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Mädchenopfer

Zwei Thriller in einem eBook: „Die Eisbärin“ und „Mädchensammler“

©2022 792 Seiten

Zusammenfassung

Die Machtlosigkeit der Angst: Der fesselnde Sammelband »Mädchenopfer« von Matthias Gereon jetzt als eBook bei dotbooks.

Sie sind jung. Sie sind schutzlos. Sie sind die perfekten Opfer … Das Grauen lauert da, wo niemand es vermuten würde – das wissen die Kommissare Bergmann und Klein nur zu genau. Aber kann es wirklich sein, dass sich hinter dem freundlichen Lächeln eines Lehrers eine Bestie verbirgt, die den perfekten Weg gefunden hat, unerkannt auf Beutefang zu gehen? Und welche Abgründe lauern in der Seele von Menschen, die sich daran ergötzen, wie junge Frauen langsam und brutal ermordet werden? Für die beiden Ermittler geht es nicht nur darum, zwei hochbrisante Fälle zu lösen – es geht darum, Mädchen aus einer kalten Welt des Grauens zu befreien …

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Sammelband »Mädchenopfer« von Matthias Gereon enthält die spannenden Thriller »Die Eisbärin« und »Mädchensammler«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Sie sind jung. Sie sind schutzlos. Sie sind die perfekten Opfer … Das Grauen lauert da, wo niemand es vermuten würde – das wissen die Kommissare Bergmann und Klein nur zu genau. Aber kann es wirklich sein, dass sich hinter dem freundlichen Lächeln eines Lehrers eine Bestie verbirgt, die den perfekten Weg gefunden hat, unerkannt auf Beutefang zu gehen? Und welche Abgründe lauern in der Seele von Menschen, die sich daran ergötzen, wie junge Frauen langsam und brutal ermordet werden? Für die beiden Ermittler geht es nicht nur darum, zwei hochbrisante Fälle zu lösen – es geht darum, Mädchen aus einer kalten Welt des Grauens zu befreien …

Über den Autor:

Matthias Gereon, Jahrgang 1979, entschloss sich nach Abitur und Zivildienst für ein Studium an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung. Er ist als Beamter für das Land Nordrhein-Westfalen tätig.

Bei dotbooks erschienen Matthias Gereons Thriller »Die Eisbärin« und »Mädchensammler«.

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Sammelband-Originalausgabe August 2022

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Eine Übersicht über die Copyrights der einzelnen Romane finden Sie am Ende dieses eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung eines Motivs von The Protograph / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-097-7

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Matthias Gereon

Mädchenopfer

Zwei Thriller in einem eBook

dotbooks.

Die Eisbärin: Bergmann und Klein ermitteln – Der erste Fall

Kriminalroman

Es gibt kein Entkommen! Die albtraumhaften Erlebnisse ihrer Kindheit verfolgen Sabine Kleiber noch immer. Als sie an der Supermarktkasse plötzlich ihren einstigen Peiniger vor sich sieht, fühlt sie sich erneut hilflos, ausgeliefert, missbraucht. Sabine kann nicht anders – sie folgt ihm, sie beobachtet ihn und bald ist sie sich sicher: Hinter der Maske des Anstands lebt der ehemalige Lehrer seine grausamen Triebe weiterhin aus. Schwebt jetzt etwa ihre kleine Tochter in schrecklicher Gefahr? Sabine ist fest entschlossen, das Ungeheuer um jeden Preis aufzuhalten – doch mehr und mehr beschleicht sie der schreckliche Verdacht, nur eine Schachfigur in seinem perfiden Spiel zu sein …

Prolog

Sie lag wach in ihrem Bett und zog sich die dünne Decke bis unters Kinn. Sie fror. Die gedimmte Lampe auf dem Nachttisch warf nur spärliches Licht in den karg möblierten Raum. Sie horchte ins Halbdunkel hinein und hörte das Bullern der Heizung, die es kaum schaffte, das Zimmer zu erwärmen.

Außer den ruhigen flachen Atemzügen ihrer Freundin, die aus dem Bett nebenan leise zu ihr herüberwehten, war nur das regelmäßige Ticken der Wanduhr zu hören. Sie strengte sich an, um die Zeiger zu erkennen. Es war 20 Minuten vor zehn. Über eine halbe Stunde lag sie also schon da und konnte nicht einschlafen. Wie so oft.

Sie dachte an die schönen, schaurigen und lustigen Geschichten, die ihre Mutter ihr früher vorgelesen hatte, wenn sie nicht schlafen konnte. Ronja Räubertochter, Aschenputtel, Rapunzel und die Brüder Löwenherz. All diese liebenswürdigen Gestalten waren treue Begleiter auf ihrem Weg ins Land der Träume gewesen. Als sie anfing, selber zu lesen, waren es die Geschichten von Hanni … Plötzlich riss sie etwas aus ihren Gedanken. Das Geräusch von Schritten auf dem Linoleumboden des Flurs drang in das Zimmer. Sie erstarrte, während lähmende Angst in ihren kleinen Körper kroch und sich wie ein wucherndes Geschwür ausbreitete.

Sie kannte die Schritte und wusste nur zu gut, was sie erwartete. Wie gelähmt starrte sie auf die Zimmertür. Sie würde das Böse nicht aufhalten können. Panisch sah sie mit an, wie die Klinke sich bewegte, die Tür langsam aufglitt und hinter der eingetretenen Gestalt geräuschlos ins Schloss fiel.

Der Mann verharrte im trüben Schein der Nachttischlampe und durchmaß den Raum mit einem prüfenden Blick. Dann sah er ihr direkt in die Augen. Im selben Moment zogen sich seine Mundwinkel nach oben und verliehen seinem Gesicht einen schauderhaften Ausdruck.

»Wie ich sehe, schläft deine Freundin.«

Der Klang seiner Stimme ließ alles in ihr verkrampfen.

»Wollen wir sie wecken?«

Das Flüstern wurde noch leiser, während er auf sie zukam.

»Nein, heute Abend kümmere ich mich nur um dich.«

Seine Worte drangen wie durch Watte an ihr Ohr und verursachten Übelkeit.

Langsam schritt er bis zum Fußende ihres Bettes, schlug wortlos die Decke beiseite und ließ seine Blicke gierig an ihrem Körper entlanggleiten. Sie sah, wie das widerwärtige Lächeln erneut seine Mundwinkel umspielte, als er sich an dem Reißverschluss seiner Hose zu schaffen machte. Dann packte er sie an den Füßen und zog ihren Körper näher zu sich heran. Er beugte sich vor, griff in den Bund ihres Schlüpfers und zerrte ihn zusammen mit der Schlafanzughose von ihren dünnen Beinen. Der beißende Geruch von Schnaps stieg ihr in die Nase. Unter die quälende Angst und die Übelkeit mischte sich das Gefühl unbeschreiblichen Ekels.

Sie spürte seinen eisernen Griff an ihren Fußgelenken, das grobe Auseinanderdrücken ihrer Beine. Als er kurz darauf mit einem Stöhnen in sie eindrang, explodierte ein flammender, stechender Schmerz in ihrem Körper. Sie durfte nicht schreien, das wusste sie. Wenn sie schrie, würde er ihr noch viel größere Schmerzen zufügen, damit hatte er wieder und wieder gedroht.

Völlig benommen vor Angst und Schmerz und unfähig, ihrem Peiniger ins Gesicht zu schauen, drehte sie den Kopf zur Seite.

Julia hatte sich vollständig unter der Bettdecke vergraben. Sie war also wach.

Selbst in ihrer grenzenlosen Qual hoffte sie, dass er ihre Freundin heute verschonen würde. Sie wollte ihn nicht provozieren, lag einfach nur da und ertrug den Rhythmus seines massigen, schwitzenden Leibs.

Nach und nach legte sich ein Schleier über ihr Bewusstsein. Die Geräusche wurden leiser, der Schmerz wurde dumpfer, die Gefühle verschwammen. Sie wurde leicht. Das alles geschah nicht ihr, stellte sie sich vor. Sie lag gar nicht mehr in diesem Bett. Sie war hochgeflogen und saß wie ein kleiner Vogel in einem sicheren Versteck weit oben im Baum. Von dort schaute sie auf eine völlig Fremde herab.

Ein erneutes Aufwallen des Schmerzes ließ sie zurückkehren und kündigte endlich an, dass das Martyrium für dieses Mal zu Ende war.

»Danke, Kleine«, raunte der Mann spöttisch, nachdem er von ihr abgelassen hatte, und schloss mit zittrigen Fingern den Reißverschluss seiner Hose. Einen kurzen Moment starrte er sie ohne erkennbare Gefühlsregung an. Dann wandte er sich zum Gehen. Mit dem Gesicht zur Tür, die Hand lag bereits auf der Klinke, hielt er inne und flüsterte: »Ihr wisst, was mit euch passiert, wenn ihr jemandem davon erzählt. Denkt an meine Worte.« Dann ließ er sie allein.

Die Stille legte sich wie ein bleierner Schleier über die Sinne der beiden Mädchen.

»Ist er weg?« Julias angstvolle, brüchige Stimme drang kaum durch die Decke.

Das Herz schlug so laut in ihren Ohren, dass sie Julias Worte kaum verstand.

»Ja«, antwortete sie schließlich, »es ist vorbei. Versuch zu schlafen.«

Es dauerte eine Weile, bis sie wieder fähig war, sich zu bewegen. Vorsichtig tastete sie nach ihren Sachen, zog sich die Schlafanzughose an, presste die Knie ganz dicht an die Brust und schmiegte ihren Kopf an das alte Stofftier. Der Eisbär war ein Geschenk ihres Vaters zu ihrer Geburt gewesen, und seit sie denken konnte, hielt sie ihn jede Nacht in ihren Armen.

Sie wünschte sich so sehr zu ihren Eltern, klammerte sich so intensiv an jeden Gedanken, den sie fassen konnte, dass die Eindrücke der gerade erlittenen Grausamkeiten mehr und mehr von ihr abrückten.

Lautlose Tränen liefen ihr übers Gesicht, während sie dalag und in ihren Gedanken nach Nangijala reiste, jenem Ort aus der Geschichte der Brüder Löwenherz, wo alle Menschen, denen es schlecht geht in dieser Welt, stark, gesund und glücklich sind.

Draußen hatte starker Regen eingesetzt, der böige Wind ließ die Tropfen gegen das Fenster prasseln. Es war eine kalte Oktobernacht, wenige Wochen nach ihrem 11. Geburtstag.

Kapitel 1

Donnerstag, 23. September, 19.40 Uhr

Herbert Lüscher saß in der Küche und betrachtete die Anzeige der brummenden Mikrowelle. Drei – zwei – eins – Pling! Er stand auf, lud die dampfende Pizza auf den Teller und setzte sich auf den einzigen Stuhl in dem kleinen Raum.

Während er kaute, fiel sein Blick auf die trübe verregnete Welt jenseits des Küchenfensters. Sie war ihm zutiefst zuwider.

Seine Gedanken schweiften zu der kleinen Holzhütte, wo er im Frühjahr wieder Station machen und Fische fangen würde. Nur dort, an diesem abgeschiedenen Ort, fühlte er sich wohl. Nur in der menschenleeren Stille war er frei. Doch bis er wieder aus der verhassten Stadt abreisen konnte, musste er noch einige dumpfe Monate hinter sich bringen.

Nachdem er das letzte Stück Pizza verzehrt hatte, stand er auf, stellte den Teller ins Spülbecken und legte den leeren Karton zu den anderen in den Schrank. Vier Stück. Er würde bald wieder einkaufen müssen. Sein Blick wanderte hinüber zu der kleinen Kuckucksuhr. Ärger wallte in ihm auf, als er feststellte, dass er sich mit dem angesammelten Tagesabwasch beeilen musste, wenn er die Sendung um 20.15 Uhr nicht verpassen wollte.

Schließlich galt es, vorher noch einen wichtigen Anruf zu tätigen. Beim Gedanken daran verbesserte sich seine Stimmung augenblicklich.

Kapitel 2

Freitag, 24. September, 11.00 Uhr

»Verflucht!«, schrie Sabine Kleiber auf und riss ihren Arm hastig zurück. Beim Versuch, einen Teebeutel aus dem Wandschränkchen zu ziehen, war sie zu nah an die Ausgussöffnung des Wasserkochers geraten. Der heiße Dampf hatte ihren rechten Unterarm verbrüht und ließ einen kleinen roten Flecken auf ihrer Haut zurück.

Während sie die Stelle unter das kalte Wasser des Küchenhahns hielt, klingelte das Telefon. Mit tropfendem Arm ging sie hinüber ins Wohnzimmer und erkannte die Nummer auf dem Display des Wandapparates sofort.

Mit einer Mischung aus Überraschung und plötzlicher Besorgnis nahm sie ab.

»Ja, Sabine hier, was ist los?«

»Mami, ich binʼs. Mathe fällt heute aus!« Die Stimme ihrer Tochter klang hell und aufgeregt. »Frau Braun ist krank geworden. Kannst du mich abholen?«

»Ach Liebes, du bist es«, versuchte Sabine, die leichte Irritation in ihrer Stimme plausibel erscheinen zu lassen. »Was ist denn los, warum läufst du nicht?«

»Wegen Nicole. Kannst du sie auch nach Hause bringen? Ihre Mama ist nicht da, und der Papa ist arbeiten.«

»In Ordnung, wartet vor dem Haupteingang, ich bin in fünf Minuten da.«

Als sie auflegte, merkte sie, wie sich ihre Anspannung wieder löste. Markus und sie hatten ihrer Tochter Laura für Notfälle ein Handy geschenkt, auch wenn sie erst acht Jahre alt war. Es war ein Prepaidgerät, und soweit Sabine es überblicken konnte, ging Laura sparsam mit ihrem Guthaben um. So erklärte sie sich die Alarmglocken in ihrem Kopf, die bei jedem der seltenen Anrufe ihrer Tochter sofort schrillten.

Drei Minuten später saß Sabine im Wagen und fuhr Richtung Heisingen, einem Stadtteil von Essen, der wie eine Halbinsel von den Wassern der Ruhr umschlossen war. Hier ging Laura in die dritte Klasse der Georgschule, einer kleinen Grundschule mit ausgezeichnetem Ruf, die weniger als einen Kilometer Fußweg von zu Hause entfernt lag.

Als Sabine in die letzten 200 Meter der Heisinger Straße einfuhr, erkannte sie Laura schon an ihrem langen blonden Zopf, der roten Jacke und dem bunten Tornister. Das Mädchen neben ihr war Nicole Kraus, zurzeit ihre beste Freundin. Laura kannte sie erst seit dem Sommer, als Nicole neu in die Klasse gekommen war, aber die Mädchen verstanden sich blendend. Sie verbrachten viel Zeit miteinander und übernachteten oft gemeinsam bei ihnen oder Nicoles Eltern.

»Hi, Mami«, rief Laura, als Sabine neben den beiden anhielt. Vergnügt verstaute ihre Tochter die beiden Tornister im Kofferraum des dunkelblauen BMW Kombi. Sie schien über den frühzeitig beendeten Schultag nicht allzu traurig zu sein. Lachend kletterten die Kinder auf die Rückbank und legten die Gurte an.

»Hallo, ihr zwei«, begrüßte Sabine die Mädchen. »Soll ich dich nach Hause fahren, oder möchtest du erst einmal mit zu uns?«, fragte sie Nicole.

»Nö, ich hab einen Schlüssel, und Mama ist bestimmt nur kurz einkaufen.«

»Hast du Bescheid gesagt, falls sie vom Einkaufen direkt hierherfährt?«, erkundigte sich Sabine.

»Hab ich unserer Klassenlehrerin gesagt.«

»Mathe fällt noch die ganze nächste Woche aus«, verkündete Laura fröhlich. »Aber ab Montag haben wir eine Vertretung«, fügte sie mit gespielt ernster Miene hinzu. »So ein Mist.«

Gut gelaunt berichteten die beiden Mädchen während der Fahrt von ihrem Tag, und Sabine ließ sich von der fröhlichen Ausgelassenheit anstecken.

Nachdem sie Nicole kurz nach halb zwölf am Steinhagen im Stadtteil Steele abgesetzt und gewartet hatte, bis das Mädchen mit einem Winken im Haus verschwunden war, wandte sie sich an Laura: »Was möchtest du heute essen, Liebes?«

»Hm«, Laura gab vor, angestrengt nachzudenken, »am liebsten Kartoffelbrei mit Fischstäbchen!«

Sabine schmunzelte, denn natürlich hatte sie die Antwort schon vorher gekannt. »Oje, da muss ich aber erst nachschauen, ob ich das Rezept noch irgendwo finde!« Sie grinste, und beide mussten lachen.

Sabine dachte nach, Kartoffeln und Milch hatte sie noch zu Hause, doch der Vorrat an Fischstäbchen hielt dem scheinbar unstillbaren Verlangen ihrer Tochter nie lange stand. Sie steuerte den nächstgelegenen Supermarkt an, und schon bald hatten Mutter und Tochter alles in den Einkaufswagen geladen, was sie für die nächsten Tage brauchen würden. Auf dem Weg zur Kasse fiel Sabine noch etwas ein.

»Liebes, ich habe meinen Tee vergessen, er müsste dort drüben stehen.« Sie sah ihre Tochter an und zwinkerte verschwörerisch. »Gegenüber von den Süßigkeiten.«

Nach diesem Zauberwort folgte Laura ihrer Mutter mehr als bereitwillig zurück durch die Gänge des Supermarkts. Es dauerte nicht lange, bis Sabine den klassischen schwarzen Darjeeling gefunden hatte. Sie nahm die Packung aus dem Regal und drehte sich zum Einkaufswagen hin. Für den Bruchteil einer Sekunde streifte ihr Blick dabei die Warteschlange vor der Kasse.

Es war ein Blick in den Abgrund der Hölle.

Kapitel 3

Freitag, 24. September, 12.10 Uhr

»Mach nur den Mund weit auf. Ja, so ist es gut.«

Er richtete die Leuchte aus und fing an, den Mundraum des Jungen mit dem kleinen Handspiegel zu untersuchen. Der Zehnjährige war kurz zuvor mit akuten Zahnschmerzen und seiner besorgten Mutter in die Praxis gekommen und lag nun verängstigt und kleinlaut auf dem großen Untersuchungsstuhl.

Nachdem die Spritze ihre betäubende Wirkung erreicht hatte, rückte Markus Kleiber mit geübten Handgriffen dem kariösen Zahn zu Leibe. Kurze Zeit später konnte er Mutter und Sohn verabschieden und ließ sich für einen kurzen Moment erschöpft auf einen Stuhl sinken. Es war ein stressiger Tag gewesen, und er sehnte sich schon nach dem Dienstschluss am Nachmittag. Er freute sich, nach Hause zu kommen und seine Frau Sabine zu sehen. Ja, er freute sich sogar sehr auf Sabine.

Sie kannten sich bereits zwölf Jahre, von denen sie rund neun Jahre verheiratet waren, und er liebte sie noch wie am ersten Tag. Er hatte Sabine in Münster kennengelernt, auf einer der zahlreichen Studentenpartys im Jahr vor seinem Abschluss. Für ihn war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Gern und oft dachte er an jenen Abend zurück, wo er sie plötzlich in der tanzenden Menge entdeckt und zunächst aus sicherer Entfernung beobachtet hatte. Das hellblaue Sommerkleid, das sich eng um ihre zierliche Gestalt schmiegte, die schulterlangen kastanienbraunen Locken, die ihr bei jeder ihrer anmutigen Bewegungen ins Gesicht fielen, ihre sanften braunen Augen, die Kraft und intensive Wärme ausstrahlten.

Für Sabine hatte er sich so sehr ins Zeug gelegt, so viel Zeit, Anstrengungen und Kreativität investiert wie bei keiner anderen Frau zuvor. Nur wenige Monate später hielt er nach einem romantischen Abendessen um ihre Hand an und wäre vor Glück und Stolz beinahe zersprungen, als sie lächelnd einwilligte. Als fünf Monate nach der Hochzeit ihre Tochter geboren wurde, war er der glücklichste Mensch auf Erden. Er liebte Laura ebenso sehr wie Sabine und hoffte, dass sich seine Familie in Zukunft noch vergrößern würde.

Lächelnd nahm er sich vor, seine Frau am Abend mit einer kleinen Aufmerksamkeit zu überraschen.

Kapitel 4

Freitag, 24. September, 12.15 Uhr

Es war, als gefröre die Welt um sie herum zu Eis, während in ihrem Inneren ein rasender Sturm tobte. Sabines Herz pochte mit ungeheurer Wucht gegen die Brust und dröhnte hämmernd in ihren Ohren. Eine plötzliche übermächtige Angst kam auf sie zu und schwappte wie eine riesige Brandungswelle über sie hinweg. Blitzbilder schossen durch ihren Kopf. Sie war unfähig, zu denken.

So verharrte sie ein paar Augenblicke, die Augen geschlossen, die Finger krampfhaft um den Griff des Einkaufswagens geklammert, das Gefühl für Raum und Zeit verloren, vor Angst erstarrt.

Eine ferne Stimme schien etwas zu rufen, erst leise, dann immer lauter und fordernder. Aus den undeutlichen Worten glaubte sie ihren Namen herauszuhören. Plötzlich rissen die Laute die Blockade ein und drangen mit solcher Wucht in ihr Bewusstsein, dass es schmerzte.

»Mami, Mami! Was ist mit dir? Ich hab Angst!«

Laura hatte sich fest an Sabine gedrückt und schaute hinauf in das bleiche Gesicht ihrer Mutter.

Sabine betrachtete ihre Tochter und hörte sich selber sagen: »Nichts, Liebes. Mir ist nur plötzlich schwindlig geworden. Ich bekomme wohl Kopfschmerzen.« Sie spürte, dass ihre Tochter noch immer große Angst hatte. »Es geht gleich wieder«, bemühte sie sich, Laura zu beruhigen, »such dir was von den Süßigkeiten aus.«

Irritiert widmete sich das Mädchen der riesigen Auswahl an Schokolade und Weingummi, blieb aber in der Nähe ihrer Mutter.

Es gab keinen Zweifel. Er war es.

Ein kurzer Augenblick hatte gereicht, um sicher zu sein. Sabine sammelte alle Kraft, die sie nach der Panikattacke noch zur Verfügung hatte. Natürlich hatte sie oft daran gedacht, wie es wäre, diesem Mann wieder zu begegnen. Doch die Realität, die sie nun vorwarnungslos eingeholt hatte, war weitaus brutaler, als jede ihrer Vorstellungen es je gewesen war.

Trotz allem musste sie sich der Situation stellen. Glücklicherweise stand sie weit abseits, sodass ihr Verhalten niemandem aufgefallen war. Sabine atmete tief ein und zwang ihren Blick, in Richtung Kasse zu wandern. Dann beobachtete sie den Mann. Er war gerade damit beschäftigt, seine Einkäufe auf das Band zu legen. Dabei stand er seitlich zu ihr, sodass sie sein Profil betrachten konnte.

Die gleiche gedrungene Gestalt, der gleiche deutliche Bauchansatz. Das rundliche, fleischige Gesicht, der nun vollkommen ergraute Haarkranz, die dichten, buschigen Augenbrauen. Die fahrigen, unbeholfenen Bewegungen.

Es gab keinen Zweifel. Er war es.

Der Mann in der Schlange war Herbert Lüscher. Lehrer für Erdkunde und Geschichte am Internat aus Sabines Kindheit.

Kapitel 5

Freitag, 24. September, 12.30 Uhr

Jürgen Kohlmeyer saß auf seiner Pritsche und warf alle paar Sekunden einen nervösen Blick auf seine Armbanduhr. Obwohl es ihm lächerlich vorkam, konnte er sich nicht dagegen wehren. Eine innere Unruhe, wie er sie lange Zeit nicht mehr erlebt hatte, ergriff Besitz von ihm.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2022
ISBN (eBook)
9783986900977
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (August)
Schlagworte
Thriller Kriminalroman Psycho-Thriller Spannung Ermittler-Krimi Städtekrimi Catherine Shepherd Andreas Gruber eBook Neuerscheinung
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Titel: Mädchenopfer