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Der Himmel über Lake Henry

Roman | Blake-Schwestern 2 – Ein berührender Kleinstadtroman für alle Fans von Susan Wiggs

von Barbara Delinsky (Autor:in) Georgia Sommerfeld (Übersetzung)
©2023 437 Seiten
Reihe: Die Blake-Schwestern, Band 2

Zusammenfassung

Kann sie ausgerechnet hier ein neues Glück finden? Der berührende Roman »Der Himmel über Lake Henry« von Barbara Delinsky jetzt als eBook bei dotbooks.

Als erfolgreiche Sängerin ist Lily Blake es gewohnt, Tag für Tag im Scheinwerferlicht zu stehen – doch als ein Klatschreporter ihr eine skandalöse Affäre andichtet, die ihren Ruf ruinieren könnte, sieht sie keine andere Möglichkeit, als vor den unbarmherzigen Medien in ihre Heimatstadt am Lake Henry zu flüchten. Dort schert sich niemand um Lilys glamouröse Karriere und sie kann einfach sie selbst sein … doch wer ist das eigentlich? Während Lily mühsam versucht, das Band zu ihrer Mutter und ihrer Schwester Poppy neu zu knüpfen, die ihr ganzes Leben am Lake Henry verbracht haben, verliebt sie sich gleichzeitig in den charmanten Fotografen John. Doch sie weiß nicht, dass John früher als Reporter gearbeitet hat …

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der bewegende Kleinstadtroman »Der Himmel über Lake Henry« von New-York-Times-Bestsellerautorin Barbara Delinsky ist der zweite Roman ihrer mitreißenden »Blake Schwestern«-Reihe, deren Büchern unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Als erfolgreiche Sängerin ist Lily Blake es gewohnt, Tag für Tag im Scheinwerferlicht zu stehen – doch als ein Klatschreporter ihr eine skandalöse Affäre andichtet, die ihren Ruf ruinieren könnte, sieht sie keine andere Möglichkeit, als vor den unbarmherzigen Medien in ihre Heimatstadt am Lake Henry zu flüchten. Dort schert sich niemand um Lilys glamouröse Karriere und sie kann einfach sie selbst sein … doch wer ist das eigentlich? Während Lily mühsam versucht, das Band zu ihrer Mutter und ihrer Schwester Poppy neu zu knüpfen, die ihr ganzes Leben am Lake Henry verbracht haben, verliebt sie sich gleichzeitig in den charmanten Fotografen John. Doch sie weiß nicht, dass John früher als Reporter gearbeitet hat …

Über die Autorin:

Barbara Delinsky wurde 1945 in Boston geboren und studierte dort Psychologie und Soziologie. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes arbeitete sie als Fotografin für den Belmont Herald, erkannte aber bald, dass sie viel lieber die Texte zu ihren Fotos schrieb. Ihr Debütroman wurde auf Anhieb zu einem großen Erfolg. Inzwischen hat Barbara Delinsky über 70 Romane veröffentlicht, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurden und regelmäßig die New–York–Times–Bestsellerliste stürmen. Sie engagiert sich außerdem sehr stark für Wohltätigkeitsvereine und Aufklärung rund um das Thema Brustkrebs. Barbara Delinsky lebt mit ihrem Mann in New England und hat drei erwachsene Söhne.

Die Website der Autorin: barbaradelinsky.com/

Bei dotbooks veröffentlichte Barbara Delinsky auch ihre Romane:

»Die Schwestern von Star’s End«

»Jennys Geheimnis«

»Das Weingut am Meer«

»Julias Entscheidung«

»Lauras Hoffnung«

»Die alte Mühle am Fluss«

»Der alte Leuchtturm am Meer«

»Sturm am Lake Henry«, Die Blake–Schwestern 1

»Heimkehr nach Norwich«

»Das Leuchten der Silberweide«

»Das Licht auf den Wellen«

»Ein Neuanfang in Casco Bay«

»Im Schatten meiner Schwester«

»Rückkehr nach Monterey«

»Drei Wünsche hast du frei«

»Ein ganzes Leben zwischen uns«

»Jedes Jahr auf Sutters Island«

»Was wir nie vergessen können«

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eBook-Neuausgabe Dezember 2023

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1999 unter dem Originaltitel »Lake News« bei Simon & Schuster, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Die Affäre der Lily Blake« bei Droemer Knaur.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1999 by Barbara Delinsky

Published by Arrangement with Barbara Delinsky

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98952-040-0

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Barbara Delinksy

Der Himmel über Lake Henry

Roman

Aus dem Amerikanischen von Georgia Sommerfeld

dotbooks.

Kapitel 1

Lake Henry, New Hampshire

Das Schwarz der Nacht milderte sich, wurde zu einem tiefen Blau, das gemächlich in ein helles Blau überging, der Spitze eines Baumes, der Dachgaube eines Häuschens, der in den See hinausgestreckten, verwitterten Zunge eines hölzernen Bootsstegs allmählich Form verlieh. Das galt für einen klaren Tag. Heute nahmen die Konturen langsamer Gestalt an, reduzierte Nebel den See zu einer Milchglasscheibe, verschwammen die leuchtenden Herbstfarben am Ufer zu einem hellen Gold-Orange-Grün ineinander. Hier und da deutete ein pastellroter oder blassblauer Tupfen ein am See gelegenes Haus an, doch Einzelheiten verloren sich im zartgrauen Dunst. Ebenso wie die Trennlinie zwischen Wasser und Land. Kein Lüftchen regte sich, kein Laut störte die Stille. Es war, als sei alles in einen schützenden Kokon eingesponnen.

John Kipling genoss die Stimmung. Das Einzige, was ihm nicht gefiel, war die Kälte. Er war noch nicht auf das Ende des Sommers eingestellt, aber die Tage waren bereits merklich kürzer als vor zwei Monaten. Die Sonne ging früher unter und später auf, und die Kühle der Nacht wich nur zögernd. Er spürte es. Seine Seetaucher spürten es. Die kleine Familie, die er beobachtete, Vater, Mutter und zwei Junge, würde noch fünf Wochen auf dem See bleiben, war aber schon unruhig, schaute in einer Weise zum Himmel, die nicht Wachsamkeit signalisierte, sondern den Gedanken an den Flug in wärmere Gefilde.

Im Augenblick ließen die Vögel sich keine sechs Meter von seinem Paddelboot und keine drei Meter von der winzigen kiefernbestandenen Insel entfernt treiben, in deren geschützter Bucht sie den Sommer verbracht hatten. Die Insel war eine von vielen, die den Lake Henry sprenkelten. Neben der Klarheit des Wassers, der Stille des Sees und dem Überfluss an kleinen Fischen waren es diese Inseln, die die Seetaucher Jahr um Jahr hierher lockten, konnten sie doch an Land nur rutschen, da ihre Beine unter den großen, plumpen Körpern zu weit hinten saßen. Also bauten sie ihre Nester direkt am Ufer der Inseln, wo sie relativ einfach ins Wasser und wieder hinaus gelangten, aber es tat John in der Seele weh, zu sehen, wie sie sich selbst auf den wenigen Zentimetern zwischen Wasser und Nest abmühten.

In jeder anderen Hinsicht boten sie jedoch einen bemerkenswerten Anblick. Seit die Jungen im Juli ausgeschlüpft waren, hatte er verfolgt, wie sich ihr Federkleid vom schwarzen Babyflaum über Kleinkind-Braun zu einem Halbwüchsigen-Grau gewandelt hatte, das es nicht wert gewesen wäre, in einem Brief an die Lieben daheim erwähnt zu werden, aber sie hatten die spitzen Schnäbel und langen, dicken Hälse ihrer Eltern und ließen eine künftige Pracht erahnen – und die Eltern, ah, die Eltern, waren wirklich prächtig, sogar jetzt, im Herbst, da ihr Sommerkleid zu verblassen begann, sogar an diesem Morgen, durch den Schleier eines zartgrauen Dunstes gesehen. Sie waren wunderschön mit den weißen Tupfen auf den schwarzen Rücken, den weißen Kehlen, den kräftigen schwarzen Köpfen und den ausgeprägten, spitzen Schnäbeln. Als sei das noch nicht beeindruckend genug, besaßen sie Aufsehen erregende runde rote Augen. John hatte gehört, dass das Rot die Unterwassersehkraft verstärkt, und er hatte keine Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung. Diesen Augen entging nicht viel.

Im Augenblick schwammen die Vögel gemächlich in der Bucht herum, wobei sie die Köpfe unter das Gefieder steckten, um sich zu putzen, oder ins Wasser, um nach Fischen zu tauchen. Als eines der Alttiere seinen Körper anspannte, die Beine grätschte und dank der Kraft seiner mit Schwimmhäuten versehenen Füße mit dem Kopf voraus unter die Wasseroberfläche ging, wusste John, dass der Vogel sich den Bauch mit bis zu fünfzehn Elritzen vollschlagen würde, bevor er in einiger Entfernung wieder auftauchte.

Er durchforschte den Nebel, bis er ihn entdeckte. Sein Gefährte ließ sich, noch immer in der Nähe der Insel, treiben, die Alttiere waren wachsam, spähten durch den Nebel mit erhobenen Schnäbeln. Später am Morgen würden sie ihre Jungen sich selbst überlassen, mühsam auf dem Wasser Anlauf nehmen und sich schwerfällig in die Luft erheben, eine oder zwei Runden drehen, bis sie ausreichend an Höhe gewonnen hatten, um die Bäume unter sich zu lassen, und dann zu einem benachbarten See fliegen, um dort ansässige Seetaucher zu besuchen. Nach der Einsamkeit, die die Monate der Aufzucht ihrer Jungen den beiden auferlegt hatte, war es an der Zeit, dass sie in Vorbereitung auf den Zug an die warme Atlantikküste ihre sozialen Fähigkeiten auffrischten.

Seit zehntausenden von Jahren wiederholten die Seetaucher dieses Ritual. Die gleiche Intelligenz, die ihr Überleben in all dieser Zeit gesichert hatte, sagte ihnen auch in diesem Jahr, dass der September in die zweite Hälfte ging, der Oktober kältere Tage und frostige Nächte und der November Eis mit sich bringen würde. Da sie für ihren Start eine beträchtliche Fläche offenen Wassers benötigten, müssten sie aufbrechen, ehe der See zufröre. Und das würden sie auch. In den Jahren, die er hier aufgewachsen war, und seit seiner Rückkehr vor drei Jahren hatte John nicht viele Seetaucher gesehen, denen das Eis ein Schnippchen geschlagen hatte. Sie verfügten über gute Instinkte, machten kaum jemals Fehler.

John machte Fehler und diese sehr oft. Wie heute Morgen, als er das Haus in T-Shirt und Shorts verlassen hatte, um den Sommer zu beschwören. Mit zwanzig hätte er die Kälte noch weggesteckt, doch jetzt, mit über vierzig, war er zwar noch immer einen Meter achtundachtzig groß und gesund, aber die leicht steifen Knie, die Fältchen um die Augen, die Geheimratsecken und die nicht mehr so gut durchbluteten Gliedmaßen zeigten deutlich, dass sein Körper nicht mehr der Jüngste war.

Aber er war nicht bereit, das Feld zu räumen. Noch nicht. Die Seetaucher lieferten vielleicht keinen Stoff für einen Bestseller, aber er hatte sich noch nicht an ihnen satt gesehen. Er saß regungslos in seinem Boot, hatte die Hände, um sich zu wärmen, unter die Achseln geklemmt, das lange Paddel vor sich aufgelegt. Die Seetaucher waren zwar an seine Gegenwart gewöhnt, aber er wollte nichts riskieren. Solange er Abstand hielt und ihr Revier respektierte, würden sie ihn damit belohnen, ihn an ihrem Leben teilhaben zu lassen – ihm erlauben, ihrem Gesang lauschen zu dürfen. Wenn die Welt unwirklich still war – nachts, bei Tagesanbruch, an Morgen wie diesem, wo der Nebel alle anderen möglichen von Leben am See kündenden Geräusche verschluckte –, erklang das zarte Lied des Seetauchers. So wie jetzt, atemberaubend, ein aus vibrierender Kehle aufsteigendes urzeitliches Tremolo, so schön, so geheimnisvoll, so wild, dass John eine Gänsehaut bekam.

Es enthielt auch eine Botschaft. Das Tremolo war ein Warnruf. In diesem Fall zwar nur ein leiser, aber John nahm ihn ernst. Kaum hörbar schabte Holz über Fiberglas, als er das Paddel hob, und dann schwappte leise Wasser an die Wände, während er sein Boot rückwärts bewegte. Als er den Abstand um weitere drei Meter vergrößert hatte, hielt er an und legte das Paddel so gut wie lautlos quer vor sich auf, stützte die Arme auf die Oberschenkel und schaute, lauschte und wartete.

Nach einer Weile streckte der ihm am nächsten auf dem Wasser treibende Seetaucher den Kopf vor und stieß einen langgezogenen, durchdringenden, ja klagenden Laut aus. Er ähnelte dem Heulen eines Kojoten, doch John hätte diesen Ruf niemals verwechselt. Der Schrei des Seetauchers war gleichzeitig urgewaltiger und zarter.

Dieser war der Beginn eines Dialogs. Ein Alttier rief das andere. In rascher Folge ertönten gespenstische Rufe, die den weiter draußen schwimmenden Vogel veranlassten, sich Johns Nachbarn zu nähern. Selbst als nur noch drei Meter zwischen den beiden lagen, führten sie ihre lautstarke Unterhaltung fort, wobei sie ihre Schnäbel kaum öffneten und ihre gereckten Hälse bei jedem Laut anschwollen.

John bekam wieder eine Gänsehaut. Deshalb war er an den See zurückgekehrt, hatte sich, nachdem er New Hampshire mit fünfzehn Jahren verlassen hatte, mit vierzig anders besonnen. Manche sagten, er sei aus beruflichen Gründen zurückgekommen, andere sagten wegen seines Vaters, aber in Wahrheit hatte seine Rückkehr letztendlich mit diesen Vögeln zu tun. Sie verkörperten Ursprünglichkeit und Wildheit, aber auch Einfachheit, Ehrlichkeit und Sicherheit für ihn.

Das Leben eines Seetauchers bestand aus Essen, Gefiederpflege und Fortpflanzung. Es war ein ehrliches Leben, ohne Vortäuschungen, Ehrgeiz und Grausamkeit, in dem nur die Verteidigung der eigenen Existenz zu einer Verletzung anderer führte. John fand das höchst erfrischend.

Und so blieb er noch, obwohl er wusste, dass er aufbrechen sollte. Es war Dienstag. Die »Lake News« müsste morgen Mittag in der Druckerei sein. Das Material seiner Korrespondenten – er hatte in jedem der umliegenden Orte einen Zuträger – war bereits im Haus. Vorausgesetzt, die entsprechenden Briefkästen enthielten die ihm von örtlichen Drahtziehern, also den Einflussreichen und Mächtigen – wobei einflussreich und mächtig relativ zu sehen war –, versprochenen Artikel, würde er in letzter Minute einen ganzen Stapel lesen, redigieren, tippen, zerschneiden und zusammenkleben müssen. Wenn die Artikel nicht in den Kästen wären, würde er Lake Henry und den vier Nachbargemeinden, die die Zeitung bediente, abtelefonieren und die auf diesem Weg ergatterten Informationen selbst zu Beiträgen formulieren – und wenn ihm am Ende noch Platz bliebe, würde er diesen ein weiteres Mal mit einem Text von Henry David Thoreau füllen.

Auch damit wäre kein Bestseller zu machen. Bestseller mussten originell sein. Er hatte Notizbücher voller Möglichkeiten, Aktenordner voller Anekdoten, die er seit seiner Rückkehr an den See gesammelt hatte, aber keine davon stachelte seinen Eifer an, ein Buch zu schreiben. Die »Lake News« stachelten seinen Eifer an – von Dienstagmittag bis Mittwochmittag. Er war ein Mann, der zur Höchstform auflief, wenn er die Faust im Nacken hatte. Er liebte es, wenn die Redaktion vor Hektik vibrierte, er liebte es, den Chefredakteur bis an den Rand seiner Nervenkraft hinzuhalten.

Jetzt war er natürlich selbst der Chefredakteur. Und der Herstellungsleiter. Und der Bildredakteur, der Klatschkolumnist und der Layouter. Die »Lake News« war nicht die »Boston Post«. Nicht im Entferntesten. Es gab Momente, da störte ihn das. Im Augenblick nicht.

Das Paddel blieb an seinem Platz, die Seetaucher setzten ihre Unterhaltung fort. Als sie eine Pause machten, wagte John, den Ruf nachzuahmen. Einer der Vögel antwortete ihm, und in diesem kurzen, berauschenden Moment fühlte er sich als Familienmitglied. Gleich darauf nahmen die Vögel ihr Gespräch wieder auf, und er war ausgeschlossen, wieder Angehöriger einer fremden Gattung.

Aber er fror nicht. Nicht mehr. Die Sonne löste den Nebel auf. Als sich schließlich blauer Himmel zeigte, schätzte John die Zeit auf kurz vor neun. Er streckte seine Beine aus, lehnte sich zurück und stützte die Ellbogen auf den Bootsrand, hob das Gesicht der Sonne entgegen, schloss die Augen, stieß zufrieden einen tiefen Seufzer aus und lauschte den Seetauchern.

Als die Sonne auf seinen Lidern zu brennen begann und das Gewicht seiner beruflichen Pflicht zu schwer wurde, um noch länger ignoriert werden zu können, richtete er sich auf. Ein paar Minuten beobachtete er die Vögel noch und sog in sich auf, was immer es auch war, das diese Tiere ihm gaben. Dann griff er nach dem Paddel und machte sich auf den Heimweg.

Das Schöne an einem Bart war, dass er einem die tägliche Rasur ersparte. John trug ihn kurz geschnitten, was gelegentliche Nachbesserungen notwendig machte, ihn aber der lästigen und nicht selten blutigen Prozedur enthob, zu der er früher gezwungen gewesen war. Auch eine Krawatte brauchte er hier nicht. Kein gebügeltes Hemd. Keinen Nadelstreifen, nur Jeans. Er musste nicht einmal darauf achten, zwei zusammenpassende Socken zu tragen, denn im Sommer steckten seine Füße nackt in Birkenstocksandalen und im Winter in Stiefeln, und da spielte es keine Rolle, was für Socken er anhatte, denn niemand sah sie.

Es war immer noch ungewohnt für ihn, bereits zehn Minuten nach dem Aufstehen geduscht, angezogen und unterwegs zu sein. Und auf was für einer Straße! Hier gab es keinen Verkehr. Keine anderen Autos. Keine Hupen. Keine Polizisten. Keine Geschwindigkeitsbeschränkung. Die Straße, die er jetzt entlangfuhr, war von Bäumen gesäumt, die kurz vor dem Höhepunkt ihrer herbstlichen Farbenpracht standen, und ihre Kurven entsprachen in groben Zügen den Krümmungen des Seeufers. Die Fahrbahn war nach den Frostperioden vieler Jahre rissig. Die meisten Straßen im Ort sahen ebenso aus. Sie erlegten einem zwangsläufig Geschwindigkeitsbeschränkungen auf, und den Leuten in Lake Henry gefiel es so. Sie waren nicht darauf aus, Touristen anzulocken, wie es viele andere Ortschaften am See taten. Es gab kein Gasthaus, keine schicken, kleinen Geschäfte. Obwohl in der Gemeindeversammlung alljährlich hitzige Diskussionen darüber geführt wurden, gab es keinen öffentlichen Zugang zum Wasser. Wer auf den See hinausfuhr, war entweder ein Anwohner oder ein Freund eines Anwohners oder ein Unbefugter.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2023
ISBN (eBook)
9783989520400
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Dezember)
Schlagworte
Schicksalsroman Frauenschicksal Roman Liebesroman Bestseller-Autorin Frauenroman Kleinstadt-Roman Virgin River Susan Wiggs Nora Roberts Neuerscheinung eBooks

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