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Schwedischer Inselzauber

Zwei Romane in einem eBook: »Der Schärendoktor: Der erste Sommer« und »Der Schärendoktor: Herbstfest auf Saltö«

von Lars Bill Lundholm (Autor:in) Gabriele Haefs (Übersetzung)
©2022 640 Seiten

Zusammenfassung

Ein rührender Neuanfang auf den Schäreninseln: Der Sammelband »Schwedischer Inselzauber« von Lars Bill Lundholm jetzt als eBook bei dotbooks.

Weiße Strände, sanftes Wellenrauschen und eine kleine Insel, die mit roten Holzhäusern übersäht ist: Saltö ist ein Bild der Beschaulichkeit. Hier will der Arzt Johan Steen mit seiner kleinen Tochter Wilma neu anfangen, nachdem seine Frau ihn verlassen hat. Doch dabei hat er die Rechnung ohne die herrlich kauzigen Bewohner gemacht, die Neuankömmlingen erst einmal mit einer ordentlichen Prise Misstrauen begegnen: Zum Beispiel sein Vorgänger, der sich mit dem Ruhestand so gar nicht abfinden will – oder der widerborstige Zimmermann Kalle Jonsson, der es »diesem viel zu modernen Pillenverschreiber« nicht zutraut, seine Tochter zu behandeln. Und so verläuft der Neustart in der schwedischen Inselidylle erst einmal mehr als nur holprig … Wird es Johan dennoch gelingen, auf Saltö sein Glück zu finden?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der romantische Sammelband »Schwedischer Inselzauber« von Lars Bill Lundholm. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Weiße Strände, sanftes Wellenrauschen und eine kleine Insel, die mit roten Holzhäusern übersäht ist: Saltö ist ein Bild der Beschaulichkeit. Hier will der Arzt Johan Steen mit seiner kleinen Tochter Wilma neu anfangen, nachdem seine Frau ihn verlassen hat. Doch dabei hat er die Rechnung ohne die herrlich kauzigen Bewohner gemacht, die Neuankömmlingen erst einmal mit einer ordentlichen Prise Misstrauen begegnen: Zum Beispiel sein Vorgänger, der sich mit dem Ruhestand so gar nicht abfinden will – oder der widerborstige Zimmermann Kalle Jonsson, der es »diesem viel zu modernen Pillenverschreiber« nicht zutraut, seine Tochter zu behandeln. Und so verläuft der Neustart in der schwedischen Inselidylle erst einmal mehr als nur holprig … Wird es Johan dennoch gelingen, auf Saltö sein Glück zu finden?

Über den Autor:

Lars Bill Lundholm wurde zunächst als Drehbuchautor preisgekrönter schwedischer Film- und Fernsehproduktionen bekannt, bevor er sich auch als Schriftsteller einen Namen machte: Seine Bandbreite reicht dabei von gefühlvollen Inselromanen bis hin zu spannungsgeladenen Kriminalromanen. Er lebt in Stockholm.

Lars Bill Lundholm veröffentlichte bei dotbooks bereits die beiden Stockholm-Krimis »Mord in Östermalm« und »Tod in Södermalm«.

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Sammelband-Originalausgabe Februar 2022

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

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Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/AmySachav und AdobeStock/Grigory Bruev

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96655-763-4

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Lars Bill Lundholm

Schwedischer Inselzauber

Zwei Romane in einem eBook

dotbooks.

Der Schärendoktor
Der erste Sommer

Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs

Strahlend blauer Himmel, das weite, offene Meer und mittendrin eine kleine Insel, wo Fischerhäuser und feine Villen Seite an Seite stehen: Auf der Schäreninsel Saltö soll alles so bleiben, wie es ist – da sind sich die Bewohner einig! Kein Wunder, dass dem fortschrittlichen Arzt Dr. Johan Steen und seiner kleinen Tochter Wilma vor allem Misstrauen entgegengebracht wird, als sie sich hier niederlassen wollen. Und auch davon abgesehen ist der Neustart ohne seine Frau Eva, die ihn verlassen hat, für Johan nahezu unerträglich. Wird sein Herz sich von diesem Schmerz erholen … und kann er bei den kauzigen Schärenbewohnern wirklich eine Heimat und sein Glück finden?

Erst als Not am Mann ist und alle zusammenhalten müssen, zeigt sich ein Licht am Horizont …

Kapitel 1

Saltö lag im Schärenmeer, und eine gelbe Fähre bildete die Nabelschnur, die über den Sund zum Festland führte. Alte, vom Wind gebeutelte Fischerhäuser mischten sich auf Saltö mit großen, schönen Villen aus der Zeit um 1900. Moderne Bungalows mit schwarzen Dächern und Satellitenschüsseln standen Seite an Seite mit Häusern mit reich geschnitzten Giebeln und Plumpsklos.

Es gab Lauben, in denen Heringe zusammen mit einem Schnäpschen konsumiert wurden, an kühlen Sommerabenden saß man in verglasten Veranden, und in Holzbuden wurde frisch gefangener Strömling geräuchert. Aber man sah auch Wellblechschuppen, Garagen und heruntergekommene Werkstätten. Gestern und Heute begegneten sich hier, Arm und Reich, Eleganz und Kitsch in trauter Eintracht. Die Häuser kletterten um die Insel herum, an den Hängen hinauf und hinunter, einige lagen am Wasser und hatten Stege, die wie die Finger einer Hand ins Meer hineinragten, andere sahen aus wie vom Himmel gefallen und nur zufällig an ihren jetzigen Standplätzen gelandet, ein wenig schief, über einen Felsrand hängend. Und unten bei den Stegen lagen halb versunkene Holzkähne neben sorgfältig aufgelandeten Segelbooten unter farbenfrohen Planen. Sie lagen am selben Strand, aber dennoch Tausende von Seemeilen von ihren jeweiligen Wirklichkeiten entfernt.

Wäre man im Mai an Saltö vorbeigesegelt, hätte man sehen können, dass um diese Jahreszeit nur einige wenige Häuser auf dieser Insel bewohnt waren. Trübes Licht wäre durch die Fenster gefallen, einige Rauchsäulen wären gen Himmel aufgestiegen, ansonsten hätte alles dunkel und verlassen gewirkt. Und wäre man durch die Luft gekommen, so hätte der Horizont sich verkrümmt. Ein heller Streifen, die Widerspiegelung der Lichter einer fernen Großstadt, wäre die einzige Lichtquelle gewesen. Noch weiter oben hätte man den ganzen Schärengürtel gesehen, diesen weitläufigen Archipel, in dem Saltö nur eine Scherbe war, wie eine Welt in tausend Stücken ...

Aber Dr. Johan Steen näherte sich Saltö mit dem Auto. Er fuhr einen eingestaubten und schwer bepackten Landrover. Auf dem Dach, unter einer Plane, lagen Koffer, für die im überfüllten Wageninneren kein Platz mehr gewesen war. Ein Aufkleber an der Hecktür teilte mit, dass der Besitzer des Autos den Ärzten ohne Grenzen angehörte – den Médécins sans frontières.

Johan Steen war ein Mann von noch nicht ganz mittlerem Alter mit fast jungenhaftem, sonnengebräuntem Aussehen, wie es typisch ist für Jungen, die aus den Sommerferien in die Stadt zurückkehren, wo die sommerliche Gesichtsfarbe alsbald verschwindet. Ein bisschen sportlich, in gewisser Weise weltoffen, mit gesprungenen Lippen und Sommersprossen um die Nasenwurzel. Er war nicht allein im Wagen. Neben ihm saß seine Tochter Wilma, ein weizenblondes Mädchen mit einem Pony, der ihr in die Augen fiel und den sie ebenso ausdauernd wie erfolglos aus dem Gesicht zu blasen versuchte. Sie hatte kluge Augen. Meeresblau gemischt mit einer Prise Trotz.

Wilma schaute aus dem Seitenfenster, kniff die Augen zusammen. In ihrem Magen rumorte es. Das sagte sie ihrem Vater aber nicht, der die ganze Zeit den Blick auf die Straße gerichtet hielt und das Lenkrad mit festem Griff umklammerte. Wilma hatte auch nicht vor, etwas über ihren Großvater zu sagen. Als Tochter einer Ärztin und eines Arztes und mit einem Großvater, der ebenfalls Arzt war, war sie zur Expertin geworden, wenn es darum ging, ihr Unwohlsein zu verbergen. Expertin in der Kunst, mich um mich selbst zu kümmern, dachte Wilma. Und genau das machte ihr Sorgen und schlug ihr jetzt auf den Magen. Sie wusste, dass sie sich mehr oder weniger selbst erzogen hatte. Überall hatte sie ein wenig Erziehung und Manieren aufgeschnappt. Aber würde das reichen?

Als Johan Steen sich dem Fähranleger näherte, sah er, wie viel sich seit seinem letzten Besuch hier verändert hatte. Die Straße war jetzt breiter, ein Stück der ländlichen Idylle hatte moderneren Häusern weichen müssen, und die Tankstelle hatte sich einen Videoverleih und einen Imbiss zugelegt. Der Zahn der Zeit, dachte er und schaute zu Wilma hinüber.

Sie war mehr Afrikanerin als Schwedin. Trotz ihrer blonden Haare und der blauen Augen. Jetzt blickte sie aus dem Fenster und sog alles in sich auf, was draußen vorüberflog. Alles schien sie zu interessieren. Die Obstgärten mit ihren Lauben, die wenig beleuchteten, verglasten Veranden, ja sogar die Fahnenstangen kamen ihr offenbar exotisch vor.

Sie war zwar auf Saltö geboren, aber in einem Feldlazarett in Somalia aufgewachsen, und das war alles andere als eine Idylle gewesen. Johan fragte sich, wie es ihr gelingen sollte, sich auf die schwedische Wirklichkeit umzustellen.

Die Schule in Somalia hatte keinen festen Lehrplan verfolgt, wie das in Schweden üblich war, und wenn er und Wilma zu Noteinsätzen in andere Landesteile mussten, hatte Wilma eben auf eigene Faust gelernt. Irgendwie war das gegangen, aber wie sollte sie sich in eine neue Klasse einfügen, in der die anderen Schüler ihre Cliquen und Gewohnheiten hatten? Er wagte kaum, darüber nachzudenken.

»Bist du nervös?«, fragte Wilma, als sie den Hang zum Anleger hinunterfuhren, und Johan wurde aus seinen Gedanken gerissen.

»Nein. Warum sollte ich?« Er schaute sie fragend an.

»Wegen Opa, natürlich«, antwortete sie leicht irritiert. »Der wird sich jedenfalls nicht freuen, das ist doch klar.«

Nein, dachte Johan. Bald wird der alte Dr. Axel Holtman auf Saltö den Schock seines Lebens erleiden. In ungefähr einer Viertelstunde wird der alte Fuchs feststellen müssen, wie sauer die Trauben sind, die seine Tochter Eva für ihn gepflückt hat. Er dachte das nicht boshaft, so ein Mensch war Dr. Johan Steen nicht. Aber er konnte nicht leugnen, dass er auf Axels Reaktion gespannt war.

Dr. Axel Holtman stand in dem alten Haus, in dem seine Praxis lag, und schaute aus dem Fenster der Veranda. Er war ein hoch gewachsener Mann, der ein robustes Tweedjackett und grobe Laufschuhe trug. Über seiner Oberlippe prangte ein gepflegter Schnurrbart, und die nussbraune Farbe seiner Augen konnte sich in Schwarz verwandeln, wenn seine Laune entsprechend war. Er war über vierzig Jahre lang als Schärendoktor tätig gewesen. Vierzig lange und zwischendurch auch sehr kurze Jahre. Das längste Jahr war das gewesen, in dem seine Frau Elly gestorben war und ihn mit der kleinen Eva allein zurückgelassen hatte. Das kürzeste dagegen das, in dem Eva nach ihrem Examen bei ihm auf Saltö gearbeitet hatte. Das war verflogen wie ein Tag.

Er rief sich ihre gemeinsamen Bootsfahrten zu den Inseln ins Gedächtnis zurück. Das abendliche Bad auf dem Badefelsen, das zu einer Art Brauch geworden war, und ihr perlendes Lachen, wenn er ihr mit einem Kissen vorgeführt hatte, wie man Slowfox tanzt. Evas Lachen erinnerte ihn an Ellys. Ja, dieses Jahr war entsetzlich kurz gewesen, denn am Ende war sie mit Johan Steen verschwunden.

Dr. Johan Steen. Axels Augen verdunkelten sich ein wenig, als er an den Mann dachte, der auf die Insel gekommen war und ihm die Tochter genommen hatte. Und bald darauf waren die beiden nach Afrika und in die diversen Krisengebiete weitergezogen. Die Besuche auf Saltö waren immer seltener geworden. Der letzte war vier Jahre her. Ärzte ohne Grenzen hieß die Organisation, der Eva und Johan angehörten und die Ärzte in unzählige Länder schickte, um zur Gestaltung einer besseren Welt beizutragen. Axel schüttelte den Kopf und murmelte vor sich hin. Eine bessere Welt? Konnte man dazu nicht besser am eigenen Heimatort beitragen? Wenn das alle täten, dann würden viele Probleme verschwinden.

Er seufzte tief und musterte den gedeckten Tisch. Gewürzhering und Senfhering, Matjes und Sahnehering und Schnittlauch standen bereit. Dazu Graubrot und Butter und ein dickes Stück Västerbottenkäse. Ein halber Räucheraal von Jonassons. Und nicht zu vergessen der wunderbar frische Hecht, den Sören Rapp morgens gefangen hatte. An einer seiner Fangstellen, zu denen niemand ihn begleiten durfte und die so geheim waren, dass Sören behauptete, sich auch nur dann an sie erinnern zu können, wenn richtig feiner Besuch zu bewirten war. Ja, wie konnte Eva auf solche Freuden verzichten, um irgendwo Reis und Wurzeln zu verzehren, wo es kein Meer gab, so weit das Auge reichte?

»Wo ist der Schnaps?«

Axel wurde aus seinen Gedanken gerissen und drehte sich zu Schwester Berit um, die diese Frage gestellt hatte. »Im Keller«, antwortete er zerstreut.

Berit wandte sich an ihren Bruder, Sören Rapp, der neben dem gedeckten Tisch stand, und bat ihn, den Schnaps zu holen. Da steht der letzte Schärenkerl, dachte sie. Der letzte Mohikaner.

Sören war Mitte vierzig und einige Jahre jünger als Berit, Axels Krankenschwester. Er hatte ein zerfurchtes Gesicht, aber seine Augen waren jung. Sie strahlten Humor und Trotz aus. Er war in allen Jahreszeiten gleich gekleidet. Baumwollhemd, Jeans, Windjacke, und auf dem Kopf eine fadenscheinige alte Schiffermütze. Er hatte einen sehnigen Körper, und seine Hände waren von kleinen Wunden und Schwielen bedeckt, da er die ganze Zeit in kaltem Wasser seine Netze einholte. Er war niemandes Hund, sondern lief ohne Leine von Ort zu Ort.

»Und bring auch ein paar Bier mit, Sören«, sagte Berit und rückte zum soundsovielten Mal die Blumenvase mit den frisch gepflückten Buschwindröschen auf dem Tisch zurecht.

Auch Schwester Berit war ein wenig nervös, ganz im Gegensatz zu sonst. Der Grund ihrer Nervosität war, dass Axel Holtmans Tochter Eva mit Mann und Kind aus Afrika zurückkam, um die Praxis zu übernehmen. Der alte Doktor wollte in den Ruhestand treten, und nach langem Zureden hatten Eva und Johan sich zur Heimkehr entschlossen. Vor allem ihrer Tochter zuliebe. Johan und Eva wollten sie jetzt in eine schwedische Schule schicken. Außerdem war sie an Ruhr erkrankt gewesen, lebensgefährlich sogar. Und das musste für ein so junges Leben an Strapazen doch reichen.

Vollständig unbegreiflich, wie Eltern, die beide Ärzte waren, übersehen konnten, dass ihr Kind an einer der verbreitetsten und schlimmsten Krankheiten litt, die dort unten vorkamen, durchfuhr es Berit. Wut stieg in ihr auf. Nein. Empörung. Schwester Berit nahm ihre Diagnosen genau, auch wenn es um Gefühle ging. Unter einem ziemlich züchtigen Äußeren verbarg sie ein ziemlich heftiges Temperament. Aber fast immer gelang es ihr, ihre Gefühle im Zaum zu halten.

Um ihre Stelle machte Schwester Berit sich keine Sorgen. Sie würde bleiben, wie ihr versprochen worden war, obwohl Axel Holtman protestiert und behauptet hatte, sie wären dann zu viele in der Praxis. Hier sei keine Krankenschwester mehr nötig, meinte Axel. Zwei Ärzte waren vollauf genug, und bei Bedarf könne er, Axel, ja einspringen. Aber Johan und Eva hatten sich durchgesetzt, und Berit konnte bleiben, diese Sorge war also von ihr genommen.

Aber dennoch würde etwas Neues nach Saltö kommen, und sie war nicht sicher, ob es etwas Gutes sein würde. Außerdem konnte sie sich kaum vorstellen, dass Axel Holtman seine alte Praxis so einfach aufgeben würde.

Wenn Axel sich nur nicht zu sehr einmischt, dachte Johan, als er auf die Fähre fuhr. Axel war ein Starrkopf, das lag in der Familie. Aber wenn er nur die Finger von meinen Patienten lässt, dann wird alles gut gehen, redete Johan sich ein und sah hinüber zu Wilma, die noch immer schweigend und nachdenklich neben ihm saß.

»Hast du das Geschenk für Opa eingepackt?«

Wilma nickte. Sie hatte eine kleine Holzfigur mitgebracht, die sie im Werkunterricht angefertigt hatte. Es war eine elegante Gazelle, die niemals so gut gelungen wäre, wenn ihr M'obe nicht geholfen hätte, ihr siebzig Jahre alter Freund und Vertrauter. Halb Medizinmann, halb Faktotum im Lazarett in Somalia.

Die gelbe Fähre legte ab und hielt langsam auf das andere Ufer zu. Kapitän Sandberg stand im Steuerhaus und schaute über sein Reich. Johan und Wilma stiegen aus dem Auto und gingen an die Reling. Das Wasser zwischen dem Festland und Saltö war dunkel und glatt wie Blech. Johan saugte die frische, salzige Meeresluft ein, die er seit Jahren nicht mehr geatmet hatte. Erst jetzt ging ihm auf, wie sehr sie ihm gefehlt hatte. In Afrika waren die Abende erfüllt gewesen von einer schweren Süße, nicht direkt unangenehm, aber auf irgendeine Weise stickig. Jetzt genoss er es, in der Abendluft nur das Tuckern des Motors und das Schwappen der Wellen gegen den Schiffsrumpf zu hören. In Somalia hatte es Hunderte von Geräuschen gegeben – Tiere und Insekten hatten das Gesetz der Nacht und der Finsternis gesungen. Und auch die Baracke der Missionsstation mit ihrem Moskitonetz und den Feldbetten würde er nicht vermissen. Hier würde er in einem schönen, großen Haus mit breiten Betten aus Birnbaumholz schlafen.

Johan stellte sich die Praxis auf der Schäreninsel vor, wie er sie in Erinnerung hatte. Große, helle Zimmer mit Fenstern zum Wasser hin. Breite, alte Betten mit Leinenlaken und Daunendecken. Abgenutzte Holzböden und in jedem Zimmer ein Kachelofen. Natürlich hatte Axel versprochen, bis zu ihrer Ankunft alles renovieren zu lassen, aber so wie Johan Axel kannte, wollte der gar keine Veränderungen. Ja, am liebsten würde er seine Praxis sicher selbst weiterführen, mit sich am Ruder und Eva als Assistenzärztin. Immer Eva. Für Axel Holtman gab es immer nur Eva.

Und Johan ... ja, Johan könnte sich vielleicht eine Stelle auf dem Festland suchen, dann wäre er ihn los.

Aber so wird es eben nicht kommen, dachte Johan und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Sie waren blond und wurden über den Schläfen ein wenig schütter, aber das gab seinem ansonsten so jungenhaften Gesicht eine gewisse Reife. Dr. Johan Steen war nicht sehr groß, aber trotzdem hatte seine Gestalt etwas Sehniges, Kraftvolles. Etwas Bestimmtes. Seine Hände waren stark. Er trug eine Khakijacke, einen gestrickten Pullover und eine Baumwollhose mit großen Taschen an den Seiten. Er hatte bequeme Freizeitschuhe an, und über seiner Schulter hing eine Leinentasche, gefüllt mit allen nötigen Dingen, wie Pass und Brieftasche, einem Roman von Joseph Conrad, Dörrobst, einer Thermoskanne voll Kaffee und einer Packung Zigarillos Marke Schimmelpfennig. Er rauchte nicht sehr oft, nur hin und wieder gönnte er sich einen Zug. So als wäre das seine Art, ein gewisses Freiheitsbedürfnis zu befriedigen, und als könnte er machen, was er wollte, obwohl er als Arzt von Tabakkonsum ja nur abraten konnte. Vielleicht war es auch eine Art Protest dagegen, dass er immer in exponierter Stellung war. Immer der, an den alle anderen sich anlehnen wollten. Er hatte nichts dagegen, aber ab und zu wollte er seine Verantwortung einfach vergessen, sich einen ordentlichen Whisky einschenken und sich eine Schimmelpfennig anstecken.

»Kommen die denn überhaupt nicht mehr«, fragte Axel schließlich. Während der vergangenen halben Stunde hatte er sich nicht gerührt. Schwester Berit hatte kaum zu atmen gewagt. Er stand auf der Veranda, starr wie ein Schürhaken, die Hände im Rücken verschränkt. Er ist nervöser als ich, dachte sie. Das kommt nicht gerade häufig vor.

Sören hatte den Schnaps geholt. Wenn er nervös war, trank er einen Kurzen oder ein Glas Bier. Er war keiner, der litt. Er sagte, er sei nicht zum Fakir geboren, und bemühe sich deshalb, seine Nerven rechtzeitig zu beruhigen.

»Sie haben vielleicht die Fähre verpasst«, sagte Berit beschwichtigend.

Axel brummte etwas Unverständliches. Warum hatte er einen Stein im Bauch? Als stehe etwas Unangenehmes bevor. Er müsste doch eigentlich überglücklich sein. Er wusste nicht, was, aber etwas stimmte nicht.

Als Johan sah, wie der Anleger auf Saltö sich näherte, legte er Wilma den Arm um die Schultern, und sie gingen zurück zum Auto.

Die Fähre legte an, und Kapitän Sandberg hob die Schranke. Johan fühlte sich plötzlich ein wenig verirrt. Der Anleger war verlegt worden, und eine neue Straße führte ins Inselinnere. Er fuhr zum Kapitän und kurbelte das Fenster herunter.

»Fährt man nach rechts, um zur Schärenpraxis zu kommen?«, fragte er.

Der Kapitän starrte ihn an.

»Sind Sie krank?«

»Nein«, lachte Johan. »Ich bin der neue Schärendoktor.« Kapitän Sandberg musterte ihn misstrauisch. »Ach. Und was fehlt dem Alten so plötzlich?«

Johan kurbelte das Fenster wieder hoch und fuhr an Land. Das fängt ja gut an, dachte er und umklammerte das Lenkrad. Das fängt ja verdammt gut an.

Er fuhr den Hang hoch, vorbei am Laden und am Fischverkauf von Martin und Sally. Im Dorf gab es die gleichen alten Häuser und Läden, und langsam erkannte Johan alles wieder. Nur das erste Stück hinter dem Anleger hatte sich verändert, sonst schien auf Saltö die Zeit stillzustehen. Sie fuhren vorbei an einem roten Steinhaus mit weißen Ecken, das ganz dicht am Wasser lag.

»Das ist die Schule«, sagte Johan und zeigte auf das Gebäude.

Wilma blickte zur Schule mit ihren Nebengebäuden hinüber. Einige Türen mit grün angestrichenen Holzjalousien erregten ihr Interesse.

»Was ist denn das?«, fragte sie.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2022
ISBN (eBook)
9783966557634
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Februar)
Schlagworte
Liebesroman Romantik Schwedenroman Arztroman Inselroman Inga Lindström Mia Jakobsson Linnea Holmström Neuerscheinung eBook

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Titel: Schwedischer Inselzauber