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Das dunkle Erbe

Roman: England-Spannung vom Autor des Bestsellers »Die Sünden unserer Väter«

©2022 767 Seiten

Zusammenfassung

Manche Rätsel bleiben besser ungelöst: Der historische Kriminalroman »Das dunkle Erbe« von Robert Goddard jetzt als eBook bei dotbooks.

London, 1909: Als sich der aufsteigende Politiker Edwin Strafford in die junge Suffragette Elizabeth Latimer verliebt, ist er bereit, alles für sie zu riskieren – sogar seine große Karriere. Doch kurz vor dem Traualtar verlässt Elizabeth ihn plötzlich aus mysteriösen Gründen; Strafford verschwindet kurz darauf von der Bildfläche der Politik … Siebzig Jahre später bekommt der Historiker Martin Radford den Auftrag, die Hintergründe der damaligen Ereignisse aufzudecken. Bei seiner Recherche stößt er auf ein Netz aus politischen Intrigen, das sich bis in die obersten Reihen der englischen Regierung erstreckte. Immer tiefer verstrickt sich Martin in die Geschehnisse von damals – und gerät so bald selbst in tödliche Gefahr …

A Very British Scandal: »Ein Wespennest aus Eifersucht, Erpressung und Gewalt – absolut fesselnd.« Daily Mail

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende England-Krimi »Das dunkle Erbe« von Robert Goddard wird alle Fans des Bestsellers »Die Sünden unserer Väter« begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

London, 1909: Als sich der aufsteigende Politiker Edwin Strafford in die junge Suffragette Elizabeth Latimer verliebt, ist er bereit, alles für sie zu riskieren – sogar seine große Karriere. Doch kurz vor dem Traualtar verlässt Elizabeth ihn plötzlich aus mysteriösen Gründen; Strafford verschwindet kurz darauf von der Bildfläche der Politik … Siebzig Jahre später bekommt der Historiker Martin Radford den Auftrag, die Hintergründe der damaligen Ereignisse aufzudecken. Bei seiner Recherche stößt er auf ein Netz aus politischen Intrigen, das sich bis in die obersten Reihen der englischen Regierung erstreckte. Immer tiefer verstrickt sich Martin in die Geschehnisse von damals – und gerät so bald selbst in tödliche Gefahr …

A Very British Scandal: »Ein Wespennest aus Eifersucht, Erpressung und Gewalt – absolut fesselnd.« Daily Mail

Über den Autor:

Robert William Goddard, geboren 1954 in Fareham, ist ein vielfach preisgekrönter britischer Schriftsteller. Nach einem Geschichtsstudium in Cambridge begann Goddard zunächst als Journalist zu arbeiten, bevor er sich ausschließlich dem Schreiben von Spannungsromanen widmete. Robert Goddard wurde 2019 für sein Lebenswerk mit dem renommierten Preis der Crime Writer's Association geehrt. Er lebt mit seiner Frau in Cornwall.

Robert Goddard veröffentlichte bei dotbooks auch die folgenden Kriminalromane:

»Im Netz der Lügen«

»Der Preis des Verrats«

»Eine tödliche Sünde«

»Ein dunkler Schatten«

»Denn ewig währt die Schuld«

»Das Geheimnis von Trennor Manor«

»Das Geheimnis der Lady Paxton«

»Das Haus der dunklen Erinnerung«

»Das Geheimnis von Malborough Downs«

»Dunkles Blut – Harry Barnett ermittelt: Der erste Fall«

»Dunkle Sonne – Harry Barnett ermittelt: Der zweite Fall«

»Dunkle Erinnerung – Harry Barnett ermittelt: Der dritte Fall«

Robert Goddard veröffentlichte bei dotbooks weiterhin die historischen Kriminalromane:

»Die Sünden unserer Väter«

»Die Schatten der Toten«

»Jäger und Gejagte«

»Die Klage der Toten«

»Der Kartograf von London«

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eBook-Neuausgabe August 2022

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1986 unter dem Originaltitel »Past Caring« bei Robert Hale Ltd., London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1990 unter dem Titel »Dein Schatten, dem ich folgte« bei SV international.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1986 by Robert Goddard

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1990 by SV international / Schweizer Verlagshaus, Zürich

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Dmitry Naumov (London), Kislev Andrey Valerevich

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-347-3

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Robert Goddard

Das dunkle Erbe

Roman

Aus dem Englischen von Rainer von Savigny

dotbooks.

Prolog

Ja, nun, am Ende, bin ich wieder eingetreten in diesen deinen alten Ort.

Durch die Jahre, die verstummten Lebensbilder, folgte ich deiner Fährte.

Was also, für unsere Vergangenheit, ist jetzt dein Wort?

Prüfend im Blick durch dunklen Raum, in dem ich dich entbehrte?

Die Worte fallen mir heute wieder ein. Ich habe meine eigenen verlorenen Jahre und stummen Bilder hinter mir, und übrig bleibt die gleiche unerfüllte Sehnsucht. Wenn du mir gesagt hättest, was die Suche nach deiner Vergangenheit für mich bereithielt, ich hätte sie nie begonnen. Dein Schatten, dem ich folgte, in dem ich mich bewegte, umgibt mich nun hier, am Ort deiner Verbannung. Was würdest du tun? Ich weiß – du brauchst nichts zu sagen. Doch zuerst muß ich eine Geschichte erzählen.

Kapitel 1

Die Dreißig eben überschritten, ein arbeitsloser, geschiedener Exlehrer, ein schlimmer Fall brachliegender Talente in städtischer Einöde, bittere Enttäuschungen hinter mir, düstere Aussichten vor mir – das war meine Situation im Frühjahr 1977. In jenem trüben März gab mir London mein Selbstmitleid wie ein Echo zurück.

Es klang schmerzhaft nach in meinem Kopf an diesem Morgen, ein dumpfes Pochen, mit dem sich das Bier des Vorabends in Erinnerung brachte und zu dem sich die Stimme meines zunehmend unwilligen Gastgebers gesellte, der gerade dabei war, in der Küche seiner Wohnung in Greenwich ein leidiges Thema aufs Tapet zu bringen. Es war Samstag, so daß der Lärm des pulsierenden Verkehrs von Maze Hill nur gedämpft durch das Fenster drang; auch das Licht war am Tisch, wo ich einen starken schwarzen Kaffee schlürfte, erträglich abgemildert. Jerry saß mir gegenüber, gewaschen und rasiert, angekleidet und mit klarem Kopf – vier Dinge, die man von mir nicht behaupten konnte – und studierte die Börsenberichte der »Financial Times«.

»Millennium ist wieder gestiegen«, sagte er.

»Natürlich«, sagte ich. Daß die Geschäfte meines früheren Arbeitgebers weiterhin florierten, war das letzte, was ich hören wollte, aber eine Überraschung war es nicht. Die Millennium-Gesellschaft für Grundbesitz hatte schon immer eine sichere Hand beim Erwerb und der Vermarktung historischer Liegenschaften gehabt, aber ihr einziges Zugeständnis an die Wissenschaft bestand darin, daß man überqualifizierte Hilfskräfte wie mich einstellte, die dann die Broschüren für Besichtigungen zurechtfrisieren mußten.

Bei Millennium hatte ich den ersten halbwegs anständigen Job bekommen, seit ich nicht mehr unterrichtete. Leider hatte ich meine Verachtung für die historischen Prinzipien der Firma – die dem transatlantischen Standard der amerikanischen Muttergesellschaft entsprachen – in einer Anwandlung von Vertrauensseligkeit auf einer Weihnachtsfeier der absolut falschen Person anvertraut. Daraufhin blieb mir nichts anderes übrig, als selbst zu kündigen, ehe die Firma mir den Laufpaß gab.

Ich hatte bereits vorher Schulden gehabt, und der Verlust eines regelmäßigen Einkommens führte bald dazu, daß ich die Wohnung in Richmond aufgeben mußte. Damals war Jerry, ein Freund aus gemeinsamen Schultagen, eingesprungen und hatte mir sein Gästezimmer in Greenwich angeboten, um mir die schwierige Übergangszeit zu erleichtern. Nur hatte sich die Übergangszeit inzwischen auf zwei Monate ausgedehnt, und Jerrys Geduld begann sich zu verschleißen.

»Habe ich dir schon erzählt, daß Tribune eine Filiale in Crawley eröffnen will?«

Natürlich hatte er. Er hatte auch darauf hingewiesen, daß man dafür neue Mitarbeiter suchen werde und daß er, falls ich interessiert sei, ein gutes Wort für mich einlegen könne. Ich war ehrlich gesagt extrem desinteressiert. Jerry war ein gewissenhafter und fleißiger Statistiker in der Tribune-Lebensversicherungs-Gesellschaft, wo man ohne Zweifel große Stücke auf ihn hielt. Aber in seiner Welt würde ich es nie zu etwas bringen, und weder mir noch Jerry wäre damit gedient gewesen, wenn ich es versucht hätte. Es war aber eine äußerst delikate Angelegenheit, ihm das klarzumachen. Eine Erklärung hätte seinen Sinn fürs Praktische beleidigt; in seiner überaus ernsthaften und bescheidenen Art würde er unmöglich verstehen, daß Tribune-Leben – 38 Stunden pro Woche in modernen Büros mit Zulagen für ehrgeizige Mitarbeiter und Sondertarifen für Betriebsangehörige – für ihn vielleicht ideal war, für mich aber ein Greuel.

»Ja, Jerry. Ich werde auf die Stellenangebote achten.«

Das war natürlich gelogen. Ich achtete weder auf diese noch auf andere Stellenangebote. Damit wollte ich bloß Jerry beruhigen und auch meine eigene uneingestandene Angst dämpfen, daß mich vielleicht weniger die Karriere eines Versicherungsangestellten schreckte als vielmehr jeder geregelte Beruf überhaupt.

Ich nahm die Gelegenheit zu einem Ablenkungsmanöver wahr und öffnete die Morgenpost. Zwei Briefe hatte ich bekommen, von Jerry mit pedantischer Akkuratesse an den Toaster gelehnt. Der eine enthielt die Abrechnung für meine Kreditkarte. Der andere sah vielversprechender aus: eine portugiesische Briefmarke und eine Handschrift, die ich gleich erkannte.

»Das ist ein Brief von Alec«, verkündete ich in der Hoffnung, Neuigkeiten aus Madeira würden uns von meiner Arbeitslosigkeit und dem Wohnungsproblem abbringen. Jerry kannte Alec Fowler nur über mich, und ich kannte ihn nur, weil wir als Studenten im gleichen Stockwerk gewohnt hatten. Er gehörte zu jenen Studenten, die erfahrener sind, als ihr Alter vermuten ließe, und uns übrigen das Gefühl vermittelt hatten, wir seien linkische Schuljungen. Ich war jedoch sehr lernwillig, und er brauchte Gesellschaft für sein ausgelassenes Treiben. Alec umgab sich mit Menschen wie mich, die sich gern als radikale Freidenker betrachten. In den sechziger Jahren war Cambridge ein Treibhaus, das eine Art selbstgefällige studentische Schickeria gedeihen ließ, die neue und bedeutsame gesellschaftliche Entwicklungen darin sah, Marihuana zu rauchen und allgemein anerkannte Vorstellungen durch den Kakao zu ziehen. Solange Alec uns mit seiner Spitzbubenmentalität die Ziele vorgab, war das irgendwie glaubwürdig. Zehn Jahre später erschien es unglaublich naiv und – das hätte uns damals viel härter getroffen – einfach irrelevant. Dennoch verband sich mit dieser Zeit eine optimistische Aufbruchstimmung, die ihr im Licht der ernüchternden Jahre danach einen besonderen Stellenwert verlieh.

Während ich diese Jahre damit verbracht hatte, zu Frau, Kind und Lehrberuf zu kommen, um anschließend alles wieder zu verlieren, und während England sich tastend den Weg durch Ölkrise und Drei-Tage-Wochen suchte, war es Alec immer gelungen, das Leben zu genießen. Im Zusammenhang mit den Garden-House-Tumulten wurde er vorgeladen, aber nicht vor Gericht gestellt, verwarnt, aber nicht von der Universität verwiesen; er schien seine Arbeitszeit ausschließlich politischen Pamphleten zu widmen, bestand sein Examen in Englisch aber doch mit einer Eins und hatte sich dann, laut eigener Aussage, zielbewußt treiben lassen: Paris (»auf der Suche nach dem Geist der 68er Jahre«), Venedig (»um es zu sehen, bevor es untergeht«) und Kreta (»um Englisch zu lehren und das mediterrane Licht zu studieren«). Diese periodischen Abwesenheiten wurden durch gelegentliche Besuche in der Heimat unterbrochen. Dann pflegte er mich heimzusuchen, um unsere gemeinsame Studienzeit in Trinkgelagen über das Wochenende wieder auferstehen zu lassen, was meine Frau mehr als einmal an den Rand der Verzweiflung brachte.

Alecs eigentlicher Ehrgeiz galt, wie er mir oft sagte, einer journalistischen Karriere. Der Durchbruch schien immer unmittelbar bevorzustehen, auch wenn es bisher noch nie dazu gekommen war. Er war in New York zur Zeit des Watergate-Skandals, konnte aber niemanden dazu bewegen, seine Meinung zu der Affäre zu drucken. Eine Abendzeitung in Montreal stellte ihn für die Olympischen Spiele ein, aber die Sache platzte, ehe die Olympiade überhaupt begonnen hatte. Es erschien ihm dann angezeigt, den journalistischen Ehrgeiz für eine Weile ruhen zu lassen, um seine Finanzen in Ordnung zu bringen, indem er einen Halbjahresvertrag als Englischlehrer auf Madeira unterzeichnete.

Nun war er ausgerechnet dieses Mal, als ich seine Gesellschaft dringend zur Aufmunterung gebraucht hätte, nicht wie geplant zu Weihnachten zurückgekommen. Ich hatte ihm wiederholt geschrieben; dieser Brief war seine erste Antwort. Ich las ihn Jerry also in der Hoffnung vor, ihn von meinen Initiativen zur Arbeits- und Wohnungssuche ablenken zu können – bzw. von der Tatsache, daß ich noch gar nichts unternommen hatte.

Hallo Martin!

Wie geht’s? Tut mir leid, daß ich in der letzten Zeit so wenig von mir hören ließ, aber ich hatte viel um die Ohren – davon gleich mehr. Die Millennium-Geschichte ist bedauerlich, obwohl es wahrscheinlich ganz gut ist, daß Du nicht mehr dort arbeitest. Mein Kompliment an Jerry, daß er es so lange mit Dir aushält.

Mein Job als Lehrer lief Weihnachten aus, und Du wolltest wissen, was ich seither mache. Als jemand, der noch nie darauf warten konnte, daß das Gras (das Wortspiel ist natürlich Zufall!) von selbst wächst, habe ich – jetzt wirst Du Augen machen – eine Zeitung für diese Insel ins Leben gerufen. Auf Madeira wimmelt es von Engländern – Feriengäste und solche, die ihren Lebensabend hier verbringen. Ich wollte ihnen eine Monatszeitschrift bieten: in Hochglanz und englischer Sprache, mit vielen Fotos der Naturschönheiten auf Madeira (zahlreich) und aktueller Berichterstattung über die Ereignisse (dürftig), um die Touristen zu informieren, was es wo zu sehen gibt, und die ortsansässigen Engländer, was sich so tut. Ich hatte einen guten Start, einfach weil es keine Konkurrenz gibt. Hinzu kam, daß einer meiner Bekannten hier, der als Fotograf so gut ist wie ich als Journalist (eine fatale Kombination), sich mit mir zusammengetan hat und ich auch die Unterstützung vieler Geschäfte und Firmen habe, die die Werbung bei ihren englischen Käufern an den Mann bringen wollen, weil sie ihre besten Kunden sind.

Außerdem hat uns ein südafrikanischer Hotelbesitzer in Funchal das Geld vorgeschossen, um uns auf die Beine zu helfen. Die erste Nummer von »Madeira Life« ist letzten Monat herausgekommen, und sie geht bisher (unberufen!) recht gut. Leo – der Hotelbesitzer – hat einen Empfang arrangiert, um allen wichtigen Persönlichkeiten die Sache schmackhaft zu machen. Glaub mir, wenn das so weitergeht, könnte ich daraus noch in das hiesige Establishment aufrücken. Das Ganze könnte mir, und das wäre ja noch interessanter, den Weg in die Fleet Street ebnen.

Vorerst allerdings ist es noch nicht soweit. Ich muß erst einmal meine Lehre absolvieren. Damit komme ich zu einem Vorschlag, den ich Dir machen wollte, um Dich ein wenig aufzumuntern. Warum läßt du nicht einfach alles stehen und liegen – das wäre doch ohnehin sehr wenig, wenn ich Deinen letzten Brief richtig verstehe – und kommst hierher, um ein bißchen auszuspannen? Das portugiesische Ehepaar, mit dem ich mir das Haus teile, ist für einen Monat verreist, so daß ich Dich ohne Schwierigkeiten unterbringen kann. Madeira im Frühling ist wunderbar. Ich könnte Dir alles zeigen, und Du könntest mir sagen, was Du von meiner Zeitschrift hältst, und gemeinsam könnten wir über die alten Zeiten reden.

Was sagst Du dazu? Laß es mich bald wissen.

Tschüß, Alec

»Fährst du hin?« fragte Jerry, für meinen Geschmack etwas schnell.

»Wenn ich es irgendwie deichseln kann, fahre ich auf der Stelle.« Ich war zuversichtlicher, als das klingen mochte. Ich hatte etwas Geld bei einer Bausparkasse angelegt, als Rücklage für besondere Fälle, und dieses Angebot durfte man eindeutig zu den besonderen Fällen rechnen.

»Warum auch nicht«, sagte Jerry. »Ein Urlaub tut dir sicher gut.«

Am Montagabend konnte ich Alec anrufen, um ein Ankunftsdatum vorzuschlagen. Nach mehreren mißglückten Versuchen hörte ich durch viel Rauschen und Knistern in der Leitung seine vertraute Stimme aus dem fernen Madeira.

»Prima, daß es klappt, Martin. Ich freu’ mich, dich zu sehen.«

»Das hoffe ich, aber es wird früher sein, als du vielleicht erwartet hast. Ich habe eine Vormerkung in einem Charterflug am 31.«

»Nimm den Flug. Das ist eine gute Zeit: zwischen zwei Nummern, so daß ich dir alle Sehenswürdigkeiten zeigen kann. Und je früher du kommst, desto besser – möglicherweise lohnt sich die Sache für dich.«

Ich diktierte ihm Flugnummer und Ankunftszeit, ehe wir uns im Kampf gegen die Störung in der Leitung geschlagen gaben. Erst nach dem Auflegen dachte ich über seine Worte nach und fragte mich, ob er gemeint hatte, die Reise bringe mehr als ein normaler Urlaub. Hatte er etwas jetzt, wo seine Zeitschrift Erfolg zu haben begann, ein gutes Angebot für einen alten Freund auf Lager? Es war kaum mehr als eine aufglimmende Ahnung, aber genug, um meine gute Laune bis zum Abflug zu gewährleisten.

Ich war also unbeschwert und optimistisch, als ich den Flug nach Madeira antrat. Zwischen all den glücklichen Familien, die in die Ferien flogen, kam ich mir zwar etwas fehl am Platz vor, aber einige Drinks ließen die Zeit recht angenehm verstreichen – jedenfalls, bis unsere Maschine in eine Schlechtwetterfront geriet.

Während wir im Landeanflug auf Madeira kräftig durchgerüttelt wurden, schaute ich aus dem Fenster, um etwas von der Insel zu sehen, wobei meine Finger, mit denen ich mich krampfhaft an die Lehnen klammerte, so weiß wurden wie die Wolkenberge, die mir beim Blick nach draußen allzu nahe kamen. Immerhin wurde vor uns ein grüner Fleck sichtbar, und gleich darauf hatten wir Bodenkontakt mit etwas, von dem ich hoffte, es sei die Landebahn. Mit einem heftigen Bremsmanöver kam das Flugzeug zum Stehen. Ich war auf der Stelle wieder nüchtern und stieg auf unsicheren Beinen aus der Maschine. In strömendem Regen zog ich mir meinen Anorak über und trottete den übrigen Passagieren zur Abfertigung nach.

Von Alec war nichts zu sehen, als wir mit dem Zoll fertig waren und die übrigen Passagiere in alle Richtungen davongingen, aber gerade als ich anfing, mich zu ärgern, kam er schwungvoll die paar Stufen von einem höhergelegenen Stockwerk herab.

»Hallo, Martin«, rief er und schlenderte lässig grüßend auf mich zu. Er sah sehr fit aus, braungebrannt und entspannt, die rotblonden Haare in der Sonne hell geworden; er wirkte mehr wie ein Strandwart, nicht wie ein Journalist, als er mir auf die Schulter klopfte und mir ein breites Lächeln schenkte.

»Wie geht’s, alter Junge? Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«

»Es geht, danke.« Ich grinste kläglich. »Du würdest auch so aussehen, Alec, wenn du diese Landung mitgemacht hättest. Ich sah uns schon im Atlantik.«

»Etwas haarig, was? Von der Bar sah es nicht schlimm aus.«

»Von einer Bar sieht alles besser aus.«

»Da ist was dran. Die Landebahn ist tatsächlich etwas kurz geraten. Ich habe es dir nicht gesagt, weil ich mir dachte, es könnte dich abschrecken. Das Wetter macht die Dinge auch nicht gerade besser. Du mußt es mitgebracht haben – es war dieses Jahr noch nie so schlimm. Man kann sich doch darauf verlassen, daß ein Pessimist wie du ankommt, wenn Madeira sich von der schlechtesten Seite zeigt.«

Alec hatte ganz recht: Ich hatte in meinem Leben immer das Schlimmste erwartet und war darin nur selten enttäuscht worden. Er hatte immer das Beste erhofft und war gelegentlich dafür belohnt worden. So kam es, daß ich den Winter nutzlos in London verbracht und er die Möglichkeit einer sonnigen Insel ausgeschöpft hatte. Es war auch richtig, daß diese sich heute nicht von der besten Seite zeigte. Der Taxifahrer hatte seine Sonnenbrille auf und fuhr, als seien die Straßen trocken; alles, was ich zu sehen bekam, während wir mit hoher Geschwindigkeit die Haarnadelkurven der Küstenstraße nach Funchal nahmen, waren düstere Klippen, aufgewühltes Meer und finstere Wolken – eher Cornwall als die Tropen.

»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte mich Alec, »so ein Wetter hält sich hier nie. Madeira ist eine wunderbare Insel, das kannst du mir glauben. Die Inselbewohner tun allerdings nicht viel dafür, daß es so bleibt.« Er deutete durch den dichten Regen auf eine Bauruine. »Sie haben alle südländischen Untugenden«, wir schlingerten durch ein Schlagloch, und ich nickte zustimmend, wobei ich hoffte, daß der Fahrer kein Englisch verstand. »Und nur eine Tugend: Sie geben mir die Chance, eine Zeitschrift zu machen. Ich weiß, es ist am Ende der Welt, aber für mich ist es ein Anfang.« Nach zahllosen verunglückten Anfängen war Alecs Hoffnung unversehrt. Erstaunlicherweise waren auch wir noch unversehrt, als das Taxi die gewundene Straße nach Funchal hinabfuhr: graue und braune Flecken von Häusern in einem hügeligen Halbrund an einer Bucht.

Alecs Haus war eine Oase – kühl, trocken und friedlich, was man von draußen nicht behaupten konnte. Im Wohnzimmer ließ ich mich in einen Sessel fallen, während Alec von der Küche her seine etwas sprunghafte Würdigung des Lebens auf Madeira fortsetzte.

»Wir werden den Kaffee schwarz trinken müssen«, rief er. »Milch ist hier so etwas wie Gold. Du siehst sowieso aus, als ob du einen starken Kaffee nötig hättest. Auf dem Tisch liegt eine Nummer der Zeitschrift. Du kannst ja mal reinschauen.«

»Madeira Life«, April 1977: Fettdruck auf Hochglanzpapier, die Titelseite mit einem lächelnden dunkelhaarigen Mädchen in gestreiftem Kleid, darüber eine Bolerojacke und in den Händen Mimosensträuße, deren strahlend gelbe Blüten aus dem Bild zu springen schienen.

Ich blätterte die Nummer durch. Was ich sah, waren gut gemachte, sensible Fotos und dazu Alecs energischer Stil; ich las eine Zusammenstellung aktueller Ereignisse und eine Seite Lokalnachrichten.

»Was ist zur Zeit auf Madeira Besonderes los, Alec?«

»Hier ist nie etwas Besonderes los, Martin. Ich bereite einfach das Wenige auf und komme den Vorurteilen meiner Leser entgegen.«

»Und welcher Art sind die?«

»Vorhersehbar. Wie bei allen Engländern im Ausland, nehme ich an: Warum sind die Einheimischen so laut und so faul?«

»Und wo kann man billig essen gehen?«

»Du hast gelesen, was ich über das ›Jardim del Sol‹ geschrieben habe. Es ist wirklich ein ausgezeichnetes Restaurant. Ich zwinge mich dazu, einmal pro Woche im Interesse meiner kulinarisch orientierten Leser im Restaurant zu essen. Funchal hat viele gute, billige Restaurants – und ein paar schlechte.«

»Das kann ich mir vorstellen. – Ah, das sieht ganz nach dem Kenner aus.«

Gleich hinter der Doppelseite über das Blumenfest war ich auf ein Arrangement dunkler, vielversprechender, dick verstaubter Weinflaschen gestoßen: »Alter Madeira – Gibt es ihn noch?«

»Man wird hier einfach zum Madeirafachmann. Der Handel befand sich im wesentlichen immer in den Händen englischer Familien; es liegt daher sehr nahe, ein solches Thema für englische Leser aufzugreifen.«

»Und für dich, in ihrem Interesse zu kosten?«

»Du sagst es. Aber dieser Artikel behandelt den Jahrgang 1792 und die Frage, ob vielleicht noch vereinzelte Flaschen erhalten sind. Man hat Napoleon auf seinem Weg nach St. Helena davon angeboten, aber es ging ihm nicht gut genug, um ihn zu trinken.«

»Wie traurig.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2022
ISBN (eBook)
9783986903473
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (August)
Schlagworte
Kriminalroman Polit-Thriller England Thriller Historischer Krimi Georges Simenon Britcrime Val McDermid Die Sünden unserer Väter Neuerscheinung eBook
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Titel: Das dunkle Erbe