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Das Lied von Afrika - oder: Das Delta

Roman | Das bewegende Schicksal einer jungen englischen Forscherin im 19. Jahrhundert

©2022 535 Seiten

Zusammenfassung

Eine mutige Frau und die Herausforderungen ihrer Zeit: Der farbenprächtige Roman »Das Lied von Afrika« von Jens J. Kramer jetzt als eBook bei dotbooks.

Ein dunkler Sturm braut sich über dem afrikanischen Kontinent zusammen … 1894 bricht die junge Mary Cooley als erste weiße Frau ins Nigerdelta auf: Hier soll sie für die Royal Geographic Society Forschungen anstellen – und ist sofort fasziniert von dem farbenprächtigen Land und seinen außergewöhnlichen Menschen. Doch schon bald muss sie erkennen, dass viele ihrer Landsleute nur nach den Bodenschätzen Nigerias gieren. Schon lange schwelt der Konflikt mit den Einheimischen … und es braucht nur einen Funken, um ein verheerendes Feuer zu entzünden. Als Mary den Flusskapitän und Schmuggler Charles DeCardi kennenlernt, den ein gefährliches Geheimnis mit den Aufständischen verbindet, ist ihr Herz schon bald zerrissen zwischen zwei Welten …

Inspiriert durch die wahre Geschichte der jungen britischen Forscherin Mary Kingsley und ihrer Reisen: »Zwischen Liebe und Grausamkeit, Macht und Verrat spielt Jens J. Kramer nach exzellenter Recherche virtuos mit Zutaten, die das Buch zum starken Stück machen.« Hamburger Abendblatt

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der mitreißende historische Roman »Das Lied von Afrika« von Jens J. Kramer, auch unter dem Titel »Das Delta« bekannt. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Ein dunkler Sturm braut sich über dem afrikanischen Kontinent zusammen … 1894 bricht die junge Mary Cooley als erste weiße Frau ins Nigerdelta auf: Hier soll sie für die Royal Geographic Society Forschungen anstellen – und ist sofort fasziniert von dem farbenprächtigen Land und seinen außergewöhnlichen Menschen. Doch schon bald muss sie erkennen, dass viele ihrer Landsleute nur nach den Bodenschätzen Nigerias gieren. Schon lange schwelt der Konflikt mit den Einheimischen … und es braucht nur einen Funken, um ein verheerendes Feuer zu entzünden. Als Mary den Flusskapitän und Schmuggler Charles DeCardi kennenlernt, den ein gefährliches Geheimnis mit den Aufständischen verbindet, ist ihr Herz schon bald zerrissen zwischen zwei Welten …

Inspiriert durch die wahre Geschichte der jungen britischen Forscherin Mary Kingsley und ihrer Reisen: »Zwischen Liebe und Grausamkeit, Macht und Verrat spielt Jens J. Kramer nach exzellenter Recherche virtuos mit Zutaten, die das Buch zum starken Stück machen.« Hamburger Abendblatt

Über den Autor:

Jens J. Kramer, Jahrgang 1957, studierte in Berlin Ethnologie und Publizistik. Der historische Roman »Die rote Sonne Afrikas« über die Kolonialzeit war sein Debüt, dem weitere Romane folgten. Als Jo Kramer schrieb er außerdem romantische Komödien, als Mike Schulz Krimikomödien und zusammen mit seiner Ehefrau, der Bestsellerautorin Nina George, ist er Jean Bagnol, der Erfinder des provenzalischen Ermittlers »Commissaire Mazan«. Ebenfalls mit Nina George als Autorenduo veröffentlicht er seit 2022 Kinderbücher. Seit 2017 ist er Vorsitzender des SYNDIKATS. Heute lebt Jens J. Kramer in Berlin und der Bretagne.

Die Website des Autors: www.jensjohanneskramer.de

Jens J. Kramer veröffentlichte bei dotbooks auch seinen Roman »Die rote Sonne Afrikas«.

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Aktualisierte eBook-Neuausgabe Dezember 2022

Dieses Buch erschien bereits unter dem Titel »Das Delta« 2007 im Fredebold und Fischer Verlag und 2010 als vollständige Taschenbuchausgabe bei Knaur.

Copyright © der Originalausgabe 2007 bei fredebold & partner gmbh

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-427-2

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Jens J. Kramer

Das Lied von Afrika

Roman

dotbooks.

Kapitel 1
Schmuggel

Die Nacht schien aus den Sümpfen emporzuwachsen. Oberhalb der niedrigen Wipfel der Mangrovenbäume sandte die untergehende Sonne ihr letztes Licht in die tief hängenden Wolken. Darunter verdichtete sich die Dunkelheit. Und die Stille. Es war die Stunde der Dämmerung. Jene kurze Zeit, in der alles den Atem anzuhalten schien. Denn die Nacht würde keinen Frieden bringen. Es war die Stunde des Hungers, in der lautlose Jäger in ihren Verstecken erwachten und mit kalten, grausamen Augen nach Beute spähten. Und Beute war alles, was lebte.

Dem schwarzen Wasser des Bonny-Flusses war nicht anzusehen, wo es befahrbar war oder wo es nur noch handbreit den schlammigen Grund bedeckte. Aber die Männer, die reglos in ihrem schwer beladenen Boot auf die heraufziehende Nacht warteten, kannten alle tückischen Eigenarten des Flusses. Sie wussten, dass manche der Seitenarme als schmale Kanäle durch den Sumpf führten und andere in morastigen, stinkenden Löchern endeten. Sie erkannten die seichten Stellen, an denen die Krokodile lauerten, die in ihrer Gier nicht davor zurückschreckten, ein Boot anzugreifen. Sie wussten, dass ein einziger Fehler den Tod bedeuten konnte. Denn der Tod lauerte überall im Delta.

Aufmerksam spähten sie durch die Mangroven zu der Handelsstation hinüber, deren Lichter die Anlegestelle am gegenüberliegenden Ufer beleuchteten. Die Gefahr, die von diesen Lichtern für die sechs Ruderer und ihren Anführer ausging, war weitaus größer als alles, was sie im nächtlichen Sumpf zu fürchten hatten. Es waren die Lichter des Feindes.

Die Männer hatten mit ihrem hochwandigen Boot einen weiten Weg hinter sich gebracht. Von den Ölmärkten im Norden, wo sie ihre Fässer mit Palmöl, dem flüssigen Gold des Deltas, gefüllt hatten, bis hinunter ins Reich der Mangroven. Auf ihrer Fahrt nach Süden waren sie oft in die Seitenarme des Nigers oder später des Bonny-Flusses ausgewichen. Zudem hatten sie den größten Teil der Strecke nachts zurücklegen müssen, immer darauf bedacht, nicht von den Wachen der zahlreichen Stationen der Company entdeckt zu werden. Diese hier stellte das letzte Hindernis auf dem Weg zur Küste dar. Sobald sie die Fässer mit dem Öl an den Mann mit den Pockennarben abgeliefert hätten, könnten sie in ihr Dorf zurückkehren, und statt Fässern hätten sie Gewehre im Boot, und Rum. Noch aber war es nicht so weit.

Als der letzte Schimmer der Sonne über den Sümpfen des Deltas verblasst war, gab der Anführer das Zeichen. Mit lautlosen Schlägen ihrer langen Paddel steuerten die Schmuggler das Boot aus seinem Versteck in den Fluss, bis die sanfte Strömung es erfasste. Langsam näherten sie sich den Lichtern, die in der feuchten Luft zerfasert wirkten. Sie hielten größtmöglichen Abstand zu ihnen. Unter der dichten Wolkendecke, die jegliches Sternenlicht absorbierte, war das Boot nur ein weiterer Schatten in der Dunkelheit.

Der Anführer war sich bewusst, dass sie ein hohes Risiko eingingen, wenn sie um diese Zeit die Station passierten. Besser wäre es später in der Nacht, in der Stunde vor dem Morgengrauen, wenn den Wachen vor Müdigkeit die Augen zufielen. Aber seine Männer waren erschöpft. Zu viele Stunden hatten sie schon in irgendwelchen übel riechenden Tümpeln gewartet, weil die Boote der Company auf dem Fluss unterwegs waren, eingehüllt in Tüchern, um den blutgierigen Moskitos möglichst wenig freie Haut darzubieten. Noch mehr als das Rudern zehrte das untätige Warten ihre Kraft auf. Nein, es war besser, jetzt die Durchfahrt zu wagen. Niemand würde damit rechnen. Der Anführer beabsichtigte, die Sache schnell hinter sich zu bringen. Er wies seine Ruderer an, weiter in die Mitte des Stromes zu steuern. Dort war die Strömung kräftiger und würde sie in kürzester Zeit an der Station vorbeitragen.

Die Station! Der Anführer fühlte brennenden Hass in seiner Brust aufsteigen, als sich die niedrigen Gebäude aus der Dunkelheit herausschälten. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie nicht heimlich in der Nacht über die Flüsse hatten schleichen müssen; eine Zeit, in der die Brass die alleinigen Herren des Deltas gewesen waren und die Weißen auf ihren großen Schiffen vor den Lagunen darauf gewartet hatten, dass sie ihnen die begehrte Ware brachten: Sklaven. Die Weißen waren zu schwach für dieses Land. Sie wagten es nicht, in das Delta vorzudringen. Viele starben am Fieber, während sie warteten. Manchmal war sogar keiner mehr von ihnen am Leben, wenn die Brass ihnen schließlich die Ware brachten. Ihre Schiffe verfaulten und versanken im Schlamm. Aber es kamen genug andere nach.

Keiner hatte begriffen, warum die Weißen so viele Sklaven brauchten. Für die Arbeit, sagten sie, in der Neuen Welt. Irgendwann hatte die Neue Welt jedoch genug Sklaven, und die gleichen weißen Händler fragten nach Palmöl. Wieder waren es die Brass, die ihnen das Öl brachten, denn nur sie kannten den Weg durch das Delta hinauf in den Norden, wo die Ölpalmen wuchsen. Der Handel machte sie reich, und es kamen immer mehr Weiße, die immer mehr Öl kauften. Aber dann war diese Company aufgetaucht und hatte binnen Kurzem den gesamten Handel an sich gerissen. Mit ihren großen Booten aus Eisen beherrschte sie bald alle Flüsse, und von ihren Stationen aus überwachten sie jedes Boot, das von Norden kam. Sie hatten Kanonen, und mit diesen Kanonen diktierten sie den Brass ihr Gesetz. Dafür hasste der Anführer der Schmuggler die Company.

Das Boot war schon ein Stück an der Station vorbei, als sie entdeckt wurden. Laute Rufe. Männer rannten ans Ufer. Dann fiel ein Schuss. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Mit scharfer Stimme feuerte der Anführer seine Männer an. Aber die wussten, welche Gefahr ihnen drohte. Mit aller Kraft zogen sie die Ruder durch. Ein zweiter Schuss fiel. Der Anführer hoffte, dass es wie der erste ein Warnschuss war. Aber dann vernahm er das helle Zischen, mit dem die Kugel nicht weit vom Boot ins Wasser fuhr. Jetzt brüllte er: Schneller! Wie rasend holten die Männer aus. Kämpften mit jedem Ruderschlag um ihre Freiheit. Und um ihr Leben. Das schwere Boot nahm Fahrt auf. Pflügte sich durch das schäumende, schwarze Wasser. Da schlug die dritte Kugel mit dumpfem Knacken in ein Ölfass, fast gleichzeitig traf eine weitere den Ruderer im Heck in den Hals. Mit einem gurgelnden Laut fiel er zur Seite ins Boot, wo sich das Blut des Sterbenden mit dem auslaufenden Öl vermischte.

Ein anderer Ruderer wurde am Arm verletzt und verlor sein Paddel. Das Boot driftete ab. Sofort steuerten die Männer gegen. Die anderen Kugeln schlugen hinter ihnen ins Wasser. Da kamen sie endlich außer Schussweite. Damit war die Gefahr aber noch nicht vorbei. Der Anführer wusste, dass man sie verfolgen würde. Mit dem Gewicht ihrer Ladung wären sie den schnellen Patrouillenbooten der Company nicht gewachsen. Aber er wusste auch, dass sich eine Meile weiter der Fluss teilte. Von dem kleineren der beiden Seitenarme zweigte wiederum ein schmaler Wasserlauf ab. Der verlief sich zwar im Sumpf, war aber schwer zu erkennen und nur bei jetzigem Wasserstand befahrbar. Unwahrscheinlich, dass die Bootsführer der Company diesen Wasserlauf kannten. Wenn seine Männer es rechtzeitig dorthin schafften, ohne gesehen zu werden, konnten sie sich verbergen und einfach abwarten. Bis ihre Jäger die Suche aufgaben.

Ein Blick zurück zeigte ihm, dass die Verfolger bereits aufholten. Er konnte ihre Umrisse im Gegenlicht der Station gut erkennen. Sein Boot hingegen war kaum auszumachen vor der dunklen Masse der Mangroven. Der Anführer wusste, dass er diesen Vorteil ausnutzen musste. Mit leisen, scharfen Befehlen trieb er seine Männer an.

Er machte sich keine Illusionen darüber, dass man sie vielleicht im falschen Seitenarm vermuten würde. Ihre Route war vorgegeben. Sie waren das westliche Ufer entlanggekommen. Mit dem langsamen Boot in den östlichen Seitenarm zu wechseln, war nicht mehr möglich. Zumindest nicht, ohne wieder in Schussweite zu kommen. Alles hing davon ab, dass sie den toten Wasserlauf erreichten, bevor ihre Verfolger wieder Sichtkontakt hatten.

Der Anführer spähte jetzt nur noch nach vorn. Zwar hatten sich seine Augen mittlerweile so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass er die schwächsten Schattenvariationen ausmachen konnte. Auch wusste er um die Distanzen, wusste, wann er den Seitenarm und wann den toten Wasserlauf zu erwarten hatte. Aber das war es nicht, wonach er sich orientierte. Er war ein Mann des Deltas. Er war hier aufgewachsen und hatte schon in einem Boot gesessen, bevor er laufen konnte. So wie es seinem Vater und dessen Vater ergangen war. Alle seine Vorfahren waren Männer des Deltas gewesen. Es war sein Blut, das ihn jetzt durch die Nacht trug. Und es war das Wissen seiner Ahnen, das ihn führte.

Als sie den Seitenarm erreichten, spürte er die Flussteilung mehr, als dass er sie sah. Das Wasser floss anders, es roch anders, es sprach anders zu ihm. Er sah nicht mehr zurück. Die Biegung des Stromes verdeckte das Licht der Station. Das Boot der Company war nun genauso unsichtbar wie sein eigenes. Alle seine Sinne waren auf das rechte Flussufer gerichtet. Ein Ufer, das keines war. Denn das Wasser des Flusses hatte den Sumpf weit überflutet. Nur die Mangroven markierten die unscharfe Grenze.

Er wusste es sofort. Die Dunkelheit war nicht dunkler dort, der Schatten nicht schwärzer, aber dennoch erkannte er den Eingang auf Anhieb. Ohne ein Wort wies er seinen Ruderern die Richtung. Die gehorchten sofort, so sehr vertrauten sie ihm und seinem Wissen. Das Gefühl des Triumphes stieg wie eine Welle in ihm hoch. Trotz aller Demütigungen durch die Weißen und die Company war er immer noch ein Brass, ein Mann des Deltas. Jetzt erkannten auch die anderen die schmale Öffnung, die sich im Mangrovenwald auftat. Mit verhaltenem Schwung, um sich nicht durch Geräusche zu verraten, steuerten sie darauf zu.

Doch als sie sich der Öffnung näherten, erfasste den Anführer ein Gefühl des Widerwillens. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendeine Stimme in seinem Inneren warnte ihn vor diesem Versteck. Es war die gleiche Stimme, die ihn unbeirrbar durch das Labyrinth sich ständig verändernder Wasserläufe führte; die Stimme des Wassers, in dem die Geister seiner Ahnen hausten. Immer hatte er auf diese Stimme gehört. Aber was sollte er nun tun? Seinen Männern sagen, dass er sich getäuscht hatte? Dass sie kehrtmachen sollten? Um sich den Häschern der Company auszuliefern? Nein! Niemals würde er sich den Gesetzen der Company beugen. Eher würde er sterben.

Aber was war mit seinen Männern? Er war ihr Anführer. Sie vertrauten ihm. Vertrauten darauf, dass er sie durch alle Gefahren führte und heil nach Hause brachte, zurück zu ihren Familien. Hin- und hergerissen zwischen seinem Instinkt und seinem Hass auf die weißen Herren des Deltas entschied er, dass die größte Gefahr, die ihnen drohte, von den Booten der Company ausging. Dieser Wasserlauf war die einzige Möglichkeit, ihnen zu entkommen. Doch die warnende Stimme in seinem Herzen verstärkte sich mit jedem Ruderschlag. Mit vor Anstrengung brennenden Augen spähte er in die ölige Schwärze, in die sie hineinfuhren.

Es schien, als wollte der Sumpf sie schlucken. Stille umgab sie. Nur ein leises Glucksen war zu hören, wenn die Bugwelle ihres treibenden Bootes sich an den Wurzeln der Mangroven brach. Sie drangen nicht weiter als dreißig Meter vor und waren schon unsichtbar für jeden, der dort draußen auf dem Fluss entlangkam. Die Männer zogen ihre Paddel ein und schauten nach hinten. Keiner rührte sich mehr. Nur der Anführer spähte nach vorne, suchte nach einem Grund für seine Ahnung oder eine Bestätigung, dass sie ihn täuschte. Sachte trieb das Boot weiter.

Er sah es nicht. Aber er hörte, wie sich etwas aus dem Wasser hob. Eine Welle rollte gegen den Bug. Das Boot schaukelte. Jetzt merkten es auch die anderen und wandten sich erschreckt nach vorn. Dort wuchs etwas Breites, Schweres aus dem Wasser empor. Ein dumpfes Grollen erklang. Dann noch mal. Ein Stück weiter. Und noch mal. Es kam von vorne, von der Seite. Überall um sie herum wuchsen aus der Dunkelheit namenlose Ungeheuer heran. Erst als sich das Nächste von ihnen umwandte und sein gigantisches Maul aufriss, erst da erkannten sie, was es war: Gewouw Roua. Wasserelefanten. Ein ganzes Rudel. Die Männer schrien auf. Hieben mit den Paddeln in das Wasser. Zurück. Nur fort.

Fassungslos starrte der Anführer auf die massigen Körper, die sich um sie herum aus dem Wasser wälzten. Die Wasserelefanten, die die Weißen Flusspferde nannten, waren die gefährlichsten Bewohner der Flüsse. Ihre Wut und Schnelligkeit machte sie unberechenbar. Aber was taten sie hier? Nie zuvor hatte der Anführer diese schrecklichen Tiere so weit südlich gesehen.

In heller Panik versuchten die Ruderer zu entkommen. Aber es war zu spät. Eine solche Begegnung mit Flusspferden überlebte niemand. Der Anführer begriff, dass er sich und seine Männer ins Verderben geführt hatte. Die Stimmen seiner Vorfahren hatten ihn gewarnt. Aber die Stimme seines Hasses war stärker gewesen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2022
ISBN (eBook)
9783986904272
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Dezember)
Schlagworte
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Titel: Das Lied von Afrika - oder: Das Delta