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Das Geheimnis des Hofnarren

Roman

©2015 334 Seiten

Zusammenfassung

So spannend wie trickreich: „Das Geheimnis des Hofnarren“ von Detlef Bluhm jetzt als eBook bei dotbooks.

Der Antiquar Simon Schuster ist Spezialist für wertvolle Bücher. Deswegen erkennt er sofort, dass sich hinter der geheimnisvollen Textpassage, die seine Tochter Claudia zufällig gefunden hat, mehr verbirgt, als es scheint. Ist das der Schlüssel zum legendären Schatz des Hofnarren Johann Ernst Schneller? Nur Eingeweihte wissen von dessen Intrigen und Machtkämpfen am Hof des Kurfürsten Friedrich August des Zweiten. Der Fall des Hofnarren ist tief – auf Verrat folgt Freitod. Aber seine List wirkt über den Tod hinaus. Vater und Tochter entschlüsseln Zug um Zug das rätselhafte Versteckspiel, das der machthungrige Narr hinterließ. Doch nicht nur sie sind seinem Geheimnis auf der Spur …

„Detlef Bluhm ist eine wunderbar geplottete, von a-moralischer Bosheit funkelnde caper novel gelungen. Ganz und gar un-deutsch, mit hochplausibler krimineller Energie und robuster, fröhlicher Gier.“ – Nürnberger Nachrichten

Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Das Geheimnis des Hofnarren“ von Detlef Bluhm. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Der Antiquar Simon Schuster ist Spezialist für wertvolle Bücher. Deswegen erkennt er sofort, dass sich hinter der geheimnisvollen Textpassage, die seine Tochter Claudia zufällig gefunden hat, mehr verbirgt, als es scheint. Ist das der Schlüssel zum legendären Schatz des Hofnarren Johann Ernst Schneller? Nur Eingeweihte wissen von dessen Intrigen und Machtkämpfen am Hof des Kurfürsten Friedrich August des Zweiten. Der Fall des Hofnarren ist tief – auf Verrat folgt Freitod. Aber seine List wirkt über den Tod hinaus. Vater und Tochter entschlüsseln Zug um Zug das rätselhafte Versteckspiel, das der machthungrige Narr hinterließ. Doch nicht nur sie sind seinem Geheimnis auf der Spur …

»Detlef Bluhm ist eine wunderbar geplottete, von a-moralischer Bosheit funkelnde caper novel gelungen. Ganz und gar un-deutsch, mit hochplausibler krimineller Energie und robuster, fröhlicher Gier.« – Nürnberger Nachrichten

Über den Autor:

Detlef Bluhm wurde 1954 in Berlin geboren. Er arbeitete als Buchhändler und Verleger und ist seit 1992 Geschäftsführer des Verbandes der Verlage und Buchhandlungen in Berlin-Brandenburg. Seit 2003 ist Detlef Bluhm Vorsitzender des Literaturhauses Berlin. Seine Romane und Sachbücher sind in sechs Sprachen übersetzt worden. Neben seinen vielfältigen Herausgebertätigkeiten betreibt Detlef Bluhm unter dem Pseudonym Kater Paul auch einen Blog, der sich der Kulturgeschichte der Katze verschrieben hat:

https://katerpaul.wordpress.com/

Die Website des Autors: www.detlefbluhm.de

Der Autor bei Facebook: https://de-de.facebook.com/people/Detlef-Bluhm/100000135608953

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Neuausgabe Oktober 2015

Copyright © der Originalausgabe 1999 bei Gustav Kiepenheuer Verlag GmbH, Leipzig

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung eines Bildmotivs von © Thinkstock/Marc Osborne

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-386-6

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Detlef Bluhm

Das Geheimnis des Hofnarren

Roman

dotbooks.

1. Kapitel

»Wie ich gestern schon gesagt habe, der Morgen ist immer klüger als der Abend!«

Simon Schuster schreckte zusammen. Er saß gerade beim Frühstück auf der Terrasse, als Claudia von ihrer morgendlichen Fahrradtour durch den Grunewald zurückkehrte, die sie oft unternahm, wenn sie im Haus ihres Vaters übernachtet hatte. Ihre lauten, in seinem Rücken gesprochenen Begrüßungsworte trafen Simons Kopf wie kleine Hammerschläge. Er konnte an diesem Morgen auf die doppelsinnige Weisheit der angehenden Volkskundlerin gut und gern verzichten. Gestern nacht, nach seiner Geburtstagsfeier und endlich allein, hatte Simon sich noch eine Verkostung der als Geschenk ins Haus gekommenen Whisky-Raritäten gegönnt, und jetzt spürte er deutlich, daß er statt dessen besser hätte ins Bett gehen sollen.

Claudia gab ihrem Vater einen Kuß auf die Stirn und setzte sich an den gedeckten Tisch. Nach ihrem Frühsport hatte sie ausgewaschene Jeans und ein rotes T-Shirt angezogen. Ihre schwarzen Locken fielen bis auf die Schultern und waren noch naß vom Duschen.

»Du siehst aus, als hättest du gestern eine Zigarre zuviel geraucht«, kommentierte sie beiläufig seine Verfassung.

»Die Tochter sollte jetzt besser schweigen«, knurrte Simon und fuhr ohne aufzusehen fort, einen Rollmops zu sezieren.

Claudia nahm ihr Frühstücksei aus dem Wärmebehälter, griff sich das Feuilleton der Sonntagszeitung und sah, daß Julia für Simon ein reichhaltiges Katerfrühstück zubereitet hatte: Spreewälder Gurken, Spiegelei mit Schinken, Würstchen mit Senf, Rollmöpse, Bouillon mit Nudeln, grünen Tee und frisch gepreßten Orangensaft. Sie überflog einen Artikel über den gestern beendeten Kongreß der Deutschen Gesellschaft für europäische Ethnologie und bemühte sich, die Seiten der Tageszeitung möglichst leise umzuschlagen. Wenn Simon sie in der dritten Person anredete, war Vorsicht geboten. Sie beobachtete verstohlen ihren Vater, der gepeinigt im Lokalteil blätterte, und ihr fiel ein Zitat von Elias Canetti ein: »Dort lesen die Leute zweimal im Jahr die Zeitung, übergeben sich und gesunden.« Sie wußte nicht, ob er diesen Satz kannte, beschloß aber, ihn jetzt besser nicht danach zu fragen.

Simon war weder rasiert noch gekämmt. Das von grauen Strähnen durchzogene Haar sah aus wie ein Heuschober nach einem Sommergewitter. Aber Claudia ließ sich von diesem bedauernswerten Anblick die Sonntagsstimmung nicht verderben. Es war erst kurz nach zehn, und doch hatte die kräftige Sommersonne die Feuchtigkeit der Nacht aus dem Garten fast vollständig vertrieben. Claudia schloß die Augen und lehnte sich behaglich in ihren Rohrsessel zurück. Sie genoß die Ruhe, das leise Rauschen des Rasensprengers, das vom Nachbargrundstück herüberklang, und dachte nur ungern an den Fontanekreis, der sich in wenigen Stunden wie an jedem ersten Sonntag im Monat nachmittags im Haus treffen würde. Sie wußte, daß Simon dann wieder fit sein würde, und sah ihn schon vor sich, wie er, gestützt auf seinen Ebenholzstock mit dem ziselierten Silbergriff, die Gäste begrüßte und dabei jedem einzelnen das Gefühl gab, er freue sich über sein Kommen ganz besonders.

Simon war kaum mittelgroß, er wurde von den meisten Männern und nicht wenigen Frauen überragt. Aber seine wachsamen dunklen Augen, das auffällig scharf geschnittene Gesicht, die unaufdringliche Eleganz der Kleidung und seine Fähigkeit, jeden Gast mühelos plaudernd in einen Zustand zu versetzen, den Claudia in einer Mischung aus Bewunderung und Ironie als das »Mysterium der großen Harmonie« bezeichnete, kurz, Simons äußere Erscheinung und seine vertrauenstiftende Ausstrahlung ließen ihn fast überall zum Mittelpunkt werden. Dies galt natürlich um so mehr, wenn er sich in der Rolle des Gastgebers befand.

Simon stand auf und murmelte etwas von »sich frisch machen«. Aber Claudia hörte nicht hin, sie war in Gedanken bei dem erstaunlichen Text, den sie ihrem Vater nachher zeigen wollte. Wenn er, geduscht und rasiert, wieder seinen Platz am inzwischen abgedeckten Tisch auf der Terrasse eingenommen haben würde, um die erste Zigarre des Tages zu rauchen. Claudia liebte diese Stunde, wenn Simon nur für sie Zeit hatte. Sie tauschten dann Belanglosigkeiten aus, sprachen über gelesene Bücher, mitunter stritten sie auch. Heute würde sie ihm von einem ganz besonderen Leseerlebnis berichten.

Wie immer schaute Simon erst nach dem Duschen in den Spiegel des Badezimmers, denn der Anblick seines verschlafenen Gesichts rief ein beängstigendes Gefühl der Fremdheit in ihm hervor. Nach der Rasur betrachtete er sich lange und nicht unzufrieden; die 54 Jahre waren ohne tiefe Spuren an seinem schmalen, nahezu faltenlosen Gesicht vorbeigegangen. Er ging zurück in das direkt angrenzende Schlafzimmer, wo schon seine Kleidung bereitlag. Egal, wie spät es nachts wurde und was und wieviel er auch getrunken hatte, immer legte er sich vor dem Schlafengehen zurecht, was er am nächsten Tag anziehen wollte; eine aus seiner Kindheit stammende Angewohnheit, die der Enge der damaligen Wohnverhältnisse entsprang. In das Kinderzimmer paßte kein Wäscheschrank, deshalb waren die Anziehsachen der drei Geschwister in dem großen Kleiderschrank untergebracht, der im kombinierten Wohnschlafzimmer der Eltern stand. Dort holten sich die Geschwister vor dem Zubettgehen ihre Kleidung für den nächsten Tag und hängten sie im Flur auf.

Durch eine hohe Doppeltür gelangte er in die obere Bibliothek. Dort waren auf einem großen, alten Barwagen seine Whiskyflaschen deponiert, Zigarren lagerten in einem dunkelbraunen, regelmäßig gemaserten Humidor aus Zedernholz. Das fahrbare Möbel, Claudia nannte es etwas respektlos »den Altar«, hatte in den zwanziger Jahren dem Hotel Adlon gedient und war auf sehr verschlungenen Wegen in Simons Haus gelangt. Nachdem er eine leichte Morgenzigarre ausgewählt und angeschnitten hatte, ging er zum zweiten Mal an diesem Sonntag die Treppe hinunter ins Erdgeschoß.

Im Salon richtete Julia bereits alles für den Nachmittag her. Sie war seit über fünf Jahren bei ihm als Aushilfe im Antiquariat beschäftigt und kümmerte sich auch um den Haushalt. Zeitgleich mit Julia hatte ihr Mann Ferdinand bei Simon die Arbeit aufgenommen. Als Packer und Fahrer war er inzwischen für die Buchhandlung in der Knesebeckstraße unersetzlich geworden. Simon schätzte sehr, daß Ferdinand auch alle das Haus und den Garten betreffenden Arbeiten umsichtig erledigte. Ferdinand war damals gerade aus dem Gefängnis gekommen. Eine befreundete Bewährungshelferin hatte den Kontakt zu Simon vermittelt, der anfänglich einige Bedenken wegen der Nachbarn gehabt hatte, denn einen verurteilten Trickbetrüger stellte man in Grunewald nicht ohne weiteres ein. Schließlich hatte Simon beschlossen, das ungewöhnliche Experiment zu wagen. Er bereute es nicht, und als Zugabe profitierte sein soziales Gewissen davon.

Simon saß noch keine Minute auf der Terrasse, als Claudia sich mit einem Buch in der Hand zu ihm setzte.

»Simon, sag mir bitte etwas zu dieser Ausgabe.«

Er nahm das Buch in die Hand und erkannte es schon an seinem außergewöhnlichen Einband.

»Du hast es aus der oberen Bibliothek«, sagte er mit ärgerlichem Unterton; er sah es nicht gern, wenn sie, ohne zu fragen, seine Bücher auslieh. Claudia zuckte nur ungeduldig mit den Schultern.

»Na gut.« Simon blätterte das Buch auf. »Das ist die ›Insel Felsenburg‹ von Johann Gottfried Schnabel.« Er vergewisserte sich durch einen Blick auf den Haupttitel, bevor er ergänzte: »Und zwar die 7. Auflage von 1751 in einem besonders schönen Einband der Zeit.«

Claudia schaute ihn fragend an.

»Diese Ausgabe wird erst durch ihren Einband wirklich wertvoll, eine wunderbare Arbeit. Blaues Maroquinleder, das ist das Leder von der Kapziege, und ein sehr originell gestaltetes Supraexlibris, das im Gegensatz zum Exlibris auf die Vorderseite des Bucheinbandes geprägt wurde. Seit dem 16. Jahrhundert in Europa weit verbreitet. Dieses hier bezeichnet den Besitzer des Buches allerdings nicht namentlich, sondern charakterisiert ihn lediglich durch einen Eselskopf, ein Kartenspiel und drei Spielwürfel, etwas skurril. Also, was interessiert dich an dem Buch?«

Claudia nahm es ihm aus der Hand, schlug eine Seite auf und zeigte mit dem Finger auf eine bestimmte Textpassage.

»Lies selbst.«

Simon griff erneut nach dem Buch und las laut: »Auf der äusersten Felsen-Höhle gegen Osten war ein bequemliches Wacht-Hauß erbauet, welches wir nebst denen dreyen dabey gepflantzten Stücken Geschützes in Augenschein nahmen, und uns anbey über das viele im Walde herum lauffende Wild sonderlich ergötzten. Nur ein Narr kann es errathen. Der Schlüssel liegt bei KWD und auch bey meinem Ruhm. Man grabe tief nur 200 Schritt von der Allee bey Numero 57. Drey Fundsachen: Kisten, Bibel und Gesang-Buch, nebst andern gewöhnlichen Geschencken vor die Jugend empfangen hatte, zu rechter Zeit den Rückweg auf Alberts-Burg antraten.«

»Das reicht«, unterbrach ihn Claudia. »Was sagst du dazu?«

Simon las den Text noch einmal langsam im stillen und sagte schließlich: »Der letzte Satz ergibt keinen rechten Sinn. Was soll das?« Er schaute seine Tochter an. »Ich bin Buchhändler und Antiquar, kein Germanist. Ich habe keine Ahnung.«

Claudia schob ihm eine Fotokopie hin. »Dann lies bitte im Vergleich dazu den hier markierten Text.«

Simon las wieder laut: »Auf der äusersten Felsen-Höhle gegen Osten war ein bequemliches Wacht-Hauß erbauet, welches wir nebst denen dreyen dabey gepflantzten Stücken Geschützes in Augenschein nahmen, und uns anbey über das viele im Walde herum lauffende Wild sonderlich ergötzten, nachhero in dem Robertischen Stamm-Hause aufs köstlichste bewirthet wurden, doch aber, nachdem diese Gemeine in jedes Hauß eine Englische Bibel und Gesang-Buch, nebst andern gewöhnlichen Geschencken vor die Jugend empfangen hatte, zu rechter Zeit den Rückweg auf Alberts-Burg antraten.«

Danach schlug Simon das Buch nochmals auf und verglich beide Texte eingehend. »Hier ist ein Textteil ausgetauscht worden. Der Text auf der Kopie macht Sinn, der im Buch nicht. Merkwürdig.«

»Richtig! Es handelt sich in deiner Ausgabe exakt um folgende Passage: ›Nur ein Narr kann es errathen. Der Schlüssel liegt bei KWD und auch bey meinem Ruhm. Man grabe tief nur 200 Schritt von der Allee bey Numero 57. Drey Fundsachen: Kisten‹. Diesen Text gibt es in keiner anderen Ausgabe der ›Insel Felsenburg‹. Die Kopie stammt aus einem Exemplar dieses Buches in der Staatsbibliothek, genauer gesagt aus der 7. Auflage von 1751. Es hat mich einige Mühe gekostet, eine Kopie von dieser Seite zu bekommen. Und ich habe noch fünf weitere Ausgaben bis hin zur Reclamausgabe von 1979 geprüft. Nirgendwo findet sich diese Passage. Dein Buch ist ein Unikat.«

Claudia lehnte sich zufrieden zurück. Sie konnte ihren Vater selten verblüffen. Heute war es ihr gelungen.

»Bist du sicher?«

»Ich habe das genau gecheckt.«

Simon verschluckte gerade noch rechtzeitig eine Bemerkung über unnötige Anglizismen, die nur zu einem sinnlosen Streit geführt hätte, hielt die betreffende Seite gegen das Licht, strich mit der Hand über die Buchstaben und prüfte den Bucheinband.

»Kein Zweifel, diese Passage ist gedruckt wie der Rest des Buches, sie ist auch in der gleichen Schrifttype gesetzt. Der ursprüngliche Besitzer muß einen textlich geänderten Druckbogen beim Buchdrucker bestellt und diesen gegen den Originalbogen vertauscht haben. Dann hat er alles neu oder auch erstmals in die hier vorhandene Form binden lassen. Anders kann ich mir das nicht erklären. Aber wozu? Und wie bist du überhaupt auf diesen Text gestoßen? Die ›Insel Felsenburg‹ gehört doch wohl kaum zu deiner Studienlektüre.«

»Irrtum. Im Rahmen einer interdisziplinären Projektarbeit zum Thema ›Die europäische Wirklichkeit und ihre utopischen Gegenbilder in den deutschen Robinsonaden des 18. Jahrhunderts‹ …«

Simon machte eine abwehrende Geste.

»O. K. Jedenfalls hatte ich im Zusammenhang mit diesem Projekt einige Passagen aus der ›Insel Felsenburg‹ zu bearbeiten, dazu gehörte auch diese Seite. Du erinnerst dich vielleicht, daß ich letzten Sonntag hier noch Anzeigenrechnungen geschrieben habe. Danach wollte ich meine Textanalyse beenden und bemerkte, daß ich mein Buch in der Uni vergessen hatte. Deshalb nahm ich deine Ausgabe zur Hand. Bei der Lektüre fiel mir die Formulierung auf, die du gerade gelesen hast. Ich erinnerte mich genau, daß diese Sätze nicht in meiner Ausgabe standen. Und da habe ich aus Neugier einen Textvergleich angestellt. Das Ergebnis hast du gerade gesehen.«

Simon schüttelte den Kopf. Er hatte dafür einfach keine Erklärung.

»Seit einer Woche zermartere ich mir den Kopf, was das bedeuten soll. Mir ist nur eine Erklärung eingefallen. Es handelt sich offensichtlich um einen chiffrierten Hinweis auf drei vergrabene Kisten. Vermutlich ist es eine geschriebene Karte, eine Art Plan. Wer immer diese Textpassagen eingefügt hat, er hat an einer bestimmten Stelle drei Kisten vergraben. Man vergräbt nur etwas, wenn es sehr wertvoll ist, oder belastend, was weiß ich aus welchen Gründen noch.«

»Claudia!« Simon lachte, nahm seine Zigarre und zündete sie sorgsam an. »Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, daß du das hier für einen Schatzplan hältst?«

»So weit will ich ja noch gar nicht gehen. Aber auszuschließen ist das nicht. Jedenfalls sollten wir uns darum kümmern.«

Simon schüttelte wieder den Kopf. »Wir sollten uns darum kümmern!? Wir haben doch überhaupt keine Anhaltspunkte, keine geographischen Hinweise, nur diese nebulösen Angaben. Wo sollen wir denn suchen?«

»Wir haben das Buch«, antwortete Claudia ruhig.

Nachdenklich verfolgte er die kräftigen Rauchwolken seiner Zigarre. Natürlich würde er die Recherchen seiner Tochter noch einmal sorgfältig überprüfen. Aber warum sollte Claudia sich irren? Sie war in dieser Beziehung sehr verläßlich. Was für eine Schnapsidee! Aber er kannte ja seine Tochter. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte … Und merkwürdig war es schon. Jedenfalls würde es nicht schaden, etwas über den ursprünglichen Besitzer des Buches herauszufinden.

»Habe ich dir jemals von Tom erzählt, Tom Morgan?« Claudia verneinte. »Tom ist ein alter Freund. Ich habe ihn damals in London kennengelernt. Er arbeitet im British Museum. Dort befindet sich die größte Exlibrissammlung der Welt mit weit über 100 000 verschiedenen Exponaten.

Zeichne dieses Exlibris nach oder pause es ab, jedenfalls brauche ich eine faxfähige Kopie. Ich werde Tom fragen, ob er den Inhaber des Exlibris ermitteln kann. Dann sehen wir weiter.« Simon schaute auf die Uhr. »Verdammt! Gleich kommt die Stipendiatin. Geh doch inzwischen Julia etwas zur Hand. Und stell das Buch bitte wieder in die obere Bibliothek, nein, leg es einfach auf meinen Schreibtisch.«

Claudia lächelte. Äußerlich wirkte Simon völlig ruhig. Aber sie spürte, wie sein Gehirn angefangen hatte zu rotieren, angeregt vom Tabak und einem ungewöhnlichen Sonntagsrätsel.

Während Simon seinen Gedanken nachhing, fiel sein Blick auf die Einfassung der Terrasse, und wie immer begann er sich zu ärgern. Das bröckelnde Gemäuer mußte dringend erneuert werden, jeder Winter hinterließ neue Spuren. Die kleine Steintreppe, die zum Garten führte, entsprach schon lange nicht mehr dem Standard der Baubehörde. Und auch mit dem Dach des kleinen Hausmeisterhäuschens mußte bald etwas geschehen. Weil er schon dabei war, fiel ihm wieder ein, daß das Haus innen seit über zehn Jahren nicht mehr renoviert worden war. Zwar sprach ihn niemand direkt darauf an. Aber einige Mitglieder des Fontanekreises ließen ihn ab und zu spüren, daß sie eine behutsame Verschönerung der unteren Räumlichkeiten für überfällig hielten. »Denken Sie nur, Herr Schuster, ich habe gerade mein Haus komplett renovieren lassen, von polnischen Facharbeitern, die nur zehn Mark für die Stunde verlangt haben!« hatte ihm unlängst die Witwe eines wohlhabenden Patentanwaltes zugeflüstert.

Simon hatte die Zigarre gerade abgelegt, als Claudia die diesjährige Stipendiatin des Fontanekreises, Franziska Reinicke, auf die Terrasse führte.

»Herzlich willkommen in Berlin, Sie haben ja wunderbares Wetter mitgebracht«, begrüßte Simon die Schriftstellerin, die ein Jahr in Berlin verbringen würde. Er lud sie ein, Platz zu nehmen, und Claudia fragte nach ihrem Getränkewunsch. Beim Austausch der üblichen Höflichkeitsfloskeln nahm Simon die Stipendiatin in Augenschein. Sie war 32 Jahre alt, das wußte er schon aus den Bewerbungsunterlagen. Doch dem unscheinbaren Paßfoto glich sie wenig. Sie hatte kurzgeschnittenes hellblondes Haar und trug ein gelbes, geblümtes Sommerkleid, nicht zu kurz, aber doch kurz genug, um ihre schlanken, langen Beine zur Geltung zu bringen. Mit ihren blauen Augen beobachtete sie ruhig und aufmerksam das Geschehen, die vollen Lippen wurden durch eine etwas zu kleine Nase betont. Sie stammte aus Meißen und arbeitete als freie Literaturkritikerin. Bisher war ein Band mit Erzählungen erschienen, nun sollte in Berlin ihr erster Roman entstehen.

»Sie kommen direkt vom Bahnhof Zoo?«

»Ja, ich habe nur einen kleinen Koffer dabei. Mein Gepäck ist hoffentlich inzwischen hier eingetroffen?«

»Ist schon vorgestern angekommen. Ich habe es gleich zu Ihrem Gastgeber bringen lassen. Sie kommen bei Dr. Hartwig Malz unter, einem pensionierten Bankdirektor mit einem traumhaften Anwesen. Er wohnt nur ein paar Straßen weiter. Ich stelle Sie nachher vor.«

Franziska sah sich um und sagte dann zu Simon: »Ihr Anwesen«, sie betonte das Wort für Simons Geschmack etwas zu stark, »ist aber auch nicht von schlechten Eltern. Ich habe gehört, daß Sie eine Buchhandlung haben. Kann man denn heutzutage als Buchhändler noch so viel Geld verdienen?«

»Das ist ein abendfüllendes Thema. Über die wirtschaftliche Situation des Buchhandels können wir uns gern noch einmal in Ruhe unterhalten, wenn es Sie interessiert. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Das Haus gehört einer Stiftung. Und mit dieser Mitteilung sind wir eigentlich schon beim Fontanekreis, dem Sie Ihr Stipendium verdanken. Ich nehme an, daß Sie mit den Angelegenheiten des Fontanekreises noch nicht besonders vertraut sind.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Lassen Sie mich deshalb die Stunde, die wir noch für uns haben, dazu nutzen, Sie ins Bild zu setzen.« Dann begann er seinen üblichen, kleinen Vortrag. »Seit fast genau 65 Jahren trifft sich der Fontanekreis jeden ersten Sonntag im Monat in diesem Haus. Er wurde von Charlotte von Falkenberg gegründet als Zusammenkunft literarisch Interessierter, die hier in Grunewald ansässig sind. Früher stand das Werk Theodor Fontanes im Mittelpunkt der Treffen, doch das ist schon lange her. Frau von Falkenberg war verheiratet mit dem berühmten Volkskundler von Falkenberg, einem angesehenen Professor, der sich im Dritten Reich den Theorien der Nazis nicht anschließen wollte und aufs Abstellgleis geschoben wurde. Er starb allerdings schon kurz nach dem Krieg. Frau von Falkenberg und ihr Mann waren Stammkunden in der Buchhandlung meiner Eltern, die ich später übernommen habe und, wie Sie schon wissen, heute noch betreibe. Als ich nach absolvierter Lehrzeit in einer Hamburger Buchhandlung, Praktika bei verschiedenen Verlagen und einem anschließenden Aufenthalt in London in der Buchhandlung meiner Eltern anfing, lernte ich sie kennen. Sie mochte mich sofort gut leiden, und ich war fasziniert von ihrer Belesenheit. Um es kurz zu machen: die Ehe der Falkenbergs blieb kinderlos, es gab keine nahen Verwandten. Frau von Falkenberg beschloß, ihr Haus und Vermögen in eine Stiftung einzubringen, deren Zweck es ist, die Treffen des Fontanekreises hier über ihren Tod hinaus weiterführen zu können. Sie ernannte mich zum Vorstand auf Lebenszeit mit Wohnrecht in dem Haus nach ihrem Tod, und als es soweit war, erbte ich einen kleinen Verlag, der nichts anderes als die von Professor von Falkenberg schon vor dem Krieg begründete ›Deutsche Zeitschrift für Volkskunde‹ herausgibt. Das war vor fünfzehn Jahren. Kurz danach habe ich den altväterlich klingenden Titel der Zeitschrift abgeändert in ›Berliner Blätter für europäische Ethnologie‹. Um den Verlag und die Zeitschrift kümmert sich inzwischen meine Tochter Claudia, die selbst Volkskunde oder, wie es eben heute heißt, Europäische Ethnologie studiert. Das Verlagsbüro ist übrigens hier im ersten Stock untergebracht. Noch vor ihrem Tod haben Frau von Falkenberg und ich den Fontanekreis als eingetragenen Verein etabliert und die Stipendien eingeführt. Ich wollte etwas für Nachwuchsautoren tun, und wir konnten den Fontanekreis für diese Idee begeistern. Die guten persönlichen Beziehungen von Frau von Falkenberg zum damaligen Kultursenator haben die immer noch gültigen Regeln der Stipendien ermöglicht: ein aus vier Personen bestehendes Gremium des Vereins, der ›Ausschuß‹, wählt jedes Jahr einen Stipendiaten aus, der Kultursenat sichert die Grundfinanzierung des Stipendiums, und der Fontanekreis stockt diese monatliche Zuwendung auf und gewährt für ein Jahr Unterkunft.«

Simon schaute wieder auf die Uhr. Er rückte seinen Stuhl ein wenig vom Tisch ab und erhob sich.

»Ich möchte Ihnen jetzt noch schnell das Haus zeigen.«

Franziska Reinicke stellte ihr Glas auf den Tisch und nahm ihre Handtasche.

»Claudia und ich werden Sie im Laufe des Tages den Mitgliedern des Fontanekreises und den heutigen Gästen vorstellen. Ach, das hatte ich vergessen: der Fontanekreis hat exakt 50 Mitglieder; der schon erwähnte ›Ausschuß‹ lädt zu jedem Treffen des Fontanekreises etwa 15 Gäste ein, es kommen also immer ungefähr 45 bis 50 Personen. Für die Treffen des Fontanekreises benutzen wir nur das Erdgeschoß und den Garten.«

Simon ging voraus. Die drei großen Zimmer mit Gartenblick waren durch breite, offenstehende Flügeltüren miteinander verbunden.

»Dieses mittlere Zimmer nennen wir den ›Salon‹. Sie haben ja schon bemerkt, daß man durch die Diele zunächst in diesen Raum gelangt. Und hier rechts«, Simon ging wieder voran, »befindet sich das ›Spielzimmer‹. An den Tischen wird zumeist Bridge oder Black Jack gespielt, um kleinere Beträge.«

Franziska folgte Simon, der sie nun durch den Salon in die Bibliothek im Erdgeschoß führte. Während in Salon und Spielzimmer die Wände voller Bilder hingen, »keine herausragenden Gemälde, aber doch Werke des 18. und 19. Jahrhunderts«, wie Simon bemerkte, war die Bibliothek vom Boden bis zur Decke mit Büchern vollgestellt. In der rechten Fensterecke des Raumes war ein Stehpult aufgebaut, davor standen halbkreisförmig mehrere Stuhlreihen.

»Hier werden Sie heute abend lesen. Wie telefonisch schon besprochen, stelle ich Sie kurz vor. Sie haben dann anschließend dreißig Minuten Zeit für Ihre Lesung. Gewöhnlich ergibt sich danach ein lebhaftes Gespräch, das ich nach einer weiteren halben Stunde zu beenden pflege; einige ältere Mitglieder möchten dann nach Hause gehen und wollen nicht so unhöflich sein, das während der Diskussion zu tun. Aber rechnen Sie ruhig damit, daß man Sie später im kleinen Kreis weiter befragen wird.«

In diesem Moment tauchte Julia in der Tür auf.

»Simon, Sie sollten jetzt besser kommen. Die ersten Gäste treffen ein.«

»Danke, Julia. Sie«, wandte er sich an Franziska, »halten sich am besten in Claudias Nähe. Sie wird sich um Sie kümmern.«

Franziska und Claudia folgten Simon und nahmen dann im Salon auf einer Sitzgruppe am Fenster Platz.

»Ihr Vater erwähnte vorhin, daß nachher im Spielzimmer Black Jack gespielt wird, um kleinere Beträge. Um welche Beträge geht es da eigentlich?«

»Ich weiß es nicht genau. Ich habe noch nie mitgespielt. Hier hat wohl noch nie jemand viel gewonnen oder verloren. Es gibt Limits, ich denke, der Einsatz beträgt ein oder zwei Mark pro Spiel. Sie wollen doch nicht etwa mitspielen?«

»Warum nicht? Bin ich nicht Gast wie die anderen?«

»Eigentlich schon. Aber ich habe noch nie erlebt, daß eine Stipendiatin mitgespielt hat. Ist der Gedanke nicht ein wenig merkwürdig, daß Sie Stipendiengelder verspielen oder Ihre Förderer abzocken könnten?«

Franziska mußte lachen.

»Vermutlich haben Sie recht.«

Die meisten Mitglieder des Fontanekreises trafen wie im. mer pünktlich ein. Deshalb war an jedem ersten Sonntag im Monat schwerste Begrüßungsarbeit zu leisten. Alle Mitglieder, und vor allem die eingeladenen Gäste, sollten, dazu fühlte sich Simon verpflichtet, persönlich willkommen geheißen werden. Da nun aber innerhalb von höchstens fünfundzwanzig Minuten an die fünfzig Menschen eintrafen, blieb für jede Begrüßung nur eine halbe Minute Zeit. (Simon hatte sich das Problem einmal rechnerisch bewußtgemacht.) Im Winter und während der Übergangszeiten war es einfacher. Mäntel, Hüte und Regenschirme mußten abgenommen und versorgt werden. Dabei half ihm meistens Julia. Die Gäste kamen so untereinander ins Gespräch und waren beschäftigt, bis sie von Simon empfangen wurden. Aber jetzt im Sommer fiel diese Ablenkung weg. Doch er genoß diese Herausforderung, diesen Zwang zum kommunikativen Expreßdienst. Simon hatte für jeden Besucher ein persönliches Wort, knüpfte an ein kürzlich geführtes Telefonat an, erkundigte sich nach Kind oder Hund öder danach, ob der letzte Besuch in seiner Buchhandlung zufriedenstellend verlaufen war, bestellte Grüße oder bat um »einige Minuten nachher«, bevor er sich dem nächsten Gast zuwandte. Dabei mußte er natürlich verhindern, daß seine Erkundigungen und Fragen ausführlich beantwortet wurden, oft schnell ein vorläufig letztes Wort finden, ohne daß sich sein jeweiliger Gesprächspartner abgeschoben fühlte. Aber in dieser Beziehung war Simon perfekt.

»Hallo, Simon«, Dr. Hartwig Malz reichte ihm freundschaftlich die rechte Hand und umfaßte mit der linken seinen Arm. »Ich habe dich letzten Sonntag in Hoppegarten vermißt. Es war ein herrlicher Renntag mit überraschenden Ergebnissen.«

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der »Hypobank Berlin Dresden« war mittelgroß und ziemlich beleibt. Sein volles, schlohweißes Haar trug er wie immer etwas zu lang, selbst für einen Bankier im Ruhestand. Und der schlecht sitzende Anzug von mäßiger Qualität ließ kaum vermuten, daß er es war, der kurz vor seinem Rückzug aus dem aktiven Berufsleben die spektakuläre Fusion der beiden Bankhäuser in Berlin und Dresden eingefädelt hatte. Er sah eher aus wie ein pensionierter Finanzbeamter. Aber hinter der biederen Fassade verbarg sich ein erfahrener Stratege, dessen persönliche Kontakte in alle Bereiche des öffentlichen Lebens hineinreichten und der hinter den Kulissen der offiziellen Geschäftswelt immer noch eine gewichtige Rolle spielte.

Die beiden verband eine Art Freundschaft, obwohl sich Simon oft über das ungehobelte Selbstbewußtsein ärgerte, das Hartwig Malz ständig an den Tag legte. Der pensionierte Bankdirektor war auch Mitglied im Vorstand des Hoppegartener Rennvereins und ständiger Nutzer eines Tisches auf der Clubtribüne der Galopprennbahn. Simon teilte dessen Leidenschaft für den Galopprennsport und war an den Renntagen oft Gast an seinem Tisch. Nur am vergangenen Sonntag hatte er keine Zeit gehabt.

»Du weißt ja, daß ich selbst es am meisten bedauere, wenn ich einen Renntag verpasse. Du mußt mir nachher noch alles in Ruhe erzählen. Inzwischen«, Simon hielt seine Hand immer noch fest und ging mit ihm zwei Schritte in Richtung Salon, »kannst du dich mit unserer neuen Stipendiatin bekannt machen, die deine kleine Einliegerwohnung für ein Jahr beziehen wird. Franziska Reinicke sitzt dort bei Claudia, die euch einander vorstellen wird.«

Schon wandte sich Simon dem nächsten Gast zu.

Der Abend war wie im Flug vergangen, die letzten Gäste hatten das Haus kurz nach Mitternacht verlassen. Simon saß mit Claudia auf der Terrasse. Das Außenthermometer zeigte immer noch knapp über 20 Grad an. Eine Flasche Whisky stand auf dem Tisch.

»Macallen, 22 Jahre, cask strenght.« Claudia betrachtete das Etikett. Sie las: »›Especially selected by Ralph Knyrim for Alte Tabakstube am Schillerplatz in Stuttgart.‹ Du bist ein ganz schöner Snob!«

Simon nahm die Flasche, goß zwei Gläser ein und fügte einen Schuß stilles Wasser hinzu, um die hochprozentige Einzelfaßabfüllung auf Trinkstärke zu verdünnen. Er ignorierte ihre Bemerkung, um die drohende Diskussion über luxuriöse Genüsse zu vermeiden. Sie wären dann vermutlich auch auf Zigarren und Pferderennen gekommen, alles Leidenschaften, über die Claudia ganz anders dachte als ihr Vater. Und wenn Claudia Alkohol getrunken hatte, wuchs ihre ohnehin ausgeprägte Streitlust spürbar.

»Wie kam Franziska Reinicke eigentlich dazu, sich an den Black-Jack-Tisch zu setzen und mitzuspielen?« lenkte Simon ab. »Das hat es noch nie gegeben.«

»Dein Freund Dr. Malz hat sie aufgefordert zu spielen. Oder sie hat ihn dazu gebracht. Er war jedenfalls sehr angetan von ihr. Sie hat sogar 150,- Mark gewonnen, wie sie mir vorhin stolz erzählt hat. Und wie gefällt dir Franziska?« fragte Claudia etwas spitz.

»Höre ich da irgendeinen Unterton in deiner Frage?«

»Na, über ihre Beine müßtest du dir inzwischen ein Urteil erlauben können. Du hast sie schließlich heute den ganzen Tag über immer wieder betrachtet.«

»Sei bitte nicht albern. Franziska könnte meine Tochter sein!«

»Gerade dieser Altersunterschied stört doch Männer in deiner Lebensphase überhaupt nicht.«

»Ich wollte mich jetzt eigentlich mit dir noch einmal über unser Gespräch von heute vormittag unterhalten, nicht über die Beine der neuen Stipendiatin.« Simon holte ein Lederetui aus der Jackettasche und entnahm ihm eine Havanna. Claudia lächelte ihren Vater belustigt, aber auch neugierig an.

»Wenn es sich, was ich mir nicht vorstellen kann, bei diesem Text wirklich um einen Hinweis auf irgend etwas Interessantes oder Wertvolles oder gar um einen Schatz handelt, dann müssen wir uns einige Informationen besorgen. Ich glaube, daß es darüber ein Gesetz gibt und …«

Claudia unterbrach ihn: »Alle damit zusammenhängenden Fragen sind in den Denkmalschutzgesetzen der Länder geregelt. Eine Broschüre, in der diese Ländergesetze enthalten sind, gibt es beim Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz im Bundesministerium des Innern. Ein Exemplar liegt oben auf meinem Schreibtisch. Die wichtigen Passagen sind bereits gelb markiert. Du kannst dich bei der Lektüre darauf beschränken.«

Simon reagierte etwas ungehalten: »Gibt es noch weitere Informationen, die ich haben sollte?«

»Hey, heute früh hatte ich keine Zeit mehr, es dir zu erzählen. Du wolltest ja in Ruhe nachdenken. Und mehr habe ich auch noch nicht.«

»Schon gut. Fährst du noch nach Hause?« Claudia hatte zwar von ihrer Mutter eine kleine Eigentumswohnung in Wilmersdorf geerbt, aber die Souterrainwohnung im Haus des Vaters nicht aufgegeben. Hin und wieder übernachtete sie dort.

»Ja, ich rufe mir jetzt ein Taxi. Ach so, ich habe vorhin das Supraexlibris nachgezeichnet. Liegt auch auf dem Schreibtisch. Du kannst es morgen deinem Freund faxen.«

Simon blieb noch einen Moment allein sitzen. Nachdem er endlich in das Haus eingezogen war, hatte er den ersten Sonntag im Monat kaum erwarten können. Als Gastgeber des Fontanekreises war er fast vor Stolz geplatzt. Inzwischen dachte er immer häufiger darüber nach, wie er sich dieser Verpflichtung entziehen könnte, aber auch heute fand er keinen Ausweg. Viele Mitglieder des Fontanekreises ödeten ihn einfach an. Ihre überzogene Selbstsicherheit, das ritualisierte Engagement für kulturelle Angelegenheiten, die nichtssagenden Gespräche, die er sich die ganze Zeit anhören mußte … manchmal hatte er Lust, alles hinzuschmeißen.

Aber es waren seine besten Kunden, in der Buchhandlung und im Antiquariat. Er und der Fontanekreis, das war eine Zweckgemeinschaft, aus der er schlecht aussteigen konnte, ohne ernsthaften Schaden zu nehmen.

Simon goß noch ein wenig Whisky nach.

2. Kapitel

Von der Diele führte eine Tür in Simons Antiquariat. Es war ein reines Versandgeschäft, nur Stammkunden besuchten ihn hin und wieder nach vorheriger Terminabsprache. Hier katalogisierte er seine Ankäufe, schrieb Rechnungen und sortierte die Bestellungen, die Julia dann packte und von ihrem Mann auf die Post bringen ließ. Strenggenommen befand sich das Antiquariat im ganzen Haus verstreut, denn zwei Räume im Erd- und Obergeschoß beherbergten nicht Simons private Bibliothek, sondern Bücher, die zum Verkauf standen. Die eigenen, sofern man bei einem Antiquar überhaupt von eigenen Büchern sprechen kann, waren in seinem Schlafzimmer und im Verlagsbüro im ersten Stock untergebracht.

Wenn er aber vom Antiquariat sprach, meinte Simon diesen zur Straße gelegenen Raum, in dem er sich am liebsten aufhielt. Um den Verlag brauchte er sich kaum zu kümmern. Dessen Geschäfte führte Claudia, im Lektorat unterstützt von Friedrich Klage, Professor für europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität, Claudias Lehrer und Herausgeber der »Berliner Blätter für europäische Ethnologie«. Die Zeitschrift erschien viermal jährlich, der Abonnentenstamm hatte sich in den letzten Jahren zwar etwas verringert, reichte aber zusammen mit einigen treuen Anzeigenkunden aus, um das ganze Unternehmen kostendeckend zu gestalten. Sogar ein bescheidenes Gehalt sprang für Claudia dabei heraus. Im letzten Jahr allerdings zeichnete sich dank einiger unerwarteter Anzeigenaufträge für die GmbH sogar ein kleiner Gewinn ab, den Claudia und Simon, Gesellschafter zu gleichen Teilen, aber nicht ausschütteten, sondern noch vor Ende des Geschäftsjahres in neue Computer investiert hatten. Ungefähr die Hälfte der Arbeitszeit verbrachte Simon in seiner Buchhandlung in der Knesebeckstraße.

Zwei Tage nach dem Augusttreffen des Fontanekreises saß Simon im Antiquariat und arbeitete an einem neuen Versandkatalog, den er noch vor der Frankfurter Buchmesse an ausgewählte Kunden verschicken wollte. Er sortierte gerade seine Buchbestände zum Thema Tabak. Über zweihundert verschiedene Werke aus drei Jahrhunderten hatte er in den letzten Jahren angekauft. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, die Bücher in einem Spezialkatalog anzubieten. Er bekam immer häufiger Anfragen nach antiquarischer Tabakliteratur, denn die in Amerika grassierende Renaissance der Zigarre hatte auch Europa erreicht. Simon bedauerte, daß er sich nun von diesem Bestand würde trennen müssen, aber so ging es ihm immer. Als Simon gerade eine telefonische Bestellung entgegennahm, ging ein Fax ein. Er sah sofort, daß es von Tom Morgan kam.

»Lieber Simon,
wie schön, wieder einmal von Dir zu hören. Ich muß es noch einmal sagen: Schade, daß wir uns im März auf der London Bookfair verpaßt haben, aber ich konnte meine Dienstreise nicht verschieben. Vielleicht im nächsten Jahr.

Nun schnell (da in Eile) zu Deiner Anfrage. Ein Glück, daß unsere Exlibrissammlung inzwischen elektronisch erfaßt ist. Ich brauchte nur die Suchbegriffe Eselskopf, Karten und Würfel in verschiedenen Variationen eingeben und habe sehr schnell Auskunft erhalten. Der von Dir gesuchte Besitzer heißt Johann Ernst Schneller und wurde am 14. 4. 1700 in Berlin geboren. 1750 trat er in Dresden in den Dienst Kurfürst Friedrich Augusts II. von Sachsen. Am 31. 8. 1756 entzog er sich seiner Verhaftung wegen Verdachts auf Hochverrat durch Selbstmord.

Mehr habe ich in der Eile nicht finden können, aber nun kannst Du ja selbst recherchieren. Wozu brauchst Du das? (Verzeih meine Neugier.)

Herzliche Grüße aus London

Dein Tom«

Dresden also. Ärgerlich! Vor einer Woche hatte er von einem jungen Berliner Kollegen knapp 50 Titel über Dresden angeboten bekommen, Bücher und Karten. Wo hatte er nur dessen Adresse? Simon mußte fünf Minuten suchen, bis er die Telefonnummer endlich in seinem alten Karteikasten fand. Er erreichte nur einen Anrufbeantworter und bat um Rückruf.

Dann stieg er die Treppe zum Verlagsbüro hinauf. Claudia telefonierte offensichtlich gerade mit Professor Klage. Simon setzte sich auf die kleine Ledercouch, das Fax von Tom in der Hand, und wartete. Die Fenster des Büros lagen in nordöstlicher Richtung zum Garten hin. Die Sonne schien noch ins Zimmer. Simon begann zu schwitzen. Es waren bestimmt 30 Grad hier oben. Heute sollten es draußen sogar 33 Grad werden. Im Antiquariat war es wesentlich erträglicher. Claudia legte auf und setzte sich zu Simon.

»Der Klage geht mir langsam auf den Wecker. Immer, wenn ich ein paar junge Autoren für die Zeitschrift vorschlage, stellt er sich an.«

Simon reichte ihr das Fax. Er wollte sich im Moment nicht in den Konflikt zwischen Claudia und Professor Klage hineinziehen lassen. Es war auch für Simon nicht zu übersehen, daß die gute Zusammenarbeit, das bisherige Einvernehmen zwischen Claudia und ihrem Professor, in letzter Zeit gelitten hatte. Simon spürte, daß sie sich von Klage abnabeln, eigene Wege gehen wollte. Bei einer normalen Studentin wäre das kein Problem gewesen, aber Claudia war Klages Schülerin und gleichzeitig seine Verlegerin, eine ungewöhnliche Konstellation. Als Simon noch die Zeitschrift betreut hatte, war Klage oft im Verlagsbüro gewesen und hatte so auch Claudia kennengelernt, als sie noch ein kleines Mädchen war. Schließlich war es Simons Idee gewesen, Claudia schon während ihres Studiums in die Verlagsarbeit einzubinden. Er sah nun ein, daß er sich in nächster Zeit doch wieder in die Verlagsgeschäfte einmischen und zwischen den beiden vermitteln mußte.

»Das ist toll«, Claudia klatschte in die Hände, »ich hätte nicht erwartet, daß wir so schnell mit unserer Arbeit anfangen können. Dein Londoner Freund ist ja ein Schatz! Wie geht es jetzt weiter?«

»Habe ich dir einmal von Hans Hilbrecht erzählt?«

»Ich erinnere mich dunkel.«

»Hans Hilbrecht ist Jurist und Professor an der TU Dresden. Wir haben uns wenige Wochen nach der Wende hier in Berlin kennengelernt, ich erinnere mich nicht mehr, wer den Kontakt vermittelt hat. Hans beschäftigt sich privat seit Jahrzehnten mit der Geschichte Dresdens und hatte ein Manuskript über die Stadtgeschichte bei sich, als wir uns das erste Mal trafen. Er wollte es damals unbedingt in einem Westverlag publizieren und bat mich um Rat. Ich habe ihn an meinen alten Freund Fritz Berg verwiesen, der das Buch dann auch verlegt hat. Sehr erfolgreich übrigens, im letzten Jahr ist die dritte Auflage erschienen. Er hat mich danach ab und zu hier besucht, ich war auch zweimal bei ihm in Dresden zu Gast. Also, ich werde Hans Hilbrecht anrufen und fragen, ob wir uns treffen können. Er kann uns bestimmt etwas über diesen Johann Ernst Schneller erzählen. Sowie ich Hans erreicht habe, sage ich dir Bescheid.«

Wieder im Antiquariat, fiel Simon beim Katalogisieren ein Buch aus dem Jahr 1751 in die Hand: »Deutliche und ausführliche Nachricht vom Rauch- und Schnupf-Taback, worinnen von dessen Nahmen, Uhrsprung, Pflantzung, Principiis chymicis, Würckungen in der Medizin und Chirurgie, vom Rauchen und dessen Mißbrauch und erfolgenden Schaden, vom Nutzen des Rauchens, vom wahren und schädlichen Gebrauch des Schnupff-Tabacks gehandelt wird.« Es folgte noch ein Untertitel. Simon schmunzelte. Er liebte spätbarocke Buchtitel. Plötzlich fiel ihm ein, daß dieses Buch im gleichen Jahr wie seine Ausgabe der »Insel Felsenburg« erschienen war, sich also auch in der Bibliothek von Johann Ernst Schneller befunden haben könnte. Beide Bücher hatten das gleiche Format. Da kam ihm eine Idee, wie er Hans Hilbrecht sein Interesse an Schneller erklären könnte. Denn der Dresdner Jurist würde ihn bestimmt danach fragen. Eine Idee, die auch unter anderen Gesichtspunkten sinnvoll erschien. Er meldete sich telefonisch bei seinem Buchbinder und vereinbarte einen Termin für den nächsten Tag.

Später rief der junge Antiquar an. Er hatte die Bücher, Karten und Stadtansichten noch nicht veräußert. Nachdem Simon sich nun doch am Ankauf des gesamten Konvoluts interessiert zeigte, feilschten sie eine Weile um den Preis und einigten sich schließlich. Der junge Kollege versprach, in den nächsten Tagen zu liefern.

»Es kommt Zug in den Kamin«, stellte Simon fest und lehnte sich zufrieden zurück.

3. Kapitel

Nach einem späten Frühstück packte Simon die »Insel Felsenburg« und das alte Tabakbuch in seine Aktentasche und rief ein Taxi. An der Haustür schlug ihm die Sommerhitze wie eine Wand entgegen. Mächtige Kastanien überkronten die Straße und verwandelten sie in eine flirrende Landschaft aus Licht und Schatten; die drückende Hitze konnten sie jedoch kaum mildern.

Simon stieg in der Goltzstraße im Bezirk Schöneberg aus und betrat den Flur des renovierungsbedürftigen Altbaus, in dem es angenehm kühl war. Im Hinterhaus hatte Werner im dritten Stock seine Buchbinderei eingerichtet. Werner Schultz war ein Riese von fast zwei Metern mit gigantischen Händen. Simon begrüßte ihn wie immer sicherheitshalber ohne Handschlag. Die beiden hatten sich an der Freien Universität kennengelernt. Werner hatte sein Studium der Philosophie bald abgebrochen und war, der Theorie überdrüssig, bei einem Buchbinder in die Lehre gegangen. Später übernahm er dessen Geschäft. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit der Restaurierung wertvoller, alter Bücher. Glücklicherweise hatte Werner für Simon gerade zwei schwer beschädigte Bücher aus dem 18. Jahrhundert aufgearbeitet, und Simon konnte nun dessen handwerkliches Geschick wie schon oft ausgiebig loben, ohne übertreiben zu müssen – für Werner fast wichtiger als die Bezahlung.

»Ich habe eine große Bitte, die du wahrscheinlich als eine Art Anschlag empfinden wirst«, leitete Simon sein Anliegen ein und packte die beiden Bücher aus. Wie immer ließ er Werner Zeit, sich die mitgebrachten Bücher in Ruhe anzuschauen. Simon hatte sein Erstaunen erwartet.

»Was bringst du mir diese beiden Herrlichkeiten? Nicht einmal eine Schönheitsoperation ist hier nötig.« Für Werner waren alle restaurierungsbedürftigen Bücher Patienten und er der behandelnde Arzt. Simon hatte keine Ahnung, wo Werners Neigung zu dieser medizinischen Betrachtungsweise herkam.

»Wenn man jedes Buch für sich nimmt, hast du recht. Ich möchte, daß du die Buchblöcke vom Einband trennst und sie gegeneinander vertauscht wieder neu einbindest. Auch die beiden Titelprägungen auf den Buchrücken, glücklicherweise sind sie fast gleich groß und bei beiden Büchern aufgearbeitet, müssen vertauscht werden, natürlich ohne daß man es anschließend bemerken kann, ein Laie jedenfalls nicht. Glaub mir«, Simon reagierte schnell auf Werners entsetztes Gesicht, »ich brauche die Bände schnell zurück und habe einen sehr wichtigen Grund dafür.«

»Du bist verrückt, du bist doch Antiquar! Wie kannst du so in das Leben dieser schönen Bücher eingreifen wollen? Du zerstörst ihre Geschichte!«

Simon hatte die Reaktion vorausgesehen. Werner war in dieser Beziehung außerordentlich empfindlich.

»Werner, ich habe dich noch nie um so etwas gebeten. Ich weiß natürlich genau, daß man den Büchern das eigentlich nicht antun darf. Aber ich habe wirklich sehr schwerwiegende Gründe.«

»Unmöglich!« Werner stand ärgerlich auf und ging zum Fenster. »Erstens kann ich eine so offensichtlich überflüssige Arbeit nicht annehmen und zweitens schon überhaupt nicht unter diesem Zeitdruck. Weißt du denn …«

»Natürlich«, Simon unterbrach ihn, »natürlich weiß ich, daß du dafür eigentlich mehr Zeit brauchst, nicht nur Arbeitszeit, sondern Ruhezeit für die Patienten, für die Materialien, für die Klebstoffe, die Papiere. Aber ich habe diese Zeit nicht. Ich muß die Bücher so schnell wie möglich zurückhaben, jedenfalls das Tabakbuch in dem Maroquineinband. Du willst doch nicht, daß ich damit zu einem Kurpfuscher gehe?«

»Das ist Erpressung!«

»Montag?«

Werner kam vom Fenster zurück und begutachtete traurig beide Bücher noch einmal in Ruhe. Simon hatte gewonnen.

»Also gut, Montag.«

Simon schlenderte ziellos über den Markt auf dem Winterfeldtplatz, den er seit vielen Jahren nur noch hin und wieder besuchte. Früher, als er hier in der Nähe wohnte, gehörte der Einkauf auf dem Markt zu seinem wöchentlichen Ritual. Es waren Monate seit seinem letzten Besuch vergangen. Er genoß es, sich vom Marktgeschehen treiben zu lassen, von den vielen Besuchern, den lauten Stimmen der Händler, den Gerüchen und den bunten Bildern, die sich seinen Augen boten. An seinem alten Imbißstand aß er ein Würstchen, wie immer freundlich begrüßt von der Inhaberin, die nun wohl schon mehr als ein halbes Leben hier im Kiez ihren Imbiß betrieb.

Zwangsläufig erinnerte er sich an seine Frau Hanna, die er hier auf dem Markt kennengelernt hatte und die jetzt schon fünfzehn Jahre tot war. Mit seinem Freund Hubert gestorben bei einem Autounfall auf der Kantstraße. Auch Claudia und er selbst hatten im Auto gesessen, auf dem Rücksitz. Sein schwer verletztes Knie behielt einen dauerhaften Schaden, seitdem brauchte er einen Stock als Gehhilfe.

»Ich habe Sie lange nicht gesehen.« Die Wurstfrau hatte gerade niemanden zu bedienen. »Wohnen Sie überhaupt noch in Berlin?«

»Ja natürlich, in Wilmersdorf. Ich komme leider nur noch selten hier vorbei.«

Eine kleine Gruppe hungriger, jugendlicher Touristen unterbrach ihr kaum begonnenes Gespräch. Mit dem Versprechen bald wiederzukommen und einem Abschiedsgruß ging Simon zum U-Bahnhof Nollendorfplatz.

Man erwartete ihn in der Buchhandlung erst später, denn er hatte für das Gespräch mit Werner sicherheitshalber ein Essen eingeplant, falls dieser sich heftiger gegen den Auftrag gesträubt hätte. Er wäre auch gern mit Werner essen gegangen. Aber er wollte ihm jetzt nicht die Gelegenheit geben, es sich noch einmal zu überlegen.

Simon fuhr selten mit der U-Bahn. Als er in der Eingangshalle oberflächlich den Fahrplan betrachtete, fiel ihm auf, daß nur drei Stationen vom Nollendorfplatz entfernt der Potsdamer Platz lag. »Bülowstraße«, »Gleisdreieck«, »Potsdamer Platz«. Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, daß diese Verkehrsverbindung wieder in Betrieb genommen worden war. Spontan stieg er in die nächste U-Bahn Richtung Vinetastraße.

Es war kurz vor eins, als er den kühlen U-Bahn-Schacht verließ und am Potsdamer Platz wieder auftauchte. Vor ihm wuchs die große, rote Infobox in den Himmel, die über die Riesenbaustelle und die geplante Neugestaltung Berlins informierte. Simon betrat das stadtbekannte Provisorium zum ersten Mal. Nachdem er sich die zahlreichen Modelle, Planskizzen und Video-Simulationen angeschaut hatte, ging er auf die Aussichtsplattform, von der aus man einen guten Überblick hatte, nicht nur über die Baustellen am Potsdamer Platz, sondern auch über die Dächer der Stadt. Erst hier oben, als er auf die wirkliche Stadt schaute, wurde ihm klar, was ihn beim Betrachten des großen Holzmodells der Innenstadt im ersten Stock der Infobox irritiert hatte. Dort hatten die Modellbauer den Potsdamer Platz, das zukünftige Regierungsviertel und den Lehrter Stadtbahnhof, die großen Neubauprojekte der Innenstadt, farblich vom Rest des Weichbildes der Stadt abgesetzt. Diese farbliche Akzentuierung diente nur der Verdeutlichung. Simon aber hatte, ohne sich dessen zunächst bewußt zu sein, die Andersartigkeit der Farbe als Ausdruck der Fremdheit dieser Neubauten in der Stadt empfunden, als einen Beleg dafür, daß sie nicht wirklich dazugehören wollten, sondern darauf Wert legten, sich vom Rest Berlins zu unterscheiden. Als er nun von der Dachterrasse der Infobox über Berlin blickte, fiel ihm ein Artikel ein, den er kürzlich in der Tagespresse gelesen hatte. Darin hieß es, »daß der Osten verschwinden würde, verstand sich 1990 von selber. Mit dem Regierungsumzug könnte das alte West-Berlin folgen.« Simon war nicht einverstanden mit der Konjunktivform des zweiten Satzes. Denn das alte West-Berlin war doch schon längst verschwunden. Nur wollten viele das nicht zur Kenntnis nehmen, verweigerten sich dieser Tatsache. Er fühlte sich hin- und hergerissen zwischen der Begeisterung über den Aufbruch und der Einsicht, daß viel Gewohntes, Vertrautes dabei auf der Strecke bleiben mußte.

Simon winkte sich ein Taxi und wollte in die Buchhandlung fahren, folgte dann aber erneut einem Einfall und ließ sich am Kurfürstendamm kurz vor dem Adenauerplatz absetzen.

Auf der Fahrt dahin dachte er über seine Zukunft nach, die seiner Buchhandlung. Im nächsten Jahr würde er das 75jährige Jubiläum der Firma feiern können. Das Geschäft war von seinem Großvater gegründet worden und befand sich heute noch am ursprünglichen Standort. In diesem Jubiläumsjahr lief allerdings auch der Mietvertrag für den Laden aus, und Simon dachte nicht ohne Sorge an die ihm bevorstehenden Verhandlungen. Seitdem das gut erhaltene Jugendstilhaus vor fünf Jahren von der Erbengemeinschaft an eine große Immobiliengesellschaft verkauft worden war, hatte sich viel verändert. Der langjährige Mieter des zweiten Ladenlokals, ein großes Schreibwarengeschäft, mußte schon vor zwei Jahren kapitulieren, als sein Inhaber die Mietforderungen des neuen Besitzers nicht erfüllen konnte. Seitdem hatte Simon ein italienisches Restaurant, das »Il Conto«, zum Nachbarn. Statt mit dessen humorigem Patron Guido hätte sich Simon besser mit dem neuen Besitzer des Hauses anfreunden sollen. Aber dieser Besitzer war eine in München ansässige GmbH & Co. KG, und Simon konnte deren Geschäftsführer nicht ausstehen.

Er stieg aus dem Taxi, bog in eine kleine Seitenstraße ein und stieg die paar Stufen hoch, die zur Eingangstür eines Mietshauses aus der Jahrhundertwende führten. Dann klingelte er bei der Firma »J. Höfel & Söhne«, einem weltweit bekannten Unternehmen, das mit Autographen aus allen Gebieten handelte. Aus der Gegensprechanlage krächzte unwirsch die Stimme Joachim Höfels.

»Schuster hier, Simon Schuster, darf ich stören?«

»Schuster, ha, er komme hoch.«

Der Türsummer erklang, und Simon betrat den riesigen, mit Wand- und Deckengemälden ausgeschmückten Hausflur, den ein Kronleuchter erhellte. Langsam nahm er die hohe Treppe, die in die erste Etage führte, wo ihn Joachim Höfel schon erwartete. Der Autographenhändler war knapp über siebzig Jahre alt und etwa gleich groß wie Simon. Die ergrauten Haare fielen ihm bis fast auf die Schultern, und wie immer trug er eine braune Breitcordhose, eine dazu passende Samtweste und ein weißes Hemd mit Fliege. An einer silbernen, feingliedrigen Kette hing eine Lesebrille. Die beiden kannten sich zwar schon viele Jahre, besonders herzlich war ihr Verhältnis allerdings nicht. Höfel begleitete Simon in sein Büro, wies ihm mit einer Handbewegung den Stuhl vor dem Schreibtisch zu und setzte sich.

»Was führt Sie zu mir, Schuster?«

Er nannte jeden nur bei seinem Nachnamen.

»Ich interessiere mich für Autographen eines Johann Ernst Schneller …«

»Den Hofnarren?« unterbrach ihn Höfel.

»Genau den.«

Joachim Höfel betrachtete seinen Gast nachdenklich.

»Schuster«, hob er langsam an, »Sie können bei mir Briefe von Goethen oder Karl May erwerben, oder ein eigenhändiges Musikmanuskript von Paul Dessau; preiswerter sind päpstliche Dokumente, beispielsweise eine Bulle Urbans VIII. von 1643. Mein schönstes Stück ist momentan allerdings ein Brief von René Descartes an Thomas Hobbes aus dem Jahr 1641. Aber«, fügte er lächelnd hinzu, »der Erwerb dieses Briefes dürfte Ihre finanziellen Verhältnisse weit übersteigen.« Das Lächeln verschwand sofort wieder von seinem Gesicht. »Sie sammeln doch überhaupt keine Autographen, was zur Hölle wollen Sie mit Briefen von Johann Ernst Schneller?«

»Haben Sie denn Briefe?«

Höfel schüttelte verneinend den Kopf.

»Hören Sie«, fuhr Simon fort, »dahinter steckt ein rein privates Interesse, keine Sammelleidenschaft, wie Sie richtig vermutet haben. Ich interessiere mich für den Hofnarren und seine Zeit. Das ist alles.«

»Hm, ich habe vor über zwanzig Jahren ein Manuskript von Schneller nach Wien verkauft, kein handschriftliches, sondern eine maschinengeschriebene Abschrift der Übersetzung seines Tagebuchs, allerdings nur Teile davon. Aber äußerst selten. Meines Wissens gibt es nur dieses eine Exemplar.«

»An ein Archiv oder Museum?« fragte Simon.

»Nein, der Käufer war ein privater Sammler, dessen Namen ich selbstverständlich nicht nennen will. Aber, Schuster, ich könnte nachfragen, ob er eine Kopie für Sie anfertigen läßt. Doch das wird sicherlich teuer. Wie gesagt handelt es sich um ein Unikat.«

Simon ahnte, worauf Höfel hinauswollte. Der Alte fuhr sich durchs Haar. »Feuchtwanger«, sagte er nur.

Simon besaß seit vielen Jahren Briefe Lion Feuchtwangers an die Berliner Autorin Ingeborg Wendt. 23 Briefe, die Feuchtwanger innerhalb von zwei Jahren geschrieben hatte, sehr inhaltsreiche, lange Briefe. Feuchtwangers Tod im Jahr 1959 beendete diesen Gedankenaustausch. Höfel hatte schon vor Jahren erfahren, daß diese Briefe in Simons Hände gelangt waren, und drängte Simon immer wieder, sie ihm zu verkaufen.

»Aus welchen Jahren stammt das Tagebuchmanuskript?« fragte er Höfel.

Der stand auf und ging in einen Nebenraum. Nach zehn Minuten kam er mit einem alten Auktionskatalog wieder. Er zeigte Simon den Eintrag:

»SCHNELLER, Johann Ernst, 1700-1756, Hofnarr Friedrich August II. von Sachsen

Tagebuchmanuskript in deutsch (Original französisch, verschollen). Mit einer Vorbemerkung des Übersetzers. 62 maschinengeschriebene Seiten, Übersetzung aus dem Jahr 1939, nur teilweise erhalten. Behandelt mit Lücken die Lebensjahre von 1754-1756. Geringfügige Brandspuren. Sehr selten!«

Der Preis war geschwärzt.

»Ein unvorteilhafter Tausch, 23 maschinengeschriebene und persönlich unterzeichnete Briefe von Feuchtwanger gegen 62 Fotokopien.«

Höfel zuckte mit den Schultern.

»Schuster, wenn Sie wirklich interessiert sind, kann ich nachschauen, ob ich die ersten Seiten des Tagebuches finde. Es gab damals nämlich noch einen zweiten Interessenten, der wollte die Katze nicht im Sack kaufen und bat mich um einige Probeseiten. Erst nach deren Lektüre wollte er sich entscheiden. Schließlich nahm er von dem Ankauf Abstand und schickte mir die Kopien wie verabredet zurück. Diese Seiten müßte ich noch haben.«

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht?« Simon hatte Mühe, seine Aufregung zu verbergen. Höfel lächelte und verschwand wieder in seinem Archiv. Simon hörte ihn im Nebenzimmer kramen. Schließlich kam Höfel mit einigen Blättern in der Hand zurück.

»Hier sind sie. Lesen Sie ruhig.«

Er gab Simon die Papiere und setzte sich an den Schreibtisch. Simon nahm die sieben vergilbten Blätter und begann zu lesen. Die ersten Seiten enthielten eine Vorbemerkung des Übersetzers.

»Am Nachmittag des 9. November 1938 arbeitete ich in meiner Wohnung in der Händelstraße an meiner Vorlesung für die folgende Woche, als mein jüngerer Bruder Hans, mit dem ich die Wohnung teile, nach Hause kam. Wenig später betrat er in voller Uniform mein Zimmer und erinnerte mich an die geplante Aktion, die am Abend beginnen sollte. Ich antwortete ihm, daß ich vermutlich leider bis spät in die Nacht an meiner Vorlesung schreiben müsse und deshalb wohl nicht teilnehmen könne.

Gegen neun Uhr abends rief mich Hans an und informierte mich darüber, daß seine Abteilung gerade in das Haus des jüdischen Professors Salomon G. eingedrungen sei und begonnen habe, dessen Bücher und Schriften im Garten zu verbrennen. Er wisse, daß ich das nicht gutheißen würde, könne es aber nicht verhindern. Vielleicht wäre es mir ja möglich, der Vernichtung der Bücher Einhalt zu gebieten.

Die Privatbibliothek des Professors ist über die Grenzen Dresdens hinaus bekannt, und ich wußte, daß sie auch zahlreiche seltene Archivalien zur Geschichte der Stadt enthält. Ich erkundigte mich bei meinem Bruder nach dem Namen des Einsatzleiters. Gleich anschließend rief ich den Gauleiter an, den ich zu meiner Überraschung auch sofort erreichte. Er versprach mir, umgehend in der Villa des Juden anzurufen, um die weitere Zerstörung schriftlicher und gedruckter Unterlagen zu unterbinden. Außerdem schicke er gleich einen Wagen, damit ich mir vor Ort ein Bild machen und eingreifen könne.

Kurz vor zehn traf ich in der Villa des Salomon G. ein, die einem Schlachtfeld glich. Man hatte zwar nach dem Anruf des Gauleiters mit dem Verbrennen jeglicher Schriftstücke und Bücher aufgehört, sich dafür aber an der restlichen Einrichtung des Hauses schadlos gehalten. Ich reklamierte sofort die gesamte Bibliothek und sämtliche schriftliche Unterlagen für die Universität und ordnete, gestärkt durch die Autorität des Gauleiters, an, daß das Haus sofort zu verlassen und zu versiegeln sei. So geschah es, und in den nächsten Wochen transportierten meine Studenten die Bücher und Dokumente, die es wert waren, in die Institutsbibliothek, um dort eingestellt zu werden. Ab und zu, wenn meine Studenten sich diesbezüglich unschlüssig waren, fragten sie bei mir nach. So kam das Tagebuch des Hofnarren Johann Ernst Schneller in meine Hände.

Ich erkannte sofort, daß es sich um ein Fragment handelte, und gab Anweisung, sämtliche Schriftstücke aus dem Haus des Professors nochmals zu sichten. Leider konnten wir keine weiteren Seiten des Tagebuches finden, sie sind wohl verbrannt oder sonstwie verlorengegangen. Gleichfalls erkundigte ich mich nach dem Ort, wohin der Jude verbracht worden war – zu spät, er war bereits tot. So gibt es wohl keine Hoffnung mehr, weitere Teile von Schnellers Tagebuch aufzufinden, und es wird nur schwerlich in Erfahrung zu bringen sein, auf welchem Weg es in die Hände des Professors fiel.

Der erhaltene Text beginnt im November 1754. Leider ist er nur lückenhaft erhalten. Das Tagebuch endet am 31. August 1756, dem Tag von Schnellers Freitod. Wie groß die Lücken sind, läßt sich derzeit nicht ausmachen. Alle Passagen sind von Johann Ernst Schneller eigenhändig niedergeschrieben worden, anders als die wenigen von ihm erhaltenen Briefe, die, wie damals üblich, ein Berufsschreiber nach seinen Vorgaben verfaßte und die er dann nur unterzeichnete. Die beiliegende Übersetzung aus dem Französischen habe ich ins heutige Deutsch übertragen, darum bemüht, die sprachlichen Eigenarten des Originaltextes zu bewahren. Zum besseren Verständnis sind in [eckigen Klammern] einige Anmerkungen meinerseits eingefügt.

Professor Dr. phil. Fritz Ruben
Dresden, den 14. Januar 1939«

»Widerlich, dieser Ruben«, bemerkte Simon zu Höfel, »wie er über den jüdischen Professor redet … Der Jude ist ›verbracht‹ worden. Was für eine Sprache! Haben Sie von diesem Ruben schon einmal etwas gehört?«

Höfel verneinte. Simon begann mit der Lektüre der Übersetzung des Tagebuches, die mitten in einem Eintrag anfing.

… schließlich war es ein Geniestreich meines lange schon vergessenen Bruders aus der Narrenzunft, Brusquet [Hofnarr unter Heinrich III. von Frankreich, 1551-1589], der sich die Betreibung der Pferdestation von Paris zu einer Zeit ergattern konnte, als der Gebrauch von öffentlichen Kutschen und Relaispferden noch nahezu unbekannt war. Der König von Frankreich verlieh ihm das erbetene Privileg mit nachsichtigem Staunen. Etliche Jahre später wunderte er sich nicht mehr. Brusquet hielt inzwischen über 100 Pferde in seinen Stallungen, und die Entreprise konnte es mit den fettesten Kirchenpfründen des Königreiches aufnehmen. Was für ein Geschäft! Der Fürst stand da wie ein Narr, und der Narr bewies Weitsicht, so wie ich.

Seine Kurfürstliche Durchlaucht [Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen, als August III. auch König von Polen] gleicht Heinrich III. Auch ihm mangelt es an vorausschauender Klugheit. Er lebt für die Künste, für seine Sammlungen; nichts ist dagegen einzuwenden, wenn sich nicht darin seine Interessen erschöpften. Alles andere überläßt er mehr und mehr mir und von Brühl [Heinrich Graf von Brühl, 1700-1763, Sächsischer Premierminister seit 1746], meinem Gegenfüßler von Anfang an. Der Kurfürst folgt meinem Rat bei Handelsgeschäften, und das ist gut für ihn. Denn hierin bin ich von Brühl weit überlegen. Auch in Hofangelegenheiten und intimen Dingen bespricht er sich mit mir und fragt nicht diesen Hurenbalg. Indes muß ich von Brühl sorgsam im Auge behalten, er ist der Kopf der Regierung und ein Fuchs in Fragen der Verwaltung, und hat, mir darin voraus, Einfluß auf die Ministerien, den Geheimen Rat und die Kollegien. Weiter leitet er, wie ich zugeben muß, mit großem Geschick alle Kunstkabinette, dabei freilich unterstützt vom Herrn Sekretär Carl Heinrich von Heinecken, einem wahrlich kunstverständigen Menschen. Seine Agenten, insbesonderheit Algarotti und Rossi, kaufen in ganz Italien Gemälde ein, über die sich mein Fürst dann ungemein freut. Von Brühl steht deshalb bei ihm in hoher Gunst. Das kann mir irgendwann das Genick brechen.

Nach allem, was ich gesehen und erfahren, wird die Welt immer kleiner. Seit frühester Jugend bin ich beständig gereist, selbst bis nach Portugal. In diesen nun fast vierzig Jahren konnte ich bemerken, daß die Postwege aller Orten befestigt wurden. Auch hat ein verstärktes Patrouillenwesen die Reisewege sicherer gemacht, obwohl man sich noch heute vor Räuberbanden wohl in acht nehmen muß. Und indes ich früher oft unter freiem Himmel nächtigen mußte, sorgen heute zahlreiche Gasthöfe und Poststationen für die Bequemlichkeit der Reisenden. So reist man nunmehr schnell und mit weniger Fährnis. Und durch die rasche Entwicklung des allgemeinen Postwesens und die damit einsetzende Flut von Nachrichten haben sich alle Dinge des Hofes rasant kompliziert. Auch die Verwaltung des Hofes bläht sich immer mehr auf.

Mein Platz bleibt jedoch an der Seite meines Fürsten und Herrn. Aber meine Serenissimus eingeflüsterten Ratschläge in Fragen der Verwaltung, der Steuer und der Diplomatie zerschellen immer häufiger an von Brühls Einwänden, seinen spitzfindigen Zweifeln an meinen Ideen. Nur er, der Herr Minister, beraten von zahlreichen Sekretären und Verwaltungsbeamten, könne ermessen, was in diesen Dingen gut und richtig für Seine Durchlaucht sei. Schließlich sei der Fürst doch bisher immer zufrieden gewesen …

Mein politischer Rat ist bei Seiner Hoheit immer weniger gefragt. Es fällt schwer, das hinzunehmen.

»Mein lieber Johann«, sagte mein Herr vor wenigen Tagen, »Er lasse Brühl nur machen. Wir fahren gut mit unserem Ersten Minister.« Und dann lachte er. »Bleibe Er mein Hoftaschenspieler, mein Narr, Händler in meinen Diensten und enger Vertrauter für die angenehmen Seiten des Lebens. Brühl soll nur machen.«

Acht Sekretäre stehen in von Brühls Diensten. Mit ihrer Hilfe und dank der Dienstbarkeit zahlloser Lakaien spinnt er meinen Herrn in ein kunstvoll gewobenes Netz aus Ratschlägen, Intrigen und Überwachung ein. Es ist kaum mehr möglich, einen Bittsteller zum Fürsten zu führen, ohne daß von Brühl Kenntnis davon erhält, denn überall lauern seine Spione.

Und Serenissimus wiegelt ab, wischt meine Bedenken vom Tisch. Ahnt er nicht, daß der Falschmünzer Brühl meinen Einfluß zu schmälern sucht? Ein Glück, daß die Mätresse meines Fürsten eine so dumme Gans ist. An der Tafel amüsiert sie sich über meine Scherzworte und erschrickt köstlich, wenn ich auch nur die simpelsten Taschenspielertricks vorführe. Schon ein geschickt in meiner Hand verborgener Magnet, mit dessen Hilfe ich Münzen über den Tisch hüpfen lasse, bringt sie der Ohnmacht nahe. Nicht von Brühl, sondern ich habe Einfluß auf sie. Obgleich das nicht viel bedeutet, denn mit ihr bespricht mein Fürst und Herr sich kaum. Sie ist auch zu ungebildet, um kluge Ratschläge zu geben.

Simon wollte den gesamten Text haben. Er sah Höfel an und wußte, daß hier nicht zu handeln war.

»Gut«, sagte er schließlich, »der Tausch soll so sein.«

»Wenn ich überhaupt eine Kopie bekomme«, antwortete Höfel, »ich versuche, was ich kann. Schuster, Sie hören von mir.«

Joachim Höfel ging langsam zurück ins Büro und schlug das alte Adreßbuch auf. Seine beiden Söhne hatten die Adreßverwaltung der Kunden und Lieferanten natürlich längst über den PC organisiert, aber er hielt sich lieber an sein Gedächtnis und das Adreßbuch. Er wählte eine Telefonnummer in Wien. Claus Ruben mußte seine Hand am Hörer gehabt haben, denn er meldete sich gleich nach dem ersten Klingeln. Höfel schilderte ihm sein Anliegen, und nach kurzem Nachdenken stimmte Ruben der Anfertigung einer Kopie der gesamten Tagebuchaufzeichnungen Schnellers zu. Er verlangte nur Angaben zur Person des Interessenten und einen angemessenen finanziellen Ausgleich für seine nicht unerheblichen Bemühungen. Höfel hatte nichts anderes erwartet. Über die Summe wurden die beiden schnell handelseinig. Joachim Höfel lächelte, als er den Telefonhörer auflegte. Nicht oft hatte er so einfach sein Geld verdient.

Claus Ruben dagegen war der Preis, den Höfel ihm für die Kopien geboten hatte, im Grunde egal. Zum Glück hielt sich gerade kein Kunde in seinem Antiquitätengeschäft auf. Er ging zur Ladentür, schloß ab, goß sich dann einen Cognac ein, trank einen Schluck und fragte sich, ob er richtig entschieden hatte. Die damals von ihm erworbenen Tagebuchaufzeichnungen, die sich nicht in dem Koffer seines Onkels befunden hatten und deren Weg in den Nachkriegswirren nicht mehr zu rekonstruieren war, in die er aber große Hoffnungen gesetzt hatte, enthielten leider keinen Hinweis auf den Verbleib des Schatzes – jedenfalls keinen für ihn ersichtlichen. Und plötzlich, zum ersten Mal, seit sich das Manuskript in seinen Händen befand, erkundigte sich jemand danach und war sogar bereit, eine ansehnliche Summe dafür zu zahlen. Ein Buchhändler aus Berlin. Vielleicht besaß dieser Simon Schuster einen Hinweis, der zusammen mit Schnellers Notizen eine Spur ergab. Das müßte man überprüfen; ein schwieriges, aber nicht unmögliches Unterfangen.

Ruben rechnete kurz nach. Sechsundzwanzig Jahre dauerte seine Suche nach dem Schatz des Hofnarren schon. Als sein Vater im Sommer 1972 unerwartet gestorben war, hatte er bei der Auflösung des Haushaltes einen Koffer mit erstaunlichen Dokumenten aus dem Besitz seines Onkels Fritz gefunden. Professor Dr. Fritz Ruben war am 13. Februar 1945 bei der Bombardierung Dresdens umgekommen. Sein Vater hatte ihm davon erzählt, aber nichts von dem Koffer, den er auf der Flucht in den Westen mitgenommen hatte. Tagelang beschäftigte Claus Ruben sich damals mit nichts anderem als der Lektüre der historischen Dokumente. So hatte er von Johann Ernst Schneller und dessen Schatz erfahren. Sein Onkel hatte die Archivalien noch als Student 1926 offensichtlich zufällig gefunden. Sie hatten Jahrzehnte unbeachtet und verstaubt unter uninteressanten Inventarverzeichnissen im Dresdner Stadtarchiv gelegen. Nach diesem Fund sichtete sein Onkel alle Dokumente, die nur entfernt mit der Sache zu tun hatten, und legte ein gründliches Verzeichnis an. Er tat dies im verborgenen, unauffällig und im geheimen Auftrag der NSDAP, der er schon Mitte der zwanziger Jahre beigetreten war. Die geheime Operation bekam den Namen »Goldspur«. Nach der Machtergreifung erhielt er freie Hand und konnte in allen Archiven recherchieren, den Schatz aber nicht finden. Heute lag die »Goldspur«-Akte sicher in Claus Rubens Wiener Bankschließfach.

Wieviel mochten die Juwelen, Goldmünzen und Schmuckstücke wert sein? Claus Ruben wußte es nicht genau. Aber er kannte die von der kurfürstlichen Kommission erstellten Listen beinahe auswendig. Mit großer Akribie waren die finanziellen Transaktionen des Hofnarren damals rekonstruiert worden. Was er gekauft und verkauft hatte, mit welchen Juwelieren er Geschäfte getätigt, an wen er Grundstücke veräußert hatte. Claus Ruben lächelte. Heute wäre es nicht so einfach, die Finanzbewegungen eines Menschen transparent zu machen. Nummernkonten in der Schweiz, Steueroasen in der Karibik, Datenschutzgesetze … Vom Landesherrn beauftragt, konnten die Inspektoren im 18. Jahrhundert schnell und effektiv arbeiten. Selbst als Friedrich der Große ganz Sachsen kontrollierte, ging die Suche weiter. Nun zwar unter erschwerten Bedingungen, aber die Suche ging weiter. Doch der detaillierte Abschlußbericht der Kommission war für den Kurfürsten wertlos. Schmuck, Gold und Juwelen blieben verschwunden. Bis heute. Zehn Millionen, fünfzehn Millionen? In diesem Rahmen bewegten sich Claus Rubens Schätzungen, eingerechnet der Verluste, die durch Provisionen bei der Veräußerung der Pretiosen entstehen würden. Denn mit dem Schatz würde er auf den schwarzen Markt gehen müssen, auf dem er sowieso ständig tätig war. Aber der eigentliche Wert des Schatzes war natürlich viel höher, unschätzbar. Claus Ruben rechnete nur den Materialwert in Unzen und Karat. Vielleicht, wenn man Sammler fände, die nicht nach dem Woher fragten, unter günstigen Umständen also, konnte man noch mehr Gewinn erzielen. Das blieb abzuwarten.

Claus Ruben trank seinen Cognac aus und beglückwünschte sich zu seiner Entscheidung. Möglicherweise kam endlich Bewegung in die Sache. Noch heute würde er die Post nach Berlin auf den Weg bringen – per Eilboten. Er ging zum Telefon, einem weißen Apparat aus Bakelit mit Wählscheibe und grünen Ziffern. Ruben mochte die modernen Telefone nicht. Sein Handy benutzte er nur ungern. Er nahm den schweren Hörer ab und rief seinen alten Schulfreund in Dresden an.

Unterdessen ging Simon zu Fuß in seine Buchhandlung. Der drohende Verlust der Briefe Lion Feuchtwangers schmerzte ihn. Andererseits konnte er es nicht erwarten, Schnellers gesamte Tagebuchaufzeichnungen in die Hände zu bekommen. Er wat hungrig und sagte im Laden Bescheid, daß er bei Guido etwas essen wolle. Viel schien heute in der Buchhandlung nicht los zu sein. Bei der Hitze war das auch nicht verwunderlich. Trotzdem deprimierte es Simon, daß sein Geschäft in diesen Tagen so schlecht besucht war.

Nach scheinbar endlosen Verhandlungen mit dem Tiefbauamt war Guido im letzten Jahr endlich seine Straßenterrasse genehmigt worden. »Es gibt keinen schlimmeren Menschenschlag als deutsche Beamte«, hatte Simon Guidos zähe Bemühungen um diese Erlaubnis kommentiert. »Doch, italienische Beamte«, hatte Guido lachend geantwortet. Seitdem war immer ein Tisch für Simon reserviert, einer im Restaurant am Fenster bei schlechtem Wetter oder ein Tisch auf der bis an das Schaufenster der Buchhandlung reichenden Terrassenseite. Simon genoß es, am frühen Nachmittag zu essen. Das Restaurant war zu dieser Stunde kaum besucht, und Guidos Bruder, ein ausgezeichneter Koch, hatte ausreichend Zeit, ihm ausführlich die Tageskarte zu erläutern und Simons Essen selbst zuzubereiten. Ein kleiner, mit Blumenkästen geschmückter Zaun trennte den Terrassenbereich von der Straße, und eine riesige blaue Markise schützte die Gäste vor der Sonne.

Simon beobachtete, wie auf der anderen Straßenseite Jürgen Klemm gerade emsig dabei war, die Stapel auf den Sonderangebotstischen vor den Schaufenstern zu ergänzen. Schwitzend und mit großem Eifer entnahm er dem kleinen Transportkarren weitere Sonderposten. Noch vor fünf Jahren hatte in alten Neonbuchstaben »Buchhandlung Gesine Klemm« über dem heutigen »Büchertreff« gestanden. Dann starb die alte Buchhändlerin und mit ihr der Geist des auf geisteswissenschaftliche Literatur und Kunst spezialisierten Ladens. Denn ihr Sohn hatte andere Pläne. Der studierte Betriebswirt formte das Geschäft zu einer Art Light-Buchhandlung um. Dadurch verprellte er sich zwar einen Teil seiner bisherigen Stammkundschaft, was er aber durch die zahlreiche Laufkundschaft wettmachte, die er nun vor allem durch preiswerte Sonderangebote anlockte. Der Laden präsentierte sich nach einem Umbau zwar hell und modern, hatte den Charakter einer zum Schmökern einladenden Bücherstube aber unwiderruflich verloren. Doch der Publikumszuspruch gab Jürgen Klemm recht. Durch die größere Übersichtlichkeit konnte er Personal einsparen und seinen Gewinn verbessern. Auf Simons Geschäft hatte die Neupositionierung der angesehenen Buchhandlung keine nennenswerten Auswirkungen. Er gewann ein paar neue Stammkunden von gegenüber, darunter zwei nicht unwichtige Institutsbibliotheken, und verlor dafür einiges an Laufkundschaft.

Es waren aber nicht so sehr die ökonomischen Folgen dieser Veränderung, die ihn beschäftigten. Vielmehr erfüllte ihn mit Groll, daß Jürgen Klemm das Lebenswerk seiner von Simon verehrten Mutter quasi auf der Müllhalde abgeliefert hatte. Es widersprach seiner traditionellen Auffassung vom Handeln mit Büchern, sich lediglich an Lagerumschlagsgeschwindigkeiten zu orientieren und dem Geschmack des breiten Publikums nachzulaufen. Das hatte Simon glücklicherweise auch nicht nötig. Denn der Fontanekreis verschaffte seiner Buchhandlung ein kleines, aber sicheres Polster. Fast alle Mitglieder zählten zu seinen Kunden, nicht nur als Privatpersonen, und schon als solche gaben sie viel Geld für Bücher aus. Vor allem die Unternehmen oder Behörden, denen sie vorstanden, kauften ihre Bücher bei ihm. In jahrelanger, zäher Arbeit hatte Simon erreicht, daß die Mitgliedschaft im Fontanekreis faktisch verbunden war mit der Entscheidung, bei ihm zu kaufen.

Simons Blick streifte das gegenüberliegende Haus. Auf der Balkonterrasse im vierten Stock sah er zwei Kinder. Große und mit bunten Sommerblumen bepflanzte Kästen säumten die lange Balkonmauer. Er wunderte sich zunächst, daß er die beiden Kleinen hinter der hohen Balkonmauer überhaupt sehen konnte. Dann erschrak er, denn ihm wurde klar, daß die Kinder immer wieder auf Stühle stiegen. Die beiden waren gerade dabei, mit großen, schweren Gießkannen die Blumenkästen zu gießen. Selbst auf diese Entfernung konnte Simon erkennen, mit welchem Eifer die beiden dabei waren. ›Na, wenn die mal nicht übertreiben‹, dachte er, und schon sah er die ersten Tropfen aus den Blumenkästen fallen. Sie landeten genau auf den Tischen mit den billigen Sonderangeboten. Sogar er konnte das klatschende Geräusch hören. Simon schloß die Augen. Er stellte sich vor, wie die trockene Blumenerde sich mit dem Wasser vollsaugte, bis sie weitere Flüssigkeit nicht mehr aufnehmen konnte. Wie immer weiter Wasser zugegeben wurde und dieses Wasser durch die Bodenöffnungen der Blumenkästen drang, sich einen Weg suchte und schließlich nach unten auf die Straße tropfte. Zunächst tropfte es nur. Und mit jedem Tropfen wurde ein wenig Blumenerde mitgerissen, die beim Aufschlagen über die Bücher spritzte. Aber die Tropfen verwandelten sich schnell in dünne Wasserfäden, in mehrere, über die ganze lange Balkonfront sich verteilende Strippen von Gießwasser.

»Aufhören, aufhören, sind Sie wahnsinnig?!«

Simon öffnete die Augen und sah nun die ganze Bescherung. Jürgen Klemm stand fassungslos brüllend vor dem Laden. Er schrie durch die Ladentür nach seinen Angestellten, die hektisch herausstürzten. Oben verschwanden die Kinder erschreckt aus Simons Blickfeld. Sie hatten nun wohl bemerkt, was unten geschah.

›Fast ein kleiner Wasserfall‹, dachte Simon belustigt. Es hörte zwar allmählich auf zu tropfen, aber die Bücher auf den Auslagetischen vor dem Fenster der Buchhandlung hatten allerhand Wasser und Schmutz abbekommen. Jürgen Klemm dirigierte mit hochrotem Kopf die schnell zusammengestellte Putzkolonne aus den Reihen seiner Angestellten.

In diesem Moment kam Simons Coniglio alla ligure, Kaninchen auf ligurische Art, auf den Tisch. Als er einen kleinen Schluck von dem leichten Chianti probierte, mußte Simon lächelnd daran denken, daß des einen Leid des andern Freud ist.

Um 16 Uhr saß Simon zusammen mit Regine Klein in seinem Büro. Die achtunddreißig Jahre alte Geschäftsführerin seiner Buchhandlung hatte vor über zwanzig Jahren bei seinen Eltern gelernt und war seitdem in der Firma. Nach dem Tod seiner Frau hatte er mit ihr eine kurze Affäre gehabt, deren lautloser Ausklang ihr Arbeitsverhältnis nicht beeinflußt hatte. Regines pragmatisches Naturell empfahl ihr, die in Simon gesetzten privaten Hoffnungen schnell aufzugeben, denn ihre weitgehend selbständige Position in der Buchhandlung erfüllte sie mit großer Zufriedenheit. Sie war für Einkauf, Personalplanung, Verkauf, Warenpräsentation, Kassenabrechnung und alle Alltagsprobleme zuständig, erhielt dafür ein überdurchschnittliches Gehalt und wußte genau, daß ihr keine andere Berliner Buchhandlung eine vergleichbare Position bieten konnte. Simon kümmerte sich um Finanzen, Werbung, Lesungen und die wichtigen Firmen- und Behördenkunden. Ohne groß darüber reden zu müssen, einte die beiden eine nahezu identische Auffassung darüber, wie die Buchhandlung zu führen und zu entwickeln sei.

Einmal im Monat nahmen sie sich einige Stunden Zeit, um Umsatzentwicklungen zu analysieren, über zukünftige Aktionen zu reden und alles zur Sprache zu bringen, was eine gemeinsame Entscheidung erforderte. Sie tranken dabei grünen Tee und, wenn die Kanne geleert war, abschließend einen Schluck Whisky.

»Dann wäre nur noch die Lesung am nächsten Donnerstag. Der Kundenbrief ist am Montag zur Post gegangen. Bis heute haben wir über vierzig Anmeldungen. Sind die Anzeigen gebucht?« Regine konnte den letzten Punkt ihrer Besprechungsliste abhaken.

Simon nickte. »Dann werden wir wohl wieder ein volles Haus haben. Stellt also alle Stühle auf.«

Es klopfte an der Tür.

»Ja!«

Georg steckte den Kopf ins Zimmer. »Dr. Malz möchte wissen, ob du zu sprechen bist?«

Simon blickte zu Regine. »Sind wir für heute fertig?«

»Ich habe nichts mehr. Nur noch die Frage, wer nächste Woche die Gäste begrüßt und Hansen vorstellt.«

»Möchtest du?«

»Lieber nicht.«

»Dann werde ich das übernehmen.« Simon machte Georg ein Zeichen, den Besucher hereinzuholen.

Hartwig Malz kannte Regine schon lange und schüttelte ihr die Hand. Er blieb stehen, bis sie den Raum verlassen hatte.

»Mein Gott, Simon«, er ließ sich in einen der Ledersessel fallen, »warum lebst du immer noch allein? Wo du jeden Tag diese attraktive Frau um dich hast! Wie hältst du das nur aus?«

Simon bot lächelnd eine Zigarre an.

»Du alter Kuppler kennst unsere Geschichte. Also laß Regine aus dem Spiel. Was führt dich zu mir? Doch nicht die Sorge um mein Privatleben?«

Dr. Malz lehnte die angebotene Zigarre ab, »mit Bedauern« und dem Hinweis, daß er zufällig vorbeigekommen war und »nur einige Minuten« habe.

»Also, wie du weißt, findet am übernächsten Sonntag in Hoppegarten das BMW Europachampionat statt. Letzten Sonntag habe ich ganz vergessen, dich zu fragen, ob du kommen wirst.«

In Simons Kalender war dieser Sonntag mit roter Tinte vermerkt. Damit kennzeichnete er seine wichtigsten Termine im Jahr. Das Galopprennen war mit DM 400 000,– Preisgeld das herausragende Rennereignis der Berliner Saison.

»Natürlich lasse ich mir diesen Renntag nicht entgehen.«

»Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir Gesellschaft leistest. Meine Frau hat leider unaufschiebbare familiäre Verpflichtungen. Und da die Hypobank ein Rennen sponsert, wird auch der neue Finanzvorstand, Dr. Schneider aus Dresden, mit von der Partie sein. Kennst du ihn?«

Simon schüttelte den Kopf.

»Macht nichts. Ein netter Kerl, wird dir gefallen. Hat aber vom Galopprennen leider überhaupt keine Ahnung. Wenn du dabei bist, kannst du ihn ein wenig aufklären. Du weißt ja, daß ich dazu nicht besonders geeignet bin.«

Dr. Hartwig Malz kannte sich im Galoppsport zwar ausgezeichnet aus, war aber in seiner Begeisterung so ungestüm, daß er sich einem Neuling gegenüber immer zu ungeduldig zeigte. Simon versicherte, daß er Dr. Schneider in die wichtigsten Regeln des Wettens einweihen und ihm auch gern das Renngeschehen erläutern würde.

»Fein.« Simons Freund erhob sich. »Wird es nicht Zeit, daß deine Tochter einmal mitkommt?«

»Ich werde sie fragen. Aber du weißt ja selbst, daß sie sich bisher fürs Galopprennen nicht sehr interessiert.«

Das war vorsichtig ausgedrückt. Claudia nannte Pferderennen eine »dekadente Schinderei«.

»Na, vielleicht kannst du sie diesmal überreden. Ich halte einen Platz frei. So, nun muß ich wirklich gehen. Grüße an Claudia.«

Und schon war Dr. Malz verschwunden. Simon fiel erst jetzt ein, daß er sich nach Franziska erkundigen wollte. Aber das hatte auch noch Zeit. Er steckte den von den Medien vielgepriesenen Erstlingsroman Hansens ein, um ihn später zu Hause in Ruhe zu lesen, und wollte gerade Claudia anrufen, als das Telefon klingelte.

»Schuster, guten Tag.«

»Lieber Simon, hier spricht Hans Hilbrecht aus Dresden. Wie geht es Ihnen?«

»Das ist aber eine Überraschung! Danke, gut. Und gleichfalls?«

»Auch. Simon, ich habe gerade erfahren, daß ich nächsten Montag zur Hochschulrektorenkonferenz nach Berlin muß.«

»Wie das?« unterbrach ihn Simon. »Ich wußte gar nicht, daß Sie Rektor der TU Dresden geworden sind.«

»Bin ich auch nicht. Noch nicht. Aber unser Rektor ist erkrankt, und von den drei Stellvertretern konnte ich als einziger so schnell einspringen und am Montag die Teilnahme an der Konferenz noch einrichten. Also, Simon, können wir uns Montag abend eventuell sehen, vielleicht sogar bei Ihnen?«

»Selbstverständlich gern. Darf ich vorschlagen, daß Julia uns wieder etwas Feines kocht?«

»Wunderbar, das würde mich freuen. Die Konferenz geht bis 18 Uhr, dann gibt es einen kleinen Empfang. Ich könnte so gegen 20 Uhr bei Ihnen sein, vielleicht ein wenig später. Wäre es Ihnen so recht?«

»Das ist ausgezeichnet. Sie brauchen sich nicht exakt festzulegen. Hans, das ist wirklich ein großer Zufall. Ich wollte Sie nämlich auch dieser Tage anrufen, denn ich habe eine Bitte. Können Sie sich für Montag auf einen kleinen Vortrag vorbereiten, falls Sie das überhaupt müssen? Ich bin daran interessiert, einiges über Johann Ernst Schneller zu erfahren.«

»Sie meinen den Hofnarren Kurfürst Friedrich Augusts II. von Sachsen?«

»Genau den.«

»Ich verstehe. Kein Problem. Da brauche ich mich nicht groß vorbereiten, wozu ich bei aller Freundschaft auch gar keine Zeit hätte. Ich muß mich jetzt vor allem in die Konferenzthemen einarbeiten.«

»Gut. Dann sehen wir uns also am Montag gegen acht. Übrigens werden Sie dann vermutlich auch endlich meine Tochter kennenlernen.«

»Darauf freue ich mich natürlich sehr. Und ich werde hungrig und durstig sein!«

»Das will ich auch hoffen. Bis dann.«

Nach diesem Telefonat rief Simon Claudia an, und sie verabredeten sich zum Abendessen bei Gianni. Er ging zu Fuß von der Knesebeckstraße zum Fasanenplatz, wo Claudia wohnte. Als er die Terrasse des Restaurants betrat, beriet Gianni gerade einige Gäste bei der Weinauswahl.

»Claudia hat telefonisch vorbestellt«, rief er Simon zu und zeigte auf den einzigen freien Tisch direkt an der Straße. Simon dankte und setzte sich. »Prosecco?« fragte Gianni vom anderen Ende der Terrasse. Simon nickte, und kurz darauf brachte ein Kellner das Glas. Simon lehnte sich zurück und beobachtete das Geschehen auf dem grünen, von großen Bäumen umsäumten Stadtplatz mit der Wasserstele. Für ihn gab es in Berlin kaum einen schöneren Platz. Hunde jagten sich auf dem Rasenrondell, Kinderstimmen verschmolzen mit den Restaurantgeräuschen, zahllose Passanten schlenderten vorbei. Selbst die Geräusche der vorbeifahrenden Autos störten ihn nicht. Simon genoß die quirlige Feierabendstimmung, die den gesamten Platz erobert hatte und ihn in ein kleines Freilufttheater zu verwandeln schien.

»Was gibt es Neues, ich bin schon ganz neugierig!«

Claudia küßte ihren Vater auf die Wange und setzte sich ihm gegenüber, mit dem Rücken zur Fasanenstraße.

»Es existiert ein Tagebuch des Hofnarren. Das gibt Auskunft über die zwei Jahre vor seinem Selbstmord. Den Anfang habe ich schon gelesen.«

»Was! Das ist ja phantastisch. Wie hast du das herausbekommen? Und wo ist es?«

Der Kellner trat an ihren Tisch, und nachdem sie ihr Essen bestellt hatten, erzählte Simon ihr von seinem Besuch bei Höfel, dem Anruf von Hans Hilbrecht und gab ihr einen ausführlichen Bericht über die Vorbemerkung des Übersetzers und die wenigen Seiten von Schnellers Tagebuch, die er bei Höfel gelesen hatte.

»Siehst du«, freute sie sich, »wir kommen doch gut voran. Und du warst am Sonntag noch so skeptisch.«

»Skeptisch bin ich immer noch«, antwortete er, »momentan sammeln wir nur Informationen. Was dabei herauskommt, steht in den Sternen.«

»Ach«, wischte sie seinen Einwand weg, »wir machen Fortschritte, nur darauf kommt es an.«

Dann unterhielten sie sich über die Buchhandlung und den Verlag und genossen den lauen Sommerabend.

4. Kapitel

»Liebe Frau Bertram, schon die Involtini waren ausgezeichnet, aber ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so köstliche Spaghetti gegessen. Wo haben Sie nur dieses Rezept her?«

Julia freute sich über das Lob und die Zufriedenheit, mit der Claudia, Simon und Hans Hilbrecht ihre Servietten auf den Tisch legten.

»Danke. Die Spaghetti alla puttanesca sind eine Spezialität der Isola d’Ischia, meiner Heimat. Für die Sauce verwenden wir schwarze Oliven, Kapern, Sardellen, Tomaten, Knoblauch und Peperoncino.«

Als Julia mit dem Abräumen begann, stand Simon auf und bat Hans Hilbrecht und Claudia ins Nebenzimmer, wo er Zigarren anbot. Hans Hilbrecht machte es sich in einem Ledersessel bequem. Genüßlich rollte er eine Corona in der rechten Hand. Zwischen den Gängen hatte er eine kleine Tischrede gehalten und dabei, »als der Ältere«, Simon das »längst überfällige Du« angeboten. Simon war nicht ganz wohl dabei, er wollte bei Hans Hilbrecht nur ungern auf eine gewisse Distanz verzichten. Aber schließlich konnte er schlecht ablehnen, ohne ihn in Verlegenheit zu bringen, noch dazu in Claudias Gegenwart.

»Hans«, die vertrauliche Anrede fiel Simon schwer, »ich weiß, daß du eine Koryphäe in sächsischer Geschichte bist …«

»Richtig«, unterbrach ihn Hilbrecht, »ich soll euch ja heute abend etwas über Johann Ernst Schneller erzählen. Also: Die Quellenlage hinsichtlich seiner Person ist recht mager, einige Aspekte seines Lebens sind bis heute nicht restlos geklärt. Insofern wird mein Bericht eine Mischung aus historisch gesicherten Erkenntnissen und plausiblen Vermutungen sein.« Er nippte an seinem Whisky. »Schneller muß eine faszinierende Gestalt gewesen sein. Stellt ihn euch hochgewachsen, blond, bartlos, mit fleischigen Lippen, einer großen, kantigen Nase und weißen Zähnen vor. Letzteres war zu dieser Zeit nicht die Regel und wird mehrfach besonders erwähnt. Zeitgenossen rühmen seine herausragende Intelligenz, beklagen aber auch sein schnell aufbrausendes, nachtragendes Wesen. Sein Aufstieg als Narr am sächsischen Hof war kometenhaft, um so tiefer sein Fall.

Ich beginne am besten am 31. August 1756. In den frühen Vormittagsstunden erkundigt sich ein bis heute unbekannter Bote im Dresdner Stadthaus des Hofnarren, ob Schneller zugegen sei. Als der angesprochene Dienstbote die Frage bejaht, wird ihm ein Brief mit der Aufforderung ausgehändigt, diesen Schneller unverzüglich zu übergeben. Der Dienstbote wird später zu Protokoll geben, daß er Schneller den Brief um 10 Uhr gegeben habe. Der Brief wurde leider nie gefunden, aber über seinen Inhalt kann kein Zweifel bestehen. Schneller wird darin gewarnt, daß er nach Anbruch der Dämmerung von Dragonern des Kurfürsten wegen Hochverrat verhaftet werden soll. Er läßt gleich nach Erhalt des Briefes seinen Sekretär und den Küchenmeister, beides enge Vertraute, in die Bibliothek rufen und bespricht sich mit ihnen. Gegen 11 Uhr verläßt der Küchenmeister die Bibliothek und gibt dem Dienstpersonal bekannt, daß Schneller nicht wie geplant ausreiten, sondern den Tag im Haus verbringen werde. Er schickt anschließend zwei Dienstboten zum Markt und beginnt nach deren Rückkehr mit der Zubereitung einer opulenten Mahlzeit. Schneller und sein Sekretär August Pfeil verbringen die nächsten Stunden zusammen im Arbeitszimmer und verbrennen zahlreiche Dokumente und Korrespondenzen im Kamin. Trotz offener Fenster und geschlossener Türen bemerken die Dienstboten den feinen Brandgeruch. Um 17 Uhr wird mit dem Auftragen des ersten Ganges im Speisezimmer begonnen. Das Dienstpersonal wundert sich darüber, daß neben Pfeil auch der Küchenmeister selbst am Essen teilnimmt. Gegen 20 Uhr verläßt der Küchenmeister das Zimmer, um Käse und Süßigkeiten zu bestellen und aus dem Keller noch eine Anzahl Rotweinflaschen heraufzuholen. Nachdem Käse und Kuchen aufgetragen sind, wird dem Dienstpersonal gesagt, daß man es heute nicht mehr benötige. Schneller verschließt die Tür. Bald danach wird es ruhig im Speisezimmer.

Nach Einbruch der Dunkelheit klopft es heftig an die Haustür. Der Dienstbote, der morgens den Brief entgegengenommen hatte, öffnet die Tür und wird von Dragonern des Kurfürsten zur Seite gedrückt. Er erhält den Befehl, sie zum Hofnarren zu führen, und bringt sie zum Speisezimmer im ersten Stock. Die Soldaten finden die Tür verschlossen, auf ihr Klopfen und Rufen erhalten sie keine Antwort. Schließlich brechen sie die Tür auf. Der holzverkleidete Raum sieht aus wie ein Schlachtfeld, Unmengen von schmutzigen Tellern, leeren Gläsern, Essensbehältern und Silberplatten bedecken die lange Tafel. Weinflaschen liegen verstreut im Zimmer umher. Schneller, Pfeil und der Küchenmeister werden tot in ihren Sesseln gefunden.«

»Gift?« Claudias Wangen waren vor Aufregung gerötet.

»Ja. Vermutlich war eine Rotweinflasche präpariert. Ob die beiden Vertrauten Schnellers allerdings freiwillig aus dem Leben geschieden sind oder der Hofnarr verhindern wollte, daß sie geheime Informationen verrieten, das konnte bisher nicht geklärt werden.«

»Besaßen die beiden denn geheime Informationen?«

»Vielleicht, eigentlich sicher. Es war stadtbekannt, daß sie Schnellers Vertrauen besaßen und jedenfalls Pfeil in die wichtigsten geschäftlichen und privaten Transaktionen seines Herrn eingeweiht war. Sie wären in jedem Fall befragt, möglicherweise auch ›peinlich befragt‹, also gefoltert worden.«

»Du hast jetzt am Ende der Geschichte angefangen«, Simons Informationsbedürfnis war noch lange nicht gestillt, und Claudia rutschte unruhig in ihrem Sessel hin und her. »Was hat es denn mit dem Hochverrat auf sich?«

»Das ist natürlich der Kern der Geschichte, und dazu muß ich weit ausholen. Schneller wurde am 14. April 1700 in Berlin als einziger Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren, die es bis dahin zu lediglich bescheidenem Wohlstand gebracht hatte. Als er vierzehn Jahre alt war, zog die Familie nach Hamburg, wo Schnellers Onkel Überseehandel trieb. Der Onkel war schwer erkrankt, Schnellers Vater kaufte sich günstig in das Geschäft ein und konnte seine finanzielle Situation dadurch erheblich verbessern. Johann Schneller selbst fühlte sich aber in Hamburg nicht wohl. Deshalb wurde er zu verschiedenen Handelspartnern des Vaters nach Augsburg und Nürnberg in die Lehre geschickt. Zunächst folgte er den Weisungen seines Vaters und erlernte den Beruf des Kaufmanns. Die schriftlich überlieferten Zeugnisse seiner Lehrherren waren ausgezeichnet und sagten ihm eine vielversprechende Zukunft voraus. 1717 hat er dann aber offensichtlich die Lust am erlernten Beruf verloren und sich als Schauspieler versucht, was zum Bruch mit dem Vater führte. Auch darüber informieren einige erhaltene Briefe. Dann verschwand er ohne erkennbaren Grund, wahrscheinlich ins Ausland. Über seine nächsten 23 Jahre wissen wir praktisch nichts. Im August 1740 betrat Johann Ernst Schneller plötzlich, etwas pathetisch ausgedrückt, die Bühne der Geschichte. Er tauchte beim Würzburger Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn als Hof-Taschenspieler auf. Wann und wo er die dazu nötigen Kenntnisse erworben hat, ist nicht bekannt. Fest steht, daß er inzwischen Italienisch, Französisch und Spanisch gelernt, sich also vermutlich in diesen Ländern aufgehalten hatte. Schneller avancierte bald zum Lieblingsnarren des Fürsten. Doch obwohl ihm der Fürstbischof sehr gewogen war, blieb Schneller nichts anderes übrig, als die Residenz 1746 wegen einer äußerst peinlichen Affäre zu verlassen. Wenig später starb Friedrich Carl. Über die folgenden Jahre ist nicht viel bekannt. Schneller tauchte hier und da auf, brachte nichts Nennenswertes zuwege. Seine große Chance ergab sich im Frühjahr 1750. Schneller mußte gehört haben, daß der Hofnarr Friedrich Augusts II. von Sachsen gestorben war. Schon wenige Wochen nach dessen Tod erreichte Johann Ernst Schneller Dresden. Kurz darauf traf er Friedrich August, der Gefallen an ihm fand. In wenigen Monaten erwarb er sich das Vertrauen des Kurfürsten, und schon im August 1750 wurde er zum Hofnarren bestellt.«

»Können Sie mir bitte erklären, was ein Hofnarr eigentlich zu tun hatte?« Claudias Vorstellungen darüber waren nur sehr vage, und sie ärgerte sich, daß sie im letzten Semester ein Hauptseminar zu diesem Thema nicht belegt hatte.

»Ich wollte eben darauf kommen, denn ohne die Kenntnis der Funktion des Hofnarren erschließt sich unsere Geschichte nicht. Zunächst möchte ich aber auf einen amourösen Aspekt kommen. Es gab ja in dieser Zeit kaum Liebesheiraten, am Hof schon gar nicht. Geheiratet wurde aus strategischen Überlegungen, um Dynastien zu stärken, Feindschaften zu schlichten, Bündnisse zu bekräftigen. Seine eigentlichen politischen Interessen und Pläne mußte fast jeder Herrscher vor seiner Frau verbergen, zumindest durfte er ihr nicht trauen, denn es bestand die Gefahr, daß sie sich mehr ihrer Familie als ihrem Mann verpflichtet fühlte. Auch seinen Höflingen, den kirchlichen Würdenträgern und politischen Beamten konnten die Fürsten und Herrscher aus verschiedenen Gründen nie vollständig trauen. So diente der Hofnarr seinem Herrn oft auch als politischer Berater. Seinem Narren gegenüber konnte der Herrscher offen sein, denn der hatte keine dynastischen Interessen und war der willkürlichen Gunst des Herrschers ausgeliefert. Im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert erwuchs ihm dann allerdings große Konkurrenz in Gestalt der Mätresse, die sich von der inoffiziellen, heimlichen Geliebten zu einer beachtlichen, ja, zu der eigentlichen politischen Kraft neben dem Herrscher am Hof entwickelte. Begünstigt durch die im Zeitalter der Aufklärung geschwächte Kirche und die gleichzeitige Erstarkung der absolutistischen Machtfülle des Herrschers, konnten die Kaiser, Könige und Fürsten es sich nun leisten, offiziell und vor aller Welt ihre Geliebte als Mätresse in das komplexe Gefüge des Hofes zu integrieren. Wie vorher der Hofnarr, hatte plötzlich auch sie Privilegien wie niemand sonst bei Hof: Redefreiheit dem Herrscher gegenüber, einen eigenen Etat, das Recht auf jederzeitigen Zugang zum Herrscher, um nur die wichtigsten zu nennen. Der Hofnarr mußte sich diese Privilegien nun mit der Mätresse teilen, was natürlich nicht gut gehen konnte. In der Mitte des 18. Jahrhunderts verschwand der Hofnarr für immer, von der Mätresse vollständig verdrängt. Mit der Französischen Revolution schlug allerdings kurz darauf auch ihre letzte Stunde.«

»Entschuldigen Sie«, unterbrach Claudia Hilbrechts Vortrag, »nach dem, was Sie uns jetzt erzählt haben, stellt sich mir eine zweite Frage. Ich dachte immer, der Hofnarr war so eine Art Spaßvogel. Jetzt reden Sie von einer politischen Beraterfunktion. Das war doch nicht immer so, oder?«

»Da haben Sie recht. Dann werde ich euch jetzt, bevor ich auf die Aufgaben des Hofnarren im 18. Jahrhundert komme, kurz etwas über die Entwicklungsgeschichte dieses außergewöhnlichen Berufes erzählen. Der Ursprung des Hofnarren liegt im Orient, wo die Toren nicht wie in unserer Kultur als harmlose Dorftrottel galten, sondern im Gegenteil dem Irrsinn große Hochachtung entgegengebracht wurde. Nach damaliger Anschauung besaßen Toren die Gabe der Weissagung, und es hieß, daß sie in die Zukunft blicken könnten. Man meinte, sie wären von Gott besonders begnadet. Die durch göttlichen Willen begründete Andersartigkeit des Irren hebt ihn aus der Masse heraus, ihr wurde mit einer Mischung aus Furcht und Verehrung begegnet, und sie löste Faszination und Angst zugleich aus. Da aber auch der absolute Herrscher als Abgesandter des Himmels gilt, verbindet ihn mit den Toren ein mystisches Band. Er holt sie an den Hof, und ihre religiöse Verbundenheit unterscheidet sie von den übrigen. Im Gegensatz zu allen anderen Höflingen hat der Narr völlige Redefreiheit, denn aus dem Wahnwitzigen spricht Gott. Es sind schließlich die osmanischen Sultane, die ihre Narren erstmals in ordentliche Hofämter einsetzen, ihnen regelmäßige Bezahlung und sogar Pension gewähren, sie also regelrecht etatisieren.

Mit den Kreuzzügen kommen die Hofnarren nach Europa. Und im 13. Jahrhundert ist die Institution des Hofnarren an den meisten europäischen Höfen zu finden. Schon 1316 wird am französischen Hof Philipps V. der Hofnarr aus der Kasse des Königreiches bezahlt: die Narrheit erhält den Rang einer Institution. Ein Jahrhundert später hält jeder reiche Adlige einen oder mehrere Narren in seinen Diensten. Diese Narren sind allerdings ihrer mystischen Dimension entkleidet und rekrutieren sich nicht aus dem Reservoir der Irren und Toren, sondern dem der fahrenden Sänger, Taschenspieler, Gaukler und Barden. Es gab zu dieser Zeit Stadtnarren, auch die Zünfte beschäftigten Narren, und sogar die Armeen hielten sich Spaßmacher aus vielerlei nachvollziehbaren Gründen. Der Hofnarr aber stellt die prominente Oberschicht aller Gaukler dar. Er ist das säkularisierte Pendant seines orientalischen Kollegen, duzt seinen Herrn, verweigert ihm jegliche Ehrenbezeichnungen oder steigert sie ins Satirische. In dieser Zeit liefert er ein totales Spektakel im Alleingang, ist Schauspieler, Clown, Tänzer, Sänger und Musiker. Er ist ungehorsam und frech, laut, derb, witzig und schlagfertig, muß seine Stellung am Hof allerdings immer wieder neu verteidigen. Denn noch ist seine Position an vielen Höfen rechtlich nicht gesichert. Erst als die vagabundierenden Hofstaaten sich feste Residenzen schaffen und die Etikette zu einem ungeheuren Reglement aufgebläht wird, beginnt die Blütezeit des europäischen Hofnarrentums, erhält der Narr seinen gesicherten, etatisierten Platz in der komplexen Hierarchie des Hofstaates.

Um die Funktion des Hofnarren zu verdeutlichen, hilft vielleicht ein Vergleich mit dem Joker in unseren Kartenspielen, der ja durch Insignien des Hofnarren, Zepter und Narrenkappe, charakterisiert ist. Der Joker ist universell einsetzbar, trägt aber keine Ordnungszahl, er entzieht sich dem üblichen Regelsystem des Spiels. Die Logik des Spiels wird durch ihn auf den Kopf gestellt. Solange er zirkuliert, ist nichts sicher. Zwischen den Karten lauert permanent das Chaos. Wie dieser Störenfried, der das Gewohnte bedroht, stellt der Hofnarr fortwährend die Ordnung am Hofe in Frage.«

»Da du schon auf die äußerlichen Erkennungsmerkmale des Narren zu sprechen kommst«, unterbrach Simon Hilbrechts Vortrag, »wie kam es eigentlich zu Zepter und Narrenkappe?«

»Was ihr alles wissen wollt«, lachte Hans Hilbrecht. »Also gut, noch diesen kleinen Ausflug. Ein wesentlicher Bestandteil des Kostüms im 13. und 14. Jahrhundert war die Kapuze, Kappe oder Haube, jedermann trug sie, Bauer, Bürger, Fürst und König. Als man dem Narren die Kappe aufsetzte, war sie bereits aus der Mode gekommen, wirkte lächerlich. Das Narrenzepter ist das Gegenstück zum Herrscherstab. Der Narr verdeutlichte damit seinen hohen Stand, die besondere Beziehung, die ihn mit seinem Herren verband. Im Französischen heißt das Narrenzepter übrigens ›Marotte‹, ein in unserer Sprache benutztes Lehnwort, das ein absonderliches Verhalten bezeichnet, also auf seinen närrischen Ursprung verweist.

Das Narrengewand selbst war zumeist in den Farben Gelb oder Grün gehalten, den Farben, die man dem Wahnsinn zuschrieb. Das Erscheinungsbild des Narren wurde schließlich durch eine akustische Komponente komplettiert. Narrenkappe, Zepter und Gewand waren immer mit zahlreichen Schellen besetzt. Deren bewußt unharmonischer Mißklang kündigte den Narren schon aus der Entfernung an und steht für das von ihm ausgehende Chaos. Vermutlich besteht auch ein Zusammenhang mit den hölzernen Klappern der Aussätzigen, die die Menschen vor den Kranken warnten. So wußten auch die Höflinge: Vorsicht, sind die Schellen zu hören, naht der Hofnarr, alles wird ungewiß, das Ungeordnete hält Einzug in den Alltag.

Um es aber gleich vorwegzunehmen: Schneller trug kein Narrenkostüm mehr. Er kleidete sich in der Mode seiner Zeit.

So, kommen wir aber nach diesen Exkursen an den sächsischen Hof des Jahres 1750 zurück, und vor allem dazu, wie Schnellers Position am Hof aussah, welches seine Aufgaben waren. Modern ausgedrückt, war der Hofnarr hauptsächlich auf drei Ebenen aktiv: Entertainment, Management und Kommunikation. Ich drücke das nur deshalb in den Worten unserer Zeit aus, um euch begreiflich zu machen, daß der Hofnarr eben viel mehr war als lediglich ein Spaßmacher. Natürlich hatte er auch die Aufgabe, den Hof und insbesondere den Fürsten zu unterhalten. Doch diese Funktion war sehr komplex, war Entertainment geworden. Die Selbstinszenierung absolutistischer Herrscher hatte gewaltige Formen angenommen. Feste, Feuerwerke, Jagdgesellschaften, Spiele, Krönungsfeiern und sonstige Anlässe wurden zu riesigen Spektakeln, in deren Mittelpunkt der absolute weltliche Fürst als irdisches Abbild göttlicher Herrschaft stand. An vielen Höfen avancierte der Narr zum Zeremonienmeister dieser gigantischen Selbstdarstellung. Aber wie seine ›Kollegen‹ an vielen anderen Höfen auch begnügte Schneller sich nicht mit dieser Aufgaben-Zuweisung. Seine solide kaufmännische Ausbildung und die ihm von seinen Lehrherren attestierte Geschicklichkeit in Handelsdingen prädestinierte ihn dazu, auch ein Händler im Dienst des Fürsten zu sein. In dessen Auftrag versorgte er den Hof mit exklusiven Lebensmitteln, Kunstgegenständen, Tüchern und sonstiger Handelsware. Er vermittelte Kreditgeschäfte mit den führenden europäischen Bankhäusern und verschaffte sich durch sein Kontaktnetz und sein Verhandlungsgeschick zum Verdruß der örtlichen Kaufmannschaft eine nahezu monopolartige Stellung. Schneller wurde ein reicher Mann, er konnte sich ein Palais an der Elbe bauen, kaufte Ländereien, sammelte Schmuck und Kunstwerke. Er hatte dreierlei Möglichkeiten, sein Vermögen zu vermehren. Zunächst einmal das königliche Deputat. Er war ja am Hof angestellt, erhielt faktisch ein Gehalt. Dann verdiente er sehr gut an seinen Handelsgeschäften. Und schließlich nutzte er auch seine privilegierte Stellung beim Kurfürsten zur Steigerung seiner Einkünfte. Schneller war einer der wenigen, die direkten Zugang zu Friedrich August hatten. So wandten sich viele an ihn, wenn sie etwas beim Kurfürsten erreichen wollten. Ob es um Bau- oder Handelsaufträge ging, um die Erlangung einer wichtigen Position am Hof oder schlicht darum, den Sohn oder die Tochter vorteilhaft zu vermählen. Der schnellste Weg zum Landesherren, und damit zur Beförderung der eigenen Interessen, führte über Johann Ernst Schneller, der sich für seine diesbezüglichen Dienste angemessen entlohnen ließ. Außerdem erhielt der Hofnarr zu seinem Geburtstag und zu anderen Anlässen kostbare Geschenke aus Adelskreisen, denn man wollte sich mit ihm gut stellen, wußte nie, wann man seinen Einfluß beim Kurfürsten brauchen würde. Schon wenige Jahre nach seiner Ankunft in Dresden war Schneller ein gemachter, einflußreicher Mann.«

Simon schenkte noch etwas Whisky nach. Hans Hilbrecht schaute auf die Uhr. »Oh, es ist spät geworden, ich werde mich jetzt etwas kürzer fassen, morgen muß ich einen frühen Zug nach Dresden nehmen.« Simon und Claudia schauten sich kurz an. Noch hatten sie nicht erfahren, worum es ihnen ging.

»Schneller war also ein gemachter Mann und sonnte sich in den Strahlen der kurfürstlichen Gunst. Kommen wir aber nun nach Entertainment und Management noch abschließend zur Kommunikation, Schnellers drittem Aktionsfeld und dem seines Scheiterns. Er besaß, was nicht ungewöhnlich für einen Hofnarren war, das volle Vertrauen seines Herren, nahm an wichtigen Geheimgesprächen teil, beriet Friedrich August in politischen Fragen und verhandelte im Namen des Kurfürsten oder überbrachte wichtige Dokumente, wenn er unterwegs war. Denn seine rege Handelstätigkeit erforderte zahlreiche ausgedehnte Reisen. Oft bekam er von Friedrich August diplomatische Aufträge mit auf den Weg. Schnellers Position am Hof war Ende 1754, knapp vier Jahre nach seinem Eintreffen in Dresden, scheinbar unangreifbar befestigt. Aber, wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Schneller hatte sich in diesen Jahren viele Feinde geschaffen. Zwar traute sich niemand, ihn öffentlich anzugreifen. Die schützende Hand des Kurfürsten lag noch auf ihm. Aber hinter den Kulissen des Hofes suchten höchste Kreise, vor allem der Premierminister des Kurfürsten, Graf von Brühl, nach Wegen, die Machtfülle des Narren zu begrenzen, um selbst mehr Einfluß auf Friedrich August zu gewinnen. Im März 1755 ergab sich eine unverhoffte Gelegenheit. Brühl konnte dem Kurfürsten eine neue Mätresse zuführen und damit Schneller am Hof isolieren, denn die neue Mätresse war Brühls Protegé. Und im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin war die neue Mätresse politisch sehr ehrgeizig. Sie brachte das bisherige Machtgefüge am Hof zuungunsten des Hofnarren ins Wanken. Schneller konnte nur noch zusehen, wie sein Einfluß auf Friedrich August spürbar abnahm und Brühls Macht über Friedrich August unaufhaltsam stieg.«

»Jetzt muß ich dich einmal kurz unterbrechen, Hans. Ich kenne mich in der sächsischen Geschichte nicht so gut aus, habe aber einmal gelesen, daß Friedrich August II. im Gegensatz zu August dem Starken, seinem Vater, eher keusch und treu war. Mir ist ganz neu, daß er überhaupt eine Mätresse hatte, geschweige denn mehrere.«

»Richtig, das tradierte Bild der beiden Kurfürsten entspricht dem, was du gerade gesagt hast, es ist aber historisch nicht ganz korrekt. August der Starke war ein bekannter Schürzenjäger, sein Sohn konnte mit ihm in dieser Beziehung nicht mithalten. Außerdem war Friedrich August II. mit der stockkatholischen Tochter des österreichischen Kaisers verheiratet. Trotzdem leistete er sich einige diskrete Affären, über die man am Hof aber nur hinter vorgehaltener Hand sprach. Wir wissen das aus einigen Quellen, die wenig verbreitet sind.«

»Was sind das für Quellen«, wollte Simon wissen.

»Das ist eine lange und sehr komplizierte Geschichte«, antwortete Hans Hilbrecht und sah auf die Uhr. »Angesichts der fortgeschrittenen Zeit lasse ich dieses Kapitel lieber aus. Zurück zu Schneller. Er hätte in dieser Situation gehen können. Vorwände wären gefunden worden, und Friedrich August hätte sich dem Anliegen seines Hofnarren sicherlich nicht entzogen. Aber Schneller war ein emotional agierender Spekulant, der vor allem nachtragend war und sich mit seinem Machtverlust nicht abfinden konnte.

Im Frühjahr 1756 hatte der Hofnarr seinen letzten öffentlichen Auftritt. Am 14. April gab er vor den Toren Dresdens, etwa auf dem Gelände der heutigen Bürgerwiese, ein großes Fest, eine Bauernwirtschaft. Er ließ dazu zahlreiche Festbuden errichten. Anlaß war sein 56. Geburtstag. Im Vorfeld muß es allerhand Intrigen gegeben haben. Denn obwohl der Kurfürst zunächst seine Teilnahme zugesagt hatte, blieb er dem Fest fern. Es muß fürchterlich für Schneller gewesen sein, er war zum Gespött der ganzen Stadt geworden. Um es nun kurz zu machen: Schon vorher war der Hofnarr als Spion in den Dienst Friedrichs des Großen getreten. Sein Verrat löste schließlich den Siebenjährigen Krieg aus. Der Rest der Geschichte ist bekannt: am 29. August 1756 überschritt Friedrich II. mit seinen Truppen ohne Kriegserklärung die sächsische Grenze. Nachdem die unglaubliche Nachricht von Friedrichs Einmarsch in Sachsen noch am gleichen Tag Dresden erreicht hatte, wurde eine strenge Untersuchung eingeleitet. Man brauchte nicht lange, um Schneller auf die Spur zu kommen. Dies führte dann zu den Ereignissen, die ich euch anfangs geschildert habe. Das war also im wesentlichen die Geschichte von Johann Ernst Schneller.« Hans Hilbrecht lehnte sich zufrieden zurück. Er hatte die große Aufmerksamkeit genossen, mit der Simon und Claudia seinen Ausführungen gefolgt waren. »Aber nun müßt ihr mir verraten, was euch an dieser Geschichte so interessiert.«

Simon stand auf, um von der Anrichte das Buch mit dem blauen Maroquinledereinband zu holen, das unter einem Stapel Zeitschriften verborgen war. Aus den Augenwinkeln sah er Claudias erstaunten Gesichtsausdruck.

»Eigentlich ist dieses Buch der Grund für meine Neugierde.« Er reichte es Hilbrecht. »Ich habe es vor einiger Zeit angekauft und will es nun verkaufen. Dazu wollte ich etwas über Schneller wissen, dem das Buch offensichtlich gehört hat.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2015
ISBN (eBook)
9783958243866
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
eBooks Dresden Spannung Kriminalroman Schatzsuche Rätsel Historisch Hofnarr
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Titel: Das Geheimnis des Hofnarren
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