei den Pferden kauerten. »Sieh zu, dass zum Rückzug gerufen wird, Junge. Wir müssen fliehen, bevor noch alle hier begraben werden.«

Nigel stieß grässliche Flüche aus, als der Junge davoneilte. »Mögen dem Schurken die Augen in den Höhlen verrotten!«

»Eine Niederlage schmeckt immer bitter«, meinte Balfour und kniete sich neben Nigel. »Aber wir können diese Schlacht nicht gewinnen; wir können hier nur sterben. Damit ist dem jungen Eric nicht gedient. Dubhlinn ist stärker, als ich es in Erinnerung hatte. Wir müssen fliehen, unsere Wunden lecken und uns etwas anderes einfallen lassen, um unseren kleinen Bruder aus Beatons Fängen zu befreien. He, ihr zwei dort drüben«, er deutete auf die größten der um ihr Leben bangenden Pagen, »kommt her und haltet Nigel fest, wenn ich ihm die Pfeile herausziehe!«

Sobald die zwei Jungen seinem Befehl gefolgt waren, machte sich Balfour ans Werk. Als er den ersten Pfeil herauszog, schrie Nigel auf und fiel in Ohnmacht. Balfour wusste, dass das seinen Bruder nicht gänzlich vor Schmerzen bewahrte, doch er entfernte auch den zweiten Pfeil so rasch wie möglich. Dann riss er sein Hemd in Streifen und verband die Wunden, auch wenn der Stoff ziemlich schmutzig war. Seine Männer hatten bereits den Rückzug angetreten, als er Nigel auf die Bahre legte. Unverzüglich folgte er ihnen.

Die Niederlage lag ihm wie ein Stein im Magen, aber er zwang sich, sie zu akzeptieren. Sobald er auf die offenen Felder, die Dubhlinn umgaben, geritten war, hatte er gespürt, dass er einen Fehler machte. Seine Männer hatten sich in den Angriff gestürzt, bevor er sie aufhalten konnte, und rasch hatte sich gezeigt, dass Beatons Abwehr stark und tödlich war. In Balfour mischten sich Wut und Schmerz über die Männer, die getötet oder verletzt worden waren, bevor er sie aus dem Gemetzel abziehen konnte. Er hoffte nur, dass seine Torheit ihm nicht allzu teuer zu stehen gekommen war. Als sie, von einer sorgfältig ausgewählten Gruppe gedeckt, nach Donncoill zurückmarschierten, betete Balfour, dass ihm etwas einfallen möge, um Eric zu befreien, ohne dass es erneut zu einem Blutvergießen kommen würde, zumindest zu keinem so heftigen wie an diesem unheilvollen Tag auf den Feldern vor Dubhlinn. Als er zu Nigel blickte, der allmählich wieder zu sich kam, betete er auch, dass der Versuch, den einen Bruder zu befreien, nicht das Leben des anderen kostete.

***

Furchterregende Kampfgeräusche störten den Frieden und die Freude an diesem ungewöhnlich warmen Frühlingsmorgen. Maldie Kirkcaldy fluchte. Sie unterbrach ihren entschlossenen Gang nach Dubhlinn, einen Gang, der vor drei langen Monaten am Grab ihrer Mutter begonnen hatte. Als der in ein Leichentuch gewickelte Körper ihrer Mutter zur letzten Ruhe gebettet wurde, hatte sie sich geschworen, den Laird von Dubhlinn teuer zahlen zu lassen für das Unrecht, das er ihnen angetan hatte. Sie hatte sich sorgfältig auf alles Mögliche vorbereitet – schlechtes Wetter, den Mangel an Obdach und Nahrung. Doch sie hatte nie an die Möglichkeit gedacht, dass ein Kampf sie auf ihrem Weg behindern könnte.

Maldie setzte sich an den Rand der zerfurchten Straße und blickte finster Richtung Dubhlinn. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie sich nicht doch näher an das Schlachtfeld wagen sollte. Schließlich könnte es von Nutzen sein zu wissen, welcher der benachbarten Clans versuchte, Beaton zu schlagen. Doch sie ließ diesen verlockenden Gedanken wieder fallen. Es war zu gefährlich, sich zu nah an eine Schlacht zu wagen, vor allem, wenn man für beide Seiten eine Unbekannte war. Selbst diejenigen, die im Gefolge ihrer Clanmitglieder kamen und bei Freund und Feind bekannt waren, riskierten in der Nähe eines Schlachtfelds ihr Leben. Doch es bestand ja immer noch die Möglichkeit, Beatons Feinde zu einem späteren Zeitpunkt zu treffen. Und dann musste sie diesen Feind nur überzeugen, dass sie eine Verbündete und obendrein sehr nützlich sei.

Gedankenverloren kritzelte Maldie mit einem Stock ein Muster auf die Erde, dann schüttelte sie den Kopf und lachte über ihre Torheit. »Jawohl, schließlich brennt ja jeder feine, schwerttragende Ritter im ganzen Land darauf, die kleine Maldie Kirkcaldy zur Waffengefährtin zu haben!«

Mit einem raschen Blick auf ihre Umgebung stellte sie fest, dass sie noch immer alleine war. Nervös fuhr sie sich durch ihr üppiges, widerspenstiges Haar. Obgleich sie klein und schlank war, hatte sie es geschafft, drei Monate lang durch unbekanntes Land zu wandern. Es wäre der reine Wahnsinn, jetzt die Vorsicht aufzugeben, die sie bislang am Leben gehalten hatte – vor allem, da sie kurz davor stand, ihren Schwur zu erfüllen. Nie zuvor war sie so lange allein gewesen, nur begleitet von ihren Rachegelüsten. Sie durfte jetzt nicht leichtsinnig werden, nein, sie musste sogar von nun an noch umsichtiger sein. Jetzt zu versagen, wo sie so kurz davor stand, die Rache zu nehmen, um die ihre Mutter sie gebeten hatte, wäre allzu bitter.

Die Kampfgeräusche verebbten. Maldie erhob sich langsam und angespannt. Ihr Instinkt sagte ihr, dass die Schlacht ihrem Ende zuging. Der Straße, auf der sie stand, war anzusehen, dass sie vor Kurzem passiert worden war. Bald würde das Heer auf dieser Straße zurückkehren, entweder ausgelassen den Sieg feiernd oder von der Niederlage bedrückt. Beides konnte gefährlich sein. Maldie klopfte den Staub aus ihren viel geflickten Röcken und zog sich in das dichte Strauchwerk und die windzerzausten Bäume am Straßenrand zurück. Sehr sicher war diese Zuflucht nicht, doch sie hoffte, dass es reichen würde. War das Heer, das hier bald vorüberziehen würde, siegreich, würden die Männer kaum auf mögliche Bedrohungen achten. Im Falle einer Niederlage würden sie nur die rückwärtige Seite decken. In beiden Fällen würde ihr nichts passieren, solange sie sich ruhig verhielt.

Nachdem sie eine Weile in den Büschen gekauert und auf die Straße gestarrt hatte, dachte sie, sie hätte sich wohl geirrt und niemand käme hier entlang. Doch dann hörte sie schwach das unverkennbare Klirren von Zaumzeug. Sie verkrampfte sich und überlegte fieberhaft, was zu tun sei, Auch wenn ihr Stolz ihr beharrlich sagte, dass sie sich so ganz allein und auf sich gestellt äußerst tapfer durch die Welt schlug, wusste sie, dass ein Verbündeter sehr nützlich sein konnte. Immerhin käme sie auf diese Weise vielleicht zu einem etwas behaglicheren Platz, wo sie sich in aller Ruhe überlegen könnte, wie sie das Wissen, das sie in den letzten drei Monaten gesammelt hatte, am besten nutzen konnte.

In dem Moment, in dem sie beschlossen hatte, dass Beatons Feinde ihre Freunde waren und dass es für sie nur von Vorteil sein könnte, sich an sie zu wenden, fiel ihr Blick auf das Heer, und sie schwankte wieder, was sie nun tun sollte. Selbst aus der Ferne wirkte dieses Heer, das aus Dubhlinn abzog, geschlagen. Welche Hoffnungen konnte sie hegen, Beaton zu schlagen, wenn selbst ein Heer kampferprobter Ritter mit all ihren Waffen und Rüstungen es nicht schaffte? Doch rasch schüttelte Maldie ihre Selbstzweifel ab. Weniger leicht fiel es ihr, die Zweifel an den Männern abzuschütteln, die da auf sie zugestolpert kamen. Was konnten sie ihr nützen, wenn Beaton sie besiegt hatte? Als sie nahe genug waren, dass Maldie das Leid, die Erschöpfung und den Schmerz auf den schmutzstarrenden Gesichtern erkennen konnte, wusste sie, dass sie sich jetzt entscheiden musste.

Ein Verbündeter war besser als keiner, auch wenn er einmal geschlagen worden war, sagte sie sich und stand langsam auf. Vielleicht wussten diese Männer ja etwas, was sie noch nicht wusste und was ihr helfen würde, ihr Ziel zu erreichen: Beatons Tod. Vorausgesetzt natürlich, sie käme nicht vorher selbst ums Leben ... Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie jetzt nicht ihren eigenen Tod provozierte, dann trat sie beherzt auf die Straße.

Kapitel 2

Maldie hoffte inständig, dass der große, dunkle Ritter, der vor ihr stehen blieb und sie misstrauisch beäugte, nicht hörte, wie rasch und heftig ihr Herz klopfte. Immerhin machte er keinen bedrohlichen Schritt auf sie zu. Sie fasste neuen Mut. Als sie aus dem dichten, beschützenden Buschwerk getreten war und sich vor das geschlagene Heer gestellt hatte, schien ihr die Aussicht auf ein paar Verbündete einen solchen Schritt wert zu sein. Jetzt aber, als sie direkt vor den Männern stand und ihre abweisenden Mienen und ihre schlamm- und blutverkrustete Kleidung musterte, war sie sich nicht mehr so sicher. Schlimmer noch, sie war sich nicht mehr sicher, ob sie ihnen erklären könnte, woher sie so plötzlich aufgetaucht war, ganz allein auf der Straße nach Dubhlinn, und ob sie ihnen ihre düsteren Rachepläne enthüllen sollte. Diese Männer waren Krieger, sie aber hatte keine Schlacht im Sinn, sondern einen kaltblütigen Mord.

»Könntest du mir vielleicht erklären, was ein schmales junges Ding wie du hier zu suchen hat?«, fragte Balfour, der sich gewaltsam von ihren weit aufgerissenen, dunkelgrünen Augen losreißen musste.

»Vielleicht wollte ich mir ja nur mal ansehen, wie schlimm Euch der alte Beaton zugesetzt hat«, entgegnete Maldie. Beunruhigt fragte sie sich, was dieser breitschultrige, dunkeläugige Mann an sich hatte, dass sie ihm eine solch unverschämte Antwort gab.

»Jawohl, der Schurke hat die Schlacht gewonnen.« Balfours tiefe Stimme klang rau und kalt vor Wut. »Gehörst du zu dem Gesindel, das die Taschen der Toten ausplündert? Wenn ja, dann tritt beiseite und scher dich weg!«

Sie beschloss, die Beleidigung zu ignorieren, schließlich hatte sie es sich selbst zuzuschreiben, weil sie ihre Worte so schlecht gewählt hatte. »Mein Name ist Maldie Kirkcaldy, und ich komme aus Dundee.«

»Das ist aber ganz schön weit weg! Was führt dich an diesen verfluchten Ort?«

»Ich bin auf der Suche nach ein paar Verwandten.«

»Wen? Vielleicht kenne ich sie und kann dir helfen.«

»Das ist sehr freundlich von Euch, aber ich glaube nicht, dass Ihr mir helfen könnt. Meine Verwandten haben wenig Anlass, einen hochwohlgeborenen Herrn wie Euch zu kennen.« Bevor er sie zu einer ausführlicheren Erklärung drängen konnte, wandte sie sich dem Mann auf der Bahre zu. »Euer Begleiter sieht aus, als sei er böse verletzt worden, Sir. Vielleicht kann ich Euch helfen.« Sie trat näher an den Verwundeten, ohne auf den großen Ritter zu achten, der sich anschickte, ihr in den Weg zu treten. »Es ist keine eitle Prahlerei, wenn ich behaupte, großes Geschick im Heilen zu besitzen.«

Die feste Zuversicht in ihren Worten veranlasste Balfour, die junge Frau gewähren zu lassen. Doch er beobachtete sie düster. Es passte ihm gar nicht, dass er sich von einer Frau derart rasch hatte umstimmen lassen. Auch war es nicht besonders klug, einer völlig fremden Person so schnell zu vertrauen. Sie war schön, daran bestand kein Zweifel, von ihrer wilden, rabenschwarzen Mähne hin zu den kleinen, in Stiefeln steckenden Füßen; doch er ermahnte sich, sich von einem hübschen Gesicht nicht um den Verstand bringen zu lassen. Er stellte sich ihr gegenüber neben Nigels Bahre und ließ die kleine Frau nicht aus den Augen, die ihre Röcke gerafft hatte und nun neben seinem Bruder kniete.

»Mein Name ist Sir Balfour Murray, Laird von Donncoill, und dieser Mann ist mein Bruder Nigel«, sagte er. Er legte eine Hand auf den Knauf seines Schwertes und beugte sich ein wenig vor, um jede Bewegung ihrer blassen, zarten Hände zu beobachten. »Er wurde niedergestreckt, als unser Feind uns mit List und Tücke in eine Falle lockte.«

Maldie untersuchte Nigels Wunden. Rasch beschloss sie, was getan werden musste, wobei sie insgeheim fluchte, dass sie nicht die richtigen Dinge dabeihatte. »Ich wundere mich immer wieder, dass Männer glauben, alle würden sich im Krieg ehrenvoll und anständig verhalten. Würdet ihr nur etwas mehr Vorsicht walten lassen, dann würden vielleicht auch nicht mehr so viele von euch niedergestreckt.« Angewidert verzog sie das Gesicht, als sie die schmutzigen Lumpen entfernte, mit denen die Wunden des Mannes bedeckt waren.

»Es ist ja wohl nicht unbillig davon auszugehen, dass sich ein Mann, der den ehrenwerten Titel eines Ritters trägt, seiner Stellung geziemend verhält«, entgegnete er.

Balfour runzelte die Stirn bei dem leisen, verächtlichen Schnauben, das sie von sich gab. So leise dieses Geräusch auch war, so schwang doch sehr deutlich Wut und Verbitterung mit – und ein gänzlicher Mangel an Respekt. Obgleich ihr grobes schwarzes Gewand auf ihre niedere Herkunft schließen ließ, zollte sie ihm, der weit über ihr stand, keinerlei Achtung; wahrscheinlich tat sie das bei keinem von höherer Geburt, wenn er sie richtig einschätzte. Balfour überlegte, ob ihr einmal ein grobes Unrecht zugefügt worden war, doch gleich darauf fragte er sich, was ihn das eigentlich anginge.

Er betrachtete sie aufmerksam, als sie Nigels Wunden spülte und sie wieder verband, um die Blutung zu stillen. Nigel wirkte, als ob seine Schmerzen schon nachließen. Die Behauptung der jungen Frau, des Heilens kundig zu sein, schien also nicht unbegründet zu sein. Es kam Balfour vor, als würde allein die Berührung ihrer Hand Nigels Schmerzen lindern. Als er sah, wie sie Nigel das Haar aus der Stirn strich, ertappte er sich dabei, darüber nachzugrübeln, wie sich ihre kleinen Hände mit den langen Fingern wohl auf seinem eigenen Körper anfühlen würden. Zu seiner großen Überraschung verhärtete sich sein Körper sofort, und es kostete ihn einige Mühe, die unpassende Erregung zu ignorieren und an etwas anderes zu denken.

Doch als er sie noch einmal gründlich musterte, musste er sich zögerlich eingestehen, dass sie einiges an sich hatte, was einen Mann auf unheilige Gedanken bringen konnte. Sie war zwar klein und ihr Gewand war alt und abgetragen, aber es schmiegte sich eng an ihren schlanken, doch wohlgeformten Körper. Sie hatte hohe, volle Brüste, eine schmale Taille und verführerisch geschwungene Hüften. Für eine solch kleine Frau hatte sie sehr lange Beine, schlanke lange Beine, die in Füßen endeten, die fast so zierlich waren wie die eines Kindes. Ihr widerspenstiges, rabenschwarzes Haar ließ sich kaum durch das schwarze Lederband bändigen, das es zusammenhielt. Dicke, lockige Strähnen hatten sich gelöst und umspielten ihre blassen Wangen. Ihre funkelnden grünen Augen waren so groß, dass sie ihr kleines, herzförmiges Gesicht völlig dominierten. Lange, dichte schwarze Wimpern umrahmten diese wunderschönen Augen, und die zart geschwungenen dunklen Brauen unterstrichen ihre Schönheit noch. Sie hatte eine kleine, sehr gerade Nase, die nur an der Spitze ein wenig nach oben ging, volle, verführerische Lippen und ein hübsches, doch sehr energisch wirkendes Kinn. Balfour fragte sich, wie jemand so jung und zart und gleichzeitig so temperamentvoll aussehen konnte.

Ich will sie haben. Auf diesen Gedanken reagierte er erstaunt und gleichzeitig ein wenig belustigt. Belustigt, weil er eine solch kleine, unverschämte und zerzauste Frau begehrte; erstaunt, weil dieses Verlangen so schnell und heftig auf ihn einstürmte, schneller und heftiger als je zuvor bei einer Frau. Das Verlangen, das sie in ihm weckte, reichte so tief und war so stark, dass es ihn schon fast beunruhigte. Ein solches Verlangen konnte einen Mann dazu bringen, sich töricht zu verhalten. Er bemühte sich um einen klaren Kopf und darum, nur noch an Nigels Gesundheit zu denken.

»Meinem Bruder scheint es schon etwas besser zu gehen«, meinte er.

»Höfliche Worte, aber sie zeigen mir, dass Ihr wenig vom Heilen versteht.« Maldie kauerte sich auf die Fersen und wischte sich die Hände an ihren Röcken ab. Ernst blickte sie Balfour an. »Ich habe ja nur das Blut und den Schmutz entfernt und die Wunden mit saubereren Lumpen verbunden. Das, was ich bräuchte, um die Wunden wirklich zu versorgen, steht mir hier nicht zur Verfügung.«

»Was bräuchtest du denn?« Seine Augen wurden groß, als sie eine lange Liste aufzählte. Von vielen dieser Dinge hatte er noch nie gehört. »Solche Sachen habe ich nicht dabei, wenn ich in den Kampf ziehe.«

»Vielleicht solltet Ihr das beim nächsten Kampf. Schließlich holt ihr Toren euch solche Wunden immer im Kampf.«

»Es ist nicht töricht, seinen kleinen Bruder aus den Klauen eines Mannes wie Beaton befreien zu wollen.« Balfour bedeutete ihr mit einer knappen Handbewegung zu schweigen, als sie etwas erwidern wollte. »Ich habe mich jetzt lange genug hier aufgehalten. Vielleicht hat man Beatons Hunde noch nicht in ihre Zwinger gesperrt. Sie könnten jederzeit auf uns einstürmen. Außerdem muss Nigel in Sicherheit gebracht und versorgt werden.«

Maldie stand auf und klopfte sich den Staub aus den Gewändern. »Jawohl, das stimmt. Also sputet Euch!«

»Du hast dich jetzt schon so gut um ihn bemüht, ohne all die Sachen, die du bräuchtest – ich bin sehr neugierig zu erfahren, welche Wunder du bewerkstelligst, wenn du alles hast, was du brauchst.«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Dass du mit uns nach Donncoill kommst.«

»Dann bin ich also Eure Gefangene?«

»Nein, mein Gast.«

Maldi verbiss sich die grobe Absage, die ihr auf der Zunge lag. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um stur und widerspenstig zu sein. Mit einiger Mühe führte sie sich die Vorteile vor Augen, die es hätte, ihr Schicksal mit dem von Sir Balfour zu verbinden. Wie sie führte er einen Krieg gegen Sir Beaton, und obgleich er die heutige Schlacht verloren hatte, standen ihm noch immer genügend Männer und Waffen zu Gebote, um dem Laird von Dubhlinn einen bleibenden Schaden zuzufügen. Außerdem würde sie dann ihre Rachepläne ausarbeiten können ohne die Sorge um ein Dach über dem Kopf und Nahrung.

Allerdings gab es auch Nachteile, wie sie sich mit einem innerlichen Stirnrunzeln zu bedenken gab. Beaton hatte Sir Balfour offenbar schweres Leid zugefügt. Wenn dieser herausfand, wer ihre Eltern waren, war sie vielleicht nicht mehr so sicher. Außerdem konnte es Ärger geben, wenn er erführe, warum sie eigentlich auf der Straße nach Dubhlinn unterwegs gewesen war. Wenn sie jetzt mit ihm ging, müsste sie ihn belügen; und instinktiv wusste sie, dass Sir Balfour Murray ein Mann war, der eine Lüge nicht leicht verzieh. Ihr Plan, einen Verbündeten zu gewinnen, erwies sich alles andere als einfach.

Ein eingehender Blick auf ihn zeigte ihr auch noch eine andere mögliche Komplikation. Sie kannte den Ausdruck in seinen dunklen Augen, denn sie hatte ihn schon zu oft gesehen: Er begehrte sie. Am meisten Sorgen aber machte ihr, dass sie auf die Lust dieses dunklen Ritters reagierte, und zwar nicht mit Wut, Ekel und Verachtung, wie sie es bei den anderen Männern sonst immer getan hatte.

Einerseits beunruhigte es sie, andererseits machte es sie aber auch neugierig. Er sah zweifellos gut aus, doch sie hatte auch schon andere stattliche Männer getroffen. In seinem großen Körper steckte eine unbändige Kraft, die sicher jede Frau, die Augen im Kopf hatte, mit Wohlwollen betrachtet hätte. Hohe Wangenknochen, eine lange, gerade Nase und ein kantiges Kinn bildeten markante Züge. Sein dichtes, dunkelbraunes Haar wellte sich bis auf die breiten Schultern. Es schimmerte rot, wenn die Sonne darauf fiel. Doch am stärksten faszinierten sie seine Augen, sanfte Augen von einer satten braunen Farbe, umgeben von überraschend dichten schwarzen Wimpern unter schwach geschwungenen dunklen Brauen. Beunruhigt von seinem forschenden Blick betrachtete sie seinen Mund, beschloss aber sogleich, dass es gefährlich wäre, dort länger zu verweilen. Denn er hatte einen sehr netten Mund, die Unterlippe etwas voller als die obere. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie es sein würde, von diesem Mund geküsst zu werden.

Hastig wandte sie sich ab und hob ihren kleinen Beutel auf. »Es ist sehr freundlich von Euch, mir eine Zuflucht anzubieten, aber der Frühling ist schon weit fortgeschritten. Es gibt nur noch wenige Monate mit schönem Wetter. Ich kann jetzt nirgends länger verweilen. Ich muss meine Verwandten finden, bevor mich der Winter und das schlechte Wetter zwingen, irgendwo unterzuschlüpfen.«

»Wenn es zu lange dauert, bis Nigel wieder gesund ist, kannst du in Donncoill überwintern.« Er packte sie am Arm und zerrte sie zu seinem Pferd. »Nigel braucht dich und deine Heilkunst.«

»Dann ist das also keine Einladung, mein Laird, sondern ein Befehl.«

Balfour umfasste ihre schmale Taille und hievte sie in den Sattel, wobei er flüchtig daran dachte, dass sie ein paar gute Mahlzeiten nötig hatte, denn sie wog kaum mehr als ein Kind. »Es würde deinen Aufenthalt in Donncoill angenehmer machen, wenn du versuchen würdest, es als Einladung zu betrachten.«

»Ach ja? Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir so in die Tasche lügen kann.«

»Versuch es einfach!«, meinte er lächelnd.

Maldie spürte, wie ihr Atem rascher ging. Sein Lächeln war verführerisch in seiner Aufrichtigkeit. Hinter diesem etwas schiefen Grinsen steckte keine Hinterlist oder Arroganz, sondern nur die reine Belustigung, und er forderte sie stillschweigend auf, sie mit ihm zu teilen. Sie musste sich eingestehen, dass ihr nicht nur sein Aussehen gefährlich werden könnte, sondern der Mann selbst. Es sah allmählich so aus, als habe Sir Balfour Murray eine Menge guter Eigenschaften, von denen sie vor langer Zeit beschlossen hatte, dass sie bei keinem Mann zu finden wären. Maldie wusste, dass ihre Geheimnisse unter solchen Umständen womöglich sehr schwer zu hüten sein würden.

Sie lächelte schwach. »Wie Ihr wünscht, mein Laird. Und wenn Euer Bruder wieder gesund ist, kann ich dann gehen?«

»Aber sicher«, erwiderte er. Warum nur kamen ihn diese Worte so hart an?

»Dann sollten wir jetzt lieber losreiten, Sir Murray. Der Tag schwindet rasch, und Eurem Bruder wird die Kälte nicht guttun, die sicher kommt, sobald die Sonne untergegangen ist.«

Balfour nickte und bedeutete seinen Männern, sich wieder in Bewegung zu setzen. Er selbst schritt an der Seite seines Bruders einher. Die kleine Maldie schien keine Probleme mit seinem Pferd zu haben, obwohl es die Bahre hinter sich herzog. Sein Ross schien sogar recht erfreut über die winzige Lady auf seinem starken Rücken. Es hatte die Ohren nach hinten gelegt, um eifrig die Worte aufzuschnappen, die sie ihm zuflüsterte.

»Das Mädchen kann auch gut mit Tieren umgehen«, meinte Balfour und blickte zu seinem Bruder hinab.

»Stimmt, mit Pferden und mit Männern«, murmelte Nigel.

»Warum bist du so beunruhigt? Sie hat deine Schmerzen gelindert, das sehe ich dir an.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalsausgabe
Jahr
2022
ISBN (eBook)
9783986901042
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (August)
Schlagworte
Historischer Liebesroman Nackenbeißer Historische Romantik Schottisch Historische Romanze Historische Erotik Highlander-Romanze Schottland-Roman Lynsay Sands Mittelalter eBooks
Zurück

Titel: Highland Brothers - Stürmische Leidenschaft