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Die Manege der Welt

Historischer Roman – Ein Zirkus auf dem Weg zu Ruhm und Glanz

von Gary Jennings (Autor:in) Werner Peterich (Übersetzung)
©2024 1906 Seiten

Zusammenfassung

Auf der Bühne der großen Hoffnung: Der historische Roman »Die Manege der Welt« von Gary Jennings jetzt als eBook bei dotbooks.

Wie weit würdest du gehen, um deinem Traum hinterherzujagen? Kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg ist das »Florierende Florilegium der Wunder« nichts weiter als ein schäbiger Wanderjahrmarkt auf dem Weg durch das Hinterland Virginias – doch der ehrgeizige Direktor hat große Pläne: Sein Zirkus soll die berühmteste Attraktion der Welt werden! Schon bald beginnen Mister Florian und seine Truppe skurriler Artisten ihre gefährliche und abenteuerliche Reise durch Europa: Auf dem Weg zu Glanz und Ruhm zieht die Truppe von den eleganten »teatros« Italiens über die prachtvollen Zarenhöfe Russlands bis nach Paris, wo sich schließlich entscheiden soll, ob aus einer kleinen, unbedeutenden »Schlammshow« eine Attraktion werden kann, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat …

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Abenteuer-Roman »Die Manege der Welt« von Gary Jennings wird alle Fans der Bestseller von Ken Follett und »The Greatest Showman« begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Wie weit würdest du gehen, um deinem Traum hinterherzujagen? Kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg ist das »Florierende Florilegium der Wunder« nichts weiter als ein schäbiger Wanderjahrmarkt auf dem Weg durch das Hinterland Virginias – doch der ehrgeizige Direktor hat große Pläne: Sein Zirkus soll die berühmteste Attraktion der Welt werden! Schon bald beginnen Mister Florian und seine Truppe skurriler Artisten ihre gefährliche und abenteuerliche Reise durch Europa: Auf dem Weg zu Glanz und Ruhm zieht die Truppe von den eleganten »teatros« Italiens über die prachtvollen Zarenhöfe Russlands bis nach Paris, wo sich schließlich entscheiden soll, ob aus einer kleinen, unbedeutenden »Schlammshow« eine Attraktion werden kann, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat …

Über den Autor:

Gary Jennings wurde in Virginia geboren und studierte in New York an der berühmten Kunstschule »Art Students League« in New York. Nach seiner Rückkehr aus dem Koreakrieg, in dem er als Korrespondent tätig war, begann er, seine Romane zu schreiben, die schließlich in mehrere Sprachen übersetzt wurden.

Bei dotbooks veröffentlichte der Autor seine historischen Romane »Marco Polo – Der Besessene« und »Die Manege der Welt«.

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eBook-Neuausgabe Februar 2024

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1987 unter dem Originaltitel »Spangle« bei Atheneum Publishers Macmillan Publishing Company, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1989 unter dem Titel »Der Prinzipal« im Paul List Verlag.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1987 Gary Jennings

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1989 Paul List Verlag in der Südwest Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/pio3, Ground Picture, Ysbrand Cosijn, Magdalena Kucova, Independent birds, Andrey Bryzgalov und AdobeStock/amino2003

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-779-2

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Gary Jennings

Die Manege der Welt

Historischer Roman

Aus dem Amerikanischen von Werner Peterich

dotbooks.

Kapitel 1

»Na, den Elefanten seh’n wir wohl nie wieder, was Johnny?« sagte einer der Soldaten in Blau.

»Wird wohl so sein, Billy«, sagte einer der Soldaten in Grau, um gleich darauf ein leicht erstauntes Gesicht aufzusetzen. »Is’ das wahr? Ihr Yankees sagt das auch? Das mit dem Elefanten?«

»Ha’m wir immer gesagt – zumindest früher«, erklärte der Nordstaatensoldat. »Wenn jemand sagt, er geht jetzt, den Elefanten anseh’n, heißt das, seine Einheit zieht los, um sich mit euch Rebell’n zu prügeln.«

»So hat’s bei uns Südstaatlern auch geheißen. Tut mir ja leid, daß wir den Krieg verloren haben, aber daß ich von diesem bestimmten Elefanten nichts mehr zu seh’n krieg, darüber bin ich heilfroh.«

»Geht mir genauso. Wie wär’s mit’m Pfeifchen, Johnny?«

»Ich denk’, ich werd’ nich’ mehr, Yankee-Billy! Soll das heißen, du hast Tabak?«

»’n bißchen. Und du – hast du ’ne Pfeife?«

»Die ist ziemlich das letzte, was mir geblieben ist.« Der Südstaatensoldat nahm die diversen Zügel, die er hielt, in eine Hand, so daß er die andere frei hatte, um in der Tasche nach der Pfeife zu kramen. »Wir haben Himbeerblätter geraucht un’ auch gekaut. Wenn wir sie nicht grade anstelle von Tee aufbrühten. Kannst du dir das vorstell’n? Dabei ist dieser Teil von Virginia früher erstklassiges Tabakland gewesen.«

»Da, nimm! Im Halbschatten wachsender breitblättriger Tabak aus Connecticut. Stopf sie dir voll!«

Unteroffiziere und Mannschaften gaben die korrekte steife Exerzierplatzhaltung, die sie bisher eingenommen hatten, auf. Blauröcke und Grauröcke vermischten sich miteinander und reichten die Zügel, die sie hielten, an andere weiter, um sich die Pfeife zu stopfen oder einen Priem abzuschneiden. Sie standen auf einer grasbewachsenen Hügelkuppe neben einem dreieckigen flachen Areal eben unterhalb der Straße, die von Appomattox Court House herkam, und paßten auf die Reitpferde der vielen Nord- und Südstaatenoffiziere auf, welche die Übergabe der Waffen überwachten.

Die diensthabenden Generals und Colonels am Rand des abgesteckten Platzes konnten noch nicht entspannen, sondern standen so kerzengerade und trübsinnig-ernst da wie bei einem Soldatenbegräbnis. Was das ganze in gewisser Weise ja auch war, die traurigen Weisen, die von der Unions-Kapelle gespielt wurden, inbegriffen – insbesondere die schwermütigen Lagerfeuerlieder, wie die eine oder andere Seite sie bevorzugte, und das war bei den Konföderierten ›Lorena‹ und bei den Yankees ›Tenting Tonight on the Old Camp Ground‹. Draußen auf dem Feld, hinter der Zeltstadt der Yankees, die sich neben dem Dorf ausdehnte, standen die Überreste der Konföderierten Armee von North Virginia in Formation angetreten. Jetzt marschierten diese Männer kompanieweise an den Rand des flachen dreieckigen Areals und betraten dieses dann, wiederum auf Befehl, korporalschaftsweise. Wenn auch mit einer gewissen Feierlichkeit, taten sie dies doch höchst widerwillig und deshalb auch undiszipliniert, weder im Gleichschritt noch in Reih und Glied.

Auf dem Dreiecksareal stellten sie ihre Waffen auch nicht in der vorschriftsmäßigen Pyramidenform zusammen, sondern warfen den wartenden Nordstaatenwaffenmeistern Büchsen, Musketen und Karabiner – die Kavalleristen Pistolen und Säbel – zum Abzählen und Bündeln auf einen Haufen vor die Füße. Nachdem alle Korporalschaften entwaffnet waren, ließen sie auch noch den letzten Anschein von Disziplin fahren; ohne ein »Wegtreten!« abzuwarten, trottete jeder für sich, wohin er wollte. Einige blieben noch eine Zeitlang, andere griffen sich, was ihnen noch an Habseligkeiten geblieben war und verdrückten sich dann. Manche zogen mit einem breiten Grinsen von dannen, anderen standen die Tränen in den Augen. Weiter weg – auf dem anderen Ufer des Appomattox River – wurden die schwereren Waffen der Konföderierten Artillerie von Pferdegespannen auf einem gesonderten Sammelplatz zusammengestellt.

Es waren jedoch nicht nur Soldaten zur Stelle, sondern auch Zivilisten, die meisten von ihnen Reporter von Zeitungen aus dem Norden. Eine alte Frau, die wohl schon immer hier gelebt hatte, stand, die kalte Maiskolbenpfeife im Mund, den ganzen Vormittag an die klapprige Gartenpforte ihrer Holzhütte neben dem Dreiecksareal gelehnt. Eine kleine weiße Katze, die offenbar ihr gehörte, schlich hierhin und dorthin, rieb sich manchmal schnurrend an den bloßen Beinen der alten Frau, manchmal an den rissigen Lederstiefeln der Generals und Colonels und manchmal an den Fesseln der wartenden Offizierspferde. Die Burschen und Ordonnanzen dieser Offiziere hatten sich inzwischen die Pfeife angesteckt und schmauchten dankbar, oder sie kauten und spuckten den Priem aus und fingen nun endlich an, sich über die Pferde zu unterhalten, die sie hielten.

»Dieser große Rappe«, sagte ein Unionssergeant, »ist General Sheridans Reitpferd. Und der Wallach da, Johnny, das ist General Lees berühmter Grauschimmel, oder? Traveller heißt er, wenn ich mich nicht irre?«

»Richtig. Trägt den Namen Traveller, seit er Onkel Bobby gehört. Vorher hieß er Jeff Davis. Un’ ich heiß’ auch nicht Johnny Reb – jedenfalls nicht mehr ab heute. Ich heiß’ Obie Yount.«

»Und ich will auch nicht mehr Billy Yank sein, Sergeant Yount. Ich heiß’ Raymond Matchett.«

»Freut mich, dich kenn’zulern’, Sergeant Matchett. Und vielen Dank für den Tabak! Schmeckt übrigens ausgezeichnet!«

Um sie herum entwickelten sich ähnlich harmlose Gespräche, von denen man ab und zu etwas mitbekam.

»Yessir, bin selbst in der Army der Vereinigten Staaten gewesen. Und als ich mich dann dieser Sezessions-Army anschloß, was meinst du wohl, was da passierte? Ich ging ein paar alte Freunde aus der U.S.-Army besuchen, die die Unverfrorenheit besaßen, mir einfach den Rücken zuzukehren. Bei First Manassas war das. Diese Freunde rannten ganz bis nach Washington, D. C.!«

»Glaub’ ich, Johnny, glaub’ ich gern. Die ganze Zeit über, wo ich an diesem Krieg teilgenomm’ hab, haben unsere Offiziere uns weisgemacht: ›Männer, die Rebellen sind auf’m Rückzug.‹ Dabei hat sich dann jedesmal rausgestellt, daß diese Rebs sich auf uns zurückzog’n.«

»... tja, Johnny. Und genauso wie du, sehn’ ich mich nach Haus zu mei’m Mädchen und danach, sie zu ... naja, das mit ihr zu tun. Aber das hab’ ich mein Leben lang nicht gehört, daß man das eine Frau dudeln nennt.«

»Wundert mich nicht, Billy. Ist auch eher so’n Familienausdruck. Meine Frau ist Klavierlehrerin, verstehst du, und unter uns haben wir das immer ›Musik machen‹ genannt. Doch als der Krieg ausbrach, hab’m wir uns’n neuen Namen dafür ausgedacht. Jetzt nennen wir das ›ohne Yankee dudeln‹.«

»... nichts für ungut, Sergeant Yount. Eig’lich würd’ ich meinen, du bist viel zu groß und häßlich und siehst auch viel zu anständig aus, um als Offiziersbursche den letzten Dreck wegzumachen.«

»Da hast du recht, Sergeant Matchett. Ich bin auch bloß hier, weil mein Colonel hier ist, und der ist auch kein simpler Reserveoffizier. Colonel Zack und ich gehören zur Kavallerie. Es ist nur so, daß General Lee wollte, daß wir hier bei der Kapitulation vorzeigbar sein sollten, weil von den Offizieren, die er mitgebracht hat, nur wenige ’ne Uniform haben, die nicht nur aus Fetzen besteht. Dieser Falbe hier ist Colonel Zacks Dienstgaul, Thunder. Und dieser hier, das ist meiner, den hab’ ich Lightning genannt, damit sie gut zusammenpassen. Thunder und Lightning, Donner und Blitz.«

»Lightning?« sagte ein Nordstaaten-Corporal, der in der Nähe stand. »Das ist ein Bierbrauer-Percheron!« Er lachte. »Bitte, nicht übelnehmen, Sergeant, aber solltest du ihm nicht einen Namen geben, der ein bißchen besser zu ihm paßt, sagen wir Leviathan?«

»Mach dich bloß nicht über ihn lustig, Kleiner!« sagte Yount gutmütig. »Ich hab’ den Gaul übrigens von eurer Seite. Von irgendeinem Yankee-Farmer in der Nähe von Gettysburg, nachdem mir mein eigener unterm Hintern weggeschossen worden ist.«

»Naja, wo ich ihn mir genauer anseh’«, sagte der Corporal, »is’ der Gaul auch nich wesentlich schwerer als du es bist. Stattliches Pferd für ein stattliches Mannsbild. Thunder und Lightning, eh? Gefällt mir irgendwie.«

»Dieses Pferd hier, Sheridans, mein’ ich, hat früher auch anders geheißen. Rienzi«, sagte der Sergeant von der Union. »Little Phil hat ihn in Winchester umbenannt, weil er den letzten Feldzug im Shenandoah Valley von Winchester aus gestartet – und gewonnen hat.«

Knurrend ließ Yount sich vernehmen: »Feldzug nennt Little Phil Sheridan das? Im ganzen Shenandoah Valley hat kein Mensch das jemals anders als Brandschatzen genannt.«

»Du bist dabei gewesen?«

»Mein Colonel und ich, wir beide. Er war damals allerdings erst Captain, Captain Edge, und das war erst ... Himmel, vorigen Herbst erst war das. Wir dienten beim Fünfunddreißigsten Kavallerie-Bataillon. Und damals, da ha’m wir den Elefanten an einem Ort namens Tom’s Brook geseh’n.«

»Ich selbst bin nie im Valley gewesen«, erklärte Sergeant Matchett. »Aber ich erinner’ mich, irgendwas vom Fünfunddreißigsten Virginia gehört zu haben.« Nachdenklich kratzte er sich am Bart. »War das nicht das Bataillon, das den Spitznam’ Komantschen hatte? Und ist das nicht ...«

»Jawohl, gleich nach der Schlacht aufgelöst worden«, fiel Yount ihm ins Wort. Als gälte es, sein rüdes Benehmen wiedergutzumachen, grinste er und erklärte im breitesten Südstaatenenglisch: »Un’ ich hab’ mich mein Lebtag gefragt, warum wir das eig’lich so nenn’.«

»Was? Komantschen?«

»Nein. Den Elefanten seh’n.«

Der Yankee-Corporal sagte: »Genaugenommen, weiß ich’s auch nicht. War irgendso eine Redensart aus der Stadt: ›Ich hab’ den Elefanten geseh’n‹, was soviel bedeutete wie: Mir kannst du nichts vormachen; ich kenn’ mich aus. Und heutzutage bedeutet es: Man ist gewesen, wo es heiß herging; ich bin kein ahnungsloser Neuling. Aber wie’s zu diesem Bedeutungswandel gekommen ist, weiß ich nicht.«

»Ich hab’ das weder in Mexiko noch in den Territories einen Soldaten jemals in den Mund nehmen hören«, sagte Yount. »Hab’s vor Kriegsausbruch nie in der Bedeutung gehört.«

Sergeant Matchett rief plötzlich: »In Mexiko bist du gewesen?«

»Beide sind wir da gewesen, Colonel Zack und ich. Damals war’n wir beide bloß einfache Schützen ohne jeden Rang. Als wir noch ...« Yount hüstelte und sah an seinem buschigen schwarzen Bart vorüber nach unten auf seine abgerissene graue Uniform. »Damals hatten wir beide noch den blauen Rock an. Aber was soll’s – das war bei Jeff Davis und Robert E. Lee auch nicht anders.«

»Ja, aber ich auch! In Mexiko, meine ich. Bin mit General Scott in Veracruz eingerückt.«

»Wir früher, weiter oben im Norden, bei Port Isabel.«

Der Corporal, der nur diesen einen Krieg mitgemacht hatte, blickte voller Respekt und wortlos von einem Sergeant zum anderen. »Wenn du am Nordfeldzug teilgenommen hast, bist du bei den Kämpfen um Cerro Gordo oder Chapultepec wohl nicht dabeigewesen, oder?«

»Nein. Wir haben am Resaca gekämpft. Monterrey, Buena Vista ...«

Die beiden einst verbündeten Veteranen, die sich gerade eben kennengelernt hatten, tauschten immer noch Namen von Schlachtfeldern aus, die weit von Appomattox Court House entfernt waren – weit weg von Virginia, und die mit diesem Krieg überhaupt nichts zu tun hatten. Jemand schnarrte: »Ach-tung!« und alle einfachen Soldaten – Blauröcke ebenso wie Grauröcke – nahmen Haltung an. Alle Waffen der Konföderierten waren abgeliefert und lagen auf einem Haufen, die Konföderierte Armee hatte kapituliert, und jetzt kamen die Generals und Colonels in Blau und Grau, ihre Pferde zu holen. Colonel Edge, nicht mehr der jüngste der Offiziere, dafür aber der einzige, der weder Bart noch Schnauzer trug, kam und nahm Sergeant Yount die Zügel von Thunder ab.

Die Offiziere saßen auf; Leder knarrte, Geschirr klirrte, Pferde stampften auf der Stelle. Yount lehnte sich über seinen mächtigen Percheron hinüber und fragte vertraulich: »Sin’ Sie auch ganz sicher, Colonel Zack, daß Sie nich’ mehr kämpfen wollen? Ich wär’ wieder dabei, wenn Sie’s auch wär’n. Im Süden und Westen gibt’s noch andere Konföderierte Armeen, die noch nich’ aufgegeben haben.«

Edge sagte ruhig: »Ich hab’ mein Ehrenwort gegeben, nicht mehr zu kämpfen.«

»Naja, ich aber noch nicht. Vielen von den Männern macht das nichts aus, und den Yanks ist das sowieso egal. Die wissen genausogut wie wir, daß diese Beteuerungen nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen.«

Edge holte den Zettel, den er im Austausch für sein Ehrenwort erhalten hatte, noch einmal hervor und las. In halb verwischter Druckschrift und krakeligen handschriftlichen Eintragungen stand dort für jeden, den es betraf, geschrieben: »Der Inhaber dieses Ausweises, Lt. Col. Zachary Edge, CSA, auf Ehrenwort entlassener Kriegsgefangener« dürfe jetzt »mit Erlaubnis der United States Army heimreisen und sich zu Hause ungestört aufhalten«.

Yount sagte: »Da Sie Offizier sind, haben Sie immer noch einen Karabiner, einen Revolver und einen Säbel. Die sind doch bei weitem mehr wert als dies Stück Scheißhauspapier. Außerdem sind wir beritten – wie Devil Grant sagte, Pferde für die Frühjahrsbestellung. Aber ’n Haufen von den Leuten, die Sie jetzt abziehen seh’n, geh’n ja nicht nach Haus, um zu farmen. Die reiten nach Süden und wollen seh’n, ob sie nicht irgendwo in North Carolina auf General Johnston stoßen und sich ihm anschließen, um kämpfen zu können.«

»Werden sie aber nicht tun«, erklärte Edge deprimiert. »Die Nachricht, daß Lee sich ergeben hat, ist schneller dort unten als sie. Und dann wird Old Joe auch aufgeben. Und Taylor und Smith und die anderen auch. Bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, wo Lee nicht mehr mitmacht. Obie, es ist alles aus und vorbei.«

Yount straffte die massigen Schultern, dann ließ er sie sacken. »Ja, und wohin wollen Sie dann? Sie ha’m doch wohl nicht vor, Thunder vor’n Pflug zu spannen und hier im Appomattox County mit der Frühjahrsbestellung zu beginnen?«

»Nein. Ich werd’ wohl genau das tun, was hier steht: nach Hause gehen und mich dort ruhig verhalten, um nicht gestört zu werden.« Edge stopfte den Zettel in die Tasche seines Waffenrocks, drehte sich auf dem Sattel um und überprüfte den sicheren Sitz von Schlaf- und Mantelsack hinter der Sattelpausche.

»Nun mal ehrlich, Colonel Zack«, sagte Yount in quengeligem Ton. »Sie wissen verdammt gut, daß Sie außerhalb von Kasernen, Winterquartier oder Biwak kein Zuhause mehr haben – ebensowenig wie ich. Solange wir zusammen sind, haben wir beide nichts anderes gekannt als Soldatsein. Und das fast zwanzig Jahre lang.«

»Niemand wird an unseren Diensten als Soldaten interessiert sein, Obie, jedenfalls bis auf weiteres nicht. Wir sollten uns nach was Neuem umsehen.«

»Nach was denn? Und wo?«

»Kann ich dir auch nicht sagen. Ich bin ja nicht mehr dein Vorgesetzter. Was mich betrifft, denke ich, ich sollte vielleicht dorthin zurückkehren, wo ich herkomme, ob das nun mein Zuhause ist oder nicht.«

»Etwa zurück in die Blue Ridge Mountains?« »Ja.«

»Sie wollen zurück und wieder Hillbilly spiel’n? Und ich soll zurück in die Sägemühlenstadt in Tennessee? Trenn’n sollen wir uns, nach all den Jahren?«

»Das muß ja nicht sofort sein. Beide Orte liegen westlich von hier.« Edge ließ Thunder die Schenkel spüren, so daß er sich in Bewegung setzte, und wendete ihn in Richtung auf das Dorf, über dem jetzt die Flagge der Vereinigten Staaten wehte.

Hastig überprüfte Yount seine Sachen und brachte Lightning dann mittels Sporendruck dazu, widerstrebend in einen gemächlichen Trab zu verfallen. Das Pferd mußte sich den Weg durch die anderen Pferde, Soldaten und Gefährte aller Art suchen, so daß Yount Edge erst einholte, als sie den Ort bereits hinter sich gelassen hatten und auf dem festgetretenen Lynchburg Pike dahintrotteten. Als sie nebeneinander an wackligen Viehzäunen und verfallenden Tabakdarren vorüberkamen, blieb das Rauschen und Plätschern des Appomattox ebenso hinter ihnen zurück wie die Klänge der Yankee-Kapelle, die jetzt eine Beerdigungsversion von ›The Bonnie Blue Flag‹ zum besten gab.

Erst da machte Yount den Mund wieder auf und sagte mißmutig: »Wissen Sie, was wir jetzt sind, Colonel Zack?«

»Ich weiß, was ich nicht mehr bin, nämlich Colonel der Leichten Kavallerie der Konföderierten Staaten von Amerika. Und du bist auch nicht mehr mein Sergeant. Hören wir also auf mit dem Quatsch, uns mit unserem Rang anzureden und seien wir wieder das, was wir waren, als wir uns kennenlernten. Zack und Obie.«

»Meinetwegen. Weißt du, was wir jetzt sind, Zack? Was wir in diesem Augenblick sind – Geschichte!«

»Mag sein. Wahrscheinlicher aber ist, daß wir unsere Geschichte hinter uns zurückgelassen haben. Recht besehen, sollten wir wohl dankbar sein, daß wir sie heil und ganz überstanden haben.«

»Das Schlimme ist, daß wir weiterleben müssen. Und wie willst du dir in den Blue Ridge Mountains deinen Lebensunterhalt verdienen?«

»Nun, es ist jetzt fast ein Jahr her, daß Hunter und seine Vandalen das Virginia Military Institute niedergebrannt haben. Vielleicht hat jemand angefangen, es wieder aufzubauen, und es ist nur recht und billig, daß ich beim Wiederaufbau meiner alten Schule mit Hand anlege. Sie werden jeden brauchen, den sie kriegen können. Dich auch, wenn dir das lieber ist, als nach Tennessee zu reiten. Und sobald es wieder steht, brauchen sie Ausbilder und Professoren. Vielleicht nehmen sie mich. Und wenn ja, kann ich vielleicht dafür sorgen, daß sie dich als Ausbildungs-Sergeanten nehmen.«

»Mich? Und ich soll am Virginia Military Institute Kadetten ausbilden?« Sein Trübsinn wandelte sich in Fröhlichkeit. »Na, das wär’ vielleicht ’n Ding!«

»Reiten wir hin und sehen wir es uns an.«

Nachdem sie den Mahlstrom der ehemals verfeindeten Armeen hinter sich hatten, ritten sie durch eine beklemmende Stille und Leere dahin. Westlich von Appomattox stießen sie auf keine nennenswerten Siedlungen mehr, und die wenigen Farmhäuser, an denen sie vorüberkamen, waren zerstört, und kein Rauch kam aus den Schornsteinen. Auch sonst war niemand unterwegs, außer ab und zu ein anderer Graurock, der zu Pferd oder zu Fuß nach Hause strebte. Vor kaum einer Woche – als Lees Army sich in Petersburg aus der langen Belagerung befreite und einen verzweifelten Ausfall in Richtung Danville oder Lynchburg plante – hatte sich die Nachricht verbreitet, daß seine Verbände hier vorüberkommen müßten und Grants Armee sie mit Sicherheit verfolgen würde. Aus diesem Grund hatte jeder, der hier in der Gegend wohnte, alles, was er tragen konnte, zusammengerafft und gemacht, daß er fortkam aus einem Gebiet, das bald zum Schlachtfeld werden mußte. Wie es sich dann ergab, hatten die Kämpfe kurz vorher aufgehört; nur war keiner mehr da, den das hätte interessieren können.

Edge und Yount waren erst ein gutes Stück nach Mittag losgeritten, so daß die frühe Aprildämmerung sie bald einholte. In einem verlassenen Weiler suchten sie Unterschlupf für die Nacht – in einem zerstörten und leeren, aber jedenfalls noch teilweise überdachten Fachwerkhaus; nach dem schwer zu entziffernden Schild über der türlosen Tür ehemals die Städtische Schule von Concord.

Als sie am nächsten Morgen erwachten, war es ein grauer, frostiger und nieseliger Tag; allerdings war der Regen nicht stark genug, sie zu veranlassen hierzubleiben, reichte aber immerhin, daß aus dem Feldweg mit der roten Erde bald eine rutschige Lehmpiste wurde. Das verlangsamte die Gangart der Pferde, so daß sie an diesem ganzen Tag nicht mehr vorankamen als gestern den Nachmittag über. Ein gutes Stück vor der Abenddämmerung stießen sie abermals auf ein verlassenes Haus am Straßenrand, auch dieses wieder mit einem Schild über der Tür: Giles’s Warenhaus. Von irgendwelchen Giles’ aber war, wie Yount bald feststellte, ebensowenig zu sehen wie von irgendwelchen Waren. Diese Enttäuschung reichte, ihnen jede Neigung zum Verweilen auszutreiben, und so ritten sie weiter. Das erwies sich als Fehler, denn bald verstärkte sich der Regen und Lightning fing auch noch an zu lahmen.

»Verfluchter Gaul!« knurrte Yount. »Mußt du dir in diesem Matsch auch noch den einzigen Stein aussuchen, den es gibt, um hineinzutreten!«

Ein kurzes Stück vor ihnen machten sie im Regen eine Holzbrücke aus. Sie ritten weiter, bis sie die Bohlen unter den Hufen hatten und aus dem roten Schlamm heraus waren. Yount saß ab, kniete nieder, nahm den Huf samt behaartem Kötengelenk seines Pferdes auf den Schenkel, kratzte mit seinem Messer darin herum und brummelte immer weiter:

»Die Leute hier in der Gegend sind groß im Anbringen von irgendwelchen Schildern.« Auch am Brückengeländer hing eines, demzufolge das Flüßchen, das darunter hinwegfloß, Beaver Creek hieß. »Haben’s wohl nötig gehabt, sich dran zu erinnern, wo und was sie waren.«

»Wir hätten beim letzten Schild halt machen sollen«, sagte Edge. »Dieser Regen läßt vorläufig nicht nach. Ich bin dafür, wir suchen unter der Brücke Schutz und lagern dort. Vielleicht findet sich sogar noch trockenes Holz zum Feuermachen.«

Genau dies taten sie, es fand sich auch Holz, und bald flackerte ein kleines Feuer. Edge erhitzte über den Flammen ein Eßgeschirr mit Maisbrei – die aus Maismehl und braunem Zucker bestehende eiserne Ration der Kavalleristen. »Ich muß an noch einen Beaver Creek auf der Landkarte denken«, sagte Yount. »Den haben wir von Petersburg aus kommend überquert. Nein, jetzt fällt es mir wieder ein, das war der Beaver Pond Creek.«

»Ach, verdammt, in Virginia muß es mehr Beaver Creeks geben als Baptisten«, sagte Egde müßig. »Dabei hab’ ich noch nie einen Biber in freier Wildbahn gesehen.« Leise lachte er in sich hinein. »Dafür aber viele wildgewordene Baptisten.« Als Yount dazu nichts sagte, hob Edge den Blick und sah ihn an. Yount hatte Augen und Mund weit aufgerissen; letzterer bildete ein rotes Loch in seinem schwarzen Bart. Edge sagte: »Wieso überrascht es dich dermaßen, mich sowas sagen zu hören?«

»Biber und Baptisten können mich mal«, sagte Yount mit ehrfürchtig gedämpfter Stimme. Er starrte immer noch angestrengt, jedoch war sein Blick nicht auf Edge gerichtet, sondern über dessen Schultern zum Flußufer hinunter. »Grad’ gestern ... hab’ ich mit’n paar Kumpels darüber geredet, was es bedeutet, einen Elefanten zu seh’n. Und jetzt, ganz plötzlich – Himmelherrgott, Zack! –, da drüben steht einer!«

Kapitel 2

»Massa Florian!« rief es von fern, aber in deutlich erkennbar klagendem Ton von irgendwo hinter dem Vorhang aus Regen. Dann trat derjenige, der den Klageruf ausgestoßen hatte, aus dem nassen Dämmer heraus, ein gedrungener und ausgemergelter Mann mit dunkelbrauner Haut. Den großen Turban schief auf dem Kopf und mit flatternden grellfarbenen Gewändern kam er barfuß auf die Wagenkolonne zugelaufen. »Oh, mein Gott, Mas’ Florian!«

»Zum Teufel, Abdullah!« fuhr ihn der einfacher gekleidete Fahrer auf dem Gefährt an der Spitze der Kolonne, einer Kutsche mit Klappverdeck, an. »Jedesmal, wenn du dich aufregst, vergißt du, mich mit Sahib anzureden.«

Ganz außer Atem kam der braunhäutige Mann an die Kutsche heran. »Ich bin nich’ aufgeregt, Master Sahib, ich hab’n Heid’nschiß.«

»Verdammt, nicht Master Sahib, sondern einfach ...« Florian unterbrach sich, stieß einen tiefen Seufzer aus und schüttelte den Kopf. Dann zog er am Zügel und brachte den Kutschgaul zum Stehen. Die vier Wagen hinter ihm hielten gleichfalls an, woraufhin alle lautlos, aber sichtbarlich im roten Schlamm der Straße tiefer sanken. »Jetzt erzähl mal ganz ruhig, Abdullah! Was hat dich erschreckt? Und wo ist Brutus?«

»Da drüben is’ sie.« Mit schwankendem Finger zeigte er die Straße hinauf zur Holzbrücke mit dem Schild Beaver Creek darauf.

»Hannibal Tyree, du hasenherziger schwarzer Tunichtgut!« ließ sich eine hübsche Blondine vernehmen, die plötzlich aus der Seitenöffnung der Kutsche herauslehnte. »Du bist weggelaufen und hast die arme Peggy einfach im Stich gelassen?«

»Ich wünschte«, stieß Florian leidenschaftlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »ich wünschte, jetzt, wo wir wieder unterwegs sind, Madame Solitaire, ich wünschte wahrhaftig, wir würden alle unsere Rolle wiederfinden und nicht dauernd vergessen, welche Rolle wir spielen.«

»Ach, scheiß doch der Hund drauf«, sagte die hübsche Frau. »Wenn Hannibal diesen Bullen verloren hat, können wir genausogut umdrehen und zurückkehren ins Vergessen.«

»Peggy is’ nix passiert, Miß Sarah«, versicherte der Neger ihr. »Sie steht mit allen vier Bein’ in dem Bach da drüben. Un’ spritzt beseligt mit’m Rüssel Wasser um sich rum.«

»Wenn das so ist – was hast du denn, Abdullah?« fragte Florian.

»Ich hab zwei Männer geseh’n, die sich unner der Brücke versteckt ha’m, Mas’ Florian. Solda’n! Hab’ nur zufällig hingeseh’n, un’ da seh’ ich, wie sie sich duck’n un’ auf uns wart’n. Rebell’nsoldat’n. Jetzt, wo der Krieg aus is’, sin’ sie wahrscheinlich unter die Räuber gegang’n. Du fahren über die Brücke, sie spring’n auf un’ whooey!« Dann wandte er sich um und sagte vorwurfsvoll zu Madame Solitaire: »Ich bin kein feiger Nigger, Miß Sarah. Ich bin gelauf’n gekomm’, um euch alle zu warn’n.«

Zweieinhalb andere Männer aus den anderen Wagen waren inzwischen herangekommen und hatten die Warnung mitbekommen. Die halbe Portion – sie maß nur wenig über einen Meter zwanzig – meinte säuerlich: »Vielleicht hat unser Glatzkopf doch mal was Vernünftiges gesagt. Schließlich hatte nur irgend so ein Bauerntölpel unterwegs behauptet, der Krieg ist vorbei. Vielleicht stimmt das gar nicht. Ich hab’ immer wieder gewarnt, Florian, daß es verdammt riskant ist, so früh weiterzuziehen.«

Einer der beiden größeren Männer – den man nicht eigentlich groß nennen konnte, der dafür aber gertenschlank und geschmeidig war und trotz seiner Kutscherkleidung irgendwie elegant wirkte – sagte gemäßigter: »Ach, wissen tu’ ich’s nicht. Aber vielleicht ist es in dieser Trostlosigkeit besser une fois pour toutes erschossen zu werden, als langsam Hungers zu sterben.«

Der andere, ein massiger Typ, dessen Schädel kein einziges Haar aufwies, der dafür aber einen Schnauzer trug wie ein Walroß, wandte sich fragend an Florian: »Un’ was tun wir jetzt, Baas? Mach’n wir sie zuerst alle? Un’ werfen sie der Katz’ zum Fraß vor?«

Florian überlegte, stieg dann aus und sagte: »Naja, möglich ist es schon, daß sie uns auflauern und es auf Beute abgesehen haben. Aber im Moment wett’ ich, daß ihnen beim unerwarteten Anblick des Elefanten die Augen aus dem Kopf fallen, sie dem lieben Gott und sich selbst schwören, nie wieder böse Buben und fürderhin brav sein zu wollen. Trotzdem wollen wir nichts riskieren. Abdullah, du sagst, Brutus ist im Bach. Wo, von der Brücke aus gesehen, steht er?«

»Auf der link’n Seite, Sahib Florian«, sagte der Neger, inzwischen wieder ganz gefaßt. »Bachaufwärts von den beiden Galgenvögeln.«

»Schön.« Zu der Frau in der Kutsche gewandt sagte Florian: »Meine Teure, würden Sie mir bitte Ihr Gewehr geben?« Mutig reichte sie ihm eine altmodische Steinschloßflinte hinaus. »Ich geh’ als erster, Männer, und zwar links am Ufer runter bis zu Brutus. Inzwischen könnt ihr, Captain Hotspur und Monsieur Roulette, euch rechts von der Brücke runterschleichen. Sollten die beiden auf mich losgehen, schießt ihr unter der Brücke hervor und überrumpelt sie.«

Der Glatzkopf ließ die Fingergelenke krachen und sagte: »Ja, Baas.« Der Hyperschlanke zuckte nur träge die Achseln. Doch der, der fast ein Gnom war, begehrte auf und sagte: »Hey, Florian! Ich zähl’ wohl überhaupt nichts, was?«

»Tim, Tim!« sagte Florian begütigend. »Du bist der allerwichtigste von uns allen. Du kannst leichtfüßig dahinhuschen, kannst also die Brücke selbst betreten, ohne daß sie dich hören. Deshalb nimm du das Gewehr. Wenn du siehst, daß wir drauf und dran sind, handgemein mit ihnen zu werden, feuere den einen Schuß ab, der drin ist. Aber sorg dafür, daß du auch triffst.«

Die halbe Portion nahm die Flinte, die fast so groß war wie sie selbst, und bleckte bösartig die Zähne.

»Aber greift sie nicht als erste an«, sagte Florian, für alle bestimmt. »Gebt mir die Chance, mich erst vorzustellen. Vielleicht sind es ganz harmlose Landstreicher und – wer weiß? – vielleicht haben sie sogar was zu essen bei sich, von dem sie uns abgeben.«

Als er sich jedoch durch das Gesträuch hindurchwand und ihm der nach Karamell duftende Rauch des Lagerfeuers in die Nase stieg, brummelte er unglücklich: »Nein, das werden sie nicht – wenn sie schon gezwungen sind, auf Maispampe zurückzugreifen.«

Er verharrte hinter dem letzten triefenden Wandschirm aus Röhricht und Weidengebüsch und spähte, inzwischen selbst reichlich triefend, die paar Schritt zu den beiden grauuniformierten Männern hinüber. Sie standen im seichten Bachwasser direkt neben dem Elefanten; das Wasser reichte ihnen fast bis zum Rand der Stiefelschäfte hinauf. Sie sahen sich den Dickhäuter an, und einer von ihnen streckte die Hand aus, um ihm den Rüssel zu streicheln, woraufhin Brutus diesen ungewöhnlichen Körperteil sichtlich mit Genuß reckte, durchbog und ringelte. Florian warf einen Blick bachabwärts, sah das kleine Lagerfeuer unter der Brücke glimmen und dahinter zwei angehalfterte Pferde an den Büschen nagen. Florians Augen blitzten auf, und leise sagte er, diesmal freilich alles andere als unglücklich: »Na, na, na ...«

Dann trat er beherzt auf die Männer und den Elefanten zu und grüßte betont jovial: »Guten Abend, die Herren!«

Sie schraken weder schuldbewußt noch erschrocken zusammen, sondern drehten sich um, wobei einer wie beiläufig die Hand an das große schwarze Pistolenhalfter an seinem Koppel legte.

Mit weltmännischer Geste sagte Florian: »Gestatten Sie, daß ich Ihnen vorstelle, Sirs: Braver Brutus, prächtigstes Brummtier, das Gottes Odem braucht.« Die Männer neigten einigermaßen höflich den Kopf, erst vor ihm, dann vor Brutus. Florian wandte sich an den mit der Pistole im Halfter und den beiden Sternen am Kragenspiegel des Waffenrocks: »Wissen Sie, was das bedeutet, wenn Sie ihm den Rüssel streicheln, wie Sie es eben getan haben, Colonel, und der Elefant ringelt ihn und hebt ihn respektvoll grüßend, wie Brutus das eben getan hat?«

Nüchtern sagte Edge: »Nein, Sir, das weiß ich nicht.«

»Das bedeutet nach altehrwürdiger Circusüberlieferung, daß es Ihnen eines Tages gelingen wird, selbst Circusbesitzer zu werden.«

Darüber mußte Edge lächeln. Was wiederum bewirkte, daß Florian ihn verwundert fragend ansah. Das Gesicht des Colonels war – sofern in Ruhestellung – auf zerknitterte Weise liebenswert, ähnlich einer aus Felsen gehauenen, verwitterten Skulptur. Das Lächeln in diesem Gesicht jedoch war unsäglich traurig und machte sein Gesicht geradezu häßlich.

Das Wasser schwappte, als die beiden Soldaten ans Ufer traten und sich neben den Mann am Ufer stellten. Yount sagte: »Circus, was? Das erklärt alles. Mister, ich dachte, jetzt werd’ ich verrückt. Vielleicht werd’ ich’s ja immer noch. Von allem, was ich mir im Gefolge des Krieges hätte vorstellen können, steht ein Circus bestimmt nicht an erster Stelle.«

»FLORIANS FLORIERENDES FLORILEGIUM DER WUNDER. Ich habe die Ehre, besagter Florian zu sein, Eigentümer und Direktor des Unternehmens.« Er streckte die Hand aus.

Edge ergriff sie und bemerkte, daß der Zirkusbesitzer einen ganz besonderen Händedruck hatte, zu dem eine Art von Extradruck von Zeigefinger und Daumen gegen Knöchel und Handfläche dessen gehörte, dem die Hand gereicht wurde. Vielleicht, so überlegte Edge, hatte das unter Circusleuten oder in dem Land, aus dem dieser Mann stammte, eine ganz bestimmte Bedeutung; sein Englisch kam mit einer allzu reizvollen Präzision, als daß es seine Muttersprache hätte sein können.

»Ist mir ein Vergnügen, Mr. Florian.« Das häßlichmachende Lächeln war von Edges Gesicht verschwunden, das wieder einen angenehmen Eindruck machte – aber was er tat, strafte diesen Eindruck Lügen. Während er die rechte Hand des Circusbesitzers umklammert hielt, schnallte er mit der freien Linken die Patte des Pistolenhalfters auf, zog die langläufige Waffe und legte mit dem unheilverkündenden dreifachen Klicken von Stahl gegen Stahl den Hahn zurück. »Sir, tun Sie mir den Gefallen und rühren Sie sich nicht vom Fleck!«

»Ach, du Elend!« seufzte Florian, als Edge seine Hand losließ und einen Schritt zurücktrat, wobei er die Pistole weiterhin auf die Knöpfe seiner Joppe gerichtet hielt. »Bei einem Yankee, Sir, würde ein solches Benehmen mich nicht verwundern. Ich hatte jedoch keine Ahnung, daß bei Offizieren aus dem Süden die Höflichkeit so schnell in Schurkerei umschlagen könnte. Ich hatte gehofft, Sie würden sich als freundlich erweisen.«

»Ich werde auch freundlich bleiben, Sir, solange Sie weder nach links noch nach rechts rücken. Denn dort, wo Sie stehen, bilden Sie einen Schild zwischen mir und irgendwelchen Freunden von Ihnen. Einer steht oben auf der Brücke, und zwei dahinter. Bei dieser schlechten Beleuchtung kann ich nicht die Hand dafür ins Feuer legen, daß ich sie alle treffe, Sir, aber Sie werde ich bestimmt nicht verfehlen, Sir, das kann ich Ihnen versprechen. Obie, hol deinen Karabiner!«

»Warten Sie«, sagte Florian. »Das ganze ist meine Schuld, Sir. Wir hatten gehofft, daß Sie anständige Leute sind, aber wir konnten ja nicht sicher sein, daß Sie keine Räuber wären, die uns auflauerten. Wenn Sie gestatten, daß ich laut rufe, hole ich diese Männer friedlich herbei, damit Sie sie kennenlernen.«

»Sie dürfen rufen, Sir. Doch passen Sie auf, daß der Ruf überzeugend klingt.«

Florian wandte den Kopf nur ein winziges Stück und rief: »Es sind Freunde, Männer! Tim, komm mit der umgedrehten Büchse herunter. Best, kapitein, komt u en ons ontmoeten. Soyez tranquille, Roulette, et venez ici.«

Gleich darauf konnte man die Geräusche von anderen hören, die sich durch das Gebüsch hindurch näherten. Edge nickte zustimmend. »Jamais beau parler n’écorche la langue«, ließ aber die Pistole nicht sinken. »Und was war das für eine andere Sprache?«

»Holländisch«, sagte Florian. Aus einem abgewetzten Rockärmel zupfte er energisch ein Batisttaschentuch hervor, um sich die Stirn abzutupfen. »De facto spricht der Captain ein höchst ungeschliffenes Kap-Holländisch, aber er versteht, was ich sage. Besser als englisch.«

Yount sagte mißtrauisch: »Dann sind Sie und Ihre Freunde weder Yankees noch Sezessionisten?«

»Mein lieber Sergeant, jeder Circus stellt die reinste Nationalitätenmenagerie dar. Ich selbst zum Beispiel bin Elsässer.«

»Ich habe von Ihren politischen Sympathien gesprochen, Mister.«

»Und wir bemühen uns, nie nach der politischen Überzeugung eines Mannes zu fragen – ebensowenig wie nach seiner Religionszugehörigkeit oder irgendwelchem Aberglauben. Aber da kommen meine Kollegen. Wenn ich Sie miteinander bekanntmachen dürfte, Sirs?« Er wartete, bis Edge die Pistole wieder im Halfter verstaut hatte. »In der Reihenfolge ihres Erscheinens, nicht ihrer Bedeutung nach, ist dies Tiny Tim Trimm, unser weltbekannter Gnom und Spaßmacher und Clown, und bei den Blechbläsern gleichzeitig der Hornist.«

Der kleine Mann kam, die Steinschloßflinte hinter sich herschleifend, näher und nickte verdrossen, als bedauerte er, keinen Vorwand mehr zu haben, die Waffe zu benutzen.

Yount meinte: »Ich habe schon kleinere Gnomen gesehen.«

Tim Trimm funkelte ihn wie aus Fischaugen an – farblos, und mit fischschuppiger Oberflächenhärte. »Sie können mich mal an mein’ rosigen Gnomenarsch ...!«

Florian verhaspelte sich fast, als er überstürzt sagte: »Und das hier ist Monsieur Roulette, Meisterakrobat, Springer und Bauchredner.«

»Enchanté«, sagte der Gertenschlanke, alles andere als entzückt.

»Und das hier ist Captain Hotspur, unser unvergleichlicher Kunstreiter, furchtloser Löwenbändiger, Hufschmied und Roßarzt, Stellmacher und Wagenmeister des gesamten Trosses.«

»Goeie nag«, sagte der Glatzkopf und dann, in der Übersetzung: »Guten Abend, Meneers.«

»Sie werden bemerkt haben, Sirs«, sagte Florian, »daß bei unserem Circus jeder zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Rollen spielt ... wie ein anderer großer Showman einmal gesagt hat.«

»Jedenfalls kann man behaupten, daß ihr alle höchst phantasievolle Namen habt«, sagte Yount voller Bewunderung.

»Les noms de théâtre«, erklärte Florian und tat das mit einer Handbewegung ab. »Die meisten von uns finden, daß unsere noms de baptême absolut nicht mehr passend sind für das, was im Lauf des Lebens aus uns geworden ist. So ist zum Beispiel Jacob Brady Russums Taufname länger als er selbst, weshalb wir ihn zutreffender Tim Trimm genannt haben.«

»En nee gut mein Name für Reiter Hotspur«, sagte der Captain und ließ gutmütig den Walroßbart wackeln. »Ignatz Roozeboom.«

»Hélas«, ließ Monsieur Roulette sich vernehmen. »Mein Name ist bedauerlicherweise nur eine etwas phantasievoll abgewandelte Form meines richtigen Namens.« Mit diesen Worten reichte er Edge aus verschmutztem Ärmel heraus eine manikürte Hand. »Jules Fontaine Rouleau, ehemals New Orleans und malheureusement von dorther gesehen ein ziemlich runtergekommenes Subjekt. Meine Familie daheim hofft zweifellos inbrünstig, ich möchte für immer einen anderen Bühnennamen annehmen. Und sei es einer wie etwa Ignatz Roozeboom.«

An die Gesellschaft ganz allgemein gewandt, sagte Edge: »Es ist uns ein Vergnügen, Sie alle kennenzulernen. Ich bin Zachary Edge, und das hier ist Obie Yount.«

»Nun«, sagte Florian, »wir Reisenden sind uns zunächst mit Mißtrauen begegnet, doch das ist jetzt gottlob vorbei. Sogar der Regen läßt nach. Allerdings sind wir alle bis auf die Haut naß, und es wird dunkel. Brutus scheint sich hier wohlzufühlen, doch schlage ich vor, daß wir anderen in den Wohnwagen Unterschlupf suchen. Und Sie – Colonel Edge und Sergeant Yount –, Sie würden gewiß gern etwas Besseres zu Abend essen als ausgerechnet Maispampe.«

Die beiden sahen ihn an, als wäre er ein Gespenst. Auch die Circusleute sahen ihn an, und das womöglich noch ungläubiger.

»Vielen Dank, aber um die Wahrheit zu gestehen«, sagte Edge, der auf keinen Fall für einen Schnorrer gehalten werden wollte, »so haben wir uns vorgestern noch ziemlich gut sattessen können. Ein paar Yankees haben ihre Rationen mit uns geteilt.«

Um den Eindruck von Selbstversorgern zu erwecken, setzte Yount noch hinzu: »Und wir hatten eine Zeitlang eine Zwiebel.« Dann jedoch wurde er schwach. »Allerdings war damit eine verdammt lange Zeit Schmalhans bei uns Küchenmeister.«

»Ja!« bestätigte Roozeboom gefühlvoll und starrte Florian weiterhin an.

»Ja, ja«, sagte Florian. »Und bei uns ist es einen Tag Hühnchen, und den nächsten Tag Federn. Aber ihr würdet ja wohl zu einem Schweinekotelett heute abend nicht nein sagen?«

»Himmel, nein, das würden wir bestimmt nicht!« entfuhr es Yount in dem Bemühen, einer höflichen Ablehnung von Edge zuvorzukommen.

Als die beiden Grauröcke ihre Pferde und ihre anderen Habseligkeiten holen gingen, sagte Rouleau: »Schweinekoteletts?« und sagte das mit soviel Gusto, als habe er bereits ein saftiges Stück Fleisch im Mund; Roozeboom hingegen funkelte Florian weiterhin an; der Raum oberhalb seiner Augen, wo die Brauen hätten sein sollen, war gerunzelt und in Falten gelegt.

Florian ließ sich nicht von ihnen beeindrucken und sagte mit drängendem Unterton zu der halben Portion: »Lauf voraus, Tim. Und sag Madame Solitaire, sie soll sich im Wohnwagen auf Gesellschaft gefaßt und schon mal Feuer für die Koteletts machen. Sie weiß bestimmt, was du meinst.«

Erbost verwahrte Trimm sich: »Das letztemal, daß wir Schweinekoteletts hatten, war an dem Tag, da wir Wilmington verlassen haben. Seither haben wir anderen von Maisgrütze und Ahornsirup gelebt. Und du, Florian, du und dieses flachsblonde Weibsstück, ihr habt die ganze Zeit über Koteletts gehabt?«

»Halt den Mund und nimm die Beine in die Hand. Als ihr euch das letztemal den Wanst vollgeschlagen habt, haben Madame Solitaire und ich unsere beiden Koteletts beiseitegelegt – und zwar in der Hoffnung auf genau so eine Gelegenheit wie heute. Kapierst du denn nicht, was diese beiden Soldaten haben? Zwei prachtvolle Pferde! Mach schon, daß du hinkommst, du garstiger Wichtel, du, und tu, was ich dir gesagt hab’!«

Immer noch aufmüpfig fauchend, setzte Trimm sich in Trab. Die anderen warteten, um Edge und Yount vom Wasserlauf auf die Straße hinaufzubegleiten. Roozeboom, der neben Edge und seinem Thunder einherstapfte, meinte: »Goeie pards, Ihre zwei Pferde, Meneer. Have dei nee Angst vor olifant?«

»Die Frage hat sich noch nie gestellt«, sagte Edge gutmütig. »Aber ich nehme an, ein kriegserfahrenes Streitroß ist Überraschungen gewohnt.«

Florian hielt es offenbar für das beste, kein allzu großes Interesse für die Pferde zu zeigen und wechselte das Thema. »Sind Sie nicht noch ein bißchen jung, Zachary, bereits Lieutenant colonel zu sein?«

»Nein, Sir. Die Beförderungen haben zuletzt mit den Niederlagen Schritt gehalten. Johnny Pegram ist mit dreiundzwanzig Brigadier general geworden, und vor acht Wochen ist er gefallen. Ich bin sechsunddreißig.«

»Und am Leben. Nun, ich hatte den Eindruck, als wüßten Sie mit Ihren Waffen umzugehen.«

Achselzuckend sagte Edge: »Ich lebe.«

»Hat mich nicht wenig verwundert zu sehen, daß Sie mit der Linken schießen.«

»Ich schieß mit beiden Händen gleich gut, bin allerdings von Natur aus Rechtshänder.«

»Die Pistole haben Sie aber mit der Linken gezogen.«

»Weil das Kavalleriehalfter so gemacht ist. Sehen Sie? Man trägt es an der rechten Hüfte, so daß der Kolben nach vorn rausguckt. Und das ist so, weil man bei einem Kavalleristen davon ausgeht, daß er zuerst mit dem Säbel kämpft. Den aber zieht man mit der rechten Hand aus der linksgetragenen Scheide.«

»Ah: Dann gilt eine Pistole nur als letzter Ausweg?«

»So soll es sein. Und deshalb lernt man in der Ausbildung, mit links zu ziehen und notfalls auch zu schießen. Oder, wenn Zeit genug vorhanden ist, die Waffe an die Rechte zu übergeben.«

»Und Sie, Sie schießen links wie rechts gleich gut?«

Trocken wiederholte Edge: »Ich lebe.«

»Gestatten Sie, daß ich Sie mit einem weiteren geschätzten Mitglied unserer Truppe bekanntmache«, sagte Florian. »Das hier ist Abdullah, unser unersätzlicher Jongleur, Trommler und Bullenkutscher.«

»Bullenkutscher?« wiederholte Yount echogleich.

»Abdullah ist für Brutus verantwortlich, den Sie ja als ersten von uns kennengelernt haben.«

»Der Elefant? Ein Bulle?« sagte Yount. »Ich bin zwar kein Fachmann auf diesem Gebiet, Mr. Florian, aber ich wette, selbst Ihr Gnom hat mehr von einem Bengelschwengel als Ihr Brutus. Sollten Sie sich irren, und tatsächlich einen Bullen in der Elefantenkuh sehen?«

Florian lachte. »Selbstverständlich ist Brutus eine Elefantenkuh. Und der Name, auf den sie bei uns hört, lautet Peggy. Praktisch alle Circuselefanten sind Kühe, und doch nennen wir Circusleute unsere Elefanten Bullen. Auch das wieder eine altehrwürdige Tradition, genauso wie die ausgefallenen Namen.«

»Yessuh«, sagte der Neger zu den Neuangekommenen. »Eig’lich heiß’ ich Hannibal Tyree.«

Sie begrüßten einander, und Edge meinte, der richtige Name des jungen Mannes passe doch eigentlich genau richtig für einen Elefantenwärter.

»Und wieder haben Sie recht«, sagte Florian. »Sie müssen Geschichte studiert haben. Aber leider hat der Junge kaum die richtige Hautfarbe für einen Hannibal. Noch schwerwiegender fällt ins Gewicht, daß wir keinerlei Rüstung haben, ihn als Karthager auszustaffieren. Aber in der Hautfarbe kann er als Hindu durchgehen, und ein Abdullah braucht für sein Kostüm nur ein paar farbenfrohe Fetzen. Sie werden sehen, mein Freund, daß ein Circus wie eine Frau von Kunstgriffen und Listen lebt. Solche Sachen ergeben sich unterwegs ganz von selbst.«

Sie waren inzwischen bei der Wagenkolonne angelangt, die immer noch wie trostlos in der zunehmenden Dämmerung stand und stetig tiefer im Schlamm versank. Der Rest der Circustruppe hatte tatsächlich Holz für ein Feuer finden können. In Shawls und Wolldecken gehüllt, standen sie darum herum, die Augen sehnsüchtig auf die Bratpfanne gerichtet, welche die hübsche Frau über die Flammen hielt. Die Koteletts, die gerade anfingen, in der Pfanne zu brutzeln, waren auch das erste, worauf Edge und Yount den Blick richteten.

»Welch ein Glück, meine Liebe!« sagte Florian überströmend herzlich. »Ein Bissen für unsere Gäste.«

Die Frau bedachte ihn mit einem gutmütigen Blick, was die anderen Circusmitglieder jedoch mitnichten taten. Nicht sonderlich verständlich, da er mit dem Wasser zu kämpfen hatte, das ihm im Mund zusammenlief, sagte Yount: »Eßt ihr denn nicht alle mit?«

»Wir anderen«, erklärte Florian mit Nachdruck, »haben bereits zu Abend gegessen.« Ein unterdrücktes Knurren antwortete ihm; ob es aus dem Magen oder dem Mund von jemand kam, war nicht auszumachen. Ohne darauf zu achten, fuhr Florian fort: »Lassen Sie mich Ihnen auch den Rest von uns vorstellen. Die reizende Dame, die gerade die Pfanne für Sie hält, ist Madame Solitaire, équestrienne extraordinaire.«

Sie schenkte ihnen ein Lächeln, das freilich leicht unschlüssig wurde, als Edge es erwiderte. Die Frau hatte dunkelblaue Augen und kurzgelocktes Haar von altgoldener Farbe. Von nahem besehen, hätte man ihr Gesicht für leicht verwittert halten können, doch Edge nahm an, daß sie etwa gleichaltrig mit ihm sein müsse. Sie griff den Stiel der Bratpfanne mit ihrer Linken, um den Fremden mit der Rechten die Hand zu schütteln; sie war nicht minder schwielig als dessen Hände.

»Dieser hübsche Backfisch hier ist Madame Solitaires Tochter, Mademoiselle Clover Lee, die als Kunstreiterin bei ihrer Mutter in die Lehre geht.«

Das Mädchen war dreizehn oder vierzehn Jahre alt, besaß die kobaltblauen Augen ihrer Mutter, schimmernde junge Haut, und die Fülle ihres langen gewellten Haars war eine Flut von womöglich noch leuchtenderem Gold, von der Farbe und dem seidigen Glanz einer Kavallerieschärpe.

»Und unsere Doyenne«, sagte Florian, »ist unsere weit in die Zukunft blickende Wahrsagerin und Zauberin. Nicht, daß Sie denken, ich wollte Sie foppen, meine Herren. Vielleicht verziehen Sie hochmütig den Mund über Handleserinnen und Frauen, die in anderen Circussen anderen Humbug treiben. Ich garantiere, daß Sie hier ein echtes Phänomen vor sich haben. Einige ihrer Vorhersagen haben sogar mich in den Grundfesten erschüttert, als sie sich prompt bewahrheiteten, und ich bin ein in der Wolle gefärbter Zyniker. Auch dürfte ich vielleicht darauf hinweisen, daß ihr Name kein circusgemachter ist; sie nennt sich selbst so. Gentlemen, ich habe die Ehre, Ihnen Magpie Maggie Hag vorzustellen.«

»Guten Abend – hm – Madame«, sagte Edge.

Das dunkle Gesicht der alten Frau war ein einziger fester Knoten: nichts als Krähenfüße, Falten und Runzeln. Edge erwartete, daß ihre Stimme – so sie eine hatte – krächzend und schwach aus ihrem Inneren kommen würde und war daher höchst erstaunt, als diese tief und dröhnend kam wie die eines großen Mannes, als sie sagte: »Mucho gusto en conocerles.«

Yount, den das nicht aus der Fassung brachte, erwiderte höflich: »Igualmente, señora.«

»Aber Mag«, sagte Florian. »Es ist lange her, daß ich dich das letztemal in einer deiner alten Sprachen habe reden hören. Warum jetzt?«

»Weil sie sie sprechen«, brummelte sie.

»Ha! Sehen Sie?« sagte Florian. »Weiß alles, sagt alles. Je nun, jetzt kennen Sie aber die gesamte Truppe. Nein, doch nicht ganz: den Wilden Mann noch nicht, der dort hinten im Schatten steht.«

Sie beugten sich vor und spähten ins Dunkel. Der sich dort herumdrückte, schien nichts anderes als ein ungewöhnlich wenig ansprechender linkischer Jüngling. Er trug zerzauste lange, gleichwohl ziemlich schüttere Haare von undefinierbarer Farbe, hatte Schlitzaugen, kaum als solche erkennbare winzige Ohren und eine abstoßende Zunge, die viel zu groß war für seinen Mund.

»Sie brauchen sich nicht erst die Mühe zu machen, ihn zu begrüßen«, sagte Florian nachlässig. »Er wird es doch nicht wahrnehmen, und antworten kann er sowieso nicht. Wir ziehen ihm ein Kostüm an und stellen ihn als Wilden Waldmenschen zu Schau; dabei ist er nichts weiter als ein armer echter Schwachsinniger.«

An die Frauen gewandt, sagte Edge: »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, meine Damen, daß wir bewaffnet hierher gekommen sind.« Er zeigte auf die Pistole an seiner Seite, den im Futteral steckenden Karabiner und den Säbel an seinem Sattel. »Ich weiß, solche Manieren sind unentschuldbar. Nur stellen diese Waffen den einzigen Besitz von Wert dar, der uns noch geblieben ist.«

Die dröhnende Stimme ließ sich wieder vernehmen: »Sie wird Ihnen bald besser dienen, gazho, als je zuvor ...«

»Wie beliebt? Hm, vielen Dank, Ma’am.«

»Ich heiß’ Magpie Maggie Hag, und so sollten Sie mich auch anreden.«

Edge brachte es einfach nicht fertig, eine erwachsene Frau mit ihrem Spitznamen anzureden, schon gar nicht eine Frau, die offenbar zwei- oder dreimal so alt war wie er selbst. Infolgedessen verneigte er sich und wandte sich ab und sah sich suchend nach dem um, was Florian ›den Wagentroß‹ genannt hatte.

Die Kolonne bestand aus fünf Wagen. Das bißchen Helligkeit, das von der Kochstelle ausging, reichte, um ihm zu zeigen, daß sie durch die Bank bessere Tage gesehen hatten – und eine Vielzahl schlechter Tage seither. Der ursprünglich blaue Anstrich und die vielfarbige Beschriftung waren verblaßt und blätterten ab; darunter wurden Fugen und Risse sichtbar, die mit Lumpen verstopft waren. Keine zwei Räder der Wagen liefen wirklich parallel; manche standen sogar nach verschiedenen Richtungen auseinander; etliche Speichen waren mit Ersatzstücken verstärkt worden; beides hatte man mit Lederriemen von frisch geschlachteten Tieren umwickelt. An der Spitze der Kolonne stand eine ziemlich heruntergekommene Kutsche. Die nächsten drei waren hohe, schwere, mit heruntergeklappten Holzwänden versehene Kastenwagen. Der letzte, in der Dunkelheit kaum zu erkennen, schien vergitterte Seiten zu haben wie eine Gefängniszelle. Vor die Kutsche war ein durchaus anständiger Schimmel gespannt; ein heller Apfelschimmel zog den ersten Wagen. Das nächste Gefährt wurde von einem schweren Kaltblut gezogen, das früher ebenso mächtig gewesen sein mußte wie Younts Lightning, jetzt jedoch ein riesiges Knochengestell mit dicken Gelenken darstellte. Der nächste Wagen wies keine Deichsel auf, sondern ein verzwicktes Geschirr aus Lederriemen, Seilen und hintereinander angebrachten Schwengeln, so daß der Wagen von zwei sehr kleinen, zottigen, trübsinnig dreinblickenden Tieren gezogen werden konnte.

»Esel?« fragte Edge.

»Man sollte sie nie geringschätzen«, sagte Florian hochtrabend und kein bißchen verlegen. »Die Tierchen haben uns getreu gedient, den Museumswagen zu ziehen.«

»FLORIANS FLORIERENDES FLORILEGIUM ...« murmelte Yount, der versuchte, die schwungvolle und einst glänzende Inschrift an der Seite des ihm zunächst stehenden Wagens zu entziffern. »Südstaaten-Männer, Südstaaten-Pferde, Südstaaten-Unternehmen ... Eine Südstaaten-Show für Leute aus dem Süden.«

»Ehrlich gesagt«, erklärte Florian, »habe ich diesen Slogan nicht selbst erfunden. Aber in North Carolina, von wo wir gerade kommen, sind wir gut damit gefahren. Doch im erzbigotten Bibelland schreiben wir: ›Eine saubere Show für moralische Leute.‹ Im allgemeinen ist es ja erforderlich, erst einmal die für die Provinz typische Engstirnigkeit und Intoleranz allem Neuen und Fremden gegenüber zu überwinden. Aber kommt, Freunde! Solange das Essen noch nicht fertig ist, laßt uns hineingehen in diesen Wagen und ...« – er knuffte Edge vertraulich in die Rippen – »und etwas Holz und Wasser zu uns nehmen, eh?«

Sie kletterten hinein, indem sie einen kleinen Tritt hinaufstiegen, der am absackenden Hinterende des Wagens heruntergeklappt war, und traten dann durch die schmale Tür in der Rückwand in das Wageninnere, das nur in der Mitte einen engen Durchgang freiließ, denn zu beiden Seiten gab es Borde und Regale, Gestelle und Ständer, die vom Boden bis zur Decke reichten und an denen wiederum eine Fülle von Scharnieren, Karabinerhaken, Haken und Riegeln angebracht war – alles aus Eisen, das meiste ziemlich verrostet –, so daß die verschiedenen Fächer aufgezogen oder aufgeklappt, zugeschoben oder zusammengeklappt werden konnten. Jedes Bord und jedes Fach in diesem Gestell quoll über von Leinwandrollen, bemalten Stangen, aufgeschossenen dicken Seilen und anderem, nicht auf Anhieb zu identifizierenden Gerät. Eine Petroleumfunzel hing von einem Haken an der Decke herunter. Die Atmosphäre im Wageninneren hatte nichts Abstoßendes, sondern war eher prickelnd, wobei die Gerüche von kaltem Rauch, warmem Heu, Puder und Parfüm sowie Tierausdünstungen eine Reihe von weniger bedeutenden wie Ölfarbe, Meltau und getrocknetem Schweiß überlagerten.

Florian bückte sich und sagte: »Zieh’ mal dies Fach da runter, Obie. Das ist eine Koje, auf der Sie sitzen können. Normalerweise ist dies unser Zeltwagen und dient auch den Frauen als Nachtquartier, doch habe ich Madame Solitaire gebeten, es für Gäste herzurichten – ah ja, da hätten wir’s!«

Er richtete sich auf und hielt eine halbvolle Flasche sowie drei Blechbecher in der Hand. Edge schnallte seinen Leibriemen ab und legte ihn samt Pistolenhalfter und Pistole neben sich. Yount nestelte an Riemenverschlüssen herum und ließ dann eine mit Wolldecken ausgestattete Liegestatt für sich selbst und Edge herunter, während Florian auf der andern Seite des Ganges flott eine andere für sich selbst herunterließ, flott die Flasche entkorkte und flott einschenkte. Die Gäste nahmen die ihnen angebotenen Becher, während Florian ihnen mit dem seinen zuprostete:

»Gut gemacht, Gentlemen – auf Ihr Wohl!«

Die beiden Männer gingen murmelnd darauf ein, tranken und hätten sich fast verschluckt; jedenfalls schüttelten sie sich und überlegten. Nach einer Weile erkundigte Edge sich: »Sollte es vielleicht so sein, daß wir Ihren Franzbranntwein zum Einreiben für die Pferde trinken?«

»Ich gebe zu, es ist nicht gerade Overholtz-Whiskey«, sagte Florian mit leicht gekränkter Miene. »Wilmington bot zwar alle Luxusgüter dieser Erde, doch bis zu uns sind nicht viele durchgesickert. Immerhin, dies ist eine Art Whiskey, und nicht alle in Dixieland trinken heute nacht Whiskey – welcher Marke auch immer.«

»Amen!« sagte Yount und hielt seinen Becher zum Nachfüllen hin. Edge fragte: »Dann haben Sie also in Wilmington das letztemal Station gemacht?«

Wiewohl sie sich mit keinem Wort darüber verständigt hatten, schwante Edge und Yount inzwischen, warum sie hier so herzlich willkommen geheißen wurden; vermutlich wollte man versuchen, ihnen ihre Pferde abzuschmeicheln. Infolgedessen lehnten sie sich zurück und sahen Florian an, der jetzt am Reden war. Was sie vor sich sahen, war ein kleiner, nicht eben dünner, eher etwas fülliger Mann in braunem Gehrock und grauen Beinkleidern zum Reiten, die früher einmal ungewöhnlich schmuck gewesen sein mußten, jetzt jedoch fleckig, geflickt und fadenscheinig aussahen. Revers und Manschetten seines Gehrocks trugen noch die letzten Spuren einer ehemals üppigen Goldfadenstickerei. Florians braune Augen leuchteten und waren voll Leben; er schien knapp über die sechzig zu sein, doch sein Haupthaar sowie der sehr gut geschnittene Knebelbart waren silberweiß, und in seinem tiefgeröteten Gesicht hatten die Jahre tiefe Spuren hinterlassen.

»Wilmington!« sagte er, und das klang alles andere als liebevoll. »Es sah so aus, als sollte Wilmington unsere letzte Station sein und wir für immer dort bleiben.« Gluckernd schenkte er Whiskey nach. »Vor fünf Jahren, als klar war, daß täglich der Krieg ausbrechen konnte, beeilte sich praktisch jeder Circus in Nordamerika, seine letzte Tournee anzutreten, ehe die Straßen gesperrt wurden. Wir Besitzer und Direktoren trafen uns im Atlantic House in Philadelphia; dort wollten wir uns einigen, wer nach Norden zöge, wer nach Westen oder wohin auch immer. Aus einem ganz bestimmten Grund entschied ich mich für den Süden, und dort bin ich bis jetzt die Jahre über gewesen. Selbst die Unternehmen, die heil und gesund nach Norden zurückgekehrt sind, sollen in den letzten Jahren keine besonders gute Zeit gehabt haben. Dan Rice hat seinen Circus auf ein Schiff verladen und nicht gerade mit rauschendem Erfolg den Ohio River von oben bis unten abgeklappert. SPALDING AND ROGERS sind per Schiff nach Südamerika, um den Krieg dort abzuwarten. HOWES AND CUSHING sind nach England. Mag sein, daß noch ein paar andere hinter den Linien festsaßen, so wie wir. Ich weiß es nicht.«

Er machte eine Pause, um an seinem Whiskey zu nippen. Yount fragte: »Dürfen wir hier rauchen?« Florian nickte, so daß Yount den letzten Tabak hervorholte, den er von jenem Yankee aus Connecticut hatte. Er und Edge stopften sich die Pfeife und setzten sie in Brand. Dann fragten sie nach dem besonderen Grund, der Florian veranlaßt hatte, sich nach Süden zu wenden.

»Ich hatte vor, ein paar gute Mißgeburten zu erwerben. In Amerika bekommt man die besten Exemplare in North Carolina.«

»Was Sie nicht sagen!« erklärte Edge. »Wieso das?«

»Naja, Mann, diese Tarheels oben in den Great Smoky Mountains von North Carolina treiben seit Jahrhunderten Inzucht. Warum sonst, meinen Sie, werden die Bewohner von North Carolina Tarheels genannt – Teerhacken? Weil sie kleben bleiben, wo sie sind. Diese Hillbillies kommen in ihrem ganzen Leben nicht aus ihren heimatlichen Bergen heraus; da bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als untereinander zu heiraten. Und wenn Schwester und Brüder und Vettern und Basen seit Generationen Inzucht getrieben haben, dann kommen dabei eben Kretins, Schwachköpfe und dreibeinige Monster heraus, bärtige Frauen – was immer Sie wollen. Und die geben sie mit Freuden gratis weg.«

»Haste Töne!« sagte Yount.

»Aus diesem Grunde bin ich in den Süden gezogen. Im Handumdrehen hat mich zunächst die Hälfte meiner Truppe im Stich gelassen. Zehn oder zwölf Artisten und die vielen Tiere, die ihnen gehörten. Diese Leute wollten sich unter den herrschenden Umständen einfach nicht noch weiter in den Süden vorwagen. Groß überrascht hat mich das nicht. Im Gegenteil, ich war ebenso überrascht wie erfreut, als Abdullah mitkommen wollte, obwohl er erst ein paar Jahre zuvor auf einer Plantage in Delaware freigelassen worden war. Und daß die anderen mich haben sitzen lassen, hat mich auch nicht sonderlich gekratzt. Ein kleinerer Circus kommt leichter durch; außerdem war er immer noch gut genug, diese Hinterwäldler anzulocken.«

»Sie sind mit nicht mehr herumgezogen als dem, was Sie jetzt haben?« fragte Edge.

»Jawohl. Nur daß wir bessere Zugtiere hatten als jetzt die Esel, und daß Wagen und Geschirr und Kostüme alle fabelhaft in Schuß waren. Jedenfalls machten wir einen ausreichend guten Eindruck auf die Tarheels. Jedenfalls einen besseren als sie auf uns, will sagen, sie waren schrecklich knapp an Kretins. Der einzige, den wir auftreiben konnten, war dieser mittelmäßige Schwachkopf. Da arbeiteten wir uns durch die Smokies und waren von der Zivilisation so weit entfernt wie die Hillbillies selbst. Selbst daß der Krieg tatsächlich ausgebrochen war, erfuhren wir erst, als er schon tüchtig im Gange war. Als wir es dann endlich erfuhren, kamen wir Hals über Kopf aus den Bergen raus und versuchten, in der Hoffnung auf ein Schiff im Eilmarsch die Küste zu erreichen. Bis nach Wilmington schafften wir es auch, doch dann verließ uns das Glück.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2024
ISBN (eBook)
9783986907792
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Januar)
Schlagworte
Historischer Roman Abenteuerroman Romanbiografie Weltreise Historischer Roman Zirkus Roman Auswanderer-Roman The Greatest Showman Zirkus Roncalli Neuerscheinung eBook

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Titel: Die Manege der Welt