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Die Lawsons – Anbruch einer neuen Zeit

Eine Familiensaga | Für Fans von Kate Morton und Rachel Hore

von Catherine Cookson (Autor:in) Elisabeth Schulte-Randt (Übersetzung)
©2024 576 Seiten

Zusammenfassung

Zwischen der rauen Landschaft Northumberlands und dem glanzvollen London – eine junge Frau in den Stürmen des Schicksals …

Anfang des 20. Jahrhunderts wächst Marie Anne behütet als Tochter wohlhabender Eltern auf. Doch als sie 14 ist, verändert ein einziger Moment alles: Marie Anne sieht etwas mit an, das nicht für ihre Augen bestimmt ist. Sie rennt davon, stürzt – und wird ausgerechnet von dem Mann gerettet, den alle hinter vorgehaltener Hand nur »den Gebrandmarkten« nennen. Marie Anne spürt instinktiv, dass sich hinter seinen Narben eine Geschichte verbirgt, die sich zu ergründen lohnt. Kurz darauf wird sie jedoch nach London geschickt, um in der Obhut ihrer strengen Tante zur perfekten Dame heranzureifen. AberMarie Anne will nicht länger still und gehorsam sein – ihr Herz liegt in Northumerland und dorthin will sie um jeden Preis zurückkehren …

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Anfang des 20. Jahrhunderts wächst Marie Anne behütet als Tochter wohlhabender Eltern auf. Doch als sie 14 ist, verändert ein einziger Moment alles: Marie Anne sieht etwas mit an, das nicht für ihre Augen bestimmt ist. Sie rennt davon, stürzt – und wird ausgerechnet von dem Mann gerettet, den alle hinter vorgehaltener Hand nur »den Gebrandmarkten« nennen. Marie Anne spürt instinktiv, dass sich hinter seinen Narben eine Geschichte verbirgt, die sich zu ergründen lohnt. Kurz darauf wird sie jedoch nach London geschickt, um in der Obhut ihrer strengen Tante zur perfekten Dame heranzureifen. Aber Marie Anne will nicht länger still und gehorsam sein – ihr Herz liegt in Northumberland und dorthin will sie um jeden Preis zurückkehren …

Über die Autorin:

Dame Catherine Ann Cookson (1906–1998) war eine britische Schriftstellerin. Mit über 100 Millionen verkauften Büchern gehörte sie zu den meistgelesenen und beliebtesten Romanautorinnen ihrer Zeit; viele ihrer Werke wurden für Theater und Film inszeniert. In ihren kraftvollen, fesselnden Schicksalsgeschichten schrieb sie vor allem über die nordenglische Arbeiterklasse, inspiriert von ihrer eigenen Jugend. Als uneheliches Kind wurde sie von ihren Großeltern aufgezogen, in dem Glauben, ihre Mutter sei ihre Schwester. Mit 13 Jahren verließ sie die Schule ohne Abschluss und arbeitete als Hausmädchen für wohlhabende Bürger sowie als Angestellte in einer Wäscherei. 1940 heiratete sie den Gymnasiallehrer Tom Cookson, mit dem sie zeitlebens zurückgezogen und bescheiden lebte. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1950; 43 Jahre später wurde sie von der Königin zur Dame of the British Empire ernannt und die Grafschaft South Tyneside nennt sich bis heute »Catherine Cookson Country«. Wenige Tage vor ihrem 92. Geburtstag starb sie als eine der wohlhabendsten Frauen Großbritanniens.

Bei dotbooks veröffentlichte Catherine Cookson auch ihre englischen Familiensagas »Die Thorntons – Sturm über Elmholm House«, »Die Emmersons – Tage der Entscheidung«, »Die Coulsons – Schatten über Wearcill House« und »Die Masons – Schicksalsjahre einer Familie«.

Bei dotbooks erscheinen außerdem ihre Schicksalsromane »Das Erbe von Brampton Hill«, »Sturmwolken über dem River Tyne«, »Sturm über Savile House«, »Der Himmel über Tollet’s Ridge«

 und »Der Hutsalon am Willington Place«.

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eBook-Neuausgabe Mai 2024

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1996 unter dem Originaltitel »The Branded Man«. Die deutsche Erstausgabe erschien 1999 unter dem Titel »Heimkehr ins Herrenhaus« im Heyne Verlag.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1996 by The Catherine Cookson Charitable Trust

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1999 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/HiSunnySky, Erik Laan und AdobeStock/Cary Peterson

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98952-159-9

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Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. In diesem eBook begegnen Sie daher möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Diese Fiktion spiegelt nicht automatisch die Überzeugungen des Verlags wider oder die heutige Überzeugung der Autorinnen und Autoren, da sich diese seit der Erstveröffentlichung verändert haben können. Es ist außerdem möglich, dass dieses eBook Themenschilderungen enthält, die als belastend oder triggernd empfunden werden können. Bei genaueren Fragen zum Inhalt wenden Sie sich bitte an info@dotbooks.de.

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Catherine Cookson

Die Lawsons – Anbruch einer neuen Zeit

Eine Familiensaga

Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Schulte-Randt

dotbooks.

Kapitel 1

Marie Anne konnte nicht glauben, was sie da beobachtete. Von ihrem Platz im tiefen Schatten der Eibenhecke blickte sie über die schmale Rasenfläche auf die beiden Gestalten, die vom hochstehenden Sommermond beschienen wurden. Sie lehnten an einem alten Weidenbaum, dessen rauhe Borke sich schartig im Gegenlicht abzeichnete, als wäre das Muster mit einem Taschenmesser hineingeritzt worden. Die Frau war ihre Schwester Evelyn, das wußte Marie Anne. Und sie wußte auch, daß sie Evelyn zutiefst haßte und daß dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Und dann der Mann, der bei ihr war ... ausgerechnet dieser. Das durfte nicht wahr sein! Robert Cranford! Er gehörte zu The Grange und war ein Cousin zweiten Grades von Mrs. Cranford, wie es hieß. Nach seiner Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt erholte er sich derzeit auf dem Wohnsitz der Familie von einem Fieber. Robert sah gut aus, und wenn er sprach, klang das so angenehm, daß Marie Anne ihm gerne zuhörte. Sie hatte ihn einmal getroffen, und bei diesem Anlaß hatte er sich mit ihr unterhalten und war sehr nett gewesen. Anschließend dachte sie nächtelang an Robert. O ja, ganze Nächte war er ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Und erst recht nicht, seit er am vergangenen Samstag beim Familienpicknick auf dem Gelände von The Grange ihr Haar berührt und gesagt hatte, es sehe aus wie poliertes Kupfer. Evelyn war auch dabei gewesen; aber mit ihr hatte Robert kaum gesprochen, und dennoch – die Worte hallten noch immer in ihrem Kopf wider – hatten beide Marie Anne nur benutzt. Evelyn hatte ihrer Mutter gesagt, es wäre gefährlich für Marie Anne, das Gelände von The Grange zu verlassen und zum Fluß hinunterzugehen, denn auf dem Feld von Farmer Harding lagerten Zigeuner.

In letzter Zeit war es bereits dreimal vorgekommen, daß Marie Anne etwas mit Evelyn unternahm und plötzlich Robert Cranford auftauchte. Bei einem dieser Zusammentreffen war Marie Anne zur Grenzmauer gerannt, um zum Zigeunerlager hinüberzuschauen, und als sie zurückkehrte, standen die beiden dicht beieinander und lachten.

Marie Anne blieb der Mund offenstehen, als sie beobachtete, wie ihre Schwester die Hände ausstreckte und das Gesicht des Mannes umfaßte. Dann bog Evelyn ruckartig den Körper vor, während Robert sie fest an sich riß. Ihre Gesichter verschmolzen miteinander, und Marie Anne schloß die Augen, da sie den Anblick nicht ertrug. Das war zuviel für sie. Robert war so nett zu ihr und Evelyn gewesen. Und jetzt? Oh, wie sie Evelyn haßte und verachtete. Evelyn, die von ihrer Mutter immer als leuchtendes Vorbild hingestellt wurde.

Als Marie Anne die Augen wieder öffnete, standen die beiden nicht mehr gegen den Baum gelehnt, sondern ein Stück davon entfernt, und Evelyns hatte den Kopf zurückgelegt, als würde sie vor Robert zurückweichen. Gleichzeitig aber ließ ihre Schwester zu, daß er sie berührte. Oh, lieber Gott! Gott im Himmel! Was sollte Marie Anne nur machen? Sollte sie sich auf die beiden stürzen? Das durfte er nicht tun! Es war schlecht, eine schlimme Sünde. Er hatte seine Hände unter die Sommerbluse ihrer Schwester geschoben, die nahezu aufgeknöpft war. Wieder schloß Marie Anne die Augen und krallte die Hände in der Eibenhecke, bis die zerdrückten Blätter in ihre Handflächen stachen. Sie mußte fort von hier, zurück zum Haus rennen und jemandem davon erzählen.

Sei nicht albern, blamiere dich nicht, hörte Marie Anne eine innere Stimme. Sie kannte dieses Gefühl, das sie oft in ihrem Drang bremste, einfach loszulaufen. Besonders, wenn sie müde war und noch immer das Bedürfnis verspürte, einfach davonzustürmen. Nur in The Little Manor, dem Kleinen Herrenhaus, das ganz in der Nähe lag und der Wohnsitz ihres Großvaters war, genoß sie uneingeschränkte Freiheit.

Als Marie Anne die Augen wieder öffnete und zu dem Paar hinüberblickte, standen die beiden nicht mehr aufrecht.

Im nächsten Augenblick – und nur für eine Minute – sah Marie Anne einen Mann ohne Unterhose, und die Beine ihrer Schwester waren bis zu den Oberschenkeln entblößt, während beide sich verhielten, als wären sie Tiere auf der Weide oder ungenierte Hofhunde.

Den Saum ihres Kleides hochhebend, fuhr Marie Anne auf dem Absatz herum und rannte durch die kurze Eibenallee in den Wald.

Aber sie schlug nicht den Weg zu den Gärten des Herrenhauses ein, sondern schlüpfte durch ein Loch in der Grenzmauer und floh über die Felder, bis sie den Fluß erreicht hatte. Dort überkam sie ein großes Verlangen, sich ins Wasser zu stürzen und überall zu waschen, ohne dabei ihren Körper anzusehen. Nie wieder wollte sie einen Blick auf ihren Körper werfen, niemals im Leben. Atemlos keuchend blieb Marie Anne stehen. In ihrer Brust spürte sie einen heftigen Schmerz. Und in einem weiteren Punkt war sie sich sicher: Die Gegend um das Baumhaus würde sie nie wieder betreten. Früher einmal hatte es oben in den Ästen ein schönes Baumhaus gegeben, bis Pat herunterfiel und sich den Arm brach. Vincent hatte Marie Anne die Leiter hinaufgetragen und sie oben mit brutaler Gewalt auf einen Ast geschoben. Damals war sie sechs Jahre alt gewesen, und ihr kam es vor, als hätte sie ihr Leben lang mit ihrem Bruder gekämpft. Es hatte jedes Mal damit begonnen, daß er sie kitzelte, bevor er sie vom Boden hochhob, ihr ins Gesicht starrte und sie als elendes Balg beschimpfte. Aber an jenem Tag hatte Marie Anne geschrien, daß es durch den ganzen Wald hallte, und ihr Großvater hatte daraufhin angeordnet, das Baumhaus abzureißen.

Von da an schien, von ihr selbst abgesehen, niemand mehr das kleine Rasenstück und den einsam stehenden Baum aufzusuchen. Wann immer Marie Anne vermißt wurde, nahm man an, sie würde irgendwo auf dem Gelände umherrennen. Und das, obwohl man sie meist auf dem Boden sitzend fand, mit dem Rücken an den Baum gelehnt, während sie bizarre Skizzen von Vögeln und Tieren anfertigte.

Später, als sie auf die Schule von Miß Taggert in Hexham geschickt wurde, endete auch diese Zeit, weil Marie Anne fortlief. Sie war nicht wirklich ausgerissen, sondern einfach in einen Zug gestiegen und nach Hause zurückgefahren.

Danach berieten sie wieder darüber, Marie Anne wegzuschicken, doch es war noch nicht beschlossen, wohin. Ihre Mutter sprach sich für Tante Martha in London aus, wo Marie Anne ihre musikalische Ausbildung fortsetzen sollte, denn wenn sie etwas gut konnte, dann war es Klavier spielen. Bereits als kleines Kind hatte sie Melodien spielen gelernt, ohne die Noten zu kennen.

Marie Anne wollte sich eben an das Flußufer setzen, als sie durch ein Rascheln im Unterholz hinter sich aufgeschreckt wurde. Da sie tatsächlich Schritte hörte und eine große Gestalt entdeckte, die sich langsam vom Gebüsch ablöste und ins Mondlicht trat, stieß das junge Mädchen einen Schrei aus, der wie das Kreischen eines Tieres klang, das in der Falle saß. Wieder rannte Marie Anne blindlings und mit gesenktem Kopf davon.

Sie erinnerte sich nicht mehr, daß sie gestolpert war, sondern nur noch daran, wie etwas gegen ihren Kopf schlug.

Als sie wieder zu sich kam, öffnete Marie Anne nicht sofort die Augen. Sie spürte lediglich, daß sie auf hartem Untergrund lag. Bei dem Versuch, sich zu bewegen, stöhnte sie auf, da ihr Fuß schmerzte, doch erst das unheimliche Gesicht, das sich plötzlich über sie beugte, ließ sie laut aufschreien. Als die Person zu sprechen begann, verlor Marie Anne erneut das Bewußtsein.

Als nächstes nahm sie erst wieder wahr, wie sie sanft von einer Seite auf die andere bewegt wurde. Sie hätte es als angenehm empfunden, wäre nicht der Schmerz in ihrem Kopf gewesen, der jetzt bis in ihren Fuß hinunter ausstrahlte.

Es war beinahe zehn Uhr, und das Haus befand sich noch immer in Aufruhr, als Robert Green, der Lakai und Hausdiener, dem zweiten Hausmädchen Fanny Carter erzählte, wie er gerade die Eingangshalle durchquert hatte, als er ein lautes Klopfen an der Vordertür vernahm. Er öffnete, doch niemand war zu sehen. Aber auf der Stufe lag ein Blatt Papier. Und obwohl die Zufahrt vor dem Haus in Mondlicht getaucht und taghell war, konnte er niemanden entdecken. Wer immer die Nachricht abgeliefert hatte, war anscheinend in den Büschen verschwunden. »Nun, auf dem Papier stand etwas gekritzelt«, sagte Green. »Aber ich konnte nichts Genaues erkennen.« Niemals hätte er zugegeben, daß er nicht lesen konnte. »Mr. Pickford«, fuhr er fort, »war bereits schlafen gegangen, da heute sein freier Tag war. Aber ich mußte ihn trotzdem wecken, worüber er sich nicht gerade erfreut zeigte. Nun, wieso auch? Er hatte einen ziemlich schweren Kopf, wie immer an seinem freien Tag, denn da betrinkt er sich jedesmal. Auf alle Fälle sagte er, daß er die Schrift auch nicht entziffern könne. Das war zu erwarten, nicht wahr?«

»Ja, natürlich«, bestätigte Fanny und fügte belehrend hinzu: »Ich kann dir sagen, was das Beste gewesen wäre, Robert. Als nächstes hättest du hinausgehen und Peter Crouch wecken sollen, damit er den Zettel liest. Es ist zum Lachen, wenn man darüber nachdenkt. Crouch ist nur ein einfacher Hofgehilfe und trotzdem der Einzige von uns, der lesen kann.«

»Nun«, sagte Robert Green, »das kann er auch nur, weil er in einem Heim aufgewachsen ist, das gerade mal ein wenig besser war als ein Arbeitshaus, und dort hat man es ihm eingeprügelt, wenn du mich fragst.«

»Ja, mag sein. Und deshalb laßt ihr noch heute jeden Ärger an ihm aus. Aber erzähl weiter, was als nächstes passiert ist.«

»Nun, er las den Zettel, und wir wollten kaum glauben, was darauf geschrieben stand. ›Ihre Tochter liegt verletzt unten an der Mauer am Fluß. Sie braucht Hilfe.‹«

»Peter hatte Angst, dem Herrn die Nachricht zu überbringen«, fuhr Robert fort. »Wir mußten Mrs. Piggott holen, die leise nach oben ging, um nachzusehen, welche der beiden Töchter zu Hause war. Miß Evelyn entkleidete sich gerade für die Nacht, aber Marie Annes Zimmer war leer. Ich dachte, der Herr würde einen Anfall bekommen, denn es sah wirklich danach aus. Die Stimme der Herrin hörte ich nur einmal, als sie sagte: ›Das reicht jetzt. Dieses Mal muß etwas geschehen, hörst du? Und zwar schnell!‹ Er antwortete halblaut: »Was ist mit Vater?‹ Worauf sie entgegnete: »Was soll schon mit Vater sein? Diesem Kind müssen unbedingt Zügel angelegt werden.«

»Arme Miß Mary Anne.«

»Du paßt besser auf mit deinem Mary Anne. Was die Herrin von Mary Anne hält, weißt du.«

»Ja, das weiß ich. Und ich weiß auch, was ich von dieser Frau halte.«

»Sei still! Dir ist doch klar, was passiert, wenn du eines Tages zuviel sagst.«

»Nun, den Weltuntergang würde es nicht bedeuten, und wenn du etwas schlauer wärst, wüßtest du das auch.«

»Und wenn du ein bißchen mehr Verstand hättest, meine Kleine, dann wäre dir klar, daß du nirgends besser lebst als bei uns, was Essen, Kleidung, Ausgang oder dergleichen angeht.«

»Ausgang? Erzähl mir bloß nichts von Ausgang! Ein Tag pro Monat, und das erst ab ein Uhr Mittag, und vor dem Dunkelwerden müssen wir wieder zurück sein. Also komm mir nicht damit.«

Robert stieß Fanny in die Seite und sagte: »Verschwinde in deine Kammer.«

Als Antwort fuhr Fanny ihn spitz an: »Schubs mich nicht, Robert Green«, dann wandte sie sich um und stob davon.

Robert blieb einen Augenblick stehen und sah ihr nach, während er den Kopf schüttelte und sich fragte, warum er sich überhaupt etwas aus Fanny machte. Sie war nur das zweite Hausmädchen und würde kaum aufsteigen, solange Carrie Jones Dienst im Haus tat.

Mrs. Lena Piggott, die Haushälterin, sagte zu Carrie Jones: »Geh rasch nach unten und sag Bill Winters Bescheid, daß der Arzt Holzstäbe zum Schienen braucht.«

»Holz?« fragte Carrie.

»Ja, ich sagte Holzstäbe.«

»Aber in welcher Größe denn, Mrs. Piggott? Es gibt dicke, dünne, lange und kurze Holzstäbe.«

»Warte.« Die Haushälterin wiegte den Kopf hin und her, während sie nachdachte. »Sag ihm, daß damit ein gebrochener Knöchel geschient werden soll. Und jetzt beeil dich!«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2024
ISBN (eBook)
9783989521599
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Mai)
Schlagworte
Familiensaga Liebesroman Jahrhundertwende Roman Schicksalsroman Frauen England-Roman Kate Morton Rachel Hore Downton Abbey Neuerscheinung eBooks

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