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Bernsteinerbe

Historischer Roman – Die Magdalena-Reihe 3 | »Eine wunderbare Heldin«, sagt Iny Lorentz

©2023 686 Seiten
Reihe: Die Magdalena-Reihe, Band 3

Zusammenfassung

Ein rettender Lichtschein in düsteren Zeiten: Der dramatische historische Roman »Bernsteinerbe« von Heidi Rehn jetzt als eBook bei dotbooks.

Die stolze Handelsstadt Königsberg im Jahre 1662: Nach einer Kindheit im kaiserlichen Heerestross hat die couragierte Carlotta wie zuvor ihre Mutter Magdalena ihre Berufung als Wundärztin gefunden. Auch wenn in Preußen allerorten die Angst vor dem »Schwarzen Tod« grassiert, versorgt die Heilerin gemeinsam mit dem jungen Medicus Christoph Kepler aufopferungsvoll die Schwachen und Kranken – und knüpft dabei ein Band zu dem ebenso sensiblen wie anziehenden Arzt, dem sie sich nicht entziehen kann. Doch dann reißen sie die Schatten des Krieges auseinander und in den Wirren des Königsberger Aufstandes macht Carlotta eine erschütternde Begegnung, die ihr Schicksal – und das ihrer Familie – für immer verändern könnte …

Hochspannend und bildgewaltig lässt Heidi Rehn das 17. Jahrhundert und ein Europa im Umbruch lebendig werden: »Perfekte Recherche und eine wunderbare Heldin. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen«, urteilt Bestsellerautorin Iny Lorentz.

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der opulente Historienroman »Bernsteinerbe« von Bestseller-Autorin Heidi Rehn, der krönende Abschluss ihrer farbenprächtigen historischen Familiensaga um die Wundärztin Magdalena, der unabhängig von den anderen Teilen gelesen werden kann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Die stolze Handelsstadt Königsberg im Jahre 1662: Nach einer Kindheit im kaiserlichen Heerestross hat die couragierte Carlotta wie zuvor ihre Mutter Magdalena ihre Berufung als Wundärztin gefunden. Auch wenn in Preußen allerorten die Angst vor dem »Schwarzen Tod« grassiert, versorgt die Heilerin gemeinsam mit dem jungen Medicus Christoph Kepler aufopferungsvoll die Schwachen und Kranken – und knüpft dabei ein Band zu dem ebenso sensiblen wie anziehenden Arzt, dem sie sich nicht entziehen kann. Doch dann reißen sie die Schatten des Krieges auseinander und in den Wirren des Königsberger Aufstandes macht Carlotta eine erschütternde Begegnung, die ihr Schicksal – und das ihrer Familie – für immer verändern könnte …

Hochspannend und bildgewaltig lässt Heidi Rehn das 17. Jahrhundert und ein Europa im Umbruch lebendig werden: »Perfekte Recherche und eine wunderbare Heldin. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen«, urteilt Bestsellerautorin Iny Lorentz.

Über die Autorin:

Heidi Rehn, geboren 1966 in Koblenz/Rhein, steht mit ihren mitreißenden historischen Romanen regelmäßig auf den deutschen Bestsellerlisten. Nach einem Studium der Germanistik und Geschichte arbeitete sie als Dozentin und als PR-Beraterin, bevor sie sich als Texterin, Journalistin und Autorin selbständig machte. 2014 erhielt sie den »Goldenen Homer« für den besten historischen Beziehungs- und Gesellschaftsroman. Für Interessierte bietet sie Romanspaziergänge durch die Münchner Innenstadt an, bei denen sich die realen Schauplätze und eindrucksvollen Hintergründe ihrer Romane hautnah miterleben lassen.

Die Website der Autorin: www.heidi-rehn.de

Die Autorin bei Facebook: www.facebook.com/HeidiRehnAutorin

Die Autorin auf Instagram: www.instagram.com/Heidi_Rehn

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin die historischen Krimis »Mord am Marienplatz«, »Tod im Englischen Garten« und »Die Tote am Fluss«; die zwei erstgenannten Bücher sind auch in dem Sammelband »Mord in München« erhältlich.

Außerdem erscheint bei dotbooks ihre große historische Saga um die Wundärztin Magdalena: »Die Wundärztin«, »Hexengold« und »Bernsteinerbe«. »Die Wundärztin« und »Bernsteinerbe« sind auch bei dotbooks und SAGA Egmont als Hörbuch erhältlich.

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eBook-Neuausgabe Juli 2023

Copyright © der Originalausgabe 2011 by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt, Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Kathy SG und eines Gemäldes von Charles Leckert

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ys)

ISBN 978-3-98690-792-1

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Heidi Rehn

Bernsteinerbe

Historischer Roman

dotbooks.

Prolog
Die List

KÖNIGSBERG / PREUSSEN

Anfang September 1662

Erster Teil
Der Aufstand

KÖNIGSBERG

Herbst 1662

Kapitel 1

Carlotta kicherte. Christoph Keplers blumige Art zu erzählen amüsierte sie. »Du übertreibst mal wieder maßlos! Nur tumbe Ochsen und gackernde Hähne um dich her, das ist doch gar nicht zum Aushalten!« Übermütig warf sie den Kopf in den Nacken. Natürlich wusste sie, wie bezaubernd ihre rotblonden Locken im Sonnenlicht leuchteten. Ein Seitenblick auf den jungen Medicus genügte, sich der gewünschten Wirkung zu versichern. »Unter all den Professoren und Studenten muss es außer dir doch mindestens noch einen weiteren vernünftigen Kopf gegeben haben«, lockte sie weiter. »Immerhin hat dich dein Vater an die besten Universitäten Europas geschickt.«

»Was denkst du, Teuerste?« Christoph tat empört, nahm den schwarzen Spitzhut vom Kopf und neigte den stämmigen Oberkörper, um einen eleganten Kratzfuß anzudeuten. Dabei schrappte sein rechter Schnallenschuh über den trockenen Staub auf dem Altstädter Kirchplatz. Das blankpolierte Schwarz des Leders verwandelte sich in unansehnliches Grau. »Nichts liegt mir ferner, als dich über die wahren Zustände an diesen Orten höchster Weisheit in die Irre zu führen.« Abrupt richtete er das aschblonde Haupt auf und zwinkerte ihr aus den grauen Augen schelmisch zu. »Schließlich erinnere ich mich nur zu gut, wie sehr du seit jeher darauf brennst, das wahre Studentenleben kennenzulernen. Auch wenn wir uns lange nicht gesehen haben, wird sich daran wenig geändert haben.«

Neckend versetzte er ihr einen sanften Nasenstüber. Sie stemmte mit gespielter Empörung die Hände in die Hüften. »Dafür hat sich bei dir wohl Entscheidendes geändert. Soweit ich mich erinnere, sind wir uns gestern erst in Heydrichs Apotheke begegnet. Wenn dein Gedächtnis dir inzwischen zu schaffen macht, weiß ich hervorragende Tropfen gegen diese Art von Beschwerden.«

»Da handelt es sich gewiss um eine Rezeptur deiner berühmten Frau Mama, der allseits geschätzten Magdalena Grohnert.« Von neuem zwinkerte er belustigt. »Keine Sorge, meine liebe Carlotta! Natürlich ist mir nicht entfallen, dich gestern erst getroffen zu haben. Wie könnte ich eine Begegnung mit dir je vergessen? Trotzdem leide ich darunter, deine Gegenwart viel zu lang entbehrt zu haben. Schließlich bin ich zwei Jahre auf Reisen gewesen. Du ahnst nicht, wie schmerzlich ich dich währenddessen vermisst habe.«

»Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich dich beneide.« Sie wurde ernst. »Am liebsten würde ich gleich heute noch mein Kleid gegen Hosen eintauschen und ebenso wie du die Universitäten in aller Herren Länder besuchen. Wie herrlich muss es sein, den Vorträgen der Gelehrten zu lauschen.«

»Das mit den Hosen möchte ich mir gar nicht vorstellen.« Christoph schnitt eine Grimasse. »Schließlich gefällst du mir als weibliches Wesen weitaus besser denn als übereifriger Student.« Leicht neigte er den Kopf, um ihr tief in die blauen Augen zu schauen. »Ich hoffe, es gelingt mir, dich rasch von dieser unsinnigen Idee abzubringen, Hosen anzuziehen und wie ein Mann studieren zu wollen. Im Übrigen ist das wohl nicht die einzige übermütige Idee, die du in den letzten Wochen gehabt hast. Höchste Zeit, alles daranzusetzen, den Unfug schnellstens aus deinem hübschen Kopf zu vertreiben.«

»Was willst du damit sagen?« Carlotta wusste selbst nicht, warum sie hinter der Anspielung einen Tadel befürchtete. Tatsächlich war die Finte mit den leeren Särgen geglückt. Friedrich Wilhelms Truppen hatten vor den Toren des Kneiphofs abgedreht, kaum dass sie den vermeintlichen Trauerzug erspäht hatten. Mehr als zwei Wochen waren seither vergangen, und noch immer waren sie nicht wieder aufgetaucht. Beunruhigend war allerdings, dass der aus der Altstadt stammende Christoph wusste, wer auf diese List verfallen war. Jemand musste das Geheimnis aus dem Kneiphof hinausgetragen haben.

»Keine Sorge«, Christoph beugte sich vor, um einen Kuss auf ihre Hand zu hauchen. »Als Sohn des kurfürstlichen Leibarztes werde ich den Teufel tun und mit gespitzten Ohren durch den aufrührerischen Kneiphof laufen. Meine Angst, dort mit der üblen Pest in Berührung zu kommen oder gar gegen unheimliche leere Särge zu stoßen, ist viel zu groß.« Ein weiteres Mal zwinkerte er. »Schließlich wäre es töricht von mir, mich um solche Dinge zu scheren, wo sich mir gerade eine viel aufregendere Möglichkeit bietet, den Nachmittag zu verbringen. Lass uns ein wenig miteinander durch die Straßen spazieren.«

Seine grauen Augen hatten plötzlich einen Glanz, der Carlottas Herz zum Rasen brachte. Verschämt äugte sie zur Uhr am Kirchturm. Kurz vor zwei.

»Du weißt, dass das nicht geht.« Bedauernd runzelte sie die Stirn. »Bislang sind zwar erst wenige Leute unterwegs, doch das ändert sich bald. Das schöne Wetter wird die Königsberger nach draußen locken. Und du weißt, wie sie sich die Mäuler wetzen, wenn sie dann ausgerechnet uns beide zusammen sehen.« Ihre Finger spielten mit dem Bernstein an der Lederschnur um ihren Hals.

»Keine Sorge«, suchte Christoph sie zu beruhigen. »Im Moment frönen die meisten noch der wohlverdienten Mittagsruhe. Lass uns einfach den schönen Tag genießen.« Munter schwenkte er den spitzen Hut, breitete die Arme zur Seite und streckte das blasse Studierzimmergesicht der Sonne entgegen. »Wir sollten uns sputen, Teuerste. Früher, als uns lieb ist, werden wir hinter den Ofen hocken und keinen Fuß mehr freiwillig vor die Tür setzen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, zog wie ein Storch ein Bein hoch und mokierte heftiges Frösteln. »Ganz zu schweigen davon, dass wir kaum noch einmal Gelegenheit finden werden, ungestört zusammen zu sein.«

»Du bist wirklich noch der alte Kindskopf wie ehedem«, überging sie die Anspielung. »Nicht einmal die zwei Jahre in der Fremde haben dich zur Vernunft gebracht.« Zwar schüttelte sie entschlossen den Kopf, gab ihm insgeheim aber recht. Die Sonne verwöhnte die Dreistädtestadt am Pregel an diesem Septembersonntag wahrscheinlich zum letzten Mal in diesem Jahr. Das galt es, in vollen Zügen auszukosten. »Also gut, lass uns ein Stück miteinander gehen und erzähl mir genauer, warum es dir so ganz und gar nicht behagt hat, in den hehren Himmel der Wissenden emporzusteigen.«

Ein eigenartiges Kribbeln breitete sich in ihrem Bauch aus. Christoph hatte ihr schon vor seiner Studienreise gut gefallen. Nun aber hatte er etwas an sich, das einen regelrechten Sog auf sie ausübte. Unauffällig musterte sie ihn von der Seite. Sein Äußeres hatte sich zu seinem Vorteil verändert. Aus dem ehedem etwas farblosen Burschen war ein eleganter junger Herr geworden. Die modisch geschnittene Kleidung rückte die breiten Schultern und die sehnige Gestalt ins rechte Licht. Die weite Rheingrafenhose und der figurbetonte Justaucorps aus dunkelgrünem Samt waren von einem Schnitt, wie ihn die meisten Königsberger erst in einigen Jahren tragen würden. Die muskulösen Waden wurden durch die hellen Strümpfe trefflich betont. Unter dem hohen Spitzhut schimmerte das auf Kinnlänge gestutzte Haar golden in der Sonne und umspielte schmeichlerisch das breite Gesicht. Ein spitzbübisches Grinsen zuckte um die fleischigen Lippen. Am Kinn war die helle Kerbe zu erkennen, die er sich einst bei einem Sturz zugezogen hatte. Die Versuchung war groß, mit den Fingerspitzen die feinen Konturen seines Antlitzes nachzufahren. Schutzsuchend umklammerte Carlotta den Bernstein. Zugleich reckte sie sich ein wenig, um Christoph wenigstens bis zu den Schultern zu reichen.

Er fasste nach ihrer Hand und hauchte einen Kuss darauf. Sein Atem kitzelte auf der Haut. Jäh schoss ihr eine Erinnerung aus vergangenen Zeiten durch den Kopf. Ein anderer Bursche hatte ihr einmal ähnlich angenehm die Sinne verwirrt. Erschrocken schloss sie die Lider. An das Vergangene wollte sie nicht mehr denken. Das war für immer vorbei. Sie schlug die Augen auf und lächelte. »Also gut! Allzu viel Zeit bleibt dir nicht, von deinen zwei Jahren in der Fremde zu erzählen.«

»Zwei Jahre, das klingt lächerlich kurz. Wenn ich dich anschaue, scheint es mir eine Ewigkeit zu sein.« Sein durchdringender Blick brachte ihre Wangen abermals zum Glühen. »Schließlich kann ich mir anders nicht erklären, dich zu einer so betörend schönen jungen Frau herangereift zu sehen.«

»Du übertreibst schon wieder, mein Bester.« Beherzt lief sie los. »Wir waren eben bei den Professoren. Dein Urteil fiel nicht sonderlich schmeichelhaft aus. Wo warst du überall: Krakau, Breslau, Leipzig, Heidelberg und Padua? Oder habe ich eine Stadt vergessen?«

»Bologna«, ergänzte er. »Die Gestalt des ehrwürdigen Professors dort musst du dir übrigens etwa birnenförmig vorstellen. Oder vielleicht doch eher wie ein Flaschenkürbis?« Über seinem Nachdenken blieben sie abermals stehen. Mit den schlanken Händen formte er eine bauchige Figur in der Luft. Nach kurzem Zögern wiederholte er die der Birne zugedachte Rundung. Carlotta errötete ob der Anzüglichkeit. »Wie auch immer«, erneut hielt er inne, verwarf die Figur durch ein rasches Wedeln mit den Händen und gluckste vergnügt. »Gewiss reicht deine Vorstellungskraft, um zu ahnen, was ich meine.«

Der Blick aus seinen grauen Augen ruhte auf ihrem Gesicht, glitt an ihrer zierlichen Gestalt entlang. Unwillkürlich schob sie sich in Positur. Das schlichte hellrote Samtkleid betonte ihre schmale Gestalt und passte bestens zu ihren rotblonden Locken, die sie wie meist offen trug. Zufrieden zwirbelte sie eines der bunten Bänder um den Finger und ließ Christoph gewähren, bis er ihr geradewegs wieder in die blauen Augen blickte. Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich aus. Sie genoss es, bewies es doch, wie sehr ihre Person ihn fesselte, trotz der sieben Jahre, die sie beide trennten.

»Ein etwas dicklicher Mensch ist der Doktor also?«, erinnerte sie ihn sanft an das Thema ihres Gesprächs.

»Ja, reichlich dick ist der Doktor aus Bologna.« Christoph räusperte sich und fand zu seiner Erzählung zurück. »Schließlich läuft das Ganze in noch dickeren Beinen aus. Die erinnern übrigens an einen Elefanten. Ja, der Gute hat etwas von diesem exotischen Tier. Ähnlich schwerfällig bewegt er sich vorwärts, ungefähr so.« Er schwankte mit den Hüften hin und her. Wie zufällig stieß er dabei mehrmals gegen Carlotta. Sie erbebte, weniger aus Schreck denn vor Wonne. So dicht neben ihm erahnte sie das herbe Duftgemisch von Tabak, Kaffee und Lavendel, das er verströmte.

Viel zu schnell erreichten sie den Kneiphofer Domplatz mit den hoch aufragenden Giebeln und den prächtig herausgeputzten Häusern. Carlottas Blick schweifte über den trutzigen Dom mit seinen beiden ungleichen Türmen hinüber zu den Fassaden, die den Platz vor dem imposanten Gotteshaus umgaben. Grell blinkten die kupfernen Wetterfahnen auf den Giebeln im nachmittäglichen Sonnenlicht. Zwei Amseln besetzten die Waagschalen einer Justitia und stimmten von den Aussichtspunkten ihre Weisen an. Wasserblau überstrahlte der Himmel die kehligen Sänger im Hintergrund. In der Ferne schäumten weiße Wolkenberge.

»Es wird Zeit für mich. Von hier aus gehe ich besser allein. Nicht, dass meine Mutter uns beide ...«

»... zusammen sieht«, ergänzte Christoph mit einem wissenden Lächeln, um sogleich spielerisch tadelnd den Zeigefinger zu erheben. »Was sagt man dazu, dass die ehrbare Tochter der noch ehrbareren Magdalena Grohnert, geborene Singeknecht, auf offener Straße mit dem Tunichtgut von Sohn des Medicus Kepler tändelt?«

»An dir ist ein echter Gaukler verlorengegangen. Du solltest auf Jahrmärkten auftreten.«

»Narr auf dem Jahrmarkt – das wäre vielleicht kein schlechter Weg, mein Leben ungestört mit dir zu verbringen.« Seine Augen blitzten auf. »Schließlich bieten so manche Wundärzte ihre Kunst als reisende Tandler an. Warum nicht? Komm, noch heute schließen wir beide uns einer der Truppen draußen auf dem Sackheim an. Fortan kann es uns gleichgültig sein, ob mein Vater über die Bernsteinessenz deiner Mutter spottet oder deine Mutter meinem Vater verbissene Stubengelehrsamkeit vorwirft.« Geschickt schleuderte er den Spitzhut in die Luft, vollführte eine übermütige Drehung auf einem Bein und fing ihn mit einer tiefen Verbeugung wieder auf. »Überzeugt?«

»Das klingt verlockend.« Sie suchte seinen Blick. »Mich begeistert vor allem die Aussicht, sommers wie winters im zugigen Planwagen zu hocken und nicht zu wissen, was uns am nächsten Tag erwartet, was wir in die Suppentöpfe kriegen, wenn wir überhaupt in einer Stadt geduldet werden und nicht wie räudige Hunde mit Knüppeln und Stöcken davongejagt werden.«

»Zugegeben: Sonderlich durchdacht ist die Idee noch nicht. Vielleicht schlafen wir ein oder zwei Nächte darüber und entscheiden dann, wann und wie wir uns miteinander aus dem Staub machen.« Sein scherzhafter Ton konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie ernst er es im Grunde meinte. Ihr Herz raste. Mit einem Burschen durchzubrennen, das hatte sie sich vor vier Jahren, kurz nach ihrer Ankunft in Königsberg, schon einmal gewünscht. Dieses Mal jedoch hatte es einen ganz anderen Reiz. Kaum wagte sie zu atmen, um den Zauber des Gedankens nicht zu zerstören.

Christoph schien ähnlich zu empfinden. »Schließlich vergeht die Zeit mit dir wie im Fluge, meine Liebste. Nichts wünsche ich mir sehnlicher, als öfter mit dir zusammen zu sein. Dafür muss sich doch ein Weg finden lassen, auch jenseits der Gaukler.«

»Dein Vater wird sich kaum freuen, das zu hören«, widersprach sie leise. Schon kitzelte sein Atem ihre Nasenspitze, sie nahm wahr, wie sich seine Lippen öffneten. Für den Bruchteil eines Augenblicks meinte sie, jemand anderen vor sich zu sehen. Erschreckt zuckte sie zurück.

Von der Uhr am Dom schlug es drei. Carlotta seufzte. Seit einer halben Stunde sollte sie bei der Mutter sein. Die Straßen und Plätze rund um den Dom und die ehrwürdige Albertina füllten sich. Die Königsberger waren aus der Mittagsruhe erwacht. Lärmend zog ein Haufen Studenten an ihnen vorbei. Sobald sie ihrer ansichtig wurden, feixten sie und flüsterten freche Bemerkungen. Carlotta wandte sich zu Christoph und lächelte. »Vielleicht ist es doch besser, wenn du mir noch bis zur Hofgasse Geleitschutz gewährst. Wer weiß, aus welchen Ecken die Studenten kriechen, um in die Krüge vor der Stadt zu ziehen?«

»Ja, du hast recht«, stimmte Christoph schmunzelnd zu und bot ihr galant den Arm. Sie wagte jedoch nicht, sich unterzuhaken, sondern spazierte lieber einen Schritt neben dem gutaussehenden jungen Medicus über den Domplatz zur Schönbergschen Gasse gen Westen.

»Wo waren wir vorhin stehengeblieben?« Christoph gab sich wieder gänzlich unbekümmert. »Also, das tölpelhafte Auftreten des Bologneser Doktors hat so manchen darüber hinweggetäuscht, wie viel Wissen trotz allem in dem winzigen Kopfüber dem riesigen Elefantenleib Platz hatte. Schließlich kannte er die Schriften William Harveys bestens und konnte dessen Lehren über den menschlichen Körper so genau erklären, als habe er bei ihm persönlich in London studiert. Hast du dich schon einmal damit befasst, welche gewaltige Aufgabe das menschliche Herz Tag für Tag zu leisten hat?« Wieder blitzte der Schalk in seinen Augen auf. »Schließlich jonglierst du im Kaufmannskontor deiner Mutter so viel mit Zahlen, dass es dir ein Leichtes sein dürfte, die Leistung des Herzens nach der Theorie von Harvey zu berechnen.«

»Willst du allen Ernstes behaupten, die studierte Medizin ist letztlich nichts anderes als gesunde Rechenkunst, ähnlich wie das Führen der Handelsbücher?«

»Ich habe gleich gewusst, wie sehr dich diese Vorstellung interessieren wird«, gab Christoph zurück. »Mich stört daran allerdings, wie berechenbar das menschliche Herz ist. Schließlich beraubt uns das liebgewordener Vorstellungen.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2023
ISBN (eBook)
9783986907921
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Juli)
Schlagworte
Historischer Roman Historische Romanze Schicksalsroman Frauenroman Spiegel-Bestseller-Autorin Sabine Ebert Andrea Schacht Brigitte Riebe Neuerscheinung eBook
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Titel: Bernsteinerbe