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Im Abgrund der Macht

Zwei Thriller in einem eBook: "Kalte Macht" und "Der Lobbyist"

©2022 859 Seiten

Zusammenfassung

Politik und andere Verbrechen: Der erschreckend realistische Thriller-Sammelband »Im Abgrund der Macht« von Jan Faber jetzt als eBook bei dotbooks.

Sie sollen dem Volk dienen – und verfolgen ganz eigene Pläne … Tatort Berlin: Im Auftrag des Kanzleramts beginnt eine junge Staatssekretärin, undercover in den eigenen Reihen ermitteln. Wird es ihr gelingen, jene verborgenen Bündnisse aufzudecken, die alles daransetzen, um die Regierung zu manipulieren? Natascha weiß, dass dies ihre politische Karriere in ganz neue Bahnen lenken kann – oder sie für ihren Ehrgeiz mit dem Leben bezahlen wird … Aber nicht nur die gewählten Volksvertreter überschreiten die Grenzen des Gesetzes: einen russischen Ölmagnaten wie Aleksander Lewtuschenko scheint nichts und niemand mehr kontrollieren zu können. Warum werden Tatjana, einer Mitarbeiterin des größten deutschen Energiekonzerns, nun brisante Unterlagen über seine Lobbyarbeit zugespielt? Vielleicht hofft jemand, dass sie mutig genug ist, um die Wahrheit ans Licht zu bringen … oder will sie als Spielfigur bei einem riskanten Schachzug opfern!

Für die Fans von HOUSE OF CARDS und BORGEN: »Es gelingt Jan Faber, die Atmosphäre des überhitzten Berliner Politikbetriebs darzustellen und ein realitätsnahes Bild von Einsamkeit, Karrieresucht und ständigem Taktieren zu zeichnen.« NDR

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Sammelband »Im Abgrund der Macht« von Politik-Insider Jan Faber mit den beiden Polit-Thrillern »Kalte Macht« und »Der Lobbyist« erlaubt uns brisante Einblicke in die Welt der deutschen Politik – spannend wie die internationalen Bestseller von Robert Ludlum und John le Caré, brisant wie die Bücher von Marc Elsberg. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Sie sollen dem Volk dienen – und verfolgen ganz eigene Pläne … Tatort Berlin: Im Auftrag des Kanzleramts beginnt eine junge Staatssekretärin, undercover in den eigenen Reihen ermitteln. Wird es ihr gelingen, jene verborgenen Bündnisse aufzudecken, die alles daransetzen, um die Regierung zu manipulieren? Natascha weiß, dass dies ihre politische Karriere in ganz neue Bahnen lenken kann – oder sie für ihren Ehrgeiz mit dem Leben bezahlen wird … Aber nicht nur die gewählten Volksvertreter überschreiten die Grenzen des Gesetzes: einen russischen Ölmagnaten wie Aleksander Lewtuschenko scheint nichts und niemand mehr kontrollieren zu können. Warum werden Tatjana, einer Mitarbeiterin des größten deutschen Energiekonzerns, nun brisante Unterlagen über seine Lobbyarbeit zugespielt? Vielleicht hofft jemand, dass sie mutig genug ist, um die Wahrheit ans Licht zu bringen … oder will sie als Spielfigur bei einem riskanten Schachzug opfern!

Über den Autor:

Jan Faber ist ein Pseudonym. Dahinter verbirgt sich ein Autor, der in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten beratend und strategisch für mehrere hochrangige Regierungsmitglieder sowie für weitere bedeutende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft tätig war. Er pflegt Kontakte in alle politischen Lager und hat in diversen deutschen Leitmedien publiziert.

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Sammelband-Originalausgabe Oktober 2022

Copyright © der Originalausgabe KALTE MACHT 2013 by Page & Turner / Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH; Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe DER LOBBYIST 2014 by Page & Turner / Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH; Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-98690-338-1

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Jan Faber

IM ABGRUND DER MACHT

Zwei Thriller in einem eBook: »Kalte Macht« und »Der Lobbyist«

dotbooks.

KALTE MACHT

Sie ist ehrgeizig und zu allem entschlossen – doch als die Staatssekretärin Natascha Eusterbeck ins Kanzleramt berufen wird, ahnt sie nicht, auf welches gefährliche Spiel sie sich damit einlässt. Die Kanzlerin selbst fürchtet um ihre Macht und erteilt der jungen Frau den geheimen Auftrag, jene verborgenen Bündnisse aufzudecken, mit denen sich politische Freunde wie Feinde schon viel zu lange gegenseitig in Schach halten. Schnell gerät Eusterbeck ins Fadenkreuz skrupelloser Gegenspieler … und kommt einer Verschwörung auf die Spur, deren Sprengkraft Deutschland für immer verändern kann!

Prolog

Das Haus war leer. Und doch konnte Henrik ihre Gegenwart in jedem Zimmer spüren. Es war ihr Duft, der ihm begegnete, gleich, ob er im Flur stand oder im Arbeitszimmer, wo die Bäume vor dem Fenster ein strenges Muster bildeten: schwarze Stämme, die sich scharf gegen die weiße Landschaft abhoben. Er hatte sich zuerst im Erdgeschoss umgesehen und war dann nach oben gegangen. Gegenüber der Treppe lag das Arbeitszimmer. Am Schreibtisch brannte Licht, sie musste bis vor kurzem noch hier gewesen sein.

Henrik Eusterbeck trat ins Schlafzimmer nebenan, wo er ihr Bett benutzt und nicht gemacht vorfand. Die andere Seite war unberührt. Er bemerkte, dass der Schrank offen stand. Instinktiv trat er näher. Hinter der zur Seite geschobenen Kleidung starrte ihn die verschlossene Tür des Safes an. Ungewöhnlich, dass Natascha so wenig Wert auf Ordnung legte. Es musste etwas Außergewöhnliches geschehen sein. Er ging in die Hocke und tippte eine vierstellige Nummer ein. Ob sie den Code geändert hatte?

Während die Maschine leise ratterte, lauschte er, ob sich im Haus etwas tat. Doch er war allein. Lautlos schwang die Tür des Safes auf und gab den Blick auf einen Stapel Dokumente preis. Sonst war nichts in dem Tresor. Er zögerte nur einen Augenblick, dann nahm er die Papiere heraus und ging damit wieder hinüber ins Arbeitszimmer, wo er sich an den Schreibtisch setzte. Wie er aus dem Augenwinkel feststellte, blinkte das Telefon. »Neue Nachrichten«. Gewohnheitsmäßig drückte er auf die Abfrage und betrachtete die Liste: mehrmals Rufnummern in Berlin, die sich nur durch ihre Endungen unterschieden. Und einige Anrufe von »Unbekannt«. Keinen hatte sie entgegengenommen. Auch das war sehr ungewöhnlich für sie. Henrik Eusterbeck legte das Telefon beiseite und schlug die Mappe auf, die ganz oben lag. »Nofretete 061 08«.

061, dachte er. Das interne Aktenzeichen des Kanzleramts für Geheimschutz. 08 stand für Indiskretionen. Er blätterte ein wenig in den darunterliegenden Unterlagen. Notizen, Artikel, Bilder. Einiges davon hatte er besorgt. Doch offenbar hatte sie noch andere Quellen gehabt. Gute Quellen. Die Materialien wirkten unschuldig wie ein Fotoalbum aus alten Zeiten. Und doch waren sie gefährlicher als alles, was er jemals in Händen gehalten hatte. Jetzt, da er dieses Kompendium vor sich sah, wurde ihm klar, dass in den zurückliegenden Wochen etwas Entscheidendes geschehen war: Natascha hatte eine Entdeckung gemacht, die sie nie hätte machen dürfen. Und er stand im Begriff, diese Entdeckung zu teilen. Mit angehaltenem Atem las er die ersten Zeilen. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. »Oh Gott, Natascha«, stöhnte er und schüttelte ungläubig den Kopf. »In was bist du da bloß hineingeraten?«

Kapitel 1

Das Haus lag etwa hundert Kilometer nördlich von Berlin. Weder von der Straße noch vom See her konnte man das Grundstück einsehen – und das war der Hauptgrund, weshalb sie sich damals für das Anwesen entschieden hatten. Gebaut worden war es noch in der Zeit des Kaiserreichs, was man ihm deutlich ansah. Einerseits war es sinnlos schön mit seinen Erkern und Giebeln, den Stuckdecken und den prachtvollen Schnitzereien im Treppenhaus. Andererseits verging kein Winter, ohne dass die Heizung einen Totalschaden erlitten hätte, und kein Frühling, in dem nicht das Dach zumindest teilweise hätte erneuert werden müssen. Das Haus war alt und schön und heruntergekommen wie die ganze Gegend, die auf wundersame Weise vom Vandalismus der sozialistischen Architektur verschont geblieben war. Sie hatten es entdeckt, als Natascha Referentin im mecklenburgischen Wirtschaftsministerium gewesen war. Eigentlich hatte Natascha es entdeckt. Sie war im Auftrag ihres Ministeriums hierhergekommen, um mit den Bürgern über Strukturförderung zu diskutieren. Es hatte natürlich nie eine stattgefunden. Das Geld wurde in Schwerin gebraucht, nicht zuletzt, um noch ein paar mehr Parteifreunde mit gut dotierten Posten als Staatssekretäre und Referenten auszustatten. Da hatte sich seit der Zeit der römischen Republik nicht viel geändert: Politik war vor allem dazu da, die Provinzen legal zu plündern. Henrik hatte das schon immer geahnt, seit Natascha aber in der Partei aufgestiegen war und auf verantwortungsvollen Positionen eingesetzt wurde, konnte er es sogar belegen. Kurioserweise sah ausgerechnet seine Frau das anders. Sie war nach wie vor davon überzeugt, für das Wahre, Schöne und Gute zu kämpfen. Henrik konnte sich ein bitteres Lachen nicht verkneifen, wenn er daran dachte.

Und nun war sie also Staatssekretärin im Kanzleramt geworden. Ausgerechnet sie, die Politik gar nicht der Karriere wegen betrieb. Und er stand hier, in ihrem Haus am Valmensee, das sie sich zusätzlich zur Wohnung in Berlin Mitte gekauft hatten, und fragte sich, ob sie in Zukunft überhaupt noch Zeit füreinander haben würden. Natascha jedenfalls war nur noch selten hier draußen. Und in Berlin sahen sie sich auch immer weniger.

Ein Reiher stieg auf, Henrik konnte seinen Flügelschlag durch die Bäume erkennen. Dahinter glitzerte der See, von dem man nur einen ganz schmalen Streifen durch die eng stehenden Fichten sehen konnte. Die Politik frisst ihre Macher auf, das war nichts Neues. In ihrem konkreten Fall wurde die Sache dadurch erschwert, dass Henrik selbst einen Beruf hatte, der ihm viel Zeit abforderte. Er war Unternehmensberater im IT-Bereich. Freiberuflich. Eigentlich ein Höllenjob. Denn die Kleinen wurden immer gedrückt, mussten sich ständig um Akquise kümmern und liefen ihrem Geld am längsten hinterher. Außerdem gab es »Berater« wie Sand am Meer. Jeder Loser, der irgendwo wegrationalisiert worden war, nannte sich Berater. Und je mehr schlechte es in dem Gewerbe gab, umso schlechter für alle guten. Also war er ständig auf Reisen, übernachtete immer öfter in zweitklassigen Hotels, verheizte sich täglich für undankbare Kunden und gab trotzdem jeden Tag aufs Neue den Strahlemann mit den perfekten Anzügen, den perfekten Zähnen und dem perfekten Händedruck.

Das Handy vibrierte. »Natti!«

»Hi. Ich vermisse dich.«

Etwas bewegte sich am See.

»Ich vermisse dich auch.« Es fiel ihm nicht schwer, seiner Stimme ein Lächeln zu verleihen, selbst wenn er ganz ernst blieb. »Sind sie auch alle lieb zu dir, in eurem Kanzlerkindergarten?«

»Henrik, bitte!«

Jemand trat ans Ufer. Henrik Eusterbeck nahm ganz automatisch das Fernglas zur Hand.

»Doch, sie sind alle lieb.«

»Und? Was sagt die Kanzlerin?«

Es war eine Frau. Sie zog sich aus und stieg im Bikini ins Wasser. Henrik zoomte sie heran.

»Das kann ich dir nicht am Telefon sagen.«

»Ich denke, das kannst du gar nicht sagen. Oder? Ist es nicht geheim, was ihr da besprecht?« Und sie sah gut aus. Sehr gut sogar. Als ihr Busen für einen Augenblick vom Wasser angehoben wurde, ehe er hineinglitt, hielt Henrik Eusterbeck den Atem an.

»Schatz?«

»M-ja?«

»Hörst du mir zu?«

»Klar.«

»Entschuldige. Ich hatte das Gefühl, du bist abgelenkt.«

Sie war weg. Henrik versuchte, noch irgendetwas zu erkennen, doch die Bäume standen viel zu dicht. »Unsinn«, sagte er. »Von dir kann mich nichts ablenken!«

»Gut zu wissen«, sagte Natascha mit weicher Stimme. »Können wir uns treffen?«

»Sag nicht, du hast Zeit für mich. Haben sie dich schon wieder gefeuert?« Er hielt das Fernglas auf die Stelle gerichtet, an der die Kleider lagen. Schließlich würde sie dorthin zurückkommen.

»Mach keine schlechten Scherze.« Natascha seufzte. »Ich bin noch nicht mal vereidigt. Nein, ich muss etwas mit dir besprechen.«

»Okay. Und wann hätten Sie einen Termin für mich frei, Frau Staatssekretärin in spe?«

»Morgen Abend?«

Henrik nahm seinen Kalender zur Hand und blätterte ihn auf. Der ganze Tag war frei. So wie die halbe Woche. Natascha musste das nicht wissen. Er blätterte gewohnheitsmäßig herum, wie er es immer tat, wenn ein Termin zu vereinbaren war. »Geht klar«, sagte er schließlich. »Um acht im Gianni's

»Sagen wir lieber um neun. Oder halb zehn. Und hol mich hier ab, ja? Gib an der Pforte Bescheid, ich komme dann raus.«

»Geht klar.«

»Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch.« Er drückte den Anruf weg und sah wieder durch das Fernglas. Doch die Kleider und die Frau waren verschwunden.

***

Natascha Eusterbeck war kein politisches Küken, auch wenn die Opposition sie gerne als solches hinstellte. Damit konnte sie leben. Es war auch ein Teil des Erfolgsgeheimnisses der Kanzlerin, immer unterschätzt zu werden. Im Grunde galt das für alle Frauen in der Politik oder in der Wirtschaft. Und so hatte Natascha sich frühzeitig daran gewöhnt, als Leichtgewicht behandelt zu werden und dabei unauffällig ihre Dinge zu regeln. Sacharbeit lag ihr. Sie war keine Show-Politikerin, obwohl ihr ihre Attraktivität durchaus zugutekam. Mit Mitte dreißig hatte sie es bis ins Kanzleramt gebracht. Immer öfter wurde sie in den Medien zitiert. Sie saß in den Bundestagsausschüssen für Inneres und für Verteidigung, und das nicht nur, weil sie eine Frau war. Eher konnte man sagen, obwohl sie eine Frau war. Nein, sie war nicht über die Quote ins Zentrum der Macht gelangt. Dennoch war der Anruf der Kanzlerin und die Frage, ob sie bereit wäre, als Staatssekretärin ins Kanzleramt zu kommen, eine Auszeichnung für sie gewesen, die sie nicht erwartet hätte.

Als sie Henrik davon erzählt hatte, hatte sie gemerkt, dass auch er für einen Moment sprachlos gewesen war. Er hatte ihr zugezwinkert, um ihr Mut zu machen und zu zeigen, dass er an sie glaubte. Dann, für die Dauer eines Atemzugs, hatten sie sich angesehen, und sie hatten beide gewusst: Von jetzt an würde alles anders sein. Sie würden noch weniger Zeit miteinander verbringen können, es würde keine spontanen Verabredungen oder gar Besuche mehr geben. Wenn Natascha ihren Termin bei der Kanzlerin gehabt haben würde, wäre sie ein Teil der Macht – und sie würde zu den Geheimnisträgern und zu den meistgefährdeten Menschen der Republik gehören.

Das Handy klingelte. Es war Petra Reber, die Sekretärin ihres Wahlkreisbüros. »Petra, was gibt's?«

»Ich weiß, du hast keine Zeit. Aber da ist diese Frau ... Sie sagt, sie will auspacken. Und sie wird bedroht.«

Natascha Eusterbeck versuchte sich zu konzentrieren, während das Taxi den Fluss überquerte und auf das Kanzleramt zufuhr. »Auspacken? Was?«

»Keine Ahnung. Aber so wie sie aussah, hat sie einige intime Kenntnisse, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Sie war im Büro? Und du denkst, sie ist eine Prostituierte?«

»Sie war da, ja. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie eine Hure ist.«

»Und sie wird bedroht? Wieso bedroht? War sie bei der Polizei?«

»Sie sagt, sie traut sich nicht. Offenbar kennt sie dich von irgendwoher. Jedenfalls hat sie nur zu dir Vertrauen. Also ich weiß auch nicht, Natascha, aber wenn du kannst, ruf sie an. Sie klang wirklich verzweifelt.«

»Das geht nicht. Ich habe in einer Viertelstunde meinen Termin bei der Kanzlerin.«

»Verstehe ich. Trotzdem. Ich hab kein gutes Gefühl. Sie sah ziemlich fertig aus. Offenbar ist sie geschlagen worden.«

»Warum hast du ihr nicht gesagt, sie soll zur Bürgersprechstunde kommen?«

»Hab ich. Sie traut sich nicht. Sie hat mir eine Telefonnummer gegeben. Ich schicke sie dir per SMS. Dann kannst du dich bei ihr melden, wenn du Zeit hast.«

»Gut, schick mir die Nummer.« Natascha Eusterbeck legte auf. Sie schloss kurz die Augen. Gewalt gegen Frauen war ein immer wiederkehrendes Thema. Vermutlich begegnete es fast allen Frauen, die in der Politik tätig waren. Ein ewiger Kampf gegen die Hydra, denn gewalttätige Männer wuchsen stets nach. Natascha war im Beirat des Frauenhauses in ihrem Wahlbezirk engagiert. Vielleicht hatte die Frau sie dort erlebt und sich jetzt hilfesuchend an sie gewandt.

Eine Baustelle versperrte den Weg, das Taxi musste einige Augenblicke warten. Die Kurznachricht von Petra Reber kam auf Nataschas Handy. Sie sah auf die Uhr. Noch elf Minuten bis zu ihrem Termin. Vier Minuten, bis sie an der Pforte sein würden. Sie seufzte, wählte die Nummer doch. Es klingelte nur einmal, dann meldete sich eine tiefe, angenehme Frauenstimme. »Ja? Hier ist dein schwarzer Engel.«

»Hier spricht Natascha Eusterbeck. Mit wem bin ich verbunden?«

»Frau Eusterbeck!« Der ausländische Akzent war nicht zu überhören. Und der lockende Ton war weg. »Danke, dass Sie mich anrufen. Ich muss Sie unbedingt treffen!«

»Sind Sie die Frau, die in meinem Büro gewesen ist?«

»Ja, das bin ich.«

»Worum geht es denn?«

»Das kann ich am Telefon nicht sagen. Bitte lassen Sie uns ein Treffen ausmachen.«

»Meine Sekretärin sagt, Sie wollen auspacken. Was meinen Sie damit?«

»Nicht am Telefon. Bitte!«, flehte sie. »Wann kann ich Sie sehen?«

»Hören Sie ...«

»Es geht um Leben und Tod. Wirklich.« Die Stimme der Frau war leise geworden. Leise, drängend und panisch.

»Das geht jetzt nicht. Können Sie nicht noch mal in meinem Büro ...«

»Bitte!«

Natascha seufzte. »Ich bin gerade auf dem Weg ins Kanzleramt, ich kann Sie jetzt auf keinen Fall treffen.«

»Später. Oder morgen. Sie müssen nicht denken, dass ich verrückt bin. Ich bin nicht verrückt. Aber ich habe Angst. Um mich und um mein Kind.«

»Okay, hören Sie, ich gehe jetzt in meinen Termin. Das wird ein paar Stunden dauern. Wenn ich fertig bin, rufe ich Sie wieder an, ja?«

»Danke.« Natascha konnte hören, dass die Frau weinte. Sie legte auf und schaltete das Handy aus. Inzwischen hatten sie die Pforte des Kanzleramtsgeländes erreicht. Sie zahlte und stieg aus. Am Eingang legte sie die Ausweiskarte vor, die ihr am Morgen ein Kurier in ihre Berliner Stadtwohnung gebracht hatte. Hier ist dein schwarzer Engel, dachte sie. Zweifellos hatte Petra Reber recht, und es war eine Prostituierte. Eine Farbige offenbar. Natascha mochte sich gar nicht vorstellen, was für ein Schicksal vermutlich hinter ihrer Lebensgeschichte steckte. Aber sie würde es müssen. Schließlich war sie in die Politik gegangen, um zu helfen, wo es möglich war.

***

Es gibt Menschen, die eine ungeheure Ruhe ausstrahlen, während um sie herum das Chaos tobt. Zu diesen Menschen gehörte die Kanzlerin – und doch auch wieder nicht. Denn obgleich es kaum etwas gab, das sie aus ihrer stoischen Haltung riss, hatte man doch niemals das Gefühl, dass sie einem ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. Im Gegenteil: Während ihr Referent ihr außenpolitische Entwicklungen aus den Krisengebieten der Welt vortrug, konnte sie Akten über die jüngsten Arbeitsmarktzahlen studieren und immer noch ein Auge auf ihrem Handy haben, auf dem im Minutentakt Kurznachrichten eintrafen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2022
ISBN (eBook)
9783986903381
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Oktober)
Schlagworte
Spannung Thriller Politthriller Horst Eckert Mark Elsberg Tom Hillenbrand Politik Intrige Thriller Bad Banks Neuerscheinung eBooks
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Titel: Im Abgrund der Macht