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Der Hutsalon am Willington Place

Roman | Eine junge Frau, die Ende des 18. Jahrhunderts für ihr Glück kämpfen muss

von Catherine Cookson (Autor:in) Christine Roth (Übersetzung)
©2023 672 Seiten

Zusammenfassung

In den Stürmen der Zeit … Die Frauensaga »Der Hutsalon am Willington Place« von Catherine Cookson jetzt als eBook bei dotbooks.

London, 1879. Niemals hätte Emily Pearson zu träumen gewagt, als einfaches, mittelloses Mädchen ein florierendes Geschäft mitten im Herzen der Stadt zu erben: Umso größer ist ihre Überraschung, als sie den Hutsalon von Madam Arkwright vermacht bekommt, den sie jahrelang aufopferungsvoll geführt hat. Doch nun muss Emily sich plötzlich in der rauen und neidvollen Welt der Geschäftsmänner behaupten. Wird sie Madam Arkwrights Vermächtnis bewahren können und außerdem ihren letzten Wunsch erfüllen? Denn Emily soll in jenes prachtvolle Hotel an der französischen Riviera reisen, in welchem die Hutmacherin vor vielen Jahren ihre große Liebe fand … und vielleicht darf Emily hier sogar auf ein ähnliches Glück hoffen?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Schicksalsroman »Der Hutsalon am Willington Place« der großen englischen Bestsellerautorin Catherine Cookson wird auch Fans von Marie Lamballe begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

London, 1879. Niemals hätte Emily Pearson zu träumen gewagt, als einfaches, mittelloses Mädchen ein florierendes Geschäft mitten im Herzen der Stadt zu erben: Umso größer ist ihre Überraschung, als sie den Hutsalon von Madam Arkwright vermacht bekommt, den sie jahrelang aufopferungsvoll geführt hat. Doch nun muss Emily sich plötzlich in der rauen und neidvollen Welt der Geschäftsmänner behaupten. Wird sie Madam Arkwrights Vermächtnis bewahren können und außerdem ihren letzten Wunsch erfüllen? Denn Emily soll in jenes prachtvolle Hotel an der französischen Riviera reisen, in welchem die Hutmacherin vor vielen Jahren ihre große Liebe fand … und vielleicht darf Emily hier sogar auf ein ähnliches Glück hoffen?

Über die Autorin:

Dame Catherine Ann Cookson (1906–1998) war eine britische Schriftstellerin. Mit über 100 Millionen verkauften Büchern gehörte sie zu den meistgelesenen und beliebtesten Romanautorinnen ihrer Zeit; viele ihrer Werke wurden für Theater und Film inszeniert. In ihren kraftvollen, fesselnden Schicksalsgeschichten schrieb sie vor allem über die nordenglische Arbeiterklasse, inspiriert von ihrer eigenen Jugend. Als uneheliches Kind wurde sie von ihren Großeltern aufgezogen, in dem Glauben, ihre Mutter sei ihre Schwester. Mit 13 Jahren verließ sie die Schule ohne Abschluss und arbeitete als Hausmädchen für wohlhabende Bürger sowie als Angestellte in einer Wäscherei. 1940 heiratete sie den Gymnasiallehrer Tom Cookson, mit dem sie zeitlebens zurückgezogen und bescheiden lebte. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1950; 43 Jahre später wurde sie von der Königin zur Dame of the British Empire ernannt und die Grafschaft South Tyneside nennt sich bis heute »Catherine Cookson Country«. Wenige Tage vor ihrem 92. Geburtstag starb sie als eine der wohlhabendsten Frauen Großbritanniens.

Catherine Cookson veröffentlichte bei dotbooks auch ihre englischen Familiensagas »Die Thorntons – Sturm über Elmholm House«, »Die Lawsons – Anbruch einer neuen Zeit«, »Die Emmersons – Tage der Entscheidung«, »Die Coulsons – Schatten über Wearcill House« und »Die Masons – Schicksalsjahre einer Familie«.

Bei dotbooks erscheinen außerdem ihre Schicksalsromane »Der Himmel über Tollet’s Ridge«, »Das Erbe von Brampton Hill«, »Sturmwolken über dem River Tyne« und »Sturm über Savile House«.

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eBook-Neuausgabe November 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1993 unter dem Originaltitel »The Golden Straw« bei Bantam Press, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1996 unter dem Titel »Goldener Schatten« im Heyne Verlag.

Copyright © The Catherine Cookson Charitable Trust 1993

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1996 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz unter Verwendung von Shutterstock/Oaurea und AdobeStock/4k_Heaven, Masson

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-836-2

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Catherine Cookson

Der Hutsalon am Willington Place

Roman

Aus dem Englischen von Christine Roth

dotbooks.

Teil 1

1879

Kapitel 1

Emily Pearson ließ ihren Blick durch das leere Zimmer schweifen und fragte sich angesichts der vielen Möbel, die sich draußen auf dem Pferdekarren stapelten, wie sie sich in der Enge des kleinen Häuschens überhaupt hatte bewegen können.

Das war’s, dachte sie, nahm dann den Schlüssel aus ihrer Handtasche, warf einen letzten Blick zurück und ging zur Tür. Tat es ihr leid, dieses Haus zu verlassen? Nein. Nein, gewiß nicht, obwohl sie in diesem Haus geboren worden war und darin sechzehn glückliche Jahre verbracht hatte, bis ihre Mutter starb. Und auch die anschließenden zwei Jahre hatte sie einigermaßen zufrieden dort verlebt. Dann hatte sie Jimmy Pearson geheiratet und die Hochzeitsnacht in dem Schlafzimmer dort drüben verbracht.

Die Ehe mit Jimmy war schrecklich gewesen, das Leben mit ihm so ganz anders verlaufen, als Emily es sich ausgemalt hatte. Von Zärtlichkeit hatte sie geträumt, von gemeinsamen Abenden vor dem Kaminfeuer, wo er ihr von seiner Arbeit in Parkers Warenhaus berichten und sie ihn mit kurzweiligen Geschichten über ihre Kundinnen in Madam Arkwrights Hutsalon unterhalten würde. Aber nichts dergleichen. Seine Kehle sei trocken, pflegte er zu sagen, er müsse sie erst ölen, bevor er sprechen könne. Zugegeben, er hatte sie ein paarmal aufgefordert, ihn ins Pub zu begleiten. Aber das bedeutete, in einer Runde von Frauen zu sitzen, mit denen sie sich nicht unterhalten konnte. Es war, als sprächen sie eine andere Sprache. Nach ihrem zweiten Besuch dort hatte sie ihm erklärt, daß sie keine Lust habe, sich mit diesen liederlichen Frauenzimmern zu langweilen, während er sich nebenan an der Bar volllaufen lasse, zu der nur Männer Zutritt hatten.

Am Morgen danach betrat sie den Hutsalon, The Bandbox, wie er hieß, zum ersten Mal mit einer geschwollenen Wange. Und an diesem Morgen war ihr Mrs. Arkwright zum ersten Mal nicht als Chefin, sondern als Mutter entgegengetreten und hatte sie für ihre Torheit gerügt, sich von diesem gewöhnlichen Individuum einwickeln zu lassen, das dieser Warenhaus Verkäufer in ihren Augen nun mal sei. Habe sie sie nicht oft genug gewarnt, betonte sie, daß dieser Mann weit unter ihrem Niveau liege? Ihre Mutter habe sie doch gut erzogen, und auch sie habe sich alle Mühe gegeben, ihr Stil beizubringen, und nun lasse sie sich behandeln wie eine Hafennutte!

Diese Szene stand ihr jetzt wieder ganz deutlich vor Augen: Mrs. Arkwright, bislang stets die Gelassenheit in Person, die sie bei den Schultern gepackt und gesagt hatte: »Wenn er noch einmal die Hand gegen dich erhebt, dann nimm den nächstbesten Gegenstand und schlag zurück. Zunächst probieren sie es nur, und dann wird es zur Gewohnheit. Wenn du dich jetzt nicht gegen ihn wehrst, dann wirst du, ehe das Jahr zu Ende ist, nicht mehr aus den Augen schauen können. Ich kenne diese Sorte Mann.«

Und sie hatte recht gehabt. Nur wenige Tage später, als sie sich weigerte, ihm fünf Shilling für eine todsichere Wette zu geben, schlug er wieder zu. Doch diesmal war sie gewappnet. Noch ehe seine Hand ihre Wange berührte, hatte sie den Kerzenständer gepackt, der auf dem Kaminsims stand, und ihm damit auf die Fingerknöchel geschlagen, und zwar mit einer solchen Wucht, daß er mit einem lauten Aufschrei zurückwich. In seinem Gesicht spiegelte sich Schmerz, aber auch Verblüffung, als er sie daraufhin mit großen Augen anstarrte. Sein stilles, fügsames junges Frauchen, das ihm bislang bedingungslos gehorcht hatte, wie er vor seinen Freunden gerne angab, hatte doch tatsächlich die Stirn, sich ihm entgegenzustellen. Schlimmer noch, sie erklärte ihm tatsächlich, was passieren würde, wenn er es noch einmal wagen sollte, sie zu schlagen. Sie würde ihm ihren Lohn nicht mehr abliefern, sagte sie, und verlangte zudem einen Teil des seinen als Beitrag zum Haushaltsgeld...

Emily lehnte sich gegen die Tür, schloß die Augen und ließ die Szene noch einmal Revue passieren. Das war der befriedigendste Augenblick in ihrer Ehe gewesen, der Moment, der sie vom Mädchen zur Frau machte, und zwar endgültiger, als es das Ehebett vermocht hatte.

Nach diesem Abend war das Leben an seiner Seite beinahe unerträglich geworden. Es kam die Zeit, da er nachts nicht nach Hause kam. Aber darüber war sie im Grunde nicht allzu unglücklich. Diese Nächte waren für sie willkommene Ruhepausen, die ihr auch der bronzene Kerzenständer nicht hatte gewähren können. Und dann kam der Tag, da er ihr erklärte: »Jetzt kannst du sehen, wo du bleibst. Ich verlasse dich.« Und als diese Erklärung ohne Antwort blieb, hatte er gebrüllt: »Was glaubst du überhaupt, wer du bist? Dein alter Herr war doch bloß ein kleiner Heizer auf einem abgewrackten Kahn.« Darauf bekam er eine Antwort. »Mein Vater war Zweiter Offizier auf einem Frachtschiff und ein Gentleman.«

Ja, sie hatte ihren Vater als Gentleman in Erinnerung. Er ertrank, als sie fünf Jahre alt war. Sie hatte ihn eigentlich nur zweimal gesehen und jedesmal laut geschrien, wenn sie dieser fremde Mann auf den Arm nehmen wollte.

»Dein Vater war ein echter Gentleman«, hatte ihre Mutter immer wieder zu ihr gesagt und dadurch in ihrer Vorstellung das Bild eines schneidigen Schiffsoffiziers geprägt, der durch die Rente, die ihre Mutter nach seinem Tod bezog, quasi mit dazu beigetragen hatte, daß sie dieses Haus hatten kaufen können.

In besagter Nacht hatte ihr Mann auch die Sprache auf die Besitzrechte an diesem Haus gebracht. »Wenn du dieses Haus verkaufst, dann bekomme ich meinen Anteil, daß das klar ist. Was der Frau gehört, gehört auch dem Mann. Genaugenommen kann ich dieses Haus auch über deinen Kopf hinweg verkaufen, wenn ich will. Und das werde ich auch, wenn du mir krumm kommst.«

Aber da sie, was die Gesetze anbelangte, völlig unbewandert war, hatte sie sich einstweilen ruhig verhalten. Sie wollte zuerst mit Mrs. Arkwright über die Angelegenheit sprechen.

Und als sie ihr dann erzählte, daß ihr Mann sie verlassen habe, hatte diese ganz spontan ausgerufen: »Gott sei Dank, daß du den los bist! Aber laß dich nicht auf eine Trennung ein, verlang die Scheidung.«

Scheidung! Das gab es nur in bessergestellten Kreisen. Doch mit Hilfe ihrer mütterlichen Ratgeberin hatte sie die Scheidung durchsetzen können. Drei Jahre hatte die Prozedur gedauert, doch schließlich gab die Tatsache, daß er mit seiner neuen Lebensgefährtin inzwischen drei Kinder hatte, den Ausschlag, und machte zudem endgültig seine Vorstellung zunichte, daß er auf ihren Besitz einen rechtlichen Anspruch erheben könnte.

Daß die Anwaltskosten den größten Teil des Erlöses, den sie mit dem Verkauf des Hauses erzielte, verzehrt hatten, machte ihr insofern wenig Kopfzerbrechen, als Mrs. Arkwright ihr inzwischen in ihrem Haus eine Wohnung angeboten hatte. Und damit nicht genug, hatte sie sie als gleichberechtigte Partnerin in den Hutsalon aufgenommen. Und was das für eine Partnerschaft war! Und was für ein Haus! Was für Häuser, genauer gesagt!

Emily machte die Tür auf, trat auf die Straße, drehte den Schlüssel im Schloß und murmelte dabei: »Leb wohl. Leb wohl, altes Haus. Du hast deinen Zweck erfüllt.«

Ohne einen Blick zurückzuwerfen, ging sie die Straße hinunter zur Droschkenstation und bestieg die nächste Pferdekutsche. Versonnen starrte sie während der Fahrt aus dem Fenster, wie sie es so oft tat, ohne die Straßen und Häuserfronten, die an ihr vorbeizogen, wahrzunehmen, so vertraut war ihr diese Wegstrecke in den vielen Jahren geworden. Als sie mit ihrer Mutter das erste Mal Mrs. Arkwrights Hutsalon aufgesucht hatte, war es nur ein Katzensprung gewesen zum Bertram Close, wo sich der Hutsalon damals befand. Doch kurze Zeit später zog Mrs. Arkwright mit ihrem Salon in die Maddock Street um und etablierte sich zwei Jahre später im Frontlea House am Willington Place, Ecke Barclay Street. Der neue Salon verfügte über ein kleines Schaufenster und bildete den Anfang einer Reihe gut eingeführter Ladengeschäfte. Nebenan gab es eine exklusive Blumen-Boutique, einige Häuser weiter einen Laden, der Briefmarken und Münzen an Sammler verkaufte, und am Ende der Straße ein Hutgeschäft für Herren, über dessen Besitzer und Kunden Madam sich bisweilen köstlich amüsierte.

Nachdem Mrs. Arkwright vier Jahre im Frontlea House Nummer 35 ihren Hutsalon betrieben hatte, unterschrieb sie zur allgemeinen Verwunderung der Anwohner nicht nur einen Pachtvertrag auf 99 Jahre für dieses Haus, sondern mietete auch noch das angrenzende Gebäude dazu, in dem Konteradmiral Proggett bis zu seinem Tod gewohnt hatte.

Ließ sich mit Hüten so viel Geld verdienen? fragten sich die Leute damals verwundert. Und die Gerüchteküche wußte zu berichten, daß die Damengarderobe, die Mrs. Arkwright ebenfalls in ihren Räumen zum Verkauf anbot, nicht ganz ... neuwertig war.

Von der Droschkenstation bis zum Hutsalon war es nur ein kurzer Fußweg. Emily öffnete die Haustür, die in demselben Dunkelgrün gestrichen war wie die Fenstersimse zu beiden Seiten des Eingangs und das eiserne Geländer, das den schmalen Vorgarten begrenzte. Sie durchquerte eine kleine Diele und ging auf die Milchglastür zu, die in das eigentliche Empfangsfoyer führte. Besucher, die zum ersten Mal Mrs. Arkwrights Hutsalon besuchten, hielten angesichts dieses L-förmig geschnittenen, außergewöhnlich großen Raumes erstaunt inne. Von den beiden Längsseiten gingen etliche Türen ab, und am Ende der Halle befand sich eine ausladende Treppe, die in die oberen Räumlichkeiten führte.

Die Wände des Foyers waren mit einer dunkelroten Stofftapete verkleidet, und vor den beiden hohen Fenstern neben der Eingangstür bauschten sich graue Seidenvorhänge. Dasselbe Grau wiederholte sich in den schweren Brokatbezügen der drei Sofas und zweier zierlicher Sessel, die den Besuchern als Sitzgelegenheit dienten. Den Mittelpunkt der Halle bildete ein großer, runder Tisch, und an gut sichtbaren Standorten, die dem Besucher zwangsläufig ins Auge fallen mußten, waren die neuesten Hutmodelle auf schlanken Holzständern dekoriert.

Emily blieb für einen Moment stehen und sah sich um. Aus zwei der angrenzenden Räume drang leises Stimmengemurmel, was bedeutete, daß dort Kundinnen bedient wurden; spezielle Kundschaft in diesem Fall – solche, die ihre Bestellung auch prompt bezahlte.

Gerade als sie sich anschickte weiterzugehen, öffnete sich die Tür zu ihrer Linken, und sie hörte eine lachende Stimme sagen: »Er wird mich umbringen. Ich höre ihn schon sagen: ›Du kannst doch nicht drei Hüte auf einmal tragen!‹ Nun, ich werde einfach die ganze Schuld auf Sie schieben, Miß Esther ... Oh, da ist ja Mrs. Pearson«, flötete die üppige, für die Tageszeit viel zu elegant gekleidete Dame, die nun mit raschelnden Röcken auf Emily zugesegelt kam und dabei unaufhörlich weiterschnatterte. »Stellen Sie sich vor, wegen eines winzigen Hütchens bin ich gekommen, und mit drei Tellerhüten gehe ich nach Hause. Aber schließlich kann ich mich ja nicht ohne Hut auf der Straße blicken lassen, nicht wahr? Sie sehen großartig aus, Mrs. Pearson. Wo stecken Sie denn immer? Und Madam Arkwright?« Vertraulich beugte sie sich zu Emily und erklärte, indem sie die Lippen zu einer Schnute schürzte: »Neuerdings erhasche ich nur noch einen Blick auf Madam, wenn ich meine Rechnungen bezahle.«

»Aber Mrs. Fairbairn. Madam ist stets entzückt, Sie zu empfangen, das wissen Sie doch. Schließlich sind Sie ihre älteste und beste Kundin.«

»Die älteste, das will ich doch nicht hoffen, meine Liebe«, meinte sie eine Spur indigniert und wedelte mit der Hand vor Emilys Nase herum, worauf diese sofort um ein entschuldigendes Lächeln bemüht war: »Das ist doch nur so eine Redewendung, gnädige Frau. Sie waren eine der ersten Damen, die ich kennenlernte, als ich bei Madam anfing, und Sie sind seither keinen Tag älter geworden.«

»Genau dasselbe sagt Wilson Fairbairn auch immer, und ich glaube ihm kein Wort. Aber ich höre es trotzdem gern. Auf Wiedersehen, meine Liebe. Sie sorgen doch dafür, daß meine Hüte morgen fertig sind, nicht wahr?«

»Aber gewiß, gnädige Frau.« Emily begleitete Mrs. Fairbairn nach draußen. »Ah, da ist ja Benson«, krähte diese, als sie durch die Eingangstür trat, und fügte dann verschmitzt hinzu: »Er haßt es, die Kutsche um den Block zu führen. Sei nicht gut für die Pferde, sagt er. Und gerade deshalb bleibe ich mit Absicht immer ein wenig länger, müssen Sie wissen.«

Emily beobachtete erstaunt, wie die füllige Dame leichtfüßig wie ein junges Mädchen die drei Stufen zur Straße hinuntertrippelte, in der Kutsche Platz nahm und ihr dann zum Abschied noch einmal huldvoll zuwinkte.

Esther McCann hatte im Foyer auf Emily gewartet und meinte nun zu ihr: »Donnerwetter, das ist vielleicht eine Marke. Aber irgendwie mag ich sie. Kürzlich hörte ich, daß die Firma ihres Gatten in Schwierigkeiten steckt. Ob sie das wohl weiß?«

»Denke ich schon. Aber wie ich sie einschätze, hat sie bestimmt beschlossen, keine Notiz davon zu nehmen«, entgegnete Emily und nickte nachdenklich mit dem Kopf. »Und wie läuft es hier?«

»Ganz gut soweit. Lady Steele war da.«

»Lady Steele? Wie nett... was wollte sie denn? Hüte?«

»Ja, einen vorläufig. Es ist schon komisch mit diesen Titeln. Da ist Lady Steele, die keinen Penny in der Tasche hat und dennoch versucht, ihren Standard zu halten und die Liebenswürdigkeit in Person ist, und dann die andere, diese Lady Wearmore ... Ich kann diese Person nicht ausstehen.«

»Da bin ich ganz deiner Meinung, Esther... Wo ist denn Madam?«

»Na, wo wohl? Nebenan, wie immer. Es wird wunderschön, nicht wahr?«

»Ja, großartig«, sagte Emily und senkte dann die Stimme. »Bevor Lena und du heute abend nach Hause geht, möchte Madam noch ein Wort mit euch reden. Lena soll doch die Änderungen übernehmen, und du wirst ihr dabei zur Hand gehen. Aber zusätzlich brauchen wir noch zwei Kräfte für die Werkstatt hier, und darüber möchte sie mit euch sprechen.«

Esther McCann nickte. »Ja, darüber habe ich mit Lena auch schon gesprochen. Wir sind übereingekommen, daß wir lieber die Änderungen oben machen wollen, als weiter hier unten zu arbeiten. Nicht daß Sie denken...«, fügte sie mit veränderter Stimme hinzu, »... daß es uns hier nicht gefällt, aber Sie wissen schon, was ich meine.«

»Ja, ich weiß, was du meinst. Mir wäre es auch lieber so. Hüte sind nun mal mein Beruf; damit kenne ich mich aus, und dabei sollte ich bleiben. Was sagst du dazu?«

»Vollkommen richtig!«

Emily lächelte still vor sich hin, als sie durch den kurzen Flur und die neue Verbindungstür in das kürzlich erworbene Nachbarhaus ging. Diese Tür führte zunächst in einen bis in Schulterhöhe holzvertäfelten, unmöblierten Raum, von dem aus sie die Diele betrat. Diese war ebenfalls holzvertäfelt, hier jedoch vom Boden bis zur Decke, und mit einem Sideboard, einem Hutständer und drei Stühlen ausgestattet. Sie öffnete die Tür zum Salon. Die bewußt spärliche Einrichtung dieses Raumes sollte dem Besucher ein Gefühl von Weite vermitteln, das die blaßblauen Stofftapeten noch wirkungsvoll unterstrichen.

Da sie Mrs. Arkwright im Salon nicht vorfand, ging sie weiter ins Eßzimmer. Auch hier waren die Wände panelliert, aber nur bis zur Höhe der Stuhllehnen. Dieser Raum wirkte als einziger bereits bewohnt und strahlte, vielleicht wegen der silbernen Vorlegeplatten, die in einem Rosenholzregal standen, eine gewisse Behaglichkeit aus.

Emily verzichtete darauf, hinunter in die Küche zu schauen, wo sie um diese Uhrzeit sicherlich Mary Pollock, die Köchin, antreffen würde, die nur sehr widerstrebend ihr neues Reich bezogen hatte. Stattdessen drehte sie sich um und ging auf die Treppe zu, die in die oberen Räume führte.

Die Treppenstufen sowie der Treppenabsatz waren noch nicht mit Teppichen ausgelegt, und als sie gerade weiter ins Dachgeschoß hochsteigen wollte, hörte sie eine gedämpfte Stimme sagen: »Hier oben wirst du mich nicht finden, Emily.«

Lächelnd stieß sie die Tür zu Mrs. Arkwrights Schlafzimmer auf. »Wie konnten Sie wissen, daß ich es bin?«

»Inzwischen kenne ich deinen Schritt. Und zudem würde außer dir keiner mehr auf dem Speicher nach mir suchen. Du meine Güte, was die Leute alles wegwerfen! Stell dir vor, dort oben stehen doch tatsächlich zwei original Sheraton-Stühle. Die Mäuse haben sich zwar an den Sitzpolstern gütlich getan, aber was macht das schon? Ein Stückchen Stoff, und sie sind wieder wie neu ... Na, was guckst du so? Weil ich endlich meine alte Zinntruhe auf gemacht habe? Was da wohl drin sein mag, das interessiert dich schon seit Jahren, nicht wahr? Und vor dir hat es schon deine Mutter beschäftigt. Warum sie wohl immer in meinem Schlafzimmer stand, mit einem Chenilletuch zugedeckt, habt ihr euch gefragt, stimmt’s? Ja, ja, ich weiß Bescheid«, nickte die alte Dame mit wissender Miene und fuhr dann fort: »Nun, langer Rede kurzer Sinn, ich habe diese Truhe jahrelang aufbewahrt, quasi als Warnung für mich, nicht überkandidelt zu werden. Eines Tages, als ich ein bißchen Glück hatte, wollte ich sie ausmisten und den ganzen Kram wegwerfen. Das habe ich auch getan, sie ausgemistet und dann den Deckel zugeklappt. Und nun steht sie da und starrt mich an. Und weißt du, was sie mir sagt?«

Emily lächelte schüchtern und schüttelte den Kopf, ohne zu antworten.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2023
ISBN (eBook)
9783986908362
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (November)
Schlagworte
Liebesroman Jahrhundertwende Roman Marie Lamballe Schicksalsroman Frauen Lucinda Riley Julia Kröhn Riviera-Roman Frauensaga Neuerscheinung eBooks

Autoren

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Titel: Der Hutsalon am Willington Place