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Die rote Sonne Afrikas - oder: Die Stadt unter den Steinen

Roman | Eine abenteuerliche Reise durch die Weiten Nigerias im 19. Jahrhundert

©2023 626 Seiten

Zusammenfassung

Im Land der Sturmvögel: Der epische Roman »Die rote Sonne Afrikas« von Jens J. Kramer jetzt als eBook bei dotbooks.

Im Jahr 1854 führt der abenteuerliche Bericht eines englischen Missionars den jungen Johann Straub an die afrikanische Goldküste. Im Innern des Kontinents soll sich eine geheimnisvolle Stadt verbergen: Abeokuta, ein Ort, an dem Frieden herrscht und die alten Traditionen sich mit den neuen Zeiten verwoben haben. Diesem Ideal folgend, wagt Johann die ebenso wundersame wie gefährliche Reise. Gemeinsam mit dem Yoruba-Krieger Babi, dem freigekauften Sklaven Akute und der jungen Abena, wagt sich der junge Missionar in unbekanntes Gebiet vor. Aber schon bald drohen die dunklen Machenschaften eines Geheimkultes von Fetischpriestern und die Schatten des heraufziehenden Kolonialkrieges den ungleichen Freunden zum Verhängnis zu werden …

Fesselnd und voller Hochachtung vor den Wundern dieses farbenprächtigen Kontinents: Jens J. Kramer nimmt uns mit auf die Reise durch ein Afrika, das zwischen Kolonialismus und Freiheitsdrang, Unrecht und Hoffnung steht.

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der mitreißende historische Roman »Die rote Sonne Afrikas« von Jens J. Kramer, auch unter dem Titel »Die Stadt unter den Steinen« bekannt. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Im Jahr 1854 führt der abenteuerliche Bericht eines englischen Missionars den jungen Johann Straub an die afrikanische Goldküste. Im Innern des Kontinents soll sich eine geheimnisvolle Stadt verbergen: Abeokuta, ein Ort, an dem Frieden herrscht und die alten Traditionen sich mit den neuen Zeiten verwoben haben. Diesem Ideal folgend, wagt Johann die ebenso wundersame wie gefährliche Reise. Gemeinsam mit dem Yoruba-Krieger Babi, dem freigekauften Sklaven Akute und der jungen Abena, wagt sich der junge Missionar in unbekanntes Gebiet vor. Aber schon bald drohen die dunklen Machenschaften eines Geheimkultes von Fetischpriestern und die Schatten des heraufziehenden Kolonialkrieges den ungleichen Freunden zum Verhängnis zu werden …

Fesselnd und voller Hochachtung vor den Wundern dieses farbenprächtigen Kontinents: Jens J. Kramer nimmt uns mit auf die Reise durch ein Afrika, das zwischen Kolonialismus und Freiheitsdrang, Unrecht und Hoffnung steht.

Über den Autor:

Jens J. Kramer, Jahrgang 1957, studierte in Berlin Ethnologie und Publizistik. Der historische Roman »Die rote Sonne Afrikas« über die Kolonialzeit war sein Debüt, dem weitere Romane folgten. Als Jo Kramer schrieb er außerdem romantische Komödien, als Mike Schulz Krimikomödien und zusammen mit seiner Ehefrau, der Bestsellerautorin Nina George, ist er Jean Bagnol, der Erfinder des provenzalischen Ermittlers »Commissaire Mazan«. Ebenfalls mit Nina George als Autorenduo veröffentlicht er seit 2022 Kinderbücher. Seit 2017 ist er Vorsitzender des SYNDIKATS. Heute lebt Jens J. Kramer in Berlin und der Bretagne.

Die Website des Autors: www.jensjohanneskramer.de

Jens J. Kramer veröffentlichte bei dotbooks auch seine Romane »Das Lied von Afrika« und »Der Himmel über Konstantinopel«.

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eBook-Neuausgabe September 2023

Dieses Buch erschien bereits 2000 unter dem Titel »Die Stadt unter den Steinen« im List Verlag.

Copyright © der Originalausgabe 2000 Econ Ullstein List Verlag

GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-760-0

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Jens J. Kramer

Die rote Sonne Afrikas

Roman

dotbooks.

Prolog
Die Flucht

»Ist es der Herr, der uns nicht hier haben will, oder ist es der Teufel, der uns hindert?«

MISSIONAR H. KNECHT
in einem Brief aus Keta an die
Norddeutsche Missionsgesellschaft, 1857

Peki, 1853

Der Regen rauschte vom Himmel, gleichmäßig und dicht, als nähme er niemals ein Ende. Wilhelm Däuble stand reglos in der geöffneten Tür der Missionsstation und starrte unter dem Schutz des Verandadaches in die afrikanische Nacht. Das Prasseln des Regens übertönte alle anderen Geräusche. Durch eine Wand aus Wasser schimmerten im Dunkel die Mangobäume, die den Hof vor dem Haus säumten. Der Lichtschein hinter ihm zeichnete die Umrisse seiner gedrungenen Gestalt, deren Haltung Kraft und wache Energie verriet.

Zwei Schritte vor dem Missionar, an der Stelle, wo der lehmige Boden etwas ausgetreten war, stand das Regenwasser schon fußknöchelhoch. Unruhig zuckte die sich zusehends ausbreitende Pfütze unter dem Aufprall der Riesentropfen, die von der Dachkante fielen und in einem wilden Rhythmus auf ihrer Oberfläche zerplatzten.

In Däubles Kopf ballten sich die Niederlagen und die Demütigungen, die Sorgen und Grübeleien der letzten Wochen und Monate zu einem Stoßgebet, das er unablässig wiederholte: Herr, steh uns bei. Wir müssen endlich weg. Hier ist kein Bleiben. Herr, steh uns bei.

Sein Blick wandte sich Richtung Süden, wo die Küste lag und das sichere Christiansborg. Fünf Tagesreisen waren es bei gutem Wetter. Bei dem Regen würde es doppelt so lange dauern oder noch länger. Däuble unterdrückte einen Fluch. Die Schwierigkeiten türmten sich inzwischen so hoch, daß ihm die Übersicht zu schwinden drohte. Was, wenn ihnen die Pekier nun tatsächlich die Transporthilfe verweigerten? Wie sollten sie es ohne die Eingeborenen schaffen? Wenn man auf ihn gehört hätte, wären sie schon längst nicht mehr hier. Aber die Sesselfurzer in den Ratsstuben der Bremer Zentrale, weit weg vom Schuß, hatten entschieden, Peki unter allen Umständen zu halten.

Ein Schattenkörper bewegte sich durch den Regenschleier mit schnellen Schritten auf das Haus zu. An der geschmeidigen Art, den glitschigen Weg hochzulaufen, erkannte Däuble, daß es Babi war, einer der beiden Schwarzen, die ihnen auf der Station zur Hand gingen. Unter der Veranda angekommen, wischte sich der Gehilfe das Wasser aus dem Gesicht. Aufmerksam schaute er über den Hof zurück. War ihm jemand gefolgt?

Sich dem Missionar zuwendend, schüttelte Babi den Kopf. Schweigend, mit unbewegter Miene, sah er Däuble an, dem die Ungeduld ins Gesicht geschrieben stand. Schließlich stieß der Schwarze zwei Wörter hervor: »Keine Männer.«

»Keine Männer? Was soll das heißen?«

»Der König hat gedroht, jeden zu bestrafen, der uns begleitet«, berichtete Babi in der ihm eigenen Sprechweise, bei der er die Wörter erst hinter den Lippen in Stellung zu bringen schien, um sie dann ruckartig herauszuschleudern.

»Ich habe sogar den Preis verdoppelt, aber die Furcht vor dem König ist stärker als die Gier.«

Es war eine verfahrene Situation. Verärgert rekapitulierte Däuble den Rest ihrer Möglichkeiten. Ohne Träger würden sie niemals bis an die Küste gelangen. Bruder Brutschin, vom Fieber geschwächt zu keinem Fußmarsch fähig, müßte die ganze Strecke getragen werden. Außerdem wollten sie ihre Habe nicht zurücklassen, die sie auf fünf Dutzend Kisten verteilt hatten. Er schaute über die Schulter ins Haus. Von Plessing war nichts zu sehen. Wahrscheinlich kümmerte sich der um den Kranken.

Brutschin und Plessing waren erst vor kurzem in Afrika eingetroffen und noch keine zwanzig Tage in Peki. Bei ihrem langen Anfahrtsweg auf einem der neuen Dampfschiffe hatten die beiden frischgebackenen Missionare schwere Stürme zu bestehen gehabt, schon wenige Tage nach dem Ablegen in Bremerhaven ausgangs des Ärmelkanals und dann noch einmal in der Biskaya. Mit Müh und Not, einem erfahrenen Kapitän und vor allem Dank Gottes Hilfe waren ihr Schiff seetauglich und sie am Leben geblieben. »Dem Herrn gefiel es, uns erst zu züchtigen und dann zu erretten«, hatten sie bei ihrer Ankunft erzählt, nicht ohne hinzuzufügen: »Gepriesen sei Er in alle Ewigkeit.«

Einen Moment lang dachte Däuble daran, ihnen die Absage des Königs mitzuteilen. Doch nein, er verwarf diesen Gedanken gleich wieder, das würde seine neuen Brüder nur beunruhigen. Leise sagte er zu Babi: »Ich werde morgen mit dem König sprechen. Vielleicht kann ich in Erfahrung bringen, was da wirklich vor sich geht.«

Als der Regen nachließ, wanderten Däubles Gedanken hinüber zu dem kleinen Friedhof hinter den Bäumen, wo Bruder Menge begraben lag. Sofort beschwerte ein bleiernes Gefühl ihm die Brust. Vier Monate war es her, daß er die Gebeine des Verstorbenen in einer schlichten Andachtsstunde der Erde zurückgegeben hatte. Requiescat in pace.

Der junge Mann, gerade mal zwei Monate in Afrika, hatte nicht einmal die Zeit gehabt, richtig zu begreifen, in was für eine Welt er geraten war, als das Fieber ihn dahinraffte. Ein Schaudern kroch Däubles Wirbelsäule empor, wenn er an die letzten Tage des Missionsbruders dachte, an dieses sonderbare Fieber, das sich in langen, unregelmäßigen Schüben aufgeheizt hatte, begleitet von Wahnvorstellungen, die nur aus den finstersten Regionen der Hölle stammen konnten. Oder war Menge erst dem teuflischen Wahn verfallen, und dieser hatte dann das tödliche Fieber ausgelöst?

Noch immer war ihm der qualvolle Tod des Bruders ein Rätsel. Gewiß war nur, daß ihn seitdem die schlimmsten Zweifel plagten. Stets war er davon überzeugt gewesen, daß das Heidentum auf nichts anderem beruhte als auf Unwissenheit, und diese wie der Schatten dem Sonnenstrahl weichen würde, sobald die Wahrheit des Evangeliums ihr Licht darauf warf. Nun war dieser Grundpfeiler seines Glaubens ins Wanken geraten.

Gehet in alle Welt und lehret alle Völker, das war Gottes Auftrag, wie er in der Bibel stand. Und sie, die Missionare, waren als seine Diener dazu berufen, diesen Auftrag auszuführen – die Menschen hier auf diesem sinistren Kontinent aus ihrer Unwissenheit zu erlösen. Durch belehren zu bekehren, wie ihnen immer wieder eingebleut worden war. Aber was er an Menges Sterbebett hatte erleben müssen, legte die Vermutung nahe, daß sich hinter dem, was die Eingeborenen glaubten, auch ein Wissen von Gott verbarg. Ein anderes Wissen zwar, dem aber eine Macht innewohnte, die er, obwohl er sie nur ahnen konnte, gleichwohl als existentielle Bedrohung empfand.

In dieser abgelegenen Region der Welt waren sie Kräften ausgesetzt, die selbst er, der sie erlebt hatte, nicht begreifen, geschweige denn abwehren konnte. Die Bremer aber waren nicht einmal imstande, diese Kräfte überhaupt wahrzunehmen. Was nicht sein durfte, konnte es auch nicht geben. Machten sie nicht alle einen schrecklichen Fehler, indem sie eine jegliche Form heidnischen Denkens als Götzendienst und Aberglauben abtaten? Gott war doch allgegenwärtig, so mußte er doch auch in Afrika sein. Wie aber hatte es nur geschehen können, daß diese Gegenwart, die der Missionar ganz genau spürte, in der Natur, in jedem Baum, im Rauschen des Windes und, ja, in der Liebe einer Mutter für ihr Kind, vermengt war mit den abscheulichsten heidnischen Riten, deren Wirkung abzustreiten ihm immer weniger gelang?

Von diesen Zweifeln hatte er nichts in seinen Briefen an das Bremer Komitee erwähnt, mußte er doch befürchten, daß seine Gedanken als die Verirrungen eines vom Satan in Versuchung geführten Geistes bewertet würden. Aber da er überzeugt war, daß sie ihr Werk nur vollenden könnten, wenn sie ihren Blick öffneten und sich aus ihrem starren Prinzipiensystem lösten, hatte er die Missionsleitung beschworen, Peki vorerst aufzugeben und eine neue Station an der Küste zu errichten. Dort wären Bauvorhaben und Logistik viel einfacher zu bewerkstelligen, außerdem die klimatischen Verhältnisse bei weitem erträglicher. Die guten Argumente hatten nichts gefruchtet, sein Vorschlag wurde abgelehnt. Als er insistierte, gab ihm Inspektor Treviranus in einem Brief zu verstehen, daß ein weiterer Widerspruch als eklatanter Fall von Ungehorsam aufgefaßt würde, mit entsprechenden Konsequenzen. Eine kaum verblümte Abmahnung, ihn im Wiederholungsfall von seinem Posten abzuberufen. Wie um dies zu bekräftigen, hatte die Bremer Zentrale Plessing und Brutschin geschickt.

Däuble riß sich aus seinen Grübeleien los. Die Zeit drängte. Er wandte sich an Babi: »Was haben der König und seine Karbusiere vor, was denkst du?«

Sein Gehilfe löste sich aus der Versenkung, in die er sich zurückzuziehen pflegte, sobald man ihn nicht direkt ansprach. Bedächtig bewegte der Schwarze den Kopf von einer Seite auf die andere. Nach längerem Schweigen sagte er: »Es riecht nach Tod.«

Däuble nickte wortlos. Er hatte gelernt, das sonderbare Verhalten des schwarzen Hünen ernst zu nehmen. Oft hatten dessen einsilbige Sentenzen, auch wenn sie noch so mysteriös klangen, ihre nachträgliche Bestätigung gefunden.

Der Regen hatte fast aufgehört. Vom Wind getrieben, zog die dunkle Masse der Wolken über das Tal. Unten am Fluß, weit hinter den letzten Hütten des Dorfes, erhob sich ein Leopardenweibchen von seinem Lager. Wachsam witternd sog es die Nachtluft ein. Es war die Stunde der Jäger.

Mitternacht war längst vorbei, als wildes Geknatter von fern über das Tal zu den Hängen des Awudome-Bergzuges herüberschallte: Wie Peitschenschläge zerrissen die Detonationen die Stille der Nacht.

Däuble fuhr aus dem Schlaf hoch, zunächst unfähig, die Geräusche, die ihn geweckt hatten, einzuordnen. Dann waren die Schüsse nicht mehr zu überhören. Hastig zog er sich an und lief in den Versammlungsraum, wo Babi an der halbgeöffneten Tür stand und nach draußen spähte. Da kam auch John, der zweite Missionsgehilfe, aus seiner Kammer, in der Hand eine Lampe, deren Flackern die Silhouetten der drei Männer in bizarren Formen an die Wände malte. Von der Veranda aus schaute Däuble zu dem noch unvollendeten Rund des Mondes hinauf, der sich durch die aufgerissene Wolkendecke zeigte. In weniger als zwei Stunden würde der Morgen dämmern. Aus dem Haus drang die Baßstimme Plessings: »Was um Himmels willen ist da los? John, stell die Lampe auf den Tisch, du wirst sie sonst noch fallen lassen.«

Am Berghang jenseits des Tales blitzten Mündungsfeuer auf. Unmittelbar danach krachten die Schüsse. Däuble wollte sich gerade abwenden, um die Veranda zu verlassen, als direkt neben seinem Fuß ein Knacken zu hören war. In dem Lichtstreifen, der von drinnen durch die Tür fiel, sah er einen hellen Riß in den Bohlen. Aus dem Dunkel traf ihn ein Schlag in die Seite. Hinter ihm riß Babi die Tür auf, packte ihn am Arm und zog ihn in den Innenraum. Der Schwarze handelte so umsichtig wie schnell. Mit einem Satz war er am Tisch und löschte das Licht.

Keiner sagte ein Wort. Däuble war klar, daß man auf ihn gezielt hatte. Die letzten beiden Schüsse waren aus viel geringerer Entfernung abgefeuert worden. Der Schütze mußte in der Nähe des Hauses lauern. »Diese Wahnsinnigen«, keuchte Plessing, »es wird noch ein Unglück geben.«

Däuble lehnte sich neben der Tür an die Wand. Das, was er seit langem befürchtet hatte, war eingetreten. Das schwelende Feuer der Gewalt flammte hoch und drohte alles niederzubrennen, was sie mühsam aufgebaut hatten.

Begonnen hatte es mit dem Unmut über die rigide Politik der englischen Militärverwaltung. Geschürt von dem mächtigen Königreich der Ashante, hatte sich diese Mißstimmung aufgeheizt und im Inland in einigen blutigen Stammesaufständen entladen. Obwohl das eigentliche Territorium der Ashante am Volta endete, bildeten sich auch diesseits des großen Stromes, der das Land von Nord nach Süd durchfloß, Allianzen gegen die Engländer. In ihren Festungen am Meer isoliert, waren die weißen Herrschaften unfähig, die Abhängigkeiten zwischen den Stämmen zu erkennen.

Däuble mutmaßte, daß der König von Peki, dessen undurchsichtiges Verhalten ihm seit jeher Kopfschmerzen bereitete, nun den Wirrwarr des Aufruhrs nutzen würde, um einige alte Rechnungen mit unliebsamen Nachbarstämmen zu begleichen. Doch warum schoß man auf sie, die Missionare?

Irgendwer versuchte da im Windschatten des Scharmützels, ihnen nach dem Leben zu trachten oder zumindest einen Denkzettel zu verpassen. Der Missionar griff an seine linke Seite, die sich merkwürdig taub anfühlte. Seine Finger ertasteten einen feuchten Fleck. Blut. Als hätten sich mit dieser Feststellung seine Nerven wieder aktiviert, durchzuckte ihn der Schmerz. Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und preßte es auf die Wunde. Neben ihm stand Babi, der von der Tür aus angespannt beobachtete, was sich draußen tat. Eine Minute später schlüpfte der Schwarze hinaus in die Nacht, die ihn sogleich verschluckte.

Däuble ging zu Plessing, der mit John im hinteren Teil des Raumes stand. »Jemand sollte bei Brutschin sein, um ihn zu beruhigen. John kann ja bei mir bleiben.«

Als Plessing in der Kammer verschwunden war, wandte sich Däuble an den Gehilfen: »John, hol mir Alkohol und Verbandsstoff.« Der sah ihn erschreckt an, aber der Missionar beruhigte ihn: »Es ist nichts Schlimmes.«

Er setzte sich an den Tisch und zog das Hemd aus. Undeutlich konnte er die lange Schramme erkennen, aufgerissene Haut, eine Handbreit über seinem Gürtel. Vorsichtig wischte er das Blut ab, das bereits den dunklen Stoff seiner Hose tränkte. Zum Glück war die Wunde nicht tief, ein paar Zentimeter weiter rechts, und es hätte übel für ihn ausgesehen. John legte ihm einen provisorischen Verband an. Mehr war im Augenblick nicht möglich, sie wagten nicht, die Lampe anzuzünden, solange die Schießerei noch andauerte.

Wortlos saßen sie am Tisch und warteten. Langsam sickerte die Nacht in die Erde zurück, ein fahles Frühlicht gab die Sicht frei. Vereinzelt waren noch Schüsse zu hören, dann rührte sich nichts mehr. Däuble blickte angespannt durch das Fenster, reflexartig strichen seine Finger unaufhörlich durch den Bart, der sein Gesicht umrahmte. Die Morgenfeuchte bildete helle Schleiertücher, die sich wie Spinnweben an das Buschwerk hefteten. Von fern waren Stimmen zu vernehmen, anschwellende Schreie des Triumphes, die sich zu Sprechchören bündelten und jaulende Kadenzen des Klagens, die in leisen Tonfetzen verwehten.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2023
ISBN (eBook)
9783986907600
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (September)
Schlagworte
Afrika-Roman Historischer Roman Afrika Afrika-Saga Action & Abenteuer Patricia Mennen Leah Bach Madge Swindells Neuerscheinung eBooks
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Titel: Die rote Sonne Afrikas - oder: Die Stadt unter den Steinen