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Toskanische Totenwache

Drei Kriminalromane in einem eBook: "Mord in der Toskana", "Kalte Schatten über der Toskana" und "Tödliches Spiel in der Toskana"

©2023 897 Seiten

Zusammenfassung

Ein starkes Ermittlerduo im Kampf gegen das Verbrechen: Der packende Krimi-Sammelband »Toskanische Totenwache« von Gianni Volpe als eBook bei dotbooks.

Dunkle Schatten ziehen über der Toskana auf ... Vittoria Pucci, Commissaria aus Florenz, stößt bei einem Ausflug in die Toskana auf zwei entstellte Leichen. Gemeinsam mit Leonardo Vanucci, dem zuständigen Commissario der Region, kommt sie einer Verschwörung auf die Spur, die sich nicht nur bis in die höchsten Ränge der Politik, sondern auch in die eigenen Reihen zieht – und mit diesem Fall noch lange nicht abgeschlossen ist. Können Vittoria und Leonardo es schaffen, die toskanische Polizei von ihren schwarzen Schafen zu befreien und die Korruption zu beenden?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Sammelband »Toskanische Totenwache« von Gianni Volpe enthält die fesselnden Italien-Krimis »Mord in der Toskana«, »Kalte Schatten über der Toskana« und »Tödliches Spiel in der Toskana«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Dunkle Schatten ziehen über der Toskana auf ... Vittoria Pucci, Commissaria aus Florenz, stößt bei einem Ausflug in die Toskana auf zwei entstellte Leichen. Gemeinsam mit Leonardo Vanucci, dem zuständigen Commissario der Region, kommt sie einer Verschwörung auf die Spur, die sich nicht nur bis in die höchsten Ränge der Politik, sondern auch in die eigenen Reihen zieht – und mit diesem Fall noch lange nicht abgeschlossen ist. Können Vittoria und Leonardo es schaffen, die toskanische Polizei von ihren schwarzen Schafen zu befreien und die Korruption zu beenden?

Über die Autoren:

Gianni Volpe ist das Pseudonym der Autoren Heike Reinecke und Andreas Schlieper. Beide waren lange Jahre in verschiedenen Positionen für das Land Nordrhein-Westfalen tätig. Heute lebt und arbeitet das Paar in Düsseldorf – mit vielen Abstechern in ihre Wahlheimat: die Toskana.

Gianni Volpe veröffentlichte bei dotbooks bereits »Kalte Schatten über der Toskana«, »Mord in der Toskana« und »Tödliches Spiel in der Toskana«, die in diesem Band zusammengefasst sind.

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Originalausgabe Februar 2023

Copyright © der Originalausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

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Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98690-132-5

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Gianni Volpe

Toskanische Totenwache

Drei Kriminalromane in einem eBook

dotbooks.

Gianni Volpe

Kalte Schatten über der Toskana

Frühsommer in der Toskana. Eigentlich wollte Vittoria Pucci, Commissaria aus Florenz, nur ein paar Tage auf dem Land ausspannen. Doch dann legt ein Kater ihr etwas Seltsames vor die Füße: einen abgeschnittenen Finger! Kurz darauf werden in der Umgebung zwei entstellte Leichen entdeckt. Scheinbar verbindet diese Toten nichts. Jemand hat alles darangesetzt, ihre Identität zu verschleiern. Vittoria zögert nicht und beginnt zu ermitteln. Je tiefer sie in den Sumpf aus Politik, korrupten Behörden und eiskalten Investoren eindringt, desto näher kommt sie einer gefährlichen Wahrheit, die bald tödliche Schatten auf ihre Familie zu werfen droht

Kapitel 1

While you see a chance, take it! – Gherardo sprach kein Englisch, aber er hätte sofort verstanden, um was es geht: Vielleicht kommt die Chance nie wieder! Nimm, was du kriegst! Da lag es vor ihm, mitten auf dem Weg: ein länglicher, blasser, sogar ziemlich weicher Gegenstand, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Gherardo betastete ihn vorsichtig, roch ausgiebig daran, rollte ihn ein paar Mal hin und her und befand schließlich, dass es gut war. Also nahm er ihn vorsichtig auf und trug ihn den Berg hinauf zu dem Haus, in dem er wohnte. Ein besonderes Ding würde auch besonders belohnt werden.

Die Sonne ging gerade über den Bergen auf und ihr Flimmern verkündete einen weiteren heißen Tag. Gherardo genoss die Wärme ihrer ersten Strahlen, als er auf die große Terrasse trat. Es roch erdig, nach dem Tau auf den Blättern, nach den großen Pinien links und rechts vom Haus. Gerade hatte der Kauz seine letzte Zugabe beendet und nun schwirrten frühe Bienen emsig von Blüte zu Blüte. Ihr Summen mischte sich in die Symphonie des Morgens, getragen vom Gesang der Amseln und Meisen, der Gartenbaumläufer und Heckenbraunellen, der Zaunkönige und Sperlinge, dazwischen nur das beifällige Krächzen der Elstern und Raben und Eichelhäher. Gherardo hätte es zwar nicht so ausdrücken können, aber das wahre Glück hat man erst dann gefunden, wenn man auch weiß, dass man gerade glücklich ist. Das ist ein seltener Moment, für den Erinnerung und Hoffnung nur ein matter Ersatz sind.

Noch ließ sich niemand von den anderen sehen, also setzte sich Gherardo in aller Ruhe mitten auf die Terrasse. Es dauerte etwas länger als sonst, bis dann tatsächlich jemand aus der Tür trat. Aber jetzt sollte es nur noch wenige Momente dauern, bis dieser Jemand ihn ausgiebig lobte, freudig das Geschenk entgegennahm und ihn zum Essen ins Haus bat. Er stellte sich schon vor, welche Köstlichkeiten man ihm vorsetzen würde – fein gewürztes Lamm oder zartes Huhn oder vielleicht sogar ein wenig Thunfisch, zubereitet mit viel Liebe, vor allem aber mit Öl und Käse. Gherardo spürte, wie ihm langsam der Speichel im Mund zusammenlief und sogar ein kleiner Tropfen über die Lippen das Kinn entlangfloss und auf den Boden fiel. »Überraschung!«, wollte er gerade sagen und erhob sich, um das Geschenk in all seiner Pracht zu präsentieren.

Micaela war an jenem Morgen etwas später aufgestanden als sonst, denn der Abend zuvor hatte auch etwas länger gedauert als üblich. Alle wussten, dass es erst um neun Uhr Frühstück gab. Das war die einzige Mahlzeit, die sie in ihrem kleinen Guesthouse anbot, dafür aber mit umso mehr Einsatz und Aufwand. Micaela hatte vor ein paar Jahren ihr Mediterranea Luxury House oder kurz MLH eröffnet. Von Anfang an war es gut gelaufen, obwohl es hier, 10 Kilometer südlich von Livorno, im kleinen Dörfchen Quercianella, keinen Sandstrand und kein Nachtleben gab. Aber gerade deswegen kamen die Gäste hierher, wegen der Ruhe und Stille und der Einsamkeit hoch auf dem Berg. Inzwischen musste man sogar viel Glück haben oder schon ein Jahr im Voraus buchen, um eines der nur drei Zimmer zu ergattern, die groß und geräumig waren, vor allem aber individuell und mit viel Aufmerksamkeit eingerichtet. Und weil es nicht billig war, kamen auch nur Gäste, die sich den Luxus von Ruhe und Stille leisten konnten.

Schon als sie aus der Tür trat, hatte Micaela Gherardo bemerkt; unmöglich, den dicken Kater mitten auf der Terrasse zu übersehen. Sie musste schmunzeln, denn mit seinem schwarz-weißen Fell sah er aus, als trage er ein Trikot von Juventus Turin. Und wie jeden Morgen war Micaela darauf vorbereitet, dass der Kater etwas von seinem nächtlichen Streifzug mitgebracht hatte. Und nun wartete er darauf, gelobt und in die Küche gebeten zu werden. Sie hatte schon einen Teller mit feinster Putenbrust neben den Herd gestellt und für alle Fälle eine Kehrschaufel mit nach draußen gebracht. Alles war so, wie es sein sollte! Micaela freute sich auf den neuen Tag. Erst als sie nur noch zwei Schritte von Gherardo entfernt war, konnte sie erkennen, was er an diesem Morgen mitgebracht hatte. Noch ehe sie einen Gedanken fassen konnte, begann sie zu schreien, laut und spitz, so, wie sie noch nie in ihrem Leben geschrien hatte. Gherardo wich voller Schrecken und Angst zurück.

»Ein Finger«, schrie Micaela immer wieder, »ein Finger!« Und dann: »Madonna mia, woher hast du den Finger?«

In seiner tiefen Verwirrung konnte Gherardo ihr nicht antworten, aber was hätte ihr der Kater auch schon sagen sollen? Micaela hätte es ohnehin nicht verstanden.

Vittoria Pucci wurde von den Schreien geweckt. Sie schreckte aus dem Bett hoch und versuchte, die Augen zu öffnen. Vergeblich. Ihr Kopf schmerzte so sehr, dass sie es erst nach mehreren Versuchen endlich schaffte. In diesem Moment schossen ihr drei Fragen durch den Kopf: »Wo bin ich?«, »Woher kommt der Lärm?« und am drängendsten von allen: »Wie werde ich die Schmerzen los?« Die erste Frage war schnell beantwortet: Sie saß auf dem Bett in ihrem Lieblingszimmer des MLH, wo sie ein verlängertes Wochenende bei ihrer alten Freundin Micaela verbringen wollte. Auch die zweite Antwort war schnell gefunden, als sie sich aus dem Bett gerollt hatte, um durch das Fenster auf die Terrasse schauen zu können. Was nun die dritte Frage anging, so wurde Vittoria schnell klar, dass es noch einige Zeit und Aspirin brauchen würde, bis sich dafür eine Lösung fände. Im grellen Sonnenlicht der Terrasse wurde die Frequenz ihrer Kopfschmerzen schier unerträglich.

Sie hatten mit Micaelas Familie zu Abend gegessen, nichts Besonderes, nur Pecorino, Salsiccia und Prosciutto aus dem Umland, dazu aber reichlich Wein getrunken, schließlich war es ja Samstagabend. Vittoria und Micaela hatten es sich danach auf der Terrasse in zwei Deckchairs gemütlich gemacht und einen Eiskübel mit einer Flasche Vin Santo mitgenommen, die sie nach und nach mit viel Genuss geleert hatten.

Doch auf der Suche nach einem letzten, kühlen Schluck Mineralwasser hatte Micaela eine zweite Flasche Vin Santo im Kühlschrank entdeckt. Eigentlich ist dieser Wein aus der Toskana eine unerlässliche Beigabe zum süßen Dessert, aber zugleich ziemlich hochprozentig. In Cantuccini getränkt, dieses wunderbare Mandelgebäck aus Prato, nahm man den Alkoholgehalt kaum noch wahr.

Für einen kurzen Moment konnte Vittoria gar nichts sehen, als sie auf die Terrasse getreten war. Nach ein paar Schritten und mit der Sonne im Rücken, erfasste sie schnell die Situation. Der inzwischen vom Schreien völlig irritierte Kater hatte seine Beute fallen lassen und versuchte, sich zu verstecken. Vittoria genügte ein Blick, um zu erkennen, dass es sich tatsächlich um einen menschlichen Finger handelte, den der Kater angeschleppt hatte. Und sie verstand auch Micaelas Panik – so etwas sieht man schließlich nicht alle Tage. Vor allem nicht mitten auf der eigenen Terrasse.

Auch Vittoria war im ersten Moment überrascht von der skurrilen Situation, aber schnell gewann die berufliche Routine als Commissaria der Polizia di Stato in Florenz die Oberhand. Eigentlich hätte man den Tatort so belassen müssen, wie man ihn vorgefunden hatte. Möglichst nichts kontaminieren, bevor die Spurensicherung ihre Arbeit getan hatte! Aber am Horizont über dem Meer zogen dunkle Wolken auf und es war bald mit Gewitter und Regen zu rechnen, wodurch sich die Spuren ohnedies in nichts auflösen würden. Sie musste handeln, Kopfschmerzen hin oder her, und zwar rasch.

Sie rief die zuständige Questura in Livorno an. Nun ging Vittoria wieder in die Küche und bat Micaela um ein paar Plastiktüten, eine Zange und einen Filzschreiber, um das Beweisstück, also den Finger, sicherzustellen.

Die Terrasse hätte trotz der immer drohenderen Wolken ein friedlicher Ort sein können, wenn da nicht dieser Finger gelegen hätte, der dort nicht hingehörte. Vittoria hatte einmal gelesen, dass etwas dann »böse« sei, wenn es sich am falschen Ort befände. Dieser Finger war nun ganz eindeutig am falschen Ort.

Zweifellos war der Finger einem Mann abhandengekommen; wann, wie und wodurch ließ sich allerdings auf den ersten Blick nicht erkennen. Der Finger war sorgfältig manikürt, so dass man den Ablagerungen unter dem Nagel wahrscheinlich Hinweise auf die Vorgänge vor der Tat würde entnehmen können. Und damit wäre man der Frage, wo sich der Rest des Mannes jetzt aufhielt, näher gekommen. Aber das wollte Vittoria der Professionalität der Forensiker überlassen. Denn vom Kater waren selbst bei intensivster Befragung wohl keine Auskünfte über den Fundort des Fingers zu erwarten.

Eine Stunde und viele Tassen Kaffee später trafen die Experten der Spurensicherung aus Livorno ein. Sie waren ziemlich mürrisch, immerhin war es Sonntag und außerdem regnete es inzwischen in Strömen. Und alles, was es zu sichern gab, war ein menschlicher Finger in einem profanen Frischhaltebeutel.

»Da, wo das herkommt, ist sicherlich noch mehr«, sagte einer der Beamten. Offenbar hatte er etwas zu sagen, denn die anderen nickten beifällig.

»So ist es wohl«, parierte Vittoria, »denn es ist kaum anzunehmen, dass sich der Finger von allein selbstständig gemacht hat.«

»Oder«, brummte der Chef zurück, »es handelt sich um einen japanischen Gangster, der sich für irgendein Vergehen den Finger zur Strafe selbst abschneiden musste.«

»Oder«, entgegnete sie deshalb, »das Opfer hatte Lepra und der Finger ist doch von selbst abgefallen.«

Ob es denn weitere Spuren zu sichern gäbe, fragte der Mann daraufhin indigniert. Vittoria mailte ihm die Fotos aus ihrem Handy und wies dann auf den Kater Gherardo, der sich inzwischen satt und müde in die Tiefen eines Küchenschrankes zurückgezogen hatte. Gegen einigen Widerstand wurde er hervorgeholt, auf den Küchentisch gesetzt, und dann strich einer der Beamten mit Wattestäbchen über seine Pfoten und tupfte das Fell mit Klebeband ab. Bedauerlicherweise floss dabei auch einiges an Blut, nämlich das des Beamten. Aber wenigstens konnte im Rahmen dieser Untersuchungen Gherardo als Täter ausgeschlossen werden.

Die Zeit zog sich scheinbar endlos hin, bis die Beamten der Spurensicherung schließlich ihre Arbeit beendet hatten. Vielleicht wären sie auch schon viel früher fertig gewesen, wenn nicht Micaelas Mutter ihnen immer wieder Kaffee und Brote angeboten hätte. Vittoria wollte packen, aber auch möglichst viel von dem mitbekommen, worüber die Beamten aus Livorno sprachen.

»Ist die da nicht die lange Pucci aus Rom?«, hörte sie einen von ihnen tuscheln. »Die mit dem pikanten Verhältnis?« Er lachte kurz auf.

»Nein«, antwortete ein anderer, »die hier kommt aus Florenz. Ich habe ihren Ausweis gesehen.«

»Aber eine namens Pucci war doch die Vorzeigefrau aus dem Ministerium, oder?«

»Und sie war die Geliebte von diesem hohen Tier – wie hieß er noch gleich? … Cioni oder so ähnlich.«

»Quatsch, sie ist die Nichte von Dottore Emilio Cioni«, ließ sich nun der Chef der Truppe vernehmen. »Und ja, sie war früher in Rom, aber jetzt ist sie schon seit ein paar Jahren in Florenz. Und zwar als Commissaria, also bitte etwas mehr Respekt, meine Herren!«

Die anderen schwiegen betreten und griffen verlegen zu den Brötchen und zum frischen Kaffee.

Ja, so war es tatsächlich gewesen. Vittoria hatte in der Zentrale der Polizia di Stato in Rom gearbeitet. Warum sie schließlich wieder nach Florenz zurückgekehrt war, ging und geht niemand etwas an. Auch wenn ihr immer wieder aufs Neue irgendwelche Gerüchte zu Ohren kamen, hatte sie längst aufgehört, sich darum zu kümmern. Vittoria war zufrieden mit ihrem Leben.

Kurz vor dem Aufbruch der Truppe ergab sich noch die Gelegenheit für ein Gespräch zwischen Vittoria und dem Leiter der Spurensicherung. Abseits von neugierigen Blicken tauschten sie Vermutungen über den Fall aus. Endlich, am frühen Nachmittag, verstaute die Truppe ihre Sachen im Wagen und fuhr unter lautem Hupen davon.

Gepackt war schnell, allein die Verabschiedung von Micaela und ihrer Familie dauerte etwas länger. Vittoria hätte gerne auch noch Gherardo Lebewohl gesagt, aber der Kater schmollte offenbar und war unauffindbar verschwunden.

Vittoria überlegte kurz, ob sie bei der Questura in Livorno vorbeifahren sollte, beließ es dann jedoch bei einem Anruf, um ihre Unterstützung bei dem Fall des Fingers anzubieten. Aber man bedeutete ihr, dass sie im Moment ohnehin nichts weiter tun könne.

Obwohl es den ganzen Tag geregnet hatte, waren mehr Menschen an die Küste gefahren, als Vittoria erwartet hatte. Die Zeit, die sie auf der Fi-Pi-Li, einer der wenigen mautfreien Autobahnen, im Stau zwischen Pisa und Florenz verbrachte, war dadurch noch länger als ohnedies befürchtet.

Baustelle reihte sich an Baustelle, denn auch in der Toskana rotteten die Straßen unaufhörlich vor sich hin. Es war spät am Abend, als Vittoria endlich in Florenz ankam.

Kapitel 2

Vittoria traf am nächsten Tag fast pünktlich um neun Uhr in der Regionalstelle Florenz der Polizia di Stato ein. Eigentlich war diese Agentur schon vor einigen Jahren im Zuge des Bürokratieabbaus abgeschafft worden. Ein paar kleine Abteilungen wie bespielsweise der Fahrdienst oder das Gebäudemanagement der Polizei waren irgendwie – wohl versehentlich – bestehen geblieben. Auch das Centro Interregionale della Coordinazione in Casi Eccezionali gehörte dazu, das Zentrum für die interregionale Zusammenarbeit in außergewöhnlichen Kriminalfällen, kurz »CIRCCE« genannt. Man hatte ihm ein paar spärlich möblierte Büroräume in einem nicht mehr ganz taufrischen Gebäudekomplex in einem auch schon in die Jahre gekommenen Stadtviertel zugewiesen. Umgeben von einer baufälligen Mauer standen rund um einen großen gepflasterten Innenhof ein paar niedrige Gebäude. Das Ganze war einem Gutshof ähnlicher als einer Polizeistation. Aber es ging auch gar nicht darum, auf jemanden Eindruck zu machen, denn mit den Bürgern, den guten oder den bösen, hatte man hier eigentlich nichts zu tun. Man verwaltete die Grundstücke und den Fuhrpark der Polizia di Stato und koordinierte eben die Polizeiaktionen in außergewöhnlichen Fällen. Dabei war der Kontakt zum Bürger zwar nicht unbedingt schädlich, aber auch nicht dringend erforderlich, so dass man eine Begegnung mit ihm vermied, wann immer es möglich war.

Vittoria Pucci war mit ihren 1 Meter 84 zweifellos eine groß gewachsene Frau. Sie fühlte sich äußerst wohl damit, genoss manchmal geradezu das Gefühl der physischen Überlegenheit und hatte eine diebische Freude daran, bei gewissen Gelegenheiten Schuhe mit hohen Absätzen zu tragen. Ihre Schönheit hätten die meisten Betrachter eher als »herb« bezeichnet und ihr Gesicht als »kantig«, aber ihr blondes, kinnlanges Haar wirkte wie eine Art Weichzeichner. Und das war auch nötig, denn sie machte ab und an einen verschlossenen Eindruck, so, als wolle sie ihre kostbare Lebenszeit nicht mit Geplänkel verschwenden. Dass sie daher als nicht sonderlich beliebt galt, störte sie jedoch kaum.

Sie hatte früher Volleyball gespielt, und zwar ziemlich gut. Nach ihrem Abitur war sie von einem Profiverein engagiert und sogar zwei Mal für die Nationalmannschaft nominiert worden. Einer glänzenden Zukunft als erfolgreiche Sportlerin schien nichts im Wege zu stehen. Aber dann zog sie sich eine schwere Knieverletzung zu und ihre Karriere war abrupt beendet. Von einem Tag auf den anderen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als zu studieren, Jura und Ökonomie, nicht spannend, aber nützlich. Genauso diszipliniert, wie sie bisher für ihren Sport gelebt hatte, stürzte sie sich nun in das Studium, kümmerte sich um nichts anderes und schaffte in fünf Jahren in beiden Fächern den Abschluss als dottoressa magistrale. Aber was nun?

Eines hatte sie von Anfang an entschieden: Unter keinen Umständen würde sie dem Drängen ihres Vaters nachgeben und in seiner Kanzlei in Florenz arbeiten. Nicht, dass ihr ein Dasein als Anwältin zuwider gewesen wäre, aber nach dem Studium in Bologna und einem selbstbestimmten Leben wollte sie nicht so einfach wieder in den Schoß der Familie zurückkehren. Ihr Onkel, Emilio Cioni, der Bruder ihrer Mutter, schlug ihr vor, in den Polizeidienst einzutreten. Vittoria hatte zwar keine Ahnung, worauf sie sich da einließ, aber in den zwei Jahren Vorbereitungsdienst bei der Polizia di Stato fand sie Gefallen daran. Sie kam in Italien herum, lernte neue Orte und Menschen ebenso kennen wie die Höhen und die Abgründe des menschlichen Lebens und freute sich schließlich darauf, endlich ihre Arbeit als Commissaria antreten zu können.

Zunächst kam sie in die Zentrale nach Rom. Und schon bald galt sie dort als role model der modernen Polizei: klug, jung, schön und vor allem weiblich; der eindeutige Beweis, dass es nicht am Geschlecht liegt, wenn man in der Bürokratie Karriere macht. Denn dass sie auf jeden Fall demnächst Karriere machen würde, bezweifelte niemand. Tatsächlich wurden schon nach wenigen Monaten Wetten darüber abgeschlossen, wann die hübsche Dottoressa Vittoria Pucci ein eigenes Commissariato oder gar eine Questura übernehmen würde. Man rechnete mit allenfalls einem Jahr, eher weniger. Zumal Onkel Emilio als Polizeidirektor mehr als nur einen gewissen Einfluss darauf haben würde. Die Zeichen standen gut für Vittoria und sie schien die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Aber irgendwann verliebte sich Vittoria in den falschen Mann. Verheiratet und den höchsten Rängen angehörend. Die Gerüchteküche kochte hoch und jeden Tag konnte es zum Skandal kommen. Die einstigen Gönner und Förderer ließen kaum noch etwas von sich hören. Vielleicht war bei einigen auch ein wenig Enttäuschung im Spiel, weil gerade sie, die kluge, schöne Vittoria, die hohen Erwartungen nicht erfüllte, die man in sie gesetzt hatte. Dass sie eben doch »nur« eine gewöhnliche Frau war und im Zweifel der Liebe und nicht der Politik folgte.

Es dauerte ein paar Wochen, bis Vittoria begriff, was sich abspielte, und auch sah, dass ihre große Liebe niemals offiziell zu ihr stehen würde. Genau so hatte sie sich gefühlt, als das sportliche Aus feststand und genauso wie damals war sie auch jetzt nicht bereit, sich dem Schicksal widerstandslos zu fügen. Nach ein paar durchweinten Nächten beschloss sie, sich von einer Karriere in Rom zu verabschieden. Sie fand mit Onkel Emilios Hilfe eine Stelle bei der Polizia di Stato in Florenz, nahe der Familie, die nun doch, allem Stolz zum Trotz, zur Seelentröstung beitrug.

Vittorias Arbeit an jenem Morgen nach dem Fund des Fingers war die gleiche wie immer. Sie hatte die unzähligen Berichte aus den Questure und Commissariate über den aktuellen Stand der Kriminalfälle in der Toskana zu lesen. Und dabei musste sie darauf achten, in welchen Fällen vielleicht eine »interregionale Koordination« und damit ein Eingreifen von CIRCCE nötig werden könnten. Vittoria hatte schnell gemerkt, dass es gar nicht so einfach war, solche Fälle zu finden, denn entweder waren sie mehr oder minder lokal begrenzt, so dass es einer Koordination gar nicht bedurfte. Oder sie waren von »außerordentlicher« Bedeutung, sei es tatsächlich so oder nur aus Sicht der Medien, dann erklärte sich umgehend die Zentrale der Polizia di Stato in Rom dafür zuständig. Wie auch immer: Für CIRCCE blieb wenig zu tun, wenn überhaupt. Was vielleicht auch besser war, denn mit ihrer sehr überschaubaren finanziellen und personellen Ausstattung hätte CIRCCE bei wirklich bedeutenden Fällen ohnehin nur wenig ausrichten können. Und so war sie inzwischen ganz dankbar dafür, dass es keinen spontanen Ausbruch von Serienmorden in der Toskana gab und jemand auf den Gedanken hätte kommen können, CIRCCE mit den übergeordneten Ermittlungen zu betrauen. Es wäre ein Desaster geworden.

Und so saß Vittoria auch an diesem Morgen an ihrem Schreibtisch, trank Kaffee und arbeitete sich durch die Meldungen und Berichte. Das meiste davon war uninteressant und langweilig: Einbruch, Drogendeals, die Entdeckung einer Marihuanaplantage auf einem heruntergekommenen Bauernhof, Raub, Falschgeld, eben das Übliche. Ab und an wurden ein paar sizilianische Vagabunden in einem baufälligen Wohnwagen festgenommen oder ein paar armselige Afrikaner, die naiven Touristen auf handgreifliche Weise Gebühren für eigentlich kostenfreie Parkplätze abverlangten. Die Toskana war kein Sündenpfuhl, die Kriminalität war nicht höher als anderswo. Allerdings hatten in Lucca und in Livorno während der vergangenen Jahre vor allem die Eigentumsdelikte zugenommen: Betrug, Diebstahl, Raub. Die Myriaden von Touristen, die alljährlich über Florenz, Pisa, Siena und die Versilia herfielen, waren schließlich eine leichte Beute für versierte Ganoven aus aller Welt, nicht zuletzt aus den Campi Nomadi in Rom, Florenz oder wo sonst auch immer. In gewisser Weise waren auch diese Kriminellen so etwas wie »Touristen«, denn sie kamen meist nur im Sommer in die Toskana.

Anfangs hatte Vittoria die Akten nur überflogen. Nach einigen Wochen aber nahm sie sich mehr Zeit dafür, fasziniert von den Abgründen krimineller Kreativität: ab und zu eine Schlägerei, meist im Zusammenhang mit Alkohol, Drogen, Eifersucht, manchmal auch wegen Ehrverletzung; gelegentlich auch Stalking. Von Tötung im Affekt bis zu Schafdiebstahl und illegalem Fleischverkauf, zunehmend Diebstähle von Benzin oder Kupfer oder der berüchtigte »Enkeltrick«, der hierzulande angesichts der vielfältigen und engen Familienbande ganz besonders gut funktionierte. Die Bandbreite krimineller Energie war schier unerschöpflich.

Manche Berichte waren durchaus vergnüglich zu lesen. An diesem Morgen stolperte sie über die Meldung, dass sich die Polizei um eine bissige, ausländische Schildkröte am Ufer eines Baches hatte kümmern müssen. ›Überall Migranten‹, dachte Vittoria. Allerdings würde es nicht leichtfallen, ihr Herkunftsland festzustellen, um sie dorthin abzuschieben.

Man kann mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks voraussagen, wo welche Straftaten verübt werden: Betrug und Taschendiebstähle, vor allem an den zahllosen Touristen, in den Straßen, in den Hotels, an den Stränden, von morgens bis abends. Allerdings fehlten Polizisten, die sich darum kümmern konnten, statt sich bei Fußballspielen in Florenz oder Livorno mit Hooligans herumprügeln zu müssen. So sehr die Bürokratie in Italien auch aufgebläht sein mochte, an Polizisten mangelte es allenthalben.

Vittoria fand tatsächlich in den Meldungen den Hinweis auf den »Finger« in Quercianella. Darauf war sie natürlich gefasst gewesen. Nicht aber auf den Bericht über einen Leichenfund am Strand von Forte dei Marmi. Ein paar Muschelsuchern war kurz nach Sonnenaufgang ein Toter vor die Füße gespült worden.

Im ersten Moment hatte Vittoria sogar gedacht, man habe dort vielleicht den passenden Körper zum Finger gefunden. Aber laut Bericht war der Tote einigermaßen vollständig, zumindest fehlte ihm kein Finger. Wie man schnell herausfand, war er aber nicht ertrunken. Das wäre den Behörden natürlich am liebsten gewesen. Doch zum allseitigen Bedauern war er offenbar erst nach seinem Tod im Wasser entsorgt worden. Ansonsten wusste man wenig: Tatzeit, Tatort, Todesursache waren zunächst noch unklar. Vittorias Interesse erlahmte ein wenig, obwohl sie es durchaus bemerkenswert fand, dass es in der ansonsten so ruhigen Versilia offenbar zwei Verbrechen innerhalb so kurzer Zeit gegeben hatte.

Die nächsten Tage vergingen ereignislos. Dann aber war es endlich wieder einmal Zeit für das große, gemeinsame Abendessen bei der Großmutter. Es hatte sich seit Vittorias Rückkehr nach Florenz zu einer familiären Tradition entwickelt. Es kamen Vittoria, ihr Bruder Aldo und meistens auch Onkel Emilio. Seit einiger Zeit war auch der Commendatore Carlo Casini dabei – oder »Triple C«, wie die Nonna ihn nannte. Er war irgendwann im Leben der Großmutter aufgetaucht – und geblieben. Sie hatte sich in ihrer lakonischen Art nicht weiter dazu geäußert, nur gesagt, er sei ein Nachbar und Freund, der auch ab und zu ein gutes Essen verdient habe. Vittoria und auch alle anderen bemerkten, wie sehr die Nonna die Gegenwart des Commendatore genoss. Und da er ein charmanter, höflicher Mann war, gehörte er bald dazu und man wunderte sich eher, wenn er einmal nicht anwesend war. Vittoria konnte die Faszination, die er offenbar auf ihre Großmutter ausübte, gut verstehen. Er war eine angenehme Erscheinung: groß, schlank, mit zwar weißem, aber immer noch vollem Haar, witzig, kultiviert – ein eleganter Mann, der alterslos wirkte.

Emilio Cioni war wie so oft erst spät aus Rom angereist und kam gerade noch rechtzeitig zum Aperitif, den wie üblich der Commendatore vorbereitet hatte. Auch wenn Emilio immer ein wenig Unruhe mitbrachte, hatte man doch in der Familie großes Verständnis für ihn. Man freute sich, dass er sich Zeit nahm, an den Familientreffen teilzunehmen. Als Primo Dirigente hatte er eine hohe Position in der Hierarchie der Polizia di Stato inne, und dass er in der DCA, der Direzione Centrale Anticrimine arbeitete, verstärkte noch sein innerfamiliäres Prestige. Immerhin befasste er sich tagtäglich mit schwersten internationalen Verbrechen und musste sich mit den Spitzen aus Politik und Wirtschaft auseinandersetzen. Über die Polizeiarbeit wurde bei Familientreffen prinzipiell nicht gesprochen.

An diesem Abend war es anders. Emilio nahm zwei Gläser von der Anrichte, reichte eines an Vittoria weiter und führte sie hinaus in den Garten. Es war noch immer angenehm warm und es roch nach Zitronen und Lavendel, nach Rosen und Rosmarin, jene Sommerdüfte, die Vittoria schon als Kind geliebt hatte.

Emilio trank einen Schluck und sagte dann: »Ich wollte dich nach diesem seltsamen Finger fragen, den du da in Quercianella gefunden hast.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2023
ISBN (eBook)
9783986901325
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Schlagworte
Spannung Kriminalroman Toskana-Krimi Italien-Krimi Urlaubskrimi Sophie Bonnet Jean-Luc Bannalec Andrea Camilleri Neuerscheinung eBook
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Titel: Toskanische Totenwache