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Die Melodie des roten Landes

Roman

©2023 638 Seiten

Zusammenfassung

Eine mutige Frau kämpft im Outback um ihre Freiheit: Der Australienroman »Die Melodie des roten Landes« von Ann Clancy als eBook bei dotbooks.

Ungerechtigkeit ist Bonnie und ihrem Vater Hugh Douglas nicht fremd: Aus Schottland vertrieben, führen sie in einer Kleinstadt an der Südküste Australiens ein entbehrungsreiches Leben – doch immerhin haben sie ihre Freiheit. Und als Bonnie den neuen Sergeant Rowan Elliott kennenlernt, wagt sie es zum ersten Mal, von Liebe zu träumen. Doch dann wird ihr Vater plötzlich fälschlich des Mordes beschuldigt – und Rowan, der von seiner Schuld überzeugt ist, nimmt ihn fest. Für Bonnie bricht eine Welt zusammen: Ohne Familie und vom Liebsten verraten, schließt sie sich einer Bande von Rebellen an, die in den wilden Weiten des Outbacks ihr Zuhause gefunden haben. Wird es Bonnie mit ihrer Hilfe gelingen, ihren Vater zu retten – und ist ihre Liebe zu Rowan wirklich für alle Zeit verloren?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der mitreißende Outback-Roman »Die Melodie des roten Landes« von Ann Clancy wird Fans von Patricia Shaw, Di Morissey und Christiane Lind begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Ungerechtigkeit ist Bonnie und ihrem Vater Hugh Douglas nicht fremd: Aus Schottland vertrieben, führen sie in einer Kleinstadt an der Südküste Australiens ein entbehrungsreiches Leben – doch immerhin haben sie ihre Freiheit. Und als Bonnie den neuen Sergeant Rowan Elliott kennenlernt, wagt sie es zum ersten Mal, von Liebe zu träumen. Doch dann wird ihr Vater plötzlich fälschlich des Mordes beschuldigt – und Rowan, der von seiner Schuld überzeugt ist, nimmt ihn fest. Für Bonnie bricht eine Welt zusammen: Ohne Familie und vom Liebsten verraten, schließt sie sich einer Bande von Rebellen an, die in den wilden Weiten des Outbacks ihr Zuhause gefunden haben. Wird es Bonnie mit ihrer Hilfe gelingen, ihren Vater zu retten – und ist ihre Liebe zu Rowan wirklich für alle Zeit verloren?

Über die Autorin:

Ann Clancy ist Australierin mit irischen Wurzeln. In Papua-Neuguinea aufgewachsen, bereiste sie die ganze Welt, bevor sie beschloss, das Schreiben zu ihrem Beruf zu machen. Abenteuerliche Romane über starke, unabhängige Frauen liegen ihr besonders am Herzen. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Adelaide im Süden Australiens.

Ann Clancy veröffentlichte bei dotbooks bereits »Der Ruf des roten Landes«.

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eBook-Neuausgabe April 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1999 unter dem Originaltitel »Rebel Girl« bei Pan Macmillan Australia. Die deutsche Erstausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Weites Land der Liebe« bei Weltbild.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1999 by Ann Clancy

Published by Arrangement with Ann Clancy

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2010 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/pisaphotography, AKV, KathySG, Ov-olga

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98690-496-8

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Ann Clancy

Die Melodie des roten Landes

Roman

Aus dem Englischen von Karin Dufner

dotbooks.

Kapitel 1

ENCOUNTER BAY, KOLONIE SÜDAUSTRALIEN, MAI 1839

Bonnie hörte, wie sich, erst im Lager der Schwarzen, dann in der Siedlung der Walfänger selbst, lautes Geschrei erhob. Neugierig blickte sie zum Felsvorsprung am anderen Ende der Bucht hinüber. Und da war es! Die rote Flagge wanderte tatsächlich den Fahnenmast hinauf. Der erste Wal dieser Saison.

Als das schrille Läuten der Glocke ertönte, glitt ihr die Wäsche wie vergessen aus den Händen zurück in den Zuber. In der eben noch so stillen Siedlung herrschte auf einmal rege Betriebsamkeit, und Männer liefen rufend durcheinander. Bonnie hastete zu dem Häuschen aus grob behauenen Steinen hinüber, in dem sie ihrem Vater den Haushalt führte. Während sie zur Tür hineinstürmte, zog er bereits seinen Mantel an.

»Vater! Wale! Und das so früh in der Saison!«

»Bonnie, mein liebes Kind. Das ist ein gutes Zeichen. Außerdem ist gerade der richtige Tag dafür. Und du bist wie immer pünktlich zur Stelle, um deinem Vater zu helfen«, erwiderte er und steckte sein Messer in die Scheide, die er an der Hüfte trug. Wenn er sich für etwas begeisterte, war sein schottischer Akzent stets besonders ausgeprägt. Vermutlich hätten die meisten seiner Mitmenschen kein Wort verstanden.

»Ich gehe runter zum Boot und bereite alles vor«, sagte sie. »Währenddessen kannst du die Männer zusammentrommeln.«

Bonnie wirbelte herum und eilte zur Anlegestelle, wo einige Männer bereits damit beschäftigt waren, das erste der beiden Boote zum Ufer zu schleppen. Für Begrüßungen war keine Zeit, Fragen waren überflüssig. Schließlich wusste die Mannschaft, dass es Bonnies Aufgabe war, mit anzupacken, wenn ihr Vater in See stechen wollte. Allerdings hieß das nicht, dass Hugh Douglas auf ihre Unterstützung angewiesen gewesen wäre; denn er war der Kapitän und kannte sich besser in diesem Geschäft aus als alle anderen in der Siedlung. Doch er vertrat die Ansicht, dass vier Augen mehr sahen als zwei und dass auf Bonnie Verlass war, denn sie erkannte auf Anhieb, ob an Bord irgendetwas fehlte oder sich nicht an seinem angestammten Platz befand.

Nun musterte sie mit geschultem Blick das lang gestreckte weiße Boot, die Ruder und Paddel, die Axt, den Schöpfeimer und die Fässer mit den Leinen. Sie entfernte die Stoffabdeckung, um sich zu vergewissern, dass die Leinen auch ordentlich aufgerollt waren, und rüttelte am Wasserfass, um das Gewicht zu überprüfen. Denn der Walfang war eine harte Arbeit, bei der man trotz des kalten Winterwindes mächtig Durst bekam. Außerdem würden die Männer viele Stunden lang auf See sein. Auch ein Wassereimer stand bereit, um die Leine zu wässern, wenn der Wal sie auf seiner Flucht mit rasender Geschwindigkeit aus dem Behälter riss. Die Kiste mit der Notfallausrüstung stand zwar bereit, aber Bonnie hatte keine Zeit mehr, den Inhalt zu begutachten. Also ging sie einfach davon aus, dass sie, sorgfältig gegen Nässe geschützt, alles enthielt, was möglicherweise gebraucht werden könnte: Feuerstein, Laterne, Kerzen, Brot, Tabak, Reparaturwerkzeug und Lappen, um zu verhindern, dass die Männer sich an den Leinen die Hände aufrissen.

Auch lange, stabile und rasiermesserscharfe Harpunen waren vorhanden. Daneben lagen die Lanzen und außerdem ein Spaten, der dazu diente, ein Loch in den Kopf oder die Schwanzflossen des Wals zu schlagen, um das Zugseil zu befestigen. Das Boot roch nach frischer Farbe, Teer und neuen Hanfseilen, was Bonnie als wesentlich angenehmer empfand als den muffigen Gestank, den das Blut eines toten Wals verströmte. Nur eines fehlte noch, und das waren die wasserdichten Säcke mit dem Proviant. Wo mochte der Koch bloß stecken?

Bonnies Blick wanderte über die Landschaft, die das Meer von der kleinen Walfängersiedlung trennte. Im nächsten Moment hatte sie den Koch entdeckt, der, die großen Leinensäcke mit Lebensmitteln geschultert, angelaufen kam.

»Das war ja in letzter Minute«, meinte Bonnie erleichtert und griff nach dem ersten schweren Sack, um ihn im Boot zu verstauen. Vermutlich enthielt er wie immer Rindfleisch, Schweinefleisch, Fladenbrot und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Rum. Der Koch brachte die übrigen Säcke an Bord. Inzwischen schaukelten beide Boote in der Uferdünung, und die Männer warteten ungeduldig darauf, in See zu stechen.

»Wo ist Vater?«, wunderte sich Bonnie. Für gewöhnlich war er als Erster zur Stelle, auch wenn es seine Aufgabe war, die Nachzügler zusammenzurufen.

Niemand antwortete. Die Männer sahen zu, wie das zweite Boot mit Verpflegung beladen wurde. Dann war es bereit zum Aufbruch.

»Also los!«, befahl Pete Taylor, der zweite Kapitän und Stellvertreter ihres Vaters, der auf dem zweiten Boot das Kommando führte. Die Männer gehorchten, ohne zu murren, wateten, das Boot hinter sich herziehend, ins Wasser hinaus, kletterten hinein und griffen zu den Rudern. Es war ein schöner Vormittag im Spätherbst; nur einige kleine Wellen schlugen an den Strand.

Bonnie blickte ihnen nach, als sie davonruderten. Wo mochte bloß ihr Vater stecken? Die übrigen Männer machten aus ihrer Ungeduld keinen Hehl, schauten zwischen der Flagge auf dem Felsen und dem anderen Boot hin und her und nützten die Wartezeit, um sich eine letzte Pfeife zu genehmigen. Sonst war es Hugh Douglas’ Boot, das als erstes in See stach und den Wal erlegte. Ehrensache also und eine der wenigen Freuden, die dieser harte Beruf mit sich brachte.

»Wissen Sie vielleicht, wo er steckt, Roger?«, fragte sie den Harpunier und zweiten Offizier an Bord.

»Keine Ahnung, Miss«, antwortete der Mann. »Ob wir ohne ihn aufbrechen sollten?« Er wich ihrem Blick aus.

Das könnte Roger Sleath so passen, dachte Bonnie. Der Mann war von Ehrgeiz zerfressen und wollte um jeden Preis Kapitän werden. Im letzten Jahr hatte er diesen Posten wegen des großen Mangels an Arbeitskräften sogar vorübergehend bekleidet, denn die Lebensmittel waren derart knapp und die Bedingungen so erbärmlich gewesen, dass die Männer schneller verschwunden waren, als man neue Seeleute hatte anwerben können. Als ihr Vater eingestellt worden war, hatte Roger keinen Hehl daraus gemacht, dass es ihn wurmte, nun einen erfahrenen Kapitän vor die Nase gesetzt zu bekommen.

Endlich hastete ihr Vater mit finsterer Miene den Strand entlang. »Zum Teufel mit Dick Motley! In der finstersten Hölle soll er schmoren!«

»Was ist mit ihm?«

»Sturzbesoffen ist er! Er liegt schnarchend im Gebüsch hinter der Männerunterkunft. Ein paar andere sind auch noch dabei.« Der Vater keuchte vom Rennen und bekam einen Hustenanfall.

»Kann man ihn denn nicht wecken?«, erkundigte sich Roger.

»Ja, gib ihm einen ordentlichen Tritt in den Hintern, Vater!«

Hugh räusperte sich. »Das habe ich versucht. Aber er hat nur gekotzt und ist gleich wieder umgekippt. Selbst wenn wir ihn an Bord schaffen könnten, wäre er zu nichts nütze.« Er schaute hinauf zum Felsen, wo ein Ausguck mit Handzeichen die Anzahl der Wale und die Richtung, in der sie schwammen, meldete. »Offenbar ist es mehr als einer, und zwar gleich südwestlich von uns. Wenn wir jetzt nicht sofort aufbrechen, werden wir keinen mehr kriegen.«

»Ich hole einen der Ersatzleute«, schlug Roger vor.

»Zwecklos. Die sind auch nicht in besserer Verfassung.«

»Wo haben sie denn bloß den vielen Rum her?«, wunderte sich Bonnie.

»Keine Ahnung. Die Tür ist jedenfalls noch abgeschlossen.«

Bonnie unterzog die Anwesenden einer raschen Musterung und stellte fest, dass Mick Fitzmartin den Blick senkte und sich abwandte. Röte stieg ihm den Hals hinauf.

»Als ob es nicht schon ohne solche Zwischenfälle schwierig genug wäre, ein Boot zu bemannen«, schimpfte ihr Vater weiter. »Bonnie, ich weiß, dass es dir das Herz bricht, mit anzusehen, wie diese schönen Tiere getötet werden, aber du musst mitkommen.«

Bonnie blieb vor Schreck fast das Herz stehen. Der Walfang gehörte zu den gefährlichsten Berufen. Außerdem verabscheute sie es, die armen Tiere abzuschlachten. Doch sie wusste, dass ihr Vater sie jetzt brauchte. Immerhin verdienten sie mit dem Walfang ihren Lebensunterhalt, und ohne Wale gab es kein Geld.

Also nickte sie. »Einverstanden.«

»Sicher wollen Sie nicht, dass Ihr Rock nass wird«, raunte Roger Bonnie zu, schlang ihr einen Arm um die Taille und hob sie hoch, bevor sie Gelegenheit hatte, sich zu sträuben. Während er sie wie ein Kind über die Bordwand hievte, presste er seine schmale Hüfte gegen sie.

Bonnie hielt sich am Dollbord des kleinen Walfangbootes fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und setzte sich. Die Männer wateten tief ins Wasser hinaus und kletterten dann selbst an Bord. Für Vorsicht war keine Zeit. Bonnie versuchte, das wilde Schwanken des Bootes mit ihrem Körpergewicht auszugleichen. Nachdem jeder Mann seinen Riemen gegriffen hatte, ging es los.

Bonnie spürte die Blicke der Männer im Rücken, als sie mit Leibeskräften ruderte. Obwohl sie vermutlich nicht einmal so stark war wie der schwächste Mann, war sie fest entschlossen, ihr Bestes zu geben. Hugh, der an der Ruderpinne stand, feuerte seine Leute an, sich ins Zeug zu legen. Als Bonnie sich umwandte, sah sie, dass die Gesichter der Männer vor Anstrengung verzerrt waren. Den ersten stand bereits der Schweiß auf der Stirn. Das zweite Boot hatte bereits einen gewaltigen Vorsprung.

Bonnie stellte fest, dass sich das Haar ihres Vaters aus dem Haarband gelöst hatte und in der steifen Brise flatterte. Inzwischen war es nicht mehr rotbraun wie einst, sondern fast völlig weiß, und Bonnie fiel auf, wie sehr er seit dem letzten Winter gealtert war. Da hatte ihn eine schwere Grippeerkrankung, die ihm auf die Brust geschlagen war, für Wochen ans Bett gefesselt und ihn beinahe umgebracht. Seitdem schienen seine Kräfte stark nachgelassen zu haben. Vielleicht aber lag es auch daran, dass sie mit ihren siebzehn Jahren nunmehr alt genug war, um solche Veränderungen zu bemerken. Seine Augen versanken in tiefen Falten, als er unter buschigen weißen Brauen hervorspähte und Ausschau nach dem Wal hielt.

»Da ist er!«, rief er von seinem Ausguck im Heck aus.

Bonnie schaute sich erneut um, konnte jedoch nichts entdecken. Im nächsten Moment aber tauchte das Tier auf. Aus dem Blasloch des gewaltigen schwarzen Wals schoss eine Fontäne aus Luft und Wasser in den Himmel.

»Er bläst!«, jubelte sie.

Der Wal war so groß, dass sie ihn nun deutlich erkennen konnten. Kurz darauf sprangen zwei seiner Artgenossen aus dem Wasser, tauchten wieder und zeigten dabei ihre Schwanzflossen. Diese schlugen mit einem Geräusch aufs Wasser auf, das so ohrenbetäubend war wie ein Büchsenschuss. Beide Fangboote setzten den ahnungslosen Walen nach, die fröhlich im Wasser umhertollten. Zum Glück für Hughs Mannschaft wendeten die gewaltigen Tiere plötzlich und steuerten auf die Bucht und damit auf ihr Boot zu. Ihre riesigen schwarzweißen Körper schimmerten im Sonnenlicht.

Bonnies Puls raste, und sie wäre vor Begeisterung am liebsten aufgesprungen. Der Anblick der Wale löste heftiges Herzklopfen in ihr aus. Nun hatte die Jagd begonnen, und die Chancen standen gut, dass sie eines der Kolosse mit ihren Harpunen erlegen würden. Pete Taylor war inzwischen weit zurückgefallen.

»Pullt! Pullt! Pullt!«, schrie Hugh. Mit jedem Schlag der Riemen schien sich das Boot aus den Wellen zu erheben. »Schneller, Männer. Gleich haben wir sie eingeholt. Pullt!«

Beim Rudern spürte Bonnie, wie sich ihr Mieder an Schulterblättern und Brust spannte. Ihre Achselhöhlen waren schweißnass, und sie wusste, dass ihr Gesicht vor Anstrengung gerötet war. Petes Boot war noch immer in Sichtweite, und sie stellte fest, dass auch seine Männer sich mächtig ins Zeug legten. Ihr kleines Boot, das im Sonnenlicht grellweiß glänzte, tanzte wie ein großes Insekt auf dem Wasser.

»Fast haben wir sie!«, rief Hugh begeistert. »Roger, klar bei Harpunen!«

Hugh steuerte das Boot, das trotz seiner fünf Meter Länge neben dem Tier plötzlich winzig wirkte, näher an den Wal heran. Roger stand, die Harpune wurfbereit in der Hand und den Oberschenkel gegen die Bordwand gestützt, da und wartete auf den richtigen Augenblick. Währenddessen plätscherte ihre Beute noch ahnungslos mit den Flossen und genoss das Bad in der geschützten Bucht. Als das aufgewühlte Wasser das Boot traf und es beinahe zum Kentern brachte, schnappte Bonnie erschrocken nach Luft. Sie musste sich beherrschen, um nicht den Riemen fallen zu lassen und sich festzuklammern.

»Ruhig halten!«, befahl Hugh. »Näher heran.«

Zwei Ruderschläge, und der Abstand verringerte sich wieder. Das Sonnenlicht spiegelte sich in der Harpune, die Roger hoch über seinen Kopf erhoben hatte. Mit klopfendem Herzen beobachtete Bonnie, wie er zielte. Inzwischen befanden sie sich direkt neben dem Wal, der dicht unter der Oberfläche schwamm. Jetzt oder nie. Bonnie hielt den Atem an.

Die Harpune zischte schwungvoll und zielsicher auf die Flanke des Wals zu und beschrieb einen funkelnden Bogen, bevor sie abwärts raste und sich in das Fleisch des Tieres bohrte. Die Männer im Boot stießen Jubelrufe aus, die über das Wasser hallten. Die Harpune war tief eingedrungen.

»Bis zum Schaft«, meldete Roger stolz. Bonnie sah, dass sich das Eisen mindestens einen Meter tief in den Körper des Wals gebohrt hatte.

Das gerade noch so ruhige Meer verwandelte sich in Schaum, als der gepeinigte Wal in alle Richtungen mit dem Schwanz ausschlug. Bonnie ließ den Griff des Riemens los und klammerte sich mit aller Kraft am Dollbord fest. Ihre anfängliche Begeisterung wich dem inzwischen vertrauten Gefühl der Todesangst. Denn nun kam der gefährlichste Teil der Jagd, ein Wettlauf zwischen Leben und Tod, weil der Wal versuchen würde, der Lanze zu entfliehen.

In dem Versuch, das Eisen in seiner Seite wieder loszuwerden, warf sich das Tier wild hin und her.

Roger tauschte wie immer Plätze mit Hugh, obwohl es in Bonnies Augen ein ziemlich verwegenes Unterfangen war, so dicht neben einem verwundeten Wal aufzustehen und im Boot umherzugehen. Sie roch den Schweiß der Männer. Es war Angstschweiß, weil sie wussten, welche Mutprobe ihnen nun bevorstand. Im nächsten Moment und ohne jede Vorwarnung tauchte der Wal. Der für die Leine verantwortliche Ruderer stürzte zum Fass und begann, die Leine mit Wasser zu begießen, um sie feucht zu halten, während sie sich mit rasender Geschwindigkeit abrollte. Dennoch sah Bonnie kleine Rauchwolken aufsteigen. Der Wal tauchte immer tiefer. Bonnie blieb fast das Herz stehen, während sie darauf wartete, dass er wieder an die Oberfläche kam. Ein Blick zum Bug des Bootes verriet ihr, dass Hugh schon die kleine Axt bereithielt. Wenn der Wal noch tiefer tauchte, würde er die Leine kappen müssen, damit sie nicht auf den Meeresgrund gezogen wurden. Die Taurolle hatte schon beinahe den Boden des Fasses erreicht, und Hugh holte mit der Axt aus. Das war der Augenblick, in dem unerfahrene Walfänger oft in Panik gerieten. Doch Bonnie war trotz ihrer Jugend bereits ein alter Hase auf diesem Gebiet und zu klug, als dass sie vor Furcht über Bord gesprungen wäre. Stattdessen klammerte sie sich weiter an den Bootsrand und rührte sich nicht von der Stelle. Und dann tauchte der Wal wieder auf. Mit erleichtertem Aufatmen wurde die Axt weggelegt.

Der Wal versuchte nun, sich aus der Bucht in die Freiheit zu flüchten und zog das Boot hinter sich her. Als sie so über das Wasser rasten, wurden sie fast in die Luft gehoben. Ein banges Stoßgebet auf den Lippen, hielt Bonnie sich fest. Graue Gischt spritzte über die Bordwand, sodass man sich fühlte, als würde die Erde von einem gewaltigen Pflug aufgewühlt. Bonnie spürte, wie ihr der Hut vom Kopf gerissen wurde. Ihr Haar wehte wie eine rote Fahne hinter ihr her. Doch sie wagte es nicht, den Bootsrand loszulassen, um es wieder zu bändigen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2023
ISBN (eBook)
9783986904968
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (April)
Schlagworte
Australienroman Australien-Saga Liebesroman Frauensaga Historischer Roman 19. Jahrhundert Di Morrissey Patricia Shaw Neuerscheinung eBook
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Titel: Die Melodie des roten Landes