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Enwor - Band 7: Das schweigende Netz

Die Bestseller-Serie

©2015 381 Seiten

Zusammenfassung

Der Pakt zerbricht: „ENWOR – Band 7: Das schweigende Netz“ von Wolfgang Hohlbein jetzt als eBook bei dotbooks.

ENWOR: Kriegsgeboren und vom Feuer getauft – eine postapokalyptische Welt voller Gefahren.
Endlich ist die Festung Drasks erobert: Erschöpft lagert das Heer aus Menschen und Reptilienkriegern in den Burghöfen und Hallen. Doch trotz ihres gemeinsamen Kampfes herrscht noch immer Misstrauen unter den Männern. Wieder und wieder flammen heftige Konflikte auf und Skar muss schmerzhaft erfahren: Die vermeintliche Sicherheit der Festung entpuppt sich als Falle …

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Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

ENWOR: Kriegsgeboren und vom Feuer getauft – eine postapokalyptische Welt voller Gefahren.

Endlich ist die Festung Drasks erobert: Erschöpft lagert das Heer aus Menschen und Reptilienkriegern in den Burghöfen und Hallen. Doch trotz ihres gemeinsamen Kampfes herrscht noch immer Misstrauen unter den Männern. Wieder und wieder flammen heftige Konflikte auf und Skar muss schmerzhaft erfahren: Die vermeintliche Sicherheit der Festung entpuppt sich als Falle …

Über den Autor

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist Deutschlands erfolgreichster Fantasy-Autor. Der Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem preisgekrönten Jugendbuch MÄRCHENMOND. Inzwischen hat er 150 Bestseller mit einer Gesamtauflage von über 44 Millionen Büchern verfasst. 2012 erhielt er den internationalen Literaturpreis NUX.

Der Autor im Internet: www.hohlbein.de

Bei dotbooks veröffentlichte Wolfgang Hohlbein die Romane FLUCH – SCHIFF DES GRAUENS, DAS NETZ und IM NETZ DER SPINNEN, die ELEMENTIS-Trilogie mit den Einzelbänden FLUT, FEUER UND STURM und die große ENWOR-Saga; eine chronologische Übersicht der einzelnen Romane finden Sie am Ende dieses eBooks.

Wie wird es mit den Kriegern Skar und Del weitergehen? Finden Sie es heraus im nächsten Roman der ENWOR-Saga: ENWOR – Band 8: Der flüsternde Turm. Eine Leseprobe finden Sie am Ende dieses eBooks.

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Neuausgabe Dezember 2015

Copyright © der Originalausgabe 1988 by Wilhelm Goldmann Verlag, München

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-458-0

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Wolfgang Hohlbein

ENWOR

Band 7: Das schweigende Netz

Roman

dotbooks.

1. Kapitel

Manchmal hatte er das Gefühl, ihn zu sehen. Er wußte, daß es nicht wahr war; bloß eine Illusion, mit der ihn ein Teil seines Bewußtseins terrorisierte, seit er hierhergekommen war, und vielleicht schon länger, aber manchmal war das Gefühl übermächtig. Er hatte etwas falsch gemacht; etwas übersehen, etwas vergessen, etwas falsch gedeutet – irgend etwas, von dem er nicht wußte, was es war, das ihn aber quälte; wie ein nicht näher lokalisierbarer Schmerz immer da war, gleich, ob er wachte oder schlief. Und der Daij-Djan war gekommen, um ihn an diesen Fehler zu erinnern. Selbst jetzt brauchte er nur die Augen halb zu schließen und sich vollkommen zu entspannen, bis seine Sehschärfe nachließ, um ihn wahrnehmen zu können: eine winzige, schlanke Gestalt von der Farbe der Nacht, die auf der anderen Seite des Flusses auf einem Felsen stand und ihm zuzuwinken schien. Er war nicht wirklich da Skar hätte ihn nicht einmal sehen können, hätte er dort gestanden, denn jener Felsen war viel zu weit entfernt, um mehr als ein vereistes Funkeln im Sternenlicht zu sein, aber ein Teil von ihm sorgte dafür, daß er die Schimäre sah, immer und immer und immer wieder. Manchmal hörte er auch seine Stimme: All diese Toten, Satai. All diese ausgelöschten Leben. Und du hast noch nicht einmal richtig begonnen. Willst du die ganze Welt ausrotten?

Er verscheuchte den Gedanken, beugte sich ein wenig über die Brüstung und zwang sich, den Felsen auf der anderen Seite des Flusses als das zu sehen, was er war: ein mannshoher Steinklotz, den der Winter mit einem Eispanzer umhüllt hatte, und mehr nicht! und blickte dann nach links. Die Feuer brannten noch immer, und selbst über große Entfernung – es mußte eine Meile sein oder mehr – war ihr Licht so grell, daß es in den Augen schmerzte.

Dels Satai hatten die letzten Toten aus der Burg geschafft, hinunter auf den großen Platz am Ufer des Flusses, wo sie verbrannt wurden. Die Scheiterhaufen brannten seit zwei Tagen, und sie würden weitere zwei – mindestens zwei, wenn nicht mehr – Tage brennen, ehe die letzten Spuren der Schlacht getilgt waren. Vor einer Stunde, genau mit dem Untergang der Sonne, hatte der Wind gedreht, und die Böen trugen den fettigen schwarzen Qualm jetzt nicht mehr hinaus in die Ebene, sondern direkt hierher, hinauf zu den Zinnen von Drasks Trutzburg, wo er wie übelriechender Nebel durch jede Spalte und jeden Ritz kroch und das Atmen zur Qual werden ließ. Der Gestank war entsetzlich, und auf allem, was dieser schreckliche schwarze Qualm berührte, hinterließ er eine unsichtbare, fettige Schicht, die einem das Gefühl gab, durch flüssigen Leim zu waten. Alles schien klebrig zu sein, und auf eine unangenehme Art warm. Die Rache der Toten, dachte Skar, die ihren Mördern nicht als Gespenster im Schlaf erschienen, sondern als übelriechender Qualm, der ihnen den Geschmack an jedem Essen und jedem Schluck Wasser vergällte. Und hier im Freien war es besonders schlimm.

Trotzdem war Skar hier oben geblieben. Mit dem Abend war es absurd genug – spürbar wärmer geworden, und manchmal trug der Wind außer Gestank und Qualm und dem unablässigen Prasseln des Feuers auch ein schweres, dumpfes Splittern und Knirschen mit sich. Die dichten Rauchwolken über der Burg nahmen Skar die Sicht auf den Fluß, aber er wußte, was diese Laute bedeuteten: Die mächtigen Schollen, die zwei Drittel der Fahrrinne noch immer blockiert hatten und an denen ihr ganzer Angriff um ein Haar gescheitert wäre, zerbrachen jetzt endgültig unter den Hammerschlägen des Frühlings.

In einer, längstens zwei Wochen war der Fluß eisfrei. Das neue Jahr stieß das Tor nach Osten für sie auf.

Er dachte diesen Gedanken völlig kalt. Er spürte keine Erleichterung, keine Zufriedenheit, keine Furcht – all dies hätte er fühlen sollen, denn eine schnelle Verbindung nach Osten war Grundvoraussetzung für das Gelingen ihres Invasionsplanes –, aber sie bedeutete auch, daß er in wenig mehr als zwei Wochen an der Spitze von Dels Heer in eine apokalyptische Schlacht ziehen würde, von der keiner von ihnen wußte, ob er sie überlebte. Aber er empfand gar nichts.

Wie so oft in letzter Zeit.

Manchmal – und diese Momente häuften sich – fragte er sich allen Ernstes, ob etwas in ihm gestorben war, als Bradburn das Sai-Tan vorgenommen hatte. Er hatte geglaubt, etwas bekommen – etwas zurückgewonnen – zu haben, aber vielleicht stimmte das gar nicht. Etwas war in ihm, etwas Neues und zugleich auf schreckliche Art Bekanntes und Altes, aber manchmal kam er sich vor, als stürbe er innerlich; sehr langsam, so daß er es selbst kaum merkte, aber unaufhaltsam. Selbst vor zwei Tagen, als sie Drasks Burg genommen hatten – er versuchte sich daran zu erinnern, aber es gelang ihm nicht; er besann sich nur auf Dinge, die er getan hatte, auf Handlungen und Worte, nicht auf das, was er gefühlt hatte –, hatte er nichts empfunden. Im wahrsten Sinne des Wortes nichts. Aber er hatte erst hinterher begriffen, daß es nicht die Kälte und Gelassenheit des Kampfes war, die er gespürt – oder vielmehr gerade nicht gespürt hatte, sondern die berechnende Gefühllosigkeit einer Maschine, die auf Kämpfen und Töten programmiert war und diese Aufgabe perfekt erfüllte.

Ja, dachte er; Del hatte recht. Er hatte sich verändert, seit er vor drei Monaten im Tempel der Gesichtslosen Prediger tief unter den Bergen erwacht war. Er wußte noch nicht, was diese Veränderung in ihm bewirkte und was sie verursacht hatte, aber er hatte das Gefühl, daß es kein Wandel zum Guten war.

Ein Geräusch irgendwo hinter ihm rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Skar sah auf, identifizierte den Laut als das Öffnen der niedrigen Tür, die vom Treppenturm aus auf die Plattform des Turmes hinausführte, und drehte sich ohne spürbare Hast um. Auch dies war ein Luxus, den er seit langer Zeit zum ersten Mal wieder genoß: einen Laut hinter sich zu hören und sich umzuwenden, ohne Angst haben zu müssen oder gar – noch vor Monatsfrist unvorstellbar! – einfach stehenzubleiben. Er lächelte, als er den verwirrten Ausdruck auf den Zügen des jungen Satai-Schülers sah, der den Grund dieses Lächelns natürlich nicht wissen konnte und dadurch noch ein bißchen verwirrter wurde. »Herr?«

Skar schluckte die scharfe Antwort hinunter, die ihm dieses Wort abverlangen wollte. Er hatte es aufgegeben, den Novizen immer und immer wieder zu sagen, daß sie ihn nicht Herr nennen sollten; vor allem, seit Del ihm nunmehr auch offiziell das Kommando über die Satai gegeben hatte. Er hatte es nicht gewollt, aber es war das kleinere von zwei Übeln gewesen – die Satai oder die Quorrl. Etwas in ihm hatte aufgeschrien wie ein getretener Hund, allein bei dem Gedanken, an der Spitze eines Heeres vierzigtausend fischgesichtiger Quorrl zu stehen.

Nun, dachte er spöttisch, jetzt stand er an der Spitze eines Heeres von fünfhundert Satai, wenngleich die meisten von ihnen noch kaum mehr als Kinder waren, wie dieser Bursche, der jetzt unter der Tür verharrte und linkisch von einem Fuß auf den anderen trat, unentschlossen, wie er auf Skars Schweigen reagieren sollte, Skars, des Halbgottes, der lebenden Legende, des Unbesiegbaren, des Satai schlechthin. Unentschlossen und auch ein bißchen ängstlich, wie es sich gehörte, wenn man einem Gott unter die Augen kam; einem Gott, der auch ein bißchen von einem Dämon an sich hatte. Aber vielleicht hatten das alle Götter.

Skar schätzte den Burschen auf sechzehn Jahre, allerhöchstens siebzehn. Er war so groß wie er und fast so breitschultrig wie Del, aber sein Gesicht war das eines Knaben. Es würde noch lange dauern, ehe sich der erste Bart auf seinen Wangen zeigte.

Skar wurde sich der Tatsache bewußt, daß er dastand und den Novizen anstarrte, was dem armen Burschen wahrscheinlich Höllenqualen bereitete. Er versuchte, sein Lächeln ein wenig freundlicher aussehen zu lassen, und trat von der Brüstung zurück. Der Wind drehte sieh ein wenig und wehte eine schwarze, fettige Qualmwolke über die Zinnen, die ihn für Momente einhüllte wie ein Mantel aus geronnener Nacht. Skar fühlte sich leicht angeekelt, als er die Berührung des schwarzen Qualmes wie die einer klebrigen Hand auf der Haut spürte. Aber auf dem Gesicht des jungen Satai spiegelten sich ganz andere Empfindungen, und Skar begriff, wie der Anblick auf ihn wirken mußte. Ein Sandkorn mehr, um das Gebirge aus Legenden und Furcht, auf das sie ihn gestellt hatten, noch höher zu machen. Ihr Götter, dachte er, was ist aus Enwor geworden? Was geschieht mit uns?

Laut sagte er: »Bitte?«

Der Junge fuhr zusammen wie unter einem Hieb. Von einer Sekunde auf die andere war er nervös, als wäre sein Schweigen eine letzte Barriere gewesen, hinter der er sich verkrochen hatte, um nicht durch Skars bloßes Dasein zu verbrennen. »Er … er will Euch sprechen, Herr«, stotterte er.

»Del?«

»Der Hohe Satai?« Der Novize schüttelte den Kopf, aber erst nach einer Sekunde des Schweigens, fast als müsse er diesen Namen erst mit dem sieben Fuß großen Riesen in der schwarzgoldenen Robe des Kriegsherren der Satai verbinden. Skar rief sich in Erinnerung zurück, daß kaum jemand Dels Namen kannte.

»Nein«, fuhr der Junge schließlich fort. »Drask. Er … er verlangt nach Euch, Herr.«

»Drask?« Skar war überrascht, aber nur für einen Moment, und auch ein ganz kleines bißchen beunruhigt; ohne indes genau sagen zu können, warum. Es war nicht so, daß er die Begegnung mit dem Magier fürchtete. Im Gegenteil – früher oder später wäre er ohnehin zu ihm gegangen. Es überraschte ihn nur ein wenig, daß Drask von sich aus den Wunsch geäußert hatte, ihn zu sehen. Nach allem, was er ihm angetan hatte, mußte er damit rechnen, daß Skar ihn kurzerhand tötete, im gleichen Moment, in dem –

Aber nein, verbesserte er sich in Gedanken. Jeder normale Mensch hätte damit gerechnet. Drask nicht. Er war nicht normal, wenn diese Einschätzung auch keineswegs im Sinne von geistesgestört oder gar verrückt zu bewerten war. Aber ein normaler Mensch war er ganz sicher nicht. Vielleicht war er nicht einmal ein Mensch.

Er nickte, trat aus dem Mantel aus schwarzem Rauch heraus und schlug auch den zweiten, wirklichen Mantel aus ebenfalls schwarzem Stoff zurück, der seine Schultern umgab. Der Blick des Novizen huschte mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Bewunderung über den schwarzen Zeremonienmantel, als er an ihm vorüberging.

Skar unterdrückte ein Lächeln. Er verstand den Jungen, wahrscheinlich viel besser, als dieser ahnte. Auch er war einmal so jung wie er gewesen, und auch er hatte einmal mit klopfendem Herzen und angehaltenem Atem dagestanden und den schwarzen Mantel eines Hohen Satai angestarrt; und auch er hatte sich nichts mehr gewünscht, als ihn eines Tages selbst zu tragen.

Aber damals hatte er noch nicht gewußt, wie schwer er war.

Er verscheuchte auch diesen Gedanken, eilte die gewundene Treppe hinunter und trat sechs Stockwerke tiefer auf den Hof der Festung hinaus.

Die Illusion, allein zu sein, zerplatzte wie eine Seifenblase, kaum daß er den ersten Schritt aus der Tür getan hatte. Für einen Augenblick wurde er zu einem Gleichen unter Gleichen, denn der Hof war voller Krieger, weit über hundert Männer, die fast alle die schwarzen Mäntel der Satai trugen, und darüber hinaus eine nicht einmal zu schätzende Anzahl schuppiger, großer Gestalten, von denen keine der anderen glich.

Wie immer, wenn Skar sich zwischen den Quorrl bewegte, überkam ihn ein sonderbares Gefühl der Unruhe, das er sich selber nicht ganz erklären konnte. Es war mehr, weit mehr als die instinktive Abneigung, welche die meisten Menschen beim Anblick der schuppigen Giganten aus dem Norden empfanden, mehr als die angeborene Scheu, einem denkenden Individuum gegenüberzustehen, das kein Mensch war, und doch sehr viel mehr als ein Tier. Mehr als die Verunsicherung, die jeden überfiel beim Anblick der flachen Fischgesichter, die unfähig waren, Gefühle und Empfindungen widerzuspiegeln. Was er spürte, während er mit raschen Schritten über den zum Heerlager umfunktionierten Hof eilte, wobei ihn die völlig willkürliche Art, in der das Lager der Quorrl-Krieger angelegt war, zu einem absurden Zickzack zwang, das war zu einem Gutteil Schuld, das dumpfe Wissen, in der Vergangenheit zahllose dieser Kreaturen getötet zu haben, ohne dabei mehr zu empfinden als … ja, als eigentlich gar nichts. Er hatte auch Menschen getötet, sehr viele Menschen, denn letztendlich war er ein Krieger, vielleicht der größte Krieger dieses Planeten überhaupt, und er hatte das Leben eines Kriegers geführt, aber das war etwas anderes gewesen.

Was er spürte, was ihm sofort und unabwendbar das Gefühl des In-die-Enge-getrieben-Seins gab, war nichts anderes als ein ganz profanes schlechtes Gewissen, obwohl ihm dieses Wort fast zu banal erschien, um seine Empfindungen wirklich auszudrücken. Er hatte Menschen getötet, und Quorrl, aber da war ein Unterschied gewesen. Er hatte die Quorrl stets als Tiere gesehen – o ja, als sehr kluge Tiere, Tiere, die sprachen, die aufrecht gingen und Werkzeuge und vor allem Waffen zu handhaben wußten, als verschlagene und sehr gefährliche Gegner, aber letztendlich doch als Tiere.

Aber das waren sie nicht.

Sie waren nicht einmal ihre Feinde.

Alles ist falsch, dachte er. Seit er im unterirdischen Tempel der Gesichtslosen Prediger aufgewacht war, hatte sich die Welt verändert, auf eine entsetzliche, angstmachende Weise. Aus Gut war Schlecht geworden, aus Freund Feind, aus Schlecht Gut und aus Feind Freund. Die alten Werte galten nicht mehr, und sie hatten vielleicht niemals wirklich gegolten. Aber er hatte erst sterben und nach fast einem Menschenleben wieder auferstehen müssen, um das zu begreifen. Möglicherweise war er es auch, der sich verändert hatte, viel tiefer, als er jetzt schon spürte.

Er verscheuchte auch diesen Gedanken – das, dachte er voller bitterem Spott, war etwas, was er wirklich gelernt hatte, in den letzten Wochen und Monaten: die Augen vor der Wahrheit zu verschließen und sie einfach wegzulügen –, gelangte auf der anderen Seite des Hofes wieder in die Festung und näherte sich Drasks Quartier.

Die beiden Satai, die vor der massiven Eisentür des fensterlosen Raumes Wache hielten, traten respektvoll beiseite, als sie ihn erkannten, und wieder spürte Skar einen raschen, schmerzhaften Stich in der Brust, als er ihre Blicke bemerkte. Es war nur Respekt, den er in den Augen der Männer las. Und Furcht. Furcht vor seinem schwarzen Mantel mit dem verschlungenen fünfzackigen Stern auf dem Rücken und dem rubingeschmückten Tschekal an seiner Seite. Auch diese Männer waren keine Satai mehr, dachte er, so wenig, wie der Novize, der ihn hier heruntergerufen hatte. Sie waren es nie geworden, und er würde es nie werden.

Skar betrat den Raum hinter der Eisentür und fand sich in einer sehr kleinen, von einer einzelnen Fackel nur düster erhellten Kammer wieder. Auch hier gab es Wächter – einen weiteren Satai, und bei ihm den größten und muskulösesten Quorrl, den er jemals gesehen hatte: ein Gigant von mehr als acht Fuß Höhe und einer Schulterbreite, die schlichtweg absurd erschien. Gemessen an der Art, in der Del Drask bewachen ließ, dachte Skar, mußte er noch immer gehörigen Respekt vor dem Magier haben.

Er nickte dem Quorrl grüßend zu, wandte sich – noch immer, ohne ein Wort zu sagen – an den Satai und gab ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, die Tür zu Drasks eigentlichem Verlies zu öffnen. Der Satai gehorchte, aber er tat es ohne irgendwelche Hast; seine Bewegungen waren von jener nachlässigen Selbstverständlichkeit, die den wirklichen Krieger verriet, kein dummer Junge, wie der Novize, und auch kein viel zu eilig ausgebildeter Raufbold, wie die beiden, die vor der Tür Wache standen. Ein absurdes Gefühl von Stolz überkam Skar, als er zusah, wie er einen großen Schlüssel von seinem Gürtel löste und damit nacheinander die drei Schlösser entriegelte, welche die Tür zu Drasks eigentlichem Gefängnis sicherten.

Gebückt trat er hindurch, wartete, bis sich die Tür hinter ihm wieder geschlossen und das Klicken der drei Schlösser verraten hatte, daß er nun ebenfalls gefangen war, und wandte sich dann zu Drask um.

Der Magier saß vornübergebeugt auf einem Stuhl, die Arme auf den Knien aufgestützt und mit dünnen Ketten aus unzerreißbarem Sternenstahl gebunden. Neben ihm hockte ein Quorrl-Krieger, der in der Schlacht das Augenlicht verloren hatte. Er war angekettet wie Drask, und er würde sterben wie Drask, sobald sie diese Festung verließen, vielleicht schon eher, sollte der Magier seinen Verletzungen vorher erliegen, was wahrscheinlich war. Zwischen seinen Knien stand eine Schale mit einer farblosen Flüssigkeit, von der er Drask alle zwei oder drei Stunden einige Schlucke einflößte. Eine Anzahl blauer Flecke und Quetschungen im Gesicht des alten Magiers bewies, daß dies nicht immer freiwillig geschah. Skar empfand weder Mitleid noch Triumph bei diesem Anblick.

Er räusperte sich lautstark, um Drasks Aufmerksamkeit zu erregen. Es dauerte eine Weile, bis der alte Mann aufsah, und dann noch einmal Sekunden, ehe in seinen trüb gewordenen Augen so etwas wie Erkennen aufglomm.

Auch das blinde Gesicht des Quorrl wandte sich Skar zu; eine vierfingrige Schuppenhand tastete nach dem Schwert, das von seiner Hüfte hing. Skar nannte seinen Namen, und der Quorrl entspannte sich wieder.

»Du bist gekommen«, murmelte Drask. »Das ist gut. Ich danke dir, Satai.«

Etwas in seiner Stimme ließ Skar schaudern. Drasks Stimme war niemals angenehm gewesen, so wie nichts an ihm jemals angenehm gewesen war. Skar hatte ihn nur als bösen, unerbittlichen alten Mann in Erinnerung, dem jegliche menschliche Regung abging und der nicht einmal wirklich grausam, sondern einfach nur gefühllos wie eine Maschine war, und das war er wohl auch noch immer.

Aber die Droge, die seinen Geist verwirrte und die entsetzliche Macht seiner Augen brach, hatte noch mehr bewirkt. Skar fragte sich, warum Drask ihm im ersten Moment so gealtert und schwach vorgekommen war, aber er fand die Antwort fast augenblicklich. Ihm fehlte jetzt die faszinierende Größe, die das wirklich Böse kennzeichnete.

»Du hast mich rufen lassen«, antwortete er mit einiger Verspätung. »Was willst du?«

Er machte einen weiteren Schritt auf Drask zu, und wieder kroch die Schuppenhand des blinden Wächters zum Schwert. Skar blieb abermals stehen. Der Quorrl hatte Befehl, jeden zu töten, der sich Drask auf mehr als drei Schritte näherte, ausnahmslos jeden, und er würde es tun. Daß Skar all diese Vorsichtsmaßnahmen, die Del und Bradburn befohlen hatten, für lächerlich übertrieben hielt, änderte daran gar nichts.

»Was willst du von mir?« fragte er noch einmal, als Drask nicht antwortete, sondern ihn nur weiter aus seinen verschleierten Augen anblickte.

»Ich wollte dich noch einmal sehen«, antwortete Drask, sehr leise, aber mit plötzlich wieder kräftiger Stimme. »Ich sterbe.«

»Ich weiß«, antwortete Skar kalt. Es gelang ihm nicht einmal mehr, Haß auf Drask zu empfinden. Irgendwie war Drask nun für ihn zu einem Quorrl geworden – jemand, nein: etwas, das man fürchtete und respektierte, aber so wenig hassen konnte wie den Blitz, der einen erschlug.

Drask versuchte, den Kopf zu schütteln, aber selbst zu dieser kleinen Bewegung fehlte ihm beinahe die Kraft. »Du verstehst nicht«, sagte er. »Ich sterbe jetzt. Ich spüre es.«

Skar bezweifelte seine Worte nicht. Drask war ein Magier, und Magiern standen andere Sinne zur Verfügung als normalen Menschen. Es war ohnehin ein Wunder, daß er noch lebte, nach den Verletzungen, die er davongetragen hatte.

»Ich dachte, es würde dir Freude bereiten, dabei zuzusehen.«

»Du kannst mich nicht mehr verletzen, alter Mann«, erwiderte Skar ruhig; nicht nur äußerlich, sondern wirklich ruhig, ohne eine Spur von Zorn. »Was willst du?«

Drask schwieg eine Weile, und der Quorrl zu seinen Füßen wandte ihm das blinde Gesicht zu. Er legte den Kopf auf die Seite, wie ein Mensch, der gebannt auf etwas lauschte, und für wenige Augenblicke war Skar zweifelsfrei davon überzeugt, daß diese beiden ungleichen sterbenden Wesen wirklich auf irgendeine Art miteinander redeten.

»Warum bist du geblieben?« fragte er plötzlich. Das war etwas, was ihn beschäftigte, seit sie diese Festung vor zwei Tagen genommen hatten, nicht die einzige, wohl aber die wichtigste Frage, auf die er noch keine Antwort gefunden hatte. »Warum bist du nicht geflohen, du Narr? Hast du wirklich geglaubt, du könntest diese lächerliche Burg halten?« Gib mir hundert Satai, Drask, und ich nehme deine Burg in einer Nacht. Das waren seine Worte gewesen. Er erinnerte sich gut daran, und auch an den Schrecken, den sie auf Drasks Gesicht ausgelöst hatten.

»Geflohen?« Drasks Blick war wieder klar. »Aber wohin denn? Und wozu?«

»Wozu?« Skar war verwirrt. »Um dein Leben zu retten, zum Beispiel.«

Drask lachte leise. »Mein Leben? Die wenigen Jahre, die mir noch blieben?«

Er hob anklagend die gefesselten Hände und streckte sie Skar entgegen. »Das hier macht mir Angst, Satai, und es bereitet mir Schmerzen. Aber der Tod schreckt mich nicht. Er ist eine Erlösung für jemanden, der so alt geworden ist wie ich, und jemanden, der sich mit Mächten eingelassen hat, wie ich es tat.«

»Bedauerst du es?« Skar spürte, daß Drasks Worte ernst gemeint waren, so billig und abgedroschen sie klangen. Drask schüttelte den Kopf.

»Bedauerst du, Satai zu sein? Die Sternengeborenen verlangen einen hohen Preis für die Macht, die sie mir verliehen haben, Skar. Du wärest entsetzt, wenn du wüßtest, wie hoch er ist. Aber ich bedaure es nicht, so wenig, wie ein Satai bedauert, nicht das Leben eines Bauern zu führen. Man bekommt, und man gibt dafür.« Er lachte ein dünnes, meckerndes Altmännerlachen, in dem sogar eine Spur seiner früheren Bosheit mitschwang, und hob abermals die Hände.

»Warum nimmst du sie mir nicht ab, Skar? Sie tun weh.«

»Ich kann es nicht.« Skar deutete auf den blinden Quorrl. »Er würde mich töten, wenn ich es versuchte. Das weißt du.«

Drask sah eine Weile auf den Quorrl-Krieger hinab, als müsse er sich durch eigenen Augenschein davon überzeugen, daß Skar wirklich recht hatte. Er seufzte. »Weiß dein Freund Del, wie närrisch das alles hier ist?« fragte er. »Ein blinder Quorrl, dem mein böser Blick nichts anhaben kann?«

»Sei froh, daß es diesen blinden Krieger gibt«, antwortete Skar. »Del hätte dir die Augen ausstechen lassen ohne ihn.«

Das war wahr. Es hatte Skar große Überredungskunst gekostet, Del diesen Gedanken auszureden, und er war bis zuletzt nicht sicher gewesen, ob es überhaupt klug war. Schließlich hatten Dutzende von Männern gesehen, wie Drask ein halbes Dutzend Quorrl getötet hatte, einfach nur, indem er sie ansah.

»Fesseln aus Sternenstahl«, fuhr Drask fort, als hätte er Skars Worte gar nicht gehört. »Eine Droge, die meinen Geist betäubt, und eiserne Türen mit drei Schlössern.« Er blickte wieder zu Skar auf und schüttelte den Kopf. »Ihr habt sehr viel Angst vor einem einzelnen Mann. Und ihr begreift nichts. Ihr werdet verlieren, Skar.«

»So?« Skar machte eine zornige Bewegung, welche die ganze Festung einschloß. »Bisher sieht es eher so aus, als hättest du verloren. Deine famose Burg hat uns nicht sehr lange aufgehalten.« Er machte eine Geste nach oben und hinter sich. »Und das Eis auf dem Fluß bricht auf. In einer Woche überwinden wir die Berge. Was soll uns dann noch aufhalten? Das lächerliche Heer, das sich in Ikne sammelt?«

»Ihr werdet es besiegen, ich weiß«, antwortete Drask gleichmütig. »Aber gebt acht, daß ihr euch nicht totsiegt, Satai. Eine gewonnene Schlacht ist nicht alles.«

Skar sah den alten Magier scharf an. Drasks Gesicht war gezeichnet von Schmerz und Alter und vor allem dem Prozeß des Sterbens, der vor zwei Tagen begonnen hatte und nun bald zu Ende sein würde. Aber es strahlte auch gleichzeitig eine sonderbare Art von Kraft aus, jene innere Kraft, die unerschütterliche Überzeugung verriet, das Wissen um Dinge, die allen anderen Menschen verborgen waren. Trotz seiner erbärmlichen Erscheinung und seines Sterbens hatte Drask noch immer eine Art von Größe an sich, die Skar schaudern ließ.

»Du hast mich gefragt, warum ich dich rufen ließ, Satai«, fuhr Drask nach einer Weile fort. »Ich will es dir sagen. Ich erwarte nicht, daß du mir glaubst, aber ich bin jetzt frei. Die Macht der Sternengeborenen ist nicht mehr in mir. Ich bin wieder der, welcher ich war, ehe ich zu ihnen ging, und ich sehe die Dinge jetzt, wie sie wirklich sind.«

»Und du bereust alles und willst mich warnen, mit deinen letzten Atemzügen.« Der böse Spott, den Skar in diese Worte hatte legen wollen, gelang ihm nicht. Sie klangen einfach nur so, wie sie waren: dumm.

»Nein«, widersprach ihm Drask. »Ich bereue nichts, und ich weiß jetzt mehr denn je, daß sie siegen werden. Frage mich nicht, wer sie sind, denn ich werde dir nicht antworten. Aber ihr werdet verlieren, Skar. Ihr werdet kämpfen und siegen und euch mit diesem Sieg selbst vernichten, denn sie können nicht besiegt werden. Ich warne dich, weil ich jetzt sehe, wie es kommen wird, sehr deutlich.«

»Du sprichst von ihnen, als wären sie Götter«, entgegnete Skar.

Drask nickte. »Das sind sie. Oh, nicht jene Art von Göttern, wie sie sich die Menschen selbst erschaffen haben, Satai. Diese Art von Göttern könnt ihr vernichten, denn sie haben immer nur so viel Macht, wie die, welche sie schufen, ihnen zugestehen. Die Götter sind sterblich, aber die Sternengeborenen nicht.«

»Wer sind sie?« fragte Skar, obgleich Drask ihm vor Augenblicken erst gesagt hatte, daß er diese Frage nicht beantworten würde. Drask lächelte auch nur schwach und schüttelte den Kopf. Aber er antwortete trotzdem:

»Wesen von unbeschreiblicher Macht, Skar. Nicht einmal die Alten konnten sie besiegen, obgleich auch ihre Macht der von Göttern gleichkam.«

»Das ist eine etwas vage Beschreibung, findest du nicht?« wandte Skar ein.

Drask lächelte. »Die einzige, die ich dir geben kann. Und die einzige, die ich dir geben will. Ich habe dich nicht gerufen, um alle meine Geheimnisse mit dir zu teilen, Satai. Ich will dich warnen.«

»Wovor?«

»Vor dem, was ihr vorhabt«, antwortete Drask ernst. »Ihr könnt uns besiegen – uns, die Zauberer, nicht die, für die wir arbeiten. Ich gebe zu, daß wir euch unterschätzt haben. Niemand hat damit gerechnet, daß die Satai so stark sein würden, und niemand von uns hat damit gerechnet, daß sie sich ausgerechnet mit den Quorrl zusammentun würden. Und niemand hat mit dir gerechnet. Ihr werdet uns schlagen, binnen eines Jahres. Jetzt, wo du wieder da bist, wird das Netz zerreißen, das meine Brüder und ich über Enwor gewoben haben. Aber ihr werdet alles nur noch schlimmer machen.«

»Gibt es etwas Schlimmeres, als eine ganze Welt zu versklaven?« fragte Skar.

»Ja«, antwortete Drask mit großem Ernst. »Eine ganze Welt zu vernichten, Skar. Ihr werdet uns schlagen, daran besteht kein Zweifel. Wir hätten euch besiegt, wir hätten die Veden besiegt, wir hätten die Sumpfleute besiegt und wir hätten vielleicht sogar die Quorrl besiegt. Aber alle zusammen seid ihr zu stark für uns. Ihr werdet siegen. Aber wenn ihr es getan habt, Skar, wenn ihr das Schwert senkt und der letzte von uns vernichtet ist, dann werdet ihr feststellen, daß ihr Enwor in einem Meer von Blut und Gewalt ertränkt habt. Du wirst die Welt, in der du geboren bist, nicht mehr wiedererkennen, wenn alles vorbei ist.«

Seine Worte machten Skar betroffen, aber auch gleichzeitig zornig. Ohne auf die drohende Gebärde des Quorrl zu achten, trat er einen weiteren Schritt auf Drask zu und beugte sich erregt vor. »Und was erwartest du von mir, alter Mann?« fragte er aufgebracht. »Daß ich hingehe und ihnen sage, sie sollen die Waffen senken und sich ergeben? Das ist lächerlich!«

»Natürlich«, erwiderte Drask. »Du würdest es nicht tun, und selbst, wenn du es tätest, würden sie nicht auf dich hören. Es waren Männer wie Del, die unserem Plan Aussicht auf Erfolg versprachen, vergiß das nicht. Aber du kannst etwas anderes tun, vielleicht als einziger. Etwas, wozu selbst meine Brüder und ich nicht in der Lage sind.«

»Und was?«

»Geh zu ihnen«, antwortete Drask. »Geh zu den Sternengeborenen, Skar. Du kannst es.«

Seine Worte trafen Skar wie ein Hieb ins Gesicht. Er hatte irgendeinen verrückten Vorschlag von Drask erwartet, vielleicht auch nur leere Drohungen, nicht einmal das Angebot, die Seiten zu wechseln und den Sternengeborenen den Sieg zu ermöglichen, um etwa damit den Menschen Enwors das Überleben zu garantieren, hätte ihn überrascht.

Aber das?!

»Du kannst es, Skar«, fuhr Drask fort, dem seine Erschütterung natürlich keineswegs entgangen war. »Vielleicht bist du der einzige Mensch auf dieser Welt, der es vermag, denn du bist zu einem Teil einer von ihnen.«

»Das ist … lächerlich«, widersprach Skar. Er hatte Mühe zu sprechen. Hinter seiner Stirn tobte das Chaos, und er war nicht fähig, auch nur einen einzigen halbwegs klaren Gedanken zu fassen. Und das Entsetzlichste war, daß er es trotz allem irgendwie … erwartet hatte.

»Etwas von ihnen ist in dir«, beharrte Drask. »Du weißt es. Du hast es immer gewußt, und du weißt es auch jetzt. Geh zu ihnen, Skar. Geh zu ihnen und versuche zu tun, was meinen Brüdern und mir nicht möglich war.«

»Und was soll das sein?« fragte Skar. Es fiel ihm noch immer schwer zu denken. Er antwortete rein automatisch, ohne wirklich zu wissen, was er sagte. Drasks Worte hatten ihn bis auf den Grund seiner Seele erschüttert. Verwirrt blickte er zwischen dem alten Mann und dem Quorrl hin und her, ohne einen von ihnen wirklich zu sehen. Alles drehte sich um ihn.

»Bitte sie um Frieden, Skar«, antwortete Drask. »Gib ihnen, was sie haben wollen.«

»Oh«, stieß Skar bitter hervor. »Mehr nicht? Du verlangst von mir, daß ich ihnen Enwor schenke?«

»Es ist eure einzige Chance«, versicherte Drask. »Nicht Enwor. Nur einen kleinen Teil. Gib ihnen einen Teil, um das Ganze zu retten. Wir können sie nicht besiegen. Niemand kann das. Aber wir können mit ihnen leben.«

»So wie die Alten?« fragte Skar böse.

Drask versuchte, eine abfällige Geste zu machen, was aber durch seine aneinandergeketteten Handgelenke kläglich mißlang. Der Kopf des blinden Quorrl ruckte drohend herum, als er das Klirren des silbernen Stahles vernahm. »Die Alten waren Narren«, antwortete Drask heftig. »Sie hatten die Macht von Göttern, aber sie waren Narren. Sie holten die Sternengeborenen vom Himmel, aber sie begriffen nicht, daß man einem Volk nicht seine Welt nehmen kann, ohne ihm eine andere zu geben.«

»Vielleicht waren sie der Meinung, Enwor für sich selbst zu brauchen«, gab Skar sarkastisch zu bedenken, aber Drask schien seine Worte gar nicht zu hören.

»Als sie begriffen, was sie getan hatten, war es zu spät«, fuhr der Magier fort. »Sie versuchten, zusammen mit den Sternengeborenen zu leben, aber dieser Versuch scheiterte. Du weißt, was geschah.«

O ja, das wußte er. Er hatte Velas Worte nicht vergessen, obwohl es ihm unglaublich lange erschien, daß er sie vernommen hatte. Sie vernichteten sich gegenseitig: das Volk, dem diese Welt gehörte, und das mächtig genug geworden war, in gigantischen silbernen Schiffen zu den Sternen zu segeln, und all das, was es von diesen Sternen hierher holte. Und er hatte auch das andere nicht vergessen, was Vela ihm erzählt hatte: daß sie, als alles schon verloren schien, als Enwor bereits brannte und aus einer blühenden Welt eine Hölle wurde, einen letzten, verzweifelten Versuch unternahmen, eine Verbindung zu jenen Sternenwesen zu erschaffen, ein Ungeheuer, halb Mensch, halb Sternenkreatur, halb Gott und halb Teufel.

Ihn.

Oh, natürlich nicht ihn selbst, denn er war ein sterblicher Mensch, und das alles lag Tausende um Tausende von Jahren zurück, aber das Etwas in ihm, dieses finstere gestaltlose Ding, das er in Ermangelung eines besseren Namens stets seinen Dunklen Bruder genannt hatte, dies war ihr Erbe, der Nachkomme jenes entsetzlichen Gott-Teufel-Zwitters, den Männer wie Drask erschaffen hatten. Er hatte es immer gespürt, daß er etwas Besonderes war, daß ihn etwas von allen anderen Menschen unterschied. Aber verdammt, dachte er, von plötzlichem, rasendem Zorn erfüllt, niemand hatte ihn gefragt, ob er es auch wollte!

»Es wird wieder geschehen«, führte Drask weiter aus, mit sehr leiser, fast suggestiver Stimme. Er hatte die ganze Zeit geschwiegen, aber Skar war plötzlich sicher, daß er seine Gedanken gelesen hatte. »Du weißt es, Skar. Du hast den Daij-Djan gesehen, und du hast ihr Erwachen gespürt. Sie werden siegen. Enwor wird ein zweites Mal untergehen, wenn niemand diesen Krieg verhindert, und diesmal wird niemand mehr übrig bleiben, um es wieder aufzubauen.« Seine Worte waren fast ein Flüstern, aber von jenem zwingenden Klang, der es Skar einfach unmöglich machte, die Ohren davor zu verschließen. Mit einem letzten, klar gebliebenen Teil seines Verstandes begriff er, daß Drask all seine Erfahrung und jedes bißchen Macht, das ihm trotz der Drogen noch geblieben war, dazu einsetzte, ihn zu überzeugen, aber dieses Wissen nutzte nichts; vielleicht, weil er ebenso deutlich spürte, daß Drask trotz allem die Wahrheit sprach. Es lag in seiner Macht, vielleicht nicht den Krieg zu verhindern, aber es wenigstens zu versuchen.

»Und … wo sind sie?« fragte Skar. Selbst das Sprechen fiel ihm schwer. Er war nicht sicher, daß er diese Frage wirklich hatte stellen wollen. Das Durcheinander hinter seiner Stirn entwirrte sich nicht, sondern schien im Gegenteil immer schlimmer zu werden.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Drask leise. Seine Stimme verlor an Kraft, und Skar erkannte, daß er jetzt starb. Diese letzte Anstrengung war zu viel gewesen. Skar konnte regelrecht sehen, wie das Leben aus seinem Körper wich. Seine Augen verloren zusehends an Glanz, und etwas in ihm zerbrach. Ganz plötzlich sank er im Stuhl zurück. Sein Gesicht erschlaffte, und mit einem Male tat er Skar nur noch leid. »Irgendwo im Süden, Skar, vielleicht. Vielleicht sind sie schon hier, oder … nirgendwo. Aber du bist der einzige, der sie finden kann. Such … meine Brüder, und du … du findest sie.«

Er bäumte sich auf. Ein Hustenanfall schüttelte seinen Körper, und Skar sah, wie eine der Wunden unter seinem Gewand wieder aufbrach, denn plötzlich zeigte sich auf seiner Brust ein feuchter dunkler Fleck, der rasch größer wurde. Aber er hob nur abwehrend die Hand, als Skar sich vorbeugen wollte, um ihm zu helfen.

»Kann ich dir trauen, alter Mann?« fragte Skar leise.

»Warum bin ich wohl hiergeblieben, du Narr?« stöhnte Drask. »Du hattest recht – ich hätte fliehen können, und ich hätte noch ein verdammt langes Leben vor mir gehabt. Ich bin geblieben, um mit … mit dir zu sprechen.«

»Hast du mich deshalb gezwungen, meinen eigenen Sohn zu töten?« fragte Skar. In seiner Stimme war nicht einmal Vorwurf, ja, er suchte selbst in seinem Inneren vergebens nach einer Spur von Bitterkeit oder Zorn. Er verstand es nur nicht.

Drask machte eine Bewegung, die gleichzeitig ein Kopfschütteln wie ein Nicken war. »Ja«, antwortete er. »Es war der einzige Weg. Das Erbe der Götter wird im Fleisch weitergegeben. Vielleicht wäre der Sohn deines Sohnes wieder ein Mann wie du geworden, aber er war … nicht der Richtige. Und uns bleibt keine Zeit mehr zu warten. Ich verlange nicht, daß du mir verzeihst, Skar, aber vielleicht verstehst du es. Du mußtest wieder der werden, der du einmal warst, bevor … dieses unselige Kind geboren wurde. Diese Närrin Vela, was hat sie getan?«

Er versuchte die Hand zu heben und hatte nicht mehr die Kraft dazu. Ein neuer Hustenanfall schüttelte seinen Körper, und plötzlich war in seinem Atem ein schreckliches röchelndes Geräusch. Er starb.

»Geh«, brachte Drask mühsam hervor. »Geh und suche sie, Skar. Du bist der einzige Mensch auf dieser Welt, der es kann, denn du wurdest zu diesem Zweck erschaffen. Geh und suche die alten Götter.«

Der einzige, der ihn beachtete, als er wenig später den Kerker wieder verließ, war der riesenhafte Quorrl. Er blickte ihn auf eine sehr sonderbare Weise an, mit dem Mißtrauen, das so sehr zu seiner Natur gehörte wie die schuppige Haut und das fürchterliche Raubtiergebiß, aber auch … nachdenklich?

Fast, dachte Skar schaudernd, als hätte er durch das fingerdicke Holz hindurch jedes Wort verstanden. Aber das war natürlich Unsinn.

Er verscheuchte den Gedanken und beeilte sich, wieder ins Freie zu kommen. Plötzlich hatte er das Gefühl, hier unten nicht mehr atmen zu können.

2. Kapitel

»Das ist nicht dein Ernst«, entrüstete sich Del. Die Fassungslosigkeit in seiner Stimme war nicht gespielt, und was Skar auf seinen Zügen las, das war ebenso echt. »Du willst gehen, nur weil ein sterbender alter Mann dir gesagt hat, daß du es tun sollst?! Was ist los mit dir? Hast du einen Schlag auf den Kopf bekommen, oder wirst du jetzt wirklich alt?«

Skar lächelte dünn, obwohl Del mit einem Ernst gesprochen hatte, der die Wahl seiner Worte Lügen strafte, und in einer Art, die Skar sich schuldiger vorkommen ließ, als wenn er ihm Vorwürfe gemacht hätte.

Sie saßen sich im Thronsaal der Burg gegenüber, und hinter dem bunten Bleiglas der Fenster wurde es wieder Tag. Skar hatte nicht geschlafen in dieser Nacht, sondern war ruhelos in der Festung auf und ab gewandert, wie ein in einem Käfig gefangenes Raubtier, das es nicht wagt, durch die offenstehende Tür zu schlüpfen. Die Nacht war endlos gewesen – vielleicht die längste seines Lebens, sicher aber die schwerste. Es war nicht einfach so, daß er eine Entscheidung zu fällen hatte, die sein gesamtes weiteres Leben beeinflussen mochte – daran hatte er sich allmählich gewöhnt, so absurd das klang. Aber zweierlei Dinge waren diesmal anders: Zum einen war es nicht nur sein Leben, über das er entschied, und zum anderen war es nicht nur seine Entscheidung. Vielleicht war sie es niemals gewesen. Drask hatte es nicht einmal angedeutet, und es gab nicht die Spur eines Beweises, daß es so war – aber in letzter Zeit plagte Skar immer häufiger der Gedanke, daß vielleicht nichts von alledem, was geschehen war, Zufall gewesen sein mochte. Was, wenn sie alle nichts als Figuren in einem Schachspiel der Götter waren, wenn alles geplant gewesen war? Wenn dieses zweite Leben, das er lebte, kein Geschenk war, sondern er es leben sollte, um etwas ganz Bestimmtes zu tun – möglicherweise nichts weniger, als Enwor zu retten. Oder zu vernichten.

Der Gedanke machte ihn zornig. Er hatte es stets gehaßt, Befehlen zu gehorchen. Die Vorstellung, sich wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden zu bewegen, an deren Fäden eine gefühllose Macht vom anderen Ende der Zeit zerrte, machte ihn fast rasend. Aber welche Wahl blieb ihm schon? Er konnte sich wehren, konnte sich gegen das Schicksal auflehnen und –

und damit vielleicht gerade wieder das tun, was er tun sollte, dachte er bitter. Welchen Sinn hatte es zu kämpfen, wenn man nicht einmal wußte, auf welcher Seite man überhaupt stand?

»Ich hätte diesen Drask den Hunden zum Fraß vorwerfen sollen«, fuhr Del fort, als Skar nicht antwortete. »Ich hätte nicht auf dich hören sollen. Drask ist –«

»Drask ist tot«, unterbrach ihn Skar, bevor Del sich vollends in Rage reden konnte. »Und ich habe mir meinen Entschluß sehr genau überlegt, ' bevor ich hierhergekommen bin.« Er sprach schärfer, als er eigentlich beabsichtigt gehabt hatte. Es machte ihn wütend, sich vor Del rechtfertigen zu müssen, und er verspürte ein heftiges Gefühl von Schuld, als er an Drask zurückdachte. Der Magier war eine Stunde nach ihrem Gespräch gestorben, aber obwohl sein Entschluß zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, hatte er bis jetzt gezögert, mit Del zu reden. Sich selbst gegenüber hatte er als Grund vorgeschoben, Del nicht wecken zu wollen, denn wie sie alle bekam er in den letzten Tagen viel zu wenig Schlaf. In Wahrheit war der Grund allerdings ein ganz anderer – nämlich der, daß er diese wenigen Stunden noch gewinnen wollte, ehe er die endgültige Entscheidung treffen mußte.

Del schlug so plötzlich und hart mit der Faust auf den Tisch, daß Skar zusammenfuhr. Erst dann begriff er, daß er länger als eine Minute an Del vorbei ins Leere gestarrt hatte, ohne ihn auch nur zu sehen.

»Was ist los mit dir, Skar?« fragte er aufgebracht. »Du kannst dich nicht einfach davonmachen und so tun, als ginge dich das alles hier nichts an. Wir brauchen dich!«

»Unsinn«, widersprach Skar. Er war müde. Seine Glieder fühlten sich an, als wären sie mit unsichtbaren Bleigewichten beschwert, und eine noch größere Last schien sich auf seine Gedanken zu legen. Eigentlich hatte er nicht einmal mehr Lust, mit Del zu reden. Er wollte sich nur hinlegen und ein paar Stunden schlafen. Und danach gehen.

Trotzdem fuhr er fort: »Ihr braucht mich jetzt so wenig, wie ihr mich vorher gebraucht habt.«

»Wir hätten dich gebraucht, Skar«, antwortete Del scharf. »Ich lasse nicht zu, daß du gehst. Die Männer brauchen dich. Das Heer braucht dich. Ich brauche dich.«

Von allem war der letzte Satz der einzige, der Skar wirklich traf. Eine Weile sah er Del beinahe traurig an, dann stand er auf, trat ans Fenster und blickte auf den Fluß hinab. In dem gewundenen weißen Band waren häßliche graubraune Flecke entstanden, ein Muster aus pockennarbigen Kratern und rasch zusammenwachsenden Spinnweben, das bald auch das letzte Eis verschlungen haben würde. Mit dem Morgen kam Nebel auf, ein deutliches Zeichen, daß die Tage nun wirklich wärmer wurden. Skar revidierte seine Schätzung vom vergangenen Abend. Sie würden längstens noch eine Woche hierbleiben.

Er hörte, wie Del hinter ihm ebenfalls aufstand, und knüpfte an das unterbrochene Gespräch an, ohne sich herumzudrehen. »Ihr braucht mich nicht, Del. Ein Schwert mehr oder weniger spielt keine Rolle. Ihr braucht das, was ihr in mir seht. Aber das bin ich nicht.«

»Selbst wenn es so wäre!« Del trat mit einem zornigen Schritt neben ihn und hob die Hand, wie um ihn an der Schulter herumzureißen. Skar nahm die Bewegung als verzerrte Spiegelung im farbigen Bleiglas des Fensters wahr. Und er sah auch, daß Del die Bewegung nicht zu Ende führte, als sich ihre Blicke in der Scheibe trafen.

»Selbst wenn es so wäre«, wiederholte Del noch einmal, »würde das nichts ändern. Du kannst nicht einfach gehen, Skar. Die Männer brauchen dich, das, was sie in dir sehen, ob es nun da ist oder nicht. Du kannst nicht einfach tun und lassen, was dir gefällt. Du bist ein Hoher Satai.«

»Das bin ich nicht!« Skar war selbst ein wenig überrascht, wie heftig er Del widersprach. Er fuhr herum, starrte ihm einen Moment zornig ins Gesicht und versuchte dann, seinen Worten ein wenig von ihrer Schärfe zu nehmen, indem er lächelte. »Allerhöchstens ein halber«, fügte er hinzu, »denn schließlich teilen wir uns deine Stellung, nicht wahr? Und selbst du bist es nicht wirklich. Die Satai haben niemals wirklich einen Kriegsherren gehabt.«

»Weil sie ihn niemals nötig hatten«, antwortete Del. »Sie waren –«

Jemand klopfte, und Del brach mitten im Wort ab und fuhr ärgerlich herum. Die Tür wurde aufgerissen, noch ehe er auch nur Gelegenheit fand, auf das Klopfen zu antworten, und ein junger Satai stürmte herein.

Er sah abgehetzt aus. Sein Gesicht und seine nackten Oberarme glänzten vor Schweiß, und sein Atem ging so schnell, daß er im ersten Moment Mühe hatte, überhaupt zu sprechen. Mit weit ausgreifenden Schritten eilte er auf Del zu und blieb in eindeutig demütiger Haltung stehen; ja, für einen Augenblick sah es fast so aus, als wolle er auf die Knie herabfallen, und Skar hatte das sehr sichere Gefühl, daß seine Anwesenheit der einzige Grund war, aus dem Del ihn daran hinderte.

»Was willst du?« fragte Del ungehalten. »Ich habe Befehl gegeben, unter keinen Umständen ge–«

»Jemand kommt, Herr«, unterbrach ihn der Satai. Sein Atem ging schnell und unregelmäßig. Er sprach keuchend und so schrill, daß Skar Mühe hatte, ihn überhaupt zu verstehen. »Jemand nähert sich der Burg.«

»Und?« Dels ärgerliches Stirnrunzeln vertiefte sich noch. »Zum Teufel, es kommen Hunderte hierher, jeden Tag!«

Der Satai versuchte zu antworten, aber er war einfach zu erschöpft dazu. Er keuchte, hob die Hand und bewegte die Lippen wie ein Fisch auf dem Trockenen, und wie ein solcher brachte er keinen Ton hervor.

Der Anblick vertiefte Skars Bestürzung noch, und er gab dem vagen Gefühl von Zweifel in seinem Inneren neue Nahrung. Der Mann ist kein Satai, dachte er bedrückt. Er kleidete sich wie ein Satai, er sprach wie ein Satai, und zweifellos – selbst in Gedanken dachte er diesen Satz mit einer Mischung aus Wut und abfälliger Herablassung – ganz zweifellos wußte er wie ein Satai zu kämpfen, aber er war es nicht, so wie die allermeisten, die er in den letzten Wochen getroffen hatte. Auch ein Satai hatte das Recht, erschöpft zu sein, natürlich; aber er hatte nicht das Recht, sich so gehen zu lassen.

Dels Gedanken schienen ähnliche Wege zu gehen, denn er machte eine wütende Handbewegung und fuhr den Mann an: »Sprich endlich! Wer kommt, und was ist so wichtig daran?!«

»Herr, es ist … es ist eine Errish!« stieß der Satai keuchend hervor.

»Eine Errish?!« Del richtete sich kerzengerade auf. Für einen Moment sah er aus, als hätte er einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht erhalten. Aber dann – Del wäre nicht Del gewesen, hätte er anders gehandelt – sprang er auf, trat mit einem einzigen Schritt auf den Satai zu und riß ihn grob an den Schultern in die Höhe.

»Bist du sicher?« fauchte er.

Skar unterdrückte ein Lächeln. Del war zwanzig Jahre älter geworden, aber er hatte sich kein bißchen verändert, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Unbeschadet dessen, was er selbst Skar noch vor Augenblicken vorgeworfen hatte, benahm er sich ganz und gar nicht so, wie es der schwarze Mantel um seine Schultern verlangte. Irgendwie beruhigte Skar dieser Gedanke.

»Sie reitet einen Drachen, Herr«, antwortete der Satai. »Die Kundschafter melden, daß sie verfolgt wird. Ich weiß nicht, von wem.«

»Wo?«

»Zehn Meilen von hier, vielleicht zwölf. Im Westen.«

»Hast du sie gesehen?« fragte Skar scharf.

Der Satai sah ihn einen Moment lang verwirrt an, dann schüttelte er den Kopf. »Es war eine Spiegelnachricht, Herr«, antwortete er. »Ich war draußen auf dem Vorkastell, als sie kam. Die Krie–«

Del ließ den Mann so abrupt los, daß er mitten im Wort abbrach und sich seinen Atem lieber dafür aufsparte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ohne ihn weiter zu beachten, fuhr Del herum, eilte zur Tür und riß sie auf. Skar konnte niemanden draußen auf dem Gang erkennen, aber Del schrie plötzlich so laut, daß seine Worte vermutlich noch unten auf dem Hof zu verstehen waren. »Laßt die Garde aufsitzen!« brüllte er mit vollem Stimmaufwand. »Und sattelt mein und Skars Pferd! Du begleitest mich doch, oder?« Den letzten Satz, den er zwar nicht mehr gebrüllt, aber immer noch sehr laut gesprochen hatte, richtete er an Skar.

Skar antwortete gar nicht. Aber weniger als fünf Minuten später verließen sie die Trutzburg bereits, begleitet von einem halben Hundert Satai und der dreifachen Anzahl Quorrl.

3. Kapitel

Es war nicht ein Drache; es waren vier – ein riesiges, langbeiniges, grünes Etwas, in dessen Nacken eine absurd kleine Gestalt hockte und sich mit Armen und Beinen festklammerte, und drei etwas kleinere, aber sehr viel massigere Echsenwesen, die das erste verfolgten, und in der Luft, eine halbe Meile über und zwei oder drei vor Skar und der kleinen Armee aus Satai und Quorrl, schwebten die dreieckigen Schatten zweier gewaltiger Daktylen, von denen mindestens eine einen Reiter trug. Die andere war zu hoch und bewegte sich zu schnell, als daß Skar sie deutlich erkennen konnte. Zweimal, seit sie den Felsgrat erreicht und angehalten hatten, war die Daktyle auf den flüchtenden Drachen heruntergestoßen, und jedesmal hatte die Gestalt in seinem Nacken die Hand gehoben, und ein fadendünner weißer Blitz hatte nach dem Drachenvogel geschlagen und ihn zurückgetrieben.

»Was zum Teufel geht dort vor?« murmelte Del neben ihm. Sein Pferd bewegte sich unruhig. Wie das Skars und die der anderen witterte es die Drachen, und wie fast alle Warmblüter machte es die Nähe der titanischen Echsenwesen rasend. Seine Hufe scharrten nervös in der dünnen Schneedecke, die den Fels hier oben bedeckte.

»Sie kämpfen.« Del beugte sich im Sattel vor und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, um mehr Einzelheiten erkennen zu können. Das grelle Licht der Morgensonne verwandelte sein Gesicht in eine Landschaft aus zerschrundenen Schatten und harten Linien, die Skar noch nie zuvor darin gesehen hatte. Zum allerersten Mal, seit sie sich wiedergesehen hatten, kam ihm Del so alt vor, wie er war. Skar schauderte. Es war nicht gut, die Zeit zu betrügen, dachte er. Er war plötzlich nicht einmal sicher, ob er dieses neue Leben überhaupt leben wollte.

»Drachen verfolgen Drachen!« Del schüttelte den Kopf, setzte sich wieder im Sattel auf und blickte ihn fast bestürzt an. »Was, verdammt noch mal, bedeutet das?!«

»Das finden wir bestimmt nicht heraus, wenn wir hier stehenbleiben und nur zusehen«, antwortete Skar.

Die Reaktion auf seine Worte war anders, als er erhofft hatte – Del nickte zwar, ganz automatisch und ohne ihn anzuschauen, aber weder er noch einer seiner Begleiter machten irgendwelche Anstalten, die Pferde anzutreiben und den Steilhang hinunterzureiten. Ein rasches, heftiges Gefühl von Zorn machte sich in Skar breit.

»Was ist los?« fragte er. »Worauf warten wir?«

»Es sind Drachen, Herr«, antwortete einer der Männer neben Del. »Und sie haben Scanner.«

Wie, um seine Worte zu bestätigen, züngelte in diesem Moment wieder ein dünner, grausam weißer Blitz aus der Hand der winzigen Gestalt im Nacken des flüchtenden Drachen und brannte eine Narbe aus grellem Licht in den Himmel. Skars Zorn verstärkte sich zu reiner Wut, aber da war auch ein Gefühl von … . ja, beinahe Entsetzen, auf jeden Fall aber Erschrecken. Es war ein Satai, der diese Worte gesprochen hatte, und sie waren fast zweihundert!

Einen Moment lang starrte er den Mann voller unverhohlener Verachtung an, dann riß er sein Pferd ohne ein weiteres Wort herum und galoppierte los. Del rief ihm irgend etwas nach, das er nicht verstand, und er hörte, wie sich nun auch die anderen in Bewegung setzten, aber er sah sich nicht einmal um. Tief über den Hals seines Pferdes gebeugt, jagte er an der Felskante entlang, schlug einen engen, sehr riskanten Bogen um ein eisverkrustetes Stück Fels und preschte schließlich den schneebedeckten Hang hinunter, der sich dem Felsabbruch anschloß.

Für Minuten verlor er den grünen Drachen und seine Verfolger aus den Augen, denn er mußte seine ganze Konzentration dazu aufwenden, nicht aus dem Sattel geschleudert zu werden oder mitsamt dem Pferd zu stürzen. Der Hang war sehr steil, und die dünne Decke aus Pulverschnee verlieh ihm ein trügerisch falsches Aussehen: Unter dem flockigen Weiß verbargen sich Steine und Erdspalten und das Geäst erfrorener Büsche, die sein Pferd mehr als einmal zum Straucheln brachten. Der Hang war so steil, daß das Tier gegen seinen Willen immer schneller wurde. Der Augenblick war abzusehen, an dem es einfach so schnell wurde, daß es seine Bewegungen nicht mehr koordinieren konnte und über seine eigenen Beine stolperte, oder in eine der zahllosen Fallen unter dem Schnee trat und sich ein Bein brach.

Skar verschwendete kaum einen Gedanken daran. Er raste innerlich vor Zorn. Das Zögern des Satai (Satai? Etwas in ihm sträubte sich selbst dagegen, dieses Wort auf den Mann an Dels Seite anzuwenden, und wenn er tausendmal den fünfzackigen Stern der Kriegerkaste auf der Stirn trug!) hatte etwas in ihm zum Überkochen gebracht. Was er in seinen Augen gelesen hatte, war Angst, ein Gefühl, auf das er ein Recht hatte wie jeder Mensch, aber nicht in diesem Moment und nicht so, und dieser Ausdruck hatte das letzte bißchen Verbundenheit zerstört, das er noch zu Dels Männern empfunden hatte. Das Gefühl tat weh, entsetzlich weh, aber es kam nicht einmal unerwartet, und obwohl sich etwas in ihm wie ein getretener Wurm krümmte, ohne diesem entsetzlichen Schmerz dadurch irgendwie entgehen zu können, funktionierte ein anderer Teil seines Denkens gleichzeitig mit fast phantastischer Klarheit: Der Satai in ihm war erwacht, und er fragte ihn spöttisch, was um alles in der Welt er allein und so gut wie unbewaffnet gegen drei Drachen ausrichten wollte, und ob er denn sicher war, daß er sich auf der richtigen Seite in diesen Kampf einmischte, und wer dieser Reiter war, der da auf sie zufloh, und warum.

Er fand auf keine dieser Fragen eine Antwort, aber er zögerte trotzdem keine Sekunde, sondern trieb das Pferd eher noch zu größerer Eile an, als sie die Ebene erreichten und sich der Schwung ihres rasenden Hangrittes allmählich aufzehrte. Flüchtig blickte er über die Schulter zurück. Dels Satai waren ihm gefolgt, aber er hatte einen Vorsprung von gut drei-, vielleicht sogar vierhundert Pferdelängen, und er wuchs noch beständig, denn die Männer in den schwarzen Mänteln ritten nicht halb so selbstmörderisch, wie er es getan hatte. Zudem hatte sich das Heer geteilt, denn die Quorrl waren noch weiter zurückgefallen, was in ihrem Falle aber wohl eher an ihrem Gewicht und ihrer Klobigkeit lag, die sie ein Pferd schon in normalem Gelände kaum halb so schnell reiten ließen wie ein Mensch. Er suchte nach Del, aber er fand ihn nicht. Seltsamerweise verspürte er nicht einmal mehr wirkliche Enttäuschung. Der Moment, in dem sie Seite an Seite in einen Kampf vorwärts stürmten, würde nicht mehr kommen. Er war ein Kindertraum, und sie waren beide keine Kinder mehr.

Er wandte sich wieder um und sah nach vorne. Die Sonne war im Laufe der letzten halben Stunde auch über die Berge geklettert, und ihre schräg einfallenden Strahlen ließen die Schneedecke über der Ebene in blendendem Weiß aufleuchten, so daß er im ersten Moment fast geblendet war. Aber dann erblickte er sie – ein Stück weiter nördlich und eine gute Meile näher, als er erwartet hatte: der riesige grüne Drache und die drei kleineren grauen Verfolger, die sich in fast irrwitzigem Tempo den Bergen näherten. Der Reiter auf dem flüchtenden Drachen mußte wahnsinnig sein, dachte Skar, oder schlichtweg blind vor Angst. Drachen waren unglaublich schnelle Läufer, aber miserable Kletterer. Spätestens am Fuße des Steilhanges wäre seine Flucht so oder so zu Ende gewesen.

Aber er bezweifelte ohnehin, daß er ihn noch erreichte. Der Abstand zwischen den drei Panzerechsen und dem grünen Läufer schmolz jetzt zusehends, und die beiden Daktylen stießen immer öfter auf den Fliehenden herab. Skar erkannte nun, daß auch auf dem Rücken des zweiten Drachenvogels ein Reiter saß; groß und dunkel und irgendwie mißgestaltet, ohne daß er genau sagen konnte, was es war, das an seiner Erscheinung einfach nicht stimmte.

Er kam auch nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn in diesem Augenblick entdeckte ihn der Reiter der zweiten Daktyle – und Skar sah, wie er sein bizarres Reittier mit unglaublicher Schnelligkeit herumzerrte und die Daktyle erschrocken die Schwingen ausbreitete; eine fünfzehn Meter messende Pfeilspitze aus Lederhaut und Knochen, die mit einem wütenden Schrei auf ihn herabstieß. Etwas blitzte in der Hand des Drachenreiters auf, und obwohl Skar nicht erkennen konnte, was es war, reagierte er ganz instinktiv, und ganz instinktiv richtig. Mit einem Ruck, der sein Pferd vor Schmerz und Schrecken aufschreien ließ, riß er das Tier in vollem Galopp herum und zur Seite, eine Sekunde, bevor neben ihm eine grelle Lichtnadel in den Boden stach und unter dem Schnee einen Vulkan zur Explosion brachte. Eine weißorangene Feuersäule, nicht dicker als sein Oberschenkel, aber zwanzig Meter hoch und heiß wie die Hölle, versengte den Schnee und schleuderte geschmolzenes Gestein und Flammen in den Himmel. Die Hitze streifte Skar wie eine glühende Hand. Sein Pferd kreischte vor Schmerz und stolperte, stürzte aber nicht, sondern fand im letzten Moment wieder Tritt und raste wie von Furien gehetzt weiter. Einen Augenblick später strich ein ungeheuerlicher Schatten über ihn hinweg, so dicht, daß er den scharfen Reptiliengeruch des Drachen spürte. Skar duckte sich ganz automatisch tiefer über den Hals des Pferdes.

Wahrscheinlich war es diese Bewegung, die das Tier endgültig aus dem Gleichgewicht brachte. Es strauchelte, versuchte mit einem fast grotesken Hüpfer noch einmal auf die Beine zu kommen und stürzte vornüber. Skar wurde aus dem Sattel geschleudert; der Himmel und die weiße Ebene überschlugen sich drei-, vier-, fünfmal vor seinen Augen, ehe er selbst aufprallte und mit einem erstaunlich weichen Ruck zum Liegen kam.

Als er sich aufrichtete, waren die Drachen fast heran. Sie waren jetzt nahe genug, daß er das grüne Tier identifizieren konnte – einen Koloß von dreifacher Mannsgröße, der entfernt den schlanken Laufechsen ähnelte, die er bei seinem ersten Besuch in Elay kennengelernt hatte, nur daß er mehr als doppelt so gewaltig war. Mit seinen übergroßen, ungeheuer starken Hinterbeinen und dem lächerlich kleinen, runden Kopf, der auf einem meterlangen Schlangenhals pendelte, erinnerte er fast an einen Strauß, nur daß sein Leib von handgroßen grünen Schuppen bedeckt war und er keine Flügel hatte, dafür aber einen Schwanz, der fast so lang war wie sein ganzer Körper, und den er im Rennen steil erhoben hatte, um das Gleichgewicht zu halten. In seinem Nacken, die Beine hinter den winzigen Vorderärmchen des Drachen verhakt, saß eine Gestalt in einem erdbraunen Mantel. Skar konnte nur erkennen, daß es eine Frau war, deren langes blondes Haar von einem dünnen Stirnband zurückgehalten wurde, und daß sie von sehr schlankem, fast kindlichem Wuchs sein mußte.

Er sprang auf, zog sein Schwert (angesichts des heranrasenden Berges aus Fleisch und Panzerplatten kam er sich dabei selbst fast lächerlich vor) und opferte eine weitere Sekunde dazu, auch die drei anderen Tiere genauer in Augenschein zu nehmen. Es waren Drachen von einer Art, wie er sie niemals zuvor gesehen hatte – sehr viel kleiner als die Rennechse, aber ungeheuer massig, und von schwer zu definierender Form: Ihre grauen Panzerplatten waren zu klumpigen Stachelgebilden verwachsen, zwischen denen die Gestalten ihrer Reiter wie aufgespießte Riesenkäfer aussahen. Ihr Laufen hatte nichts mit dem eleganten Gleiten der Rennechse gemein. Sie wirkten wie lebende Mauerrammen, die einfach alles niederwalzten, was sich ihnen in den Weg stellte.

Über ihm erscholl ein krächzender Schrei, und der Laut riß ihn abrupt in die Wirklichkeit zurück. Er sah hoch, auf eine weitere Attacke gefaßt, aber diesmal war nicht er das Ziel des Angriffes. Die beiden Daktylen hatten sich geteilt – das Tier, das ihn gerade angegriffen hatte, schwenkte in einem engen Bogen herum und setzte zu einem neuen Sturzflug an, während der zweite Drachenvogel mit reglos ausgebreiteten Schwingen, aber sehr schnell, Dels Satai entgegenschoß. Hinter seinem häßlichen Hammerkopf blitzte es weiß und blendend auf; und ein dünnes Band aus Licht spannte sich für Sekundenbruchteile zwischen der Hand seines Reiters und einem Punkt irgendwo in dem heransprengenden Heer.

Er rannte los. Hinter ihm mischte sich orangeroter Feuerschein in das klare Licht des Morgens, und plötzlich übertönte ein ungeheures Dröhnen und Bersten das dumpfe Stakkato der Hufschläge; dann Schmerzens- und Angstschreie und der dumpfe Aufprall stürzender Körper. Skar widerstand der Versuchung, sich noch einmal umzusehen, und jagte im Zickzack auf die Laufechse zu. Auch die zweite Daktyle schoß jetzt wieder heran, aber Skar vermutete, daß er kein gutes Ziel bot: Er bewegte sich schnell und auf einem unberechenbaren Kurs, und Scanner waren zwar fürchterliche Waffen, aber schwer zu handhaben; vor allem vom Rücken eines bockenden Flugdrachen herab.

Der Abstand zwischen ihm und dem heranstampfenden Drachen schmolz jetzt rasend schnell, auch wenn das Tier viel von seiner natürlichen Eleganz verloren hatte; aus seinen federnden Sprüngen war ein ungeschicktes Hoppeln geworden, und bei jedem zweiten oder dritten Schritt taumelte es vor Erschöpfung. Seine Reiterin hatte Mühe, sich noch in seinem Nacken zu halten.

Skar lief schneller, riß sein Schwert in die Höhe und begann hektisch damit zu winken. »Hierher!« schrie er mit vollem Stimmaufwand. »Zu mir!«

Er bezweifelte, daß die Errish seine Worte überhaupt hörte, denn das Stampfen der Drachen auf der einen und der fast zweihundert Pferde auf der anderen Seite war mittlerweile zu einem wahren Orkan aus Lärm angeschwollen; aber sie schien seine Bewegung zu bemerken. Ihr Kopf nickte herum, und für einen Moment durchfuhr Skar ein eisiger Schrecken, als er erkannte, wie jung sie war. Großer Gott! dachte er. Das ist ein Kind! Das Mädchen war sechzehn, allerhöchstens achtzehn Jahre alt. Im Nacken der riesigen Echse sah sie aus wie ein lebendiges Spielzeug.

»Hierher!« schrie er noch einmal. »Zu den Reitern! Sie helfen dir!« Gleichzeitig schlug er einen Haken nach rechts, hetzte mit weit ausgreifenden Schritten an der Laufechse vorbei und direkt auf den ersten Verfolger zu. Etwas in ihm übernahm die Kontrolle über sein Handeln, ohne daß es seines bewußten Zutuns bedurfte. Die Drachen waren nicht einmal die schlimmste Gefahr – trotz ihrer Größe waren sie plump und schwerfällig, nicht annähernd so wendig wie ein Reiter oder gar ein Mann zu Fuß. Die Gefahr waren die Reiter, die auf ihren stacheligen Rücken saßen. Wenn sie mit denselben fürchterlichen Waffen ausgerüstet waren wie die Männer auf den Daktylen, konnte der nächste Schritt sein letzter sein …

Der vorderste Drache walzte wie ein lebender Berg aus Stacheln und Panzerplatten auf ihn zu. Unter seinen gewaltigen Elefantenfüßen stob der Schnee in einer unablässigen Folge staubiger Explosionen in die Höhe, und Skar fühlte trotz der Entfernung den Boden unter seinen Füßen erzittern. Er versuchte, die Distanz abzuschätzen, die noch zwischen ihm und dem Ungeheuer lag, und die Zeit, die sie beide brauchten, um sie zu überwinden. Gleichzeitig sah er aus den Augenwinkeln, wie sich Dels Heer hinter ihm in Dutzende unterschiedlich großer Gruppen aufteilte, ein scheinbares Chaos, das trotzdem einem geordneten Plan folgte: Die Reiter bildeten eine gewaltige, doppelte Zange, die sich um die angreifenden Drachen schloß und gleichzeitig ihr Opfer von ihnen abschnitt. Vom Rücken der beiden Daktylen zuckten noch immer dünne weiße Fäden aus Licht herab, aber sie trafen jetzt kaum noch; es war ein Unterschied, blindlings in eine große Reitertruppe hineinzuhalten oder einen einzelnen, sich schnell bewegenden Mann zu treffen.

Dann war der Drache heran, zehnmal schneller, als er geglaubt hatte, und plötzlich kam er Skar gar nicht mehr klein und plump vor, sondern gigantisch, ein fünf Tonnen schwerer Koloß, der sich mit der Unaufhaltsamkeit einer Lawine heranwälzte und die Welt vor ihm von einem Ende zum anderen auszufüllen schien. Seine kleinen, pupillenlosen Augen musterten Skar voller stummer Wut, und darunter, absurd dicht darunter und absurd groß, klaffte plötzlich ein dunkelroter Schlitz in den Gewächsen aus Horn und Panzerplatten, in dem zwei Reihen gewaltiger Reißzähne blitzten. Skar begriff beinahe zu spät, daß dieses Ungeheuer kein stumpfsinniges Monster war, das nichts anderes konnte als Laufen und Niedertrampeln, sondern eine Bestie, die mindestens so intelligent wie ihre größeren Verwandten war, aber zehnmal so boshaft.

Im letzten Moment hechtete er zur Seite, überschlug sich zwei-, dreimal hintereinander im Schnee und verbarg den Kopf zwischen den Armen, als der Drache vorüberstampfte. Ein horngepanzerter Gigantenfuß krachte neben ihm in den Schnee, nicht durch Zufall oder im rasenden Rhythmus der Schritte, sondern in einem gezielten Tritt, mit dem ihn das Monster zermalmen wollte wie ein lästiges Insekt. Er fuhr hoch und herum, sah den stacheligen Schwanz der Drachenbestie auf sich zupfeifen – einen Schwanz, der halb so dicht wie deren eigener Körper mit halbmeterlangen hornigen Dornen bewachsen war –, brachte sich mit einem verzweifelten Hechtsprung in Sicherheit und sprang abermals hoch. Weniger als einen Meter hinter ihm spritzten Schnee und Erdreich unter dem Hieb dieser lebendigen Keule auseinander, aber für eine Sekunde hatte er Luft, denn das Ungeheuer rannte, vom Schwung seiner eigenen Masse einfach vorwärtsgerissen, noch ein gutes Stück weiter, ehe es seine fünf Tonnen Körpergewicht in eine Drehung zwang. Wie eine blitzartige Vision aus einem Alptraum sah er ein halbes Dutzend Quorrl-Krieger vorüberpreschen, die mit angelegten Lanzen auf einen zweiten Drachen zurasten.

Skar wartete nicht, bis das Ungeheuer die Wendung vollendet hatte und wieder heranstampfte, um dieses Mal vielleicht ein bißchen besser zu zielen. Mit zwei, drei gewaltigen Sätzen hetzte er hinter der Panzerechse her, warf sich mit einem gewaltigen Sprung nach vorne und bekam einen der armlangen Stachelfortsätze zu fassen, die aus seiner Flanke wuchsen. Der Drache brüllte auf wie unter Schmerzen, warf sich zur Seite und wieder zurück und begann schließlich zu bocken wie ein zu groß geratenes Pferd, aber Skar klammerte sich mit aller Macht fest. Er wurde mitgeschleift. Spitze Steine und Dornen unter der Schneedecke zerrissen seine Hose und hinterließen blutige Kratzer in seiner Haut, aber er biß die Zähne zusammen, versuchte sich an der Flanke des tobenden Ungeheuers in die Höhe zu ziehen und betete darum, daß der Drache nicht auf die Idee kam, sich einfach auf die Seite fallen zu lassen und ihn unter sich zu zerquetschen.

So weit reichte die Intelligenz des Drachen denn doch nicht, aber dafür geschah etwas anderes: Über dem stacheligen Rücken des Ungeheuers erschien der gepanzerte Kopf seines Reiters, und plötzlich stieß eine lange eiserne Stange mit stumpfem Ende nach Skars Händen.

Der erste Hieb verfehlte ihn, aber er hinterließ einen langen, sehr tiefen Kratzer im eisenharten Horn des Drachenpanzers. Eine einzige, nur flüchtige Berührung dieser metallenen Stange mußte ihm einfach die Finger zerquetschen, das begriff Skar, und dann war es um ihn geschehen.

Er setzte alles auf eine Karte. Als die Stange das zweite Mal auf seine Hand herabstieß, versuchte er nicht, ihr auszuweichen, sondern griff im Gegenteil danach und zerrte mit aller Kraft daran.

Das Ergebnis überraschte ihn selbst. Er spürte nur für eine Sekunde Widerstand, dann erscholl über ihm ein halb verwunderter, halb zorniger Schrei, und plötzlich fiel die Eisenstange neben ihm in den Schnee; dicht gefolgt von ihrem Besitzer, der mit wild rudernden Armen einen grotesken Salto in der Luft schlug, ehe er in einer Explosion stiebenden Schnees verschwand.

Skar sparte sich die Mühe, ihm nachzublicken, sondern griff hastig kräftiger zu, fand endlich auch mit dem Fuß festen Halt auf den Stacheln und begann, an der Flanke des drei Meter hohen Ungetümes emporzuklettern. Er brauchte nur wenige Augenblicke dazu, aber sie kosteten ihn jedes bißchen Kraft, das er hatte, denn der Drache tobte wie ein durchgehendes Pferd. Trotzdem blieb ihm noch Zeit, einen Blick über die Schulter zurückzuwerfen. Was er sah, ließ ihn entsetzt aufstöhnen. Dels Angriff war gescheitert. Die Drachen hatten die dreifach gestaffelte Phalanx der Reiter einfach durchbrochen, wie eine Lawine einen Schutzzaun aus untauglichem Holz, und sie hatten einen, entsetzlichen Blutzoll gefordert – Dutzende von toten oder verwundeten Kriegern lagen im Schnee oder flohen in heller Panik vor den tobenden Giganten, deren stahlharte Panzerung ihre Speere und Pfeile einfach abprallen ließ.

Dann hatte er die Krümmung des Drachenrückens erreicht und sah sich den anderen Reitern gegenüber.

Es waren zwei, wovon der eine mit weit gespreizten Beinen

im Nacken des Drachen stand und sich mit der Hand an den hornigen Fortsätzen seiner Panzerung festhielt, während er mit der anderen an einem Zügel zerrte, mit dem er das außer Rand und Band geratene Tier zu beruhigen versuchte. Der zweite kroch, auf den Knien und beide Hände erhoben, direkt auf Skar zu. In seiner rechten Hand schimmerte das silberne Metall eines Scanners.

Es war wie ein Schlag in den Magen. Der Drachenreiter sah Skar direkt an, und im allerersten Moment glaubte Skar, dem Daij-Djan gegenüberzustehen. Ein Gefühl ungläubigen, lähmenden Entsetzens durchfuhr ihn, ehe er seinen Irrtum erkannte: Es war nicht der Daij-Djan, sondern ein ganz normaler Mensch, der lediglich in einer Rüstung steckte, die dem Äußeren der Sternenbestie nachgemacht war. Der Mann war schlank und nicht besonders groß, und von Kopf bis Fuß in einen Panzer aus einem mattschwarzen Material gehüllt, aus dem nur seine Hände herausragten, schlanke, in schwarzen Handschuhen steckende Hände, die sonderbar unpassend zu seiner übrigen Erscheinung wirkten. Auch der Helm war dem Nicht-Gesicht der Sternenbestie nachempfunden, ein glattes schwarzes Oval ohne erkennbare Konturen, in das zwei haarfeine Risse geschnitten worden waren, durch die er sehen konnte. Zumindest die Augen hinter diesen Sehschlitzen waren menschlich.

Skar erwachte endlich aus seiner Erstarrung, zog sich mit einem kraftvollen Ruck vollends auf den Rücken des Drachen hinauf und schlug gleichzeitig zu. Der Hieb war ungeschickt gezielt und ohne wirkliche Kraft, aber er schmetterte die Waffenhand des Schwarzgekleideten zur Seite. Der Scanner entlud sich mit einem peitschenden Knall, aber der grelle Lichtblitz ging harmlos ins Leere, und Skar gab ihm keine Gelegenheit zu einem zweiten, besser gezielten Schuß. Sich mit der linken Hand und beiden Beinen auf dem Rücken des bockenden Ungetüms festklammernd, packte er mit der anderen zu und verdrehte das Handgelenk des Kriegers mit einem harten Ruck. Ein dumpfer Schmerzlaut drang unter dem Insektenhelm des Drachenreiters hervor. Keuchend ließ er seine Waffe fallen, warf sich herum und versuchte das Schwert aus dem Gürtel zu zerren.

Es war nicht einmal ein wirklicher Kampf. Der Mann hatte keine Chance. Skar entrang ihm das Schwert, noch ehe er es halb aus der Scheide gezogen hatte, drehte die Waffe blitzschnell herum und versetzte ihm einen Hieb mit der stumpfen Seite, der ihn in hohem Bogen vom Rücken des Drachen herunterstürzen ließ.

Er wollte sich aufrichten, führte die Bewegung aber nicht einmal zu Ende, denn der Drache tobte mittlerweile so sehr, daß er vermutlich schon nach dem ersten Schritt nach vorne geschleudert und wie ein übergroßer Schmetterling auf den armlangen Stacheln aufgespießt worden wäre. Eher zornig als alles andere kroch er die wenigen Schritte auf den Mann am Zügel los, hob das Schwert und schlug nach dessen Brustpanzer.

Der Mann sah die Bewegung im letzten Moment und wich ihr aus – und besiegelte damit sein eigenes Schicksal. Das nächste Bocken des Drachen brachte ihn vollends aus dem Gleichgewicht; er taumelte zurück, stand einen Moment lang in fast absurder Neigung da, nur noch von der Leine gehalten, die ihn mit dem Nacken des Riesentieres verband – und stürzte mit einem krächzenden Schrei nach hinten, als Skars Klinge ein zweites Mal hochzuckte und das fingerdicke Tau durchtrennte.

Mehrere Dinge geschahen gleichzeitig, und so schnell, daß Skar eigentlich erst hinterher begriff, was er getan hatte: Der Krieger stürzte, aber er hatte weniger Glück als seine Kameraden – gleich ein halbes Dutzend tödlicher Horndolche durchbohrten seinen Panzer und töteten ihn auf der Stelle, und im gleichen Augenblick glaubte er so etwas wie einen gedanklichen Todesschrei zu hören, ein lautloses Brüllen tief in seinem Inneren, wie von etwas ungeheuer Großem, ungeheuer Starkem, das sich unter Höllenqualen wand.

Und der Drache hörte auf zu toben. Der Gigant rannte noch ein paar Schritte weiter, ganz einfach, weil er zu plump und zu schwer war, um seine Masse sofort anzuhalten, aber seinen Bewegungen fehlte plötzlich die wütende Raserei, mit der er den winzigen Angreifer abzuschütteln versucht hatte, und schließlich blieb er gänzlich stehen. Ein tiefes, unruhiges Knurren drang aus seiner Brust, der stachelige Schwanz und die riesigen Tatzen scharrten im Schnee, und sein droschkengroßer Schädel bewegte sich verwirrt hin und her, als hätte er von einem Augenblick auf den anderen die Orientierung verloren.

Und genau das war es auch.

Ein Teil von Skar wußte sofort, was geschehen war, ohne daß dieses Verstehen seinem bewußten Denken im allerersten Moment schon zugänglich gewesen wäre. Verstört – und jeden Moment auf einen neuen, entsetzlichen Ruck gefaßt, der ihn vom Rücken des Drachen herunter und geradewegs unter seine Klauen schleudern würde – richtete er sich auf, blickte den toten Drachenreiter an und dann wieder das Ungeheuer, und endlich begriff er.

Mit einem Satz sprang er auf die Füße und bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund. »Die Reiter!« schrie er. »Greift die Reiter an!«

Seine Stimme ging im Brüllen der Drachen und dem Lärm der bizarren Schlacht hoffnungslos unter, aber irgendwie schien das, was er sagte, doch verstanden zu werden; vielleicht hatte der eine oder andere Mann auch einfach beobachtet, was geschehen war, und die richtigen Schlüsse gezogen – so oder so änderten Dels Satai und die Quorrl jedenfalls ihre Taktik: Aus dem selbstmörderischen Anrennen gegen die beiden horngepanzerten Kolosse wurde ein rasend schneller Rückzug, und plötzlich flogen Pfeile und Speere zu den Rücken der Drachen hinauf. Deren Reiter fanden in dem Gewirr aus Stacheln und Panzerplatten zwar gute Deckung, aber Skar erkannte auch, wie gleich ein halbes Dutzend Quorrl seinem Beispiel zu folgen versuchte und an den Flanken der Riesentiere emporkletterte. Zwei, drei der schuppigen Riesenkrieger wurden abgeworfen und verschwanden unter den stampfenden Beinen der Drachen, aber die anderen kletterten verbissen weiter.

Skar sah nicht weiter zu. Jetzt, wo sie die Achillesferse der Angreifer gefunden hatten, war der Kampf praktisch schon entschieden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die beiden anderen Tiere unschädlich gemacht waren. Und die Opfer? wisperte eine Stimme hinter seiner Stirn. Aber es sind ja nur Quorrl, nicht wahr?

Er verscheuchte den Gedanken, richtete sich vorsichtig auf dem Rücken des Drachen auf und suchte nach der grünen Laufechse. Etwas stimmt nicht, flüsterte die Stimme in ihm. Du hast etwas vergessen, Bruder.

Skar ignorierte auch diesen Gedanken, sprang mit einem federnden Satz vom Rücken des Drachen herunter und glitt im Schnee aus. Hastig rappelte er sich wieder hoch, lief ein paar Schritte und blieb erneut stehen, als jemand seinen Namen rief. Er sah auf und erblickte Del, der auf ihn zugeprescht kam, ein zweites, reiterloses Pferd am Zügel mit sich führend. Ungeduldig wartete er, bis Del bei ihm angekommen war und die beiden Tiere zum Stehen gebracht hatte, dann schwang er sich in den Sattel, riß das Pferd herum und stürmte los.

Der grüne Drache war noch ein gutes Stück weitergerannt – was bei seiner enormen Körpergröße nicht weniger als eine gute Meile bedeutete –, ehe seine Reiterin ihn endlich zum Anhalten gebracht hatte. Skar konnte sie nur undeutlich erkennen, denn die Luft war voller hochgewirbeltem Schnee und Staub, und ihre Gestalt verbarg sich halb hinter dem muskulösen Hals des Riesentieres, aber er sah, daß sie vornübergesunken war, bewußtlos oder zumindest völlig erschöpft, und auch das Tier war am Ende seiner Kräfte. Seine Flanken zitterten, und der kleine, runde Kopf pendelte unablässig hin und her. Die dreifingrigen Pfoten an seinen kleinen Vorderläufen griffen haltsuchend hierhin und dorthin, sein Schwanz peitschte nervös. Die Muskeln in seinen riesigen Hinterläufen zuckten wie unter schnellen, unregelmäßig kommenden Krämpfen. Wenn er stürzte, dachte Skar erschrocken, würde er seine Reiterin einfach unter sich zermalmen.

Auch Dels Gedanken schienen ähnliche Wege zu gehen, denn er spornte sein Pferd zu noch schnellerer Gangart an. Nebeneinander sprengten sie auf die riesige Echse zu.

Trotzdem waren sie nicht schnell genug. Skar begriff, was er vergessen hatte, als es zu spät war.

Das Mädchen auf dem Drachen hob müde den Kopf, und für einen Augenblick begegneten sich ihre Blicke. Trotz der Entfernung sah Skar, wie in ihren Augen eine Mischung aus Erleichterung und abgrundtiefem Entsetzen aufglomm, aber er verstand dieses Erschrecken nicht – bis sie den Arm hob und er das silberne Funkeln in ihrer Hand sah.

Del und er reagierten gleichzeitig. Für Bruchteile von Sekunden waren sie wieder das perfekt aufeinander eingespielte Team, das sie vor einem Menschenalter einmal gewesen waren – Del riß sein Pferd nach links und ließ sich gleichzeitig aus dem Sattel kippen, nur noch mit einer Hand und einem Fuß an Zaumzeug und Steigbügel hängend und den Pferdeleib als Deckung zwischen sich und dem Mädchen, eine Taktik, die gegen eine Waffe wie einen Scanner reichlich lächerlich anmutete, aber einfach zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen war, als daß er sie ändern konnte, und Skar tat das gleiche, während er in die entgegengesetzte Richtung auswich.

Aber er begriff auch fast im selben Moment, daß Del und er nicht das Ziel des Drachenmädchens waren.

Hinter ihnen jagten zwei monströse Schatten heran.

Die beiden Daktylen waren kaum mehr zehn Meter hoch, und sie flogen so dicht nebeneinander, daß sich ihre gewaltigen Schwingen fast zu berühren schienen. Der Luftzug der riesigen peitschenden Flügel wirbelte den Schnee auf und trieb eine gewaltige Bugwelle aus kochendem weißen Staub vor sich her. Die Reiter, die ihren Weg kreuzten, wurden schlichtweg aus den Sätteln gerissen oder mitsamt ihren Pferden zu Boden geworfen. Und auch in den Händen der beiden Daktylenreiter waren winzige silberweiße Funken zu erkennen.

Alles ging so ungeheuer schnell, daß Skar zwar registrierte, was geschah, aber nicht einmal mehr dazu gekommen wäre, irgend etwas zu unternehmen, wenn er es gekonnt hätte– was er nicht konnte.

Das Mädchen auf dem grünen Drachen feuerte seine Waffe ab, und eine der beiden Daktylen flammte plötzlich auf wie eine übergroße Motte, die dem Feuer zu nahe gekommen war. Für den Bruchteil einer Sekunde verwandelte sie sich in eine schwarze Silhouette, die in eine Kugel grausam hellen Lichtes getaucht war, dann schlugen Flammen aus ihren papierdünnen Flügeln, griffen in unglaublicher Schnelligkeit auf ihren Körper und den ihres Reiters über und rissen sie regelrecht in Stücke.

Fast im gleichen Augenblick schoß der Mann auf der zweiten Daktyle. Und auch er traf sein Ziel.

Eine dünne Nadel aus Licht bohrte sich in den Leib der grünen Echse, und plötzlich verschwand eines ihrer Hinterbeine in einer brodelnden Feuerwolke. Das Tier brüllte vor Schmerz und Angst, versuchte noch einen Schritt zu machen und brach zusammen.

Aber eine Sekunde vorher, während sich sein Körper noch wie eine gefällte Rieseneiche zur Seite neigte, griff das Höllenfeuer des Scanners auf die schmale Gestalt in seinem Nacken über und ließ ihren Mantel und ihr Haar wie trockenes Stroh aufflammen.

4. Kapitel

»Hshie lkhebth, Hhehrrr.« Der Quorrl sah hoch und versuchte, sein Schlangengesicht. zu etwas wie einem Lächeln zu verziehen, was ihm allerdings nicht gelang; allenfalls, daß eine drohende Grimasse daraus wurde. »Hshie ihhsssst nhicht schwerrr verläzzzzt.«

Skar reagierte nicht gleich auf die Worte. Der Quorrl hatte einen Sprachfehler, der ihn unter anderen Umständen sicher zum Lachen gereizt hätte. Jetzt erschien er ihm … ja, irgendwie fast bedrohlich; ein weiteres unheimliches Detail, das die Aberwitzigkeit ihrer Situation noch zu betonen schien.

Erst, als er selbst begriff, daß er den Quorrl nur anstarrte und dieser vergeblich seit einer guten Minute auf irgendeine Antwort wartete, rang er sich zu einem Nicken durch, gab dem schuppigen Riesen mit einer Geste zu verstehen, daß er wieder gehen und sich um die anderen Verwundeten kümmern konnte, und ließ sich neben dem Mädchen in den Schnee sinken.

Die Errish – wenn es sich um eine Ehrwürdige Frau handelte, Skar hatte trotz allem, was er gesehen hatte, noch Zweifel, denn dieses Kind erschien ihm einfach zu jung – hatte das Bewußtsein noch nicht wiedererlangt, aber die Diagnose des Quorrl-Heilers deckte sich ziemlich genau mit seinem eigenen ersten Eindruck, nachdem Del und er die Bewußtlose unter dem Körper der Echse hervorgezerrt hatten. Ihr Mantel und das einfache braune Kleid, das sie darunter trug, waren verkohlt, und ein Teil ihres hüftlangen blonden Haares war zu einem drahtigen Gespinst aus schwarzen Schlackefäden geworden. Ihr rechter Arm war gebrochen, und sie hatte Verbrennungen am Hals und an der Schulter, aber keine davon war so schlimm, daß sie als gefährlich einzustufen gewesen wäre.

Skar beugte sich vor und berührte das Gesicht des Mädchens. Ihre Haut fühlte sich kalt und sehr trocken an, und er hatte schon vorher bemerkt, daß sie leichte Erfrierungen an Finger- und Zehenspitzen hatte. Ihre Flucht hatte länger als nur ein paar Tage gedauert.

Wer mochte sie sein? dachte er. Woher war sie gekommen, und warum war sie ausgerechnet hierher geflohen? Und warum hätten ihre Verfolger sie lieber getötet, als sie in die Hände der Satai fallen zu lassen?

Er begriff, daß seine Überlegungen müßig waren – die Antwort auf all diese und eine Menge anderer Fragen würden sie bekommen, sobald das Mädchen aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht war; also spätestens in zwei oder drei Stunden, sobald sie die Festung wieder erreicht hatten. Er hätte den Heiler bitten können, sie aufzuwecken; Del hatte ihm versichert, daß der Quorrl trotz seiner bizarren Erscheinung einer der besten Heilkundigen war, die ihre kleine Armee besaß, aber irgend etwas in ihm schreckte noch davor zurück. Außerdem war es Schlichtweg einfacher, eine Bewußtlose mit zurückzunehmen und erst mit ihr zu sprechen, nachdem sie versorgt und alle ihre Wunden verbunden worden waren.

Er stand auf, als Del zurückkam. Das Gesicht des Hohen Satai wirkte verschlossen, auf jene Art ausdruckslos, die schon wieder eine ganze Menge über seine wirklichen Gefühle verriet. Skar fiel auf, daß sein Blick ein paarmal nach oben ging und den Himmel absuchte, während sich seine Hand um das schimmernde Etwas schmiegte, das in seinem Gürtel steckte: der Scanner der Errish, den sie noch in der Hand gehabt hatte, als sie sie unter der brennenden Echse hervorzerrten. Skar bezweifelte, daß Del mit dieser Götterwaffe umgehen konnte – keiner von ihnen hatte auch nur eine Ahnung, wie man sie bediente – aber es gab ohnehin nichts, worauf er hätte schießen können.

Die zweite Daktyle war verschwunden, und Skar hoffte inständig, daß sie nicht wiederkam. Er bezweifelte, daß sie alle zusammen eine Chance gegen diese fliegende Bestie hatten; Dels Zauberwaffe hin oder her.

»Nun?« fragte er, als Del herangekommen und stehengeblieben war.

Dels Gesicht blieb unbewegt, aber in seinen Augen war plötzlich ein Funkeln von Zorn, wo Trauer oder Niedergeschlagenheit hätten sein müssen. »Siebzehn«, bemerkte er knapp.

»Oh.« Skar verbiß sich die Frage, ob es sich dabei nur um die Zahl der toten Satai oder ihre gesamten Verluste handelte. Er kannte die Antwort. Er hatte ihn beobachtet, während der Quorrl und er sich um das Mädchen kümmerten. Del war sehr langsam und sehr gründlich über das verwüstete Schlachtfeld gegangen, und er war neben jedem gestürzten Satai niedergekniet, um ihm Mut zuzusprechen oder ihm – je nachdem – die letzte Ehre zu erweisen. Neben jedem Satai. Die Quorrl hatte er nicht einmal beachtet. Aber er sagte nichts. Er hatte keine Lust, jetzt mit Del zu streiten, und er wußte, daß eine entsprechende Bemerkung darauf hinausgelaufen wäre. Del mochte älter geworden sein, und gesetzter; sicherlich klüger. Aber im Grunde war er noch immer der gleiche Hitzkopf, der er vor zwanzig Jahren gewesen war.

So oder so, dachte er, nur um sich abzulenken und seine Gedanken wieder in andere Bahnen zu zwingen, war der Kampf vorbei, und so oder so hatten sie einen entsetzlichen Preis für den Sieg bezahlt. Die Quorrl – er fragte sich nicht einmal, wie sie es geschafft hatten, – hatten eine der Panzerechsen getötet, die beiden anderen standen reglos und verwirrt da, nicht mehr als stumpfsinnige Fleischberge, die in ihren kleinen Hirnen jetzt vermutlich vergebens nach einer Antwort auf die Frage suchten, wie sie hierhergekommen waren, und warum.

Del blickte sehr lange und sehr nachdenklich auf das bewußtlose Mädchen hinab, aber er sagte kein Wort, stellte keine einzige Frage, sondern wandte sich nach einer Weile mit einem lautlosen Seufzer wieder um und deutete zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. »Komm mit«, forderte er ihn auf. »Da ist etwas, was du dir ansehen solltest.«

Skar folgte ihm, aber nicht, ohne vorher seinen Mantel abzustreifen und ihn über das reglose Mädchen auszubreiten; weniger eine Geste des Mitleids als vielmehr Folge rein praktischer Überlegung – sie hatten nicht sehr viel Zeit. Das Mädchen war schon jetzt gefährlich unterkühlt, und es würde schlichtweg erfrieren, wenn es noch lange im Schnee lag.

Sie näherten sich einer der riesigen Panzerechsen, und obwohl Skar wußte, daß sie jetzt nicht mehr als stumpfsinnige Tiere waren, überkam ihn ein sehr ungutes Gefühl, nicht direkt Angst, aber doch etwas, das ihr sehr ähnlich war. Aufmerksam musterte er die Augen des Riesentieres. Vorhin waren sie ihm klein vorgekommen, aber das stimmte nicht – sie waren so groß wie Dels geballte Faust. Aber das satanische Feuer, der Funken boshafter Intelligenz und der unbändige Wille zu töten und zu vernichten waren daraus verschwunden. Das Wesen, dem er jetzt gegenüberstand, war keine unbesiegbare Killermaschine mehr, sondern nur noch eine ziemlich große und ziemlich dumme Masse von Fleisch und Knochenplatten, die gar nicht verstand, was all diese kleinen hektischen Wesen von ihr wollten – falls sie sie überhaupt zur Kenntnis nahm, hieß das. Trotzdem ertappte Skar sich dabei, einen respektvollen Bogen um den stacheligen Giganten zu schlagen, während er Del folgte. Der Drache befand sich eindeutig jenseits der Grenze von Körpergröße und Aussehen, vor der logisches Denken der Angst noch überlegen war.

Sie umrundeten die Panzerechse fast zur Gänze, ehe sie eine Gruppe von Satai und Quorrl erreichten, die einen reglosen Körper umstanden, der halb im Schnee begraben lag. Die Männer traten achtungsvoll zur Seite, als sie näher kamen, und Del machte eine ungeduldige Handbewegung, schneller zu gehen. Aus irgendeinem Grund war er nervös.

Es war einer der Drachenreiter. Er lag so da, wie er vom Rücken des riesigen Tieres heruntergestürzt war, mit verrenkten Gliedern und durchbohrter Rüstung, aus deren Seite noch der Schaft einer zersplitterten Lanze ragte, aber jemand hatte seinen Helm aufgebrochen, mit brutaler Kraft, so daß er nur noch seinen Hinterkopf und Nacken wie eine schwarze Schale mit gezackten Rändern umgab.

Skar erstarrte, als er das Gesicht sah, das darunter zum Vorschein gekommen war. Er blieb mitten im Schritt stehen, tauschte einen erschrockenen Blick mit Del und ging unsicher weiter, als dieser abermals eine auffordernde Bewegung mit der Hand machte.

Zögernd, so vorsichtig, als befürchte er ernsthaft, der Tote könne plötzlich die Augen aufschlagen und nach ihm greifen, ließ er sich neben der reglos daliegenden Gestalt auf ein Knie herabsinken und streckte die Hand aus.

Es war eine Frau. Sie war wesentlich älter als das Mädchen auf der grünen Echse, aber jünger als Del oder gar er – und es war eine Errish, wenn er jemals eine gesehen hatte. Ihre weit offenstehenden Augen waren von dem strahlenden, makellosen Weiß, das nur bei einer Errish zu sehen war, und auf ihrer rechten Schläfe befand sich eine winzige, hellviolette Tätowierung, die dem Kundigen ihren Rang in der Kaste der Drachenherrinnen verriet. Für einen ganz kurzen, aber schrecklichen Moment fragte er sich entsetzt, ob sie vielleicht dem Falschen geholfen hatten.

Aber trotzdem war es nicht das, was ihn so erschütterte. Was ihn traf und was die Ursache für das abgrundtiefe, mit Furcht gemischte Erschrecken in Dels Augen gewesen war, war ihr Gesicht.

Etwas … bedeckte es.

Im allerersten Moment glaubte er, es wäre ein Muster aus geronnenem Blut, das auf ihren Zügen erstarrt war, aber das stimmte nicht. Es war … ein Gespinst, dachte er angeekelt, etwas wie ein schwarzes, weitmaschiges Netz aus haardünnen glitzernden Fäden, schwarze Spinnweben, die einem Muster zu folgen schienen, das er nicht zu erkennen vermochte, das aber da war. Keiner der Fäden war dicker als ein Haar, aber sie erschienen Skar sehr fest, und irgendwie … lebendig. Es war, als bewegten sie sich, so sacht und auf so sonderbar falsche, fremdartige Weise, daß er diese Bewegung nicht wirklich sehen konnte, aber sehr deutlich fühlte.

»Großer Gott, Del – was ist das?« murmelte er.

Del erwiderte nichts, aber er spürte sein Achselzucken und die Bedrückung, die der andere ebenso wie er empfand. Es war nicht einfach so, daß der Anblick allein furchterregend oder ekelhaft gewesen wäre – jeder von ihnen hatte Dinge zu Gesicht bekommen, die zehnmal erschreckender und hundertmal widerwärtiger waren – aber er war … bedrohlich. Falsch, auf unmöglich in Worte zu fassende Art.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Del schließlich doch. Mit zwei Schritten umrundete er den Leichnam der Errish und ging Skar gegenüber in die Hocke, hielt aber weitaus mehr Abstand zu der Toten ein, als nötig gewesen wäre. Er spürt es auch, dachte Skar. Selbst die Quorrl, die in kleinen Gruppen auf dem Schlachtfeld standen, hielten fast respektvollen Abstand zu den Toten. Skar fiel auf, daß niemand auch nur versuchte, die Leichen auszuplündern.

»Sie haben es alle.«

Skar sah auf, und Del machte eine erklärende Handbewegung. »Es sind alles Errish, Skar. Und sie haben alle dieses … Ding.« Er schluckte. »Mach ihre Rüstung auf.«

Skar gehorchte, wobei ihm eine innere Stimme riet, es besser nicht zu tun, denn er mochte Dinge sehen, die er eigentlich gar nicht sehen wollte. Dessen ungeachtet beugte er sich vor, suchte mit den Fingern nach einer Lücke in der schwarzen Panzerung der Errish und zog mit einem kräftigen Ruck.

Der Brustharnisch der sonderbaren Rüstung zerbrach mit einem Laut wie zersplitterndes Glas, und Skar starrte verblüfft auf das, was er für geschwärztes Eisen gehalten hatte. Es war kein Metall. Es war Horn!

Verwirrt blickte er auf die scharfkantigen kleinen Scherben herab, die er plötzlich in der Hand hielt, ließ sie schließlich fallen und beugte sich wieder über die Tote.

Er hatte den Anblick erwartet, aber er erschreckte ihn trotzdem.

Das schwarze Gespinst beschränkte sich nicht nur auf ihr Gesicht, sondern erstreckte sich weiter. Wie ein Netz aus der Haut gequollener Adern zog es sich an ihrem Hals herab und verschwand im Ausschnitt des braunen Lederwamses, das sie unter der Rüstung trug, und Skar mußte seine Phantasie nicht sonderlich strapazieren, um sich vorzustellen, welcher Anblick sich ihm bieten würde, wenn er das Hemd aufschnitt.

Trotzdem tat er es.

Das Netz war hier weitmaschiger, und die Fäden dicker. Unter den Brüsten der Toten erreichten sie die Stärke eines Kinderfingers, und hier und da gewahrte er kleine, glitzernde Klümpchen des gleichen Materials, die sich an den Knotenstellen der Fäden gebildet hatten und sanft pulsierten, in unregelmäßigem, aber erkennbarem Rhythmus. Der Anblick erinnerte ihn an etwas. Er hatte etwas wie dies schon einmal gesehen, in anderer Form und anderem Zusammenhang, aber er wußte nicht mehr, wann und wo.

Fast behutsam breitete er das zerschnittene Wams wieder über dem Oberkörper der Toten aus und kroch ein kleines Stück von ihr fort. Wie Del war er plötzlich sehr darauf bedacht, diesem entsetzlichen Etwas nicht zu nahe zu kommen.

»Sie haben alle dieses … dieses Netz, sagst du? Ihr habt sie alle untersucht?«

Statt einer direkten Antwort zog Del seinen Dolch aus dem Gürtel, beugte sich vor und verlängerte den Riß, den Skar in das Gewand der Toten geschnitten hatte. Skar erkannte, was er meinte, ohne daß es eines weiteren Wortes der Erklärung bedurft hätte.

Das schwarze Netz hüllte den Körper der toten Errish vollkommen ein, und in seiner Mitte, zwei Fingerbreit neben ihrer rechten Hüfte, saß ein fast faustgroßer, pulsierender schwarzer Klumpen, wie eine beinlose glitzernde Spinne, ein widerliches Etwas ohne klar bestimmbare Form, das im gleichen, unheimlichen Rhythmus pulsierte wie die dünnen Nervenfäden, die von ihm ausgingen. In Skars Mund war plötzlich ein bitterer Geschmack. Übel schmeckender Speichel sammelte sich unter seiner Zunge, und er spürte selbst, wie sein Gesicht die Farbe verlor. Er mußte ein paarmal rasch hintereinander schlucken, um die Übelkeit zurückzudrängen. Dabei war es nicht einmal der Anblick selbst, der ihm so zusetzte; es war wie das Bild des schwarzen Netzes auf dem Gesicht der Errish – es war nicht sein Aussehen, es war das heftige Empfinden des auf fürchterliche Weise Fremden und Falschen, das davon ausging. Er wußte nicht, was dieses Netz war und was es bewirkte, aber er wußte mit unerschütterlicher Sicherheit, daß es etwas war, das nicht in diese Welt gehörte.

Del stand mit einer abrupten Bewegung auf und trat zurück. »Was ist das, Skar?« fragte er leise. Seine Stimme zitterte, und das, was Skar darin hörte, war pures Entsetzen.

Auch Skar erhob sich und trat ein paar Schritte zur Seite, auf absurde Weise froh, aus der unmittelbaren Nähe der Toten und ihres schrecklichen Parasiten zu entkommen. Er sah nicht einmal mehr in ihre Richtung, als er antwortete. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber ich habe das Gefühl –«

»– es schon einmal gesehen zu haben?« Del lächelte, sehr rasch und ohne die geringste Spur von echtem Humor, als er Skars überraschten Blick bemerkte. Dann nickte er. »Mir geht es genauso«, fuhr er fort. »Aber ich weiß nicht, wann und wo.« Er schüttelte den Kopf, biß sich nachdenklich auf die Unterlippe und sah einen Moment lang auf die Tote herab. »Etwas stimmt hier nicht, Skar. Das sind Errish, aber … irgend etwas macht mir Angst.«

Diesmal war Skar ehrlich überrascht. Er kannte Del seit mehr als zwanzig Jahren, aber er hatte ihn in all dieser Zeit kaum ein halbes Dutzend mal gestehen hören, daß er Angst empfand. Aber die Worte waren nicht nur so dahergesagt – Del hatte Angst, ebenso wie er und alle anderen hier. Etwas ging von diesem schwarzen Fädengespinst aus, das ihre Seelen in Aufruhr brachte. »Sind sie alle tot?« fragte er.

Del nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. »Eine lebt noch. Aber sie wird sterben, ehe die Sonne untergeht.« Seine Stimme klang fast erleichtert.

»Vielleicht kann Bradburn ihr helfen«, schlug Skar vor.

Del sah ihn vielsagend an. Weder er noch irgendeiner der anderen, das begriff Skar plötzlich, war besonders erpicht darauf, daß irgend jemand der verwundeten Errish half. Sie alle hatten Angst vor ihr – und viel mehr noch vor dem Ding, das sie bedeckte. Und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann erging es ihm nicht anders. Allein der Gedanke, dieses lebendige schwarze Etwas mit in die Festung zu bringen, war ihm zuwider.

»Trotzdem«, fällte er seine Entscheidung. »Wir müssen sie mitnehmen. Sie kann uns wertvolle Informationen liefern.«

Del wollte widersprechen, aber Skar machte eine rasche, befehlende Geste und wandte sich an die Krieger: »Bereitet alles für den Rückmarsch vor«, gebot er laut. »Und begrabt die Toten. Alle.«

Einer der Männer deutete auf die riesige Panzerechse. »Die Tiere, Herr. Was machen wir mit ihnen?«

Skar überlegte einen Moment. Die Versuchung, die beiden überlebenden Drachen einfach mitzunehmen, um sie eventuell zu zähmen und in der bevorstehenden Schlacht einzusetzen, war verlockend. Aber er spielte nur für eine Sekunde mit diesem Gedanken – es war kein Zufall, daß auf ganz Enwor nur die Errish diese vorzeitlichen Kolosse zu reiten vermochten. Die Zahl der anderen, die es versucht hatten, war groß, aber keiner von ihnen lebte noch. Und Skar war trotz allem nicht sicher, daß die grauen Riesenigel endgültig zu den friedlichen Tieren geworden waren, als die sie sich ihnen im Moment darboten. Er konnte sich wahrhaft Lustigeres vorstellen, als diese beiden Kolosse in der Burg zu haben, falls sie sich plötzlich wieder daran erinnerten, daß sie eigentlich hierhergekommen waren, um Krieg zu führen …

»Wir lassen sie hier«, entschied er. »Vielleicht finden sie den Weg zurück.«

»Es wäre besser, wir würden sie töten«, widersprach Del.

Skar schüttelte heftig den Kopf. »Wozu?« fragte er, eine Spur lauter, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Etwas in ihm sträubte sich dagegen, diese beiden Riesenkreaturen einfach sinnlos abzuschlachten. »Sie sind nicht mehr gefährlich.« Er unterstrich seine Worte mit einer neuerlichen, befehlenden Geste – die Del erstaunlicherweise hinnahm, obwohl doch eindeutig er es war, der hier irgend jemandem Befehle zu erteilen hatte. Und nach einer Weile drehte sich Skar ohne ein weiteres Wort um und ging, um sein Schwert zu suchen.

5. Kapitel

Die Errish überlebte den Tag nicht. Sie starb nicht an den Verletzungen, die sie im Kampf davongetragen hatte und die sich im nachhinein als viel weniger schwer herausstellten, als es im ersten Augenblick den Anschein gehabt hatte, sondern hörte einfach auf zu atmen, kaum eine Minute, nachdem sie das Bewußtsein wiedererlangt und begriffen hatte, wo sie war, und in welcher Lage. Niemand – Bradburn eingeschlossen, der all seine magische Kraft aufgewandt hatte, um genau das zu verhindern, was dann geschah – war sonderlich überrascht darüber. Die unglaubliche Gewalt, die eine Ehrwürdige Frau über ihren eigenen Körper hatte, war Legende; durch die pure Kraft ihres Willens kostete es eine Errish weniger Anstrengung, ihren Herzschlag zum Stehen zu bringen, als es Skar bereitet hätte, für wenige Minuten den Atem anzuhalten. Nein – was ihn erschreckte, das war die Schnelligkeit, mit der es geschah. Er war nicht dabei, aber Bradburn berichtete, daß sie nicht einmal versucht hatte zu fliehen – oder irgend etwas zu tun. Sie war erwacht, hatte begriffen, was geschehen war, und sich selbst getötet, sehr einfach, sehr schnell und sehr konsequent.

Del sagte kein Wort, als Bradburn mit der Nachricht vom Tode ihrer Gefangenen zu ihnen kam, sondern nickte nur, als wäre nur etwas eingetreten, was er mit aller Sicherheit erwartet hatte, und auch Skar verspürte eher Erleichterung als irgend etwas anderes; er bedauerte den Tod der Errish, aber sehr viel stärker war seine Genugtuung, mit ihr auch das entsetzliche schwarze Ding vernichtet zu wissen, das an ihr gehangen hatte. Bradburn hatte Befehl gegeben, die Tote zu verbrennen; zusammen mit allem, was mit ihr in Berührung gekommen war. Wie so vieles hielt Skar auch diese Vorsichtsmaßnahme für übertrieben, aber er widersprach nicht. Er war nicht mehr sicher, ob es wirklich richtig gewesen war, sie überhaupt hierher zu bringen.

»Es war das Netz«, erklärte Bradburn, nachdem er mit seinem Bericht zu Ende gekommen war und eine Zeitlang vergeblich auf irgendeine Reaktion Dels gewartet hatte. »Ich bin sicher, daß es …« Er zuckte hilflos die Schultern. »… sie irgendwie beeinflußt hat.«

»Dann hättest du dieses verdammte Ding von ihr herunterschneiden sollen, ehe sie das Bewußtsein wiedererlangte«, bemerkte Del. Es war nur ein Gedanke, den er laut aussprach, kein Vorwurf. Und Bradburn lächelte auch nur milde.

»Dann wäre sie erst recht gestorben«, hielt er dagegen. »Ich bin überzeugt, daß es sie getötet hätte.« Er seufzte, ließ sich auf den freien Stuhl neben Del sinken und griff nach dem Weinkrug. Seine Bewegungen wirkten sehr müde, als er sich einige wenige Schlucke der goldfarbenen Flüssigkeit in einen Becher einschenkte und trank, und seine Finger zitterten. Daß er überhaupt Wein trank, überraschte Skar. Er konnte sich nicht erinnern, den Gesichtslosen Prediger jemals irgend etwas anderes als Wasser trinken gesehen zu haben.

»Was war es?« fragte er.

Bradburn leerte seinen Becher, griff abermals nach dem Krug und schreckte mitten in der Bewegung zurück, als würde ihm erst jetzt klar, was er da überhaupt tat. Sein Blick war sehr unsicher, als er Skar ansah. Er wirkte verlegen. »Das Netz?«

Skar nickte, und Bradburn fuhr nach einigen Sekunden des Überlegens fort: »Ich weiß es nicht. Eine Art … Parasit, vermute ich.«

»So eine Art Laus, wie?« Dels Spott war ziemlich deplaziert, und Bradburns Blick machte dies auch klar.

»Ja«, entgegnete er und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Aber eine, die hier sitzt.«

»Woher willst du das wissen, wenn du keine Ahnung hast, was es eigentlich war?« fragte Del scharf. Er war nervös, und wie es seine Art war, reagierte er mit Ungeduld und steigender Gereiztheit auf dieses Gefühl.

»Ich habe es gespürt«, antwortete Bradburn einfach. Dels scharfer Tonfall beeindruckte ihn nicht im mindesten, ebenso wie seine Gereiztheit einfach von ihm abzuprallen schien; obwohl er Del seit Jahren kannte und wissen mußte, daß er ihn damit nur noch mehr in Rage brachte.

»Gespürt, so?« fauchte Del. »Einfach so?«

»Einfach so.« Bradburn seufzte, warf Skar einen verzeihungheischenden Blick zu und griff abermals nach dem Weinkrug. Diesmal schenkte er sich den Becher randvoll. Skar unterdrückte ein Lächeln. »Und ich kann denken«, fuhr Bradburn nach einigen Schlucken fort, ohne den Becher abzusetzen. »Und zwei und zwei zusammenzählen.«

»So? Und worauf kommst du? Auf sieben?«

Bradburn ignorierte die Spitze. »Ihr hättet einen der Drachen mitbringen sollen«, sagte er.

»Das wollte ich«, gab Del ärgerlich zurück. »Aber er paßte nicht in meine Satteltaschen.«

»Es hätte vieles erleichtert, wenn ich ihn mir hätte ansehen können«, fuhr er unbeeindruckt fort.

»Wozu?« fragte Skar, ehe Del abermals auffahren konnte.

Bradburn zögerte einen Moment mit der Antwort. Dann zuckte er die Achseln. »Ich weiß es nicht«, gestand er. Plötzlich wurde er zornig. »Verdammt, auch ich kann nur raten, Del. Nichts ist mehr so, wie es sein sollte! Die Errish waren immer unsere Freunde, und plötzlich greifen sie uns an!« Er deutete mit einer fast angewiderten Geste auf den silberfarbenen Scanner, der vor Del auf dem Tisch lag. »Sie haben diese Teufelswaffen niemals gegen Menschen eingesetzt, Del, niemals! Und ich habe niemals gehört, daß sie ihre Drachen in den Kampf geführt hätten, außer um sich zu verteidigen! Was soll ich noch glauben?

Was … was gilt noch, von den alten Werten, Del?«

»Vielleicht stehen sie auf der Seite der Sternengeborenen«, mutmaßte Del.

Bradburn schnaubte. »Unmöglich! Nicht die Errish

»Warum haben wir dann seit zwei Jahren keine von ihnen mehr gesehen?»fragte Del. Er beugte sich vor und funkelte Bradburn fast feindselig an. »Warum dringt seit zwei Jahren kein Wort mehr über die Grenzen des Drachenlandes? Warum ist keiner der Boten und Kundschafter zurückgekommen, die wir nach Elay geschickt haben? Warum –«

Er brach mitten im Satz ab, sah Bradburn betroffen an und ballte schließlich die Faust. Er tat es mit solchem Zorn, daß seine Muskeln dabei wie dicke Stricke durch die Haut traten, und trotzdem wirkte die Geste mehr als alles andere kraft- und hilflos. »Vielleicht haben Drasks Brüder sie auch schon in ihrer Gewalt«, murmelte er schließlich.

Bradburn lachte leise. »Die Zauberpriester? Unmöglich, Del. Sie haben es nicht geschafft, die Satai zu unterwandern; nicht einmal die Veden, obgleich sie ein abergläubisches Volk sind, das dafür bekannt ist, jeden Unsinn zu glauben. Denkst du wirklich, einer von ihnen hätte auch nur einen Fuß nach Elay hineinsetzen können, ohne daß die Errish nicht sofort gewußt hätten, was er wirklich will?«

»Nein«, gestand Del übellaunig. »Das glaube ich nicht. Aber verdammt noch mal, was ist dann in Elay geschehen? Wo sind die Errish und ihre Drachen?«

»Das Mädchen wird uns diese Fragen beantworten«, war sich Skar sicher. »Sobald es erwacht ist.« Er sah Bradburn an. »Wann?«

»Wann immer ihr wollt«, antwortete der Prediger. »Ich habe ihr einen Trank gegeben, der sie schlafen läßt, bis ich sie aufwecke. Sie ist nicht schwer verwundet, aber völlig entkräftet. Ihrem Zustand nach zu urteilen, muß sie lange unterwegs gewesen sein. Besser«, fügte er nach kurzem Zögern hinzu, »ihr laßt sie gründlich ausschlafen, ehe ihr sie befragt.«

»Es ist ein weiter Weg nach Elay«, stellte Del fest. »Wenn sie aus Elay kommt.«

Skar sah auf. »Das klingt, als hättest du Angst davor.«

»Du nicht?« Del schnaubte. Seine Augen wurden schmal, und plötzlich war er gar nicht mehr der herrische, stets ein wenig ungeduldige Heerführer, sondern nur noch ein sehr besorgter Mann. Vielleicht sah Skar ihn auch nur so, weil er ihn so sehen wollte.

»Wenn das alles stimmt, Skar, dann ist die Lage in Elay schlimmer, als ich befürchtet habe. Die Errish nicht auf unserer Seite zu haben, ist arg genug. Sie zu Feinden zu haben, wäre … entsetzlich.«

Er stand auf, ging zum Fenster und blickte eine Weile wortlos auf den Hof hinab. Dann, ganz plötzlich, fuhr er herum und sah Bradburn an.

»Wir müssen mit diesem Mädchen reden«, erklärte er in einem Ton, der keinen Widerspruch mehr duldete. »Geh und wecke sie auf. Niemand soll mit ihr reden, bevor Skar und ich nicht bei ihr waren.«

Bradburn nickte. Sein Gesichtsausdruck verriet, daß er mit Dels Entscheidung nicht einverstanden war, aber er widersprach nicht. »Gebt mir eine halbe Stunde«, bat er. »Und verlangt nicht zu viel von ihr. Sie wird völlig verängstigt sein.«

»Sie machte mir keinen sehr ängstlichen Eindruck, als sie mit dem Ding da auf uns gezielt hat«, warf Del mit einer ärgerlichen Geste auf den Scanner ein, der wie ein silbernes Spielzeug neben seinem Becher lag.

Bradburn seufzte nur. Aber er sah wohl ein, daß es reine Zeitverschwendung war, sich weiter mit Del zu streiten, denn er wandte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ den Raum. Del setzte sich wieder, gähnte ungeniert und legte die Füße auf den Tisch. Nachlässig griff er nach dem Scanner und drehte ihn versonnen in den Fingern. Zwischen seinen gewaltigen Pranken wirkte die Waffe jetzt wirklich wie ein Kinderspielzeug; es fiel Skar für einen Moment schwer, sich vorzustellen, welch entsetzliche Macht unter dem harmlos schimmernden Metall lauerte.

»Tu das weg«, sagte er. »Bitte.« Del zog die linke Augenbraue hoch und sah ihn an, und Skar fügte hinzu: »Es macht mich nervös.«

Del nickte, legte den Scanner aber nicht auf den Tisch zurück, wie Skar gehofft hatte, sondern schob ihn mit einer nachlässigen Geste unter den Gürtel. Skar runzelte mißbilligend die Stirn, verbiß sich aber eine entsprechende Bemerkung. Del wußte zehnmal besser als er, daß es gegen die Regeln der Satai verstieß, eine solche Waffe auch nur zu berühren. Aber er begriff auch, daß Dels so bewußt zur Schau gestellte Gelassenheit nur Maske war, und nicht einmal eine sehr gute. Hinter seinem abfälligen Grinsen brodelte es. Er wußte so gut wie Skar, daß das, was sie am Vormittag erlebt hatten, viel mehr als nur eine Episode in diesem Krieg war. Es war wichtig. Ungeheuer wichtig. Und es hatte irgend etwas mit dem zu tun, was Drask ihm hatte sagen wollen.

»Dieses Netz macht mir Angst«, gestand Del plötzlich. Er lächelte noch immer, aber in seinen Augen flackerte es, und seine Hände lagen ein wenig zu entspannt auf den Armlehnen des Stuhles. »Ich habe so etwas schon einmal gesehen, Skar. Aber ich weiß nicht mehr, wo.«

Skar nickte. Zum ersten Mal, seit sie in die Festung zurückgekommen waren, stimmte er vollkommen mit Del überein. Auch ihn beunruhigte die entsetzliche Veränderung, die mit den Errish vonstatten gegangen war, sehr viel mehr, als er zugeben wollte. Und es war nicht allein die Fremdartigkeit dieses sonderbaren wie hatte Bradburn es genannt? –Parasiten, die ihn so erschreckte. Viel stärker quälte ihn der Gedanke, etwas ganz Ähnlichem schon einmal begegnet zu sein, vor sehr langer Zeit und unter keinen sehr guten Umständen.

Und das war nicht alles. Da waren die Drachen, Echsen einer Art, wie sie noch keiner von ihnen jemals zu Gesicht bekommen hatte, und die absonderlichen, erschreckenden Rüstungen der Errish, Rüstungen, die nicht nur dem Panzer menschengroßer Insekten nachempfunden, sondern auch aus dem entsprechenden Material gefertigt waren. Etwas in ihm wußte sehr wohl, was dieser Umstand bedeutete, aber er weigerte sich einfach, auch nur über die bloße Möglichkeit der Existenz menschengroßer Insekten nachzudenken.

»Willst du immer noch gehen?« fragte Del unvermittelt.

Die Frage überraschte Skar, denn nach allem hatte er damit jetzt zu allerletzt gerechnet. Er reagierte nicht, aber tief in sich wußte er die Antwort – er wollte, und er mußte gehen. Drask hatte recht gehabt, mit dem, was er sagte. Etwas war falsch, grundlegend falsch, an diesem ganzen Krieg. Nicht die Tatsache, daß sie ihn führten, denn sie hatten keine andere Wahl, wollten sie Enwor nicht der Herrschaft der Zauberpriester überlassen, und damit der Sternen geborenen, die unsichtbar hinter ihnen standen. Auch nicht die Art, wie sie ihn führten, denn sie hatten alle Vorteile auf ihrer Seite. Nach Drasks Tod und dem Fall der Trutzburg stand der Weg nach Osten für sie offen, und der Walze aus vierzigtausend Quorrl und fast zwanzigtausend Satai und Veden würde nichts widerstehen; ganz einfach, weil es auf ganz Enwor nichts gab, das dieser geballten Macht gewachsen wäre. Skar gab den Zauberpriestern und ihren Verbündeten drei Monate; vier, allerhöchstens.

Und doch: Dies alles mochte – logisch betrachtet – richtig sein, und trotzdem war es falsch. Sein Hiersein war falsch. Dieser Kampf war nicht mehr sein Kampf. Er war es niemals gewesen. Die Dinge, so weit er sie überhaupt jemals in der Hand gehabt hatte, begannen ihm zu entgleiten. Vom Kampf gegen Vela und den Dronte über sein Zusammentreffen mit dem Daij-Djan hin hatte sich eine Auseinandersetzung, die im Grunde nur ihn anging, zu einem Krieg entwickelt, der diese ganze Welt in Flammen zu setzen drohte. Aber es war falsch. Seine Rolle in diesem Spiel war eine andere; und er wußte sogar, welche.

Das Wissen darum war in ihm, tief in seinem Inneren verborgen, zwar seinem bewußten Zugriff noch entzogen, aber da. Es war immer dagewesen, so wie dieses entsetzliche dräuende Ding in ihm immer dagewesen war, dieses Etwas, das die meiste Zeit schlief und nur manchmal erwachte; und jedesmal schrecklicher und stärker war als vorher.

Er mußte an das denken, was Drask gesagt hatte. Er war sicher, daß der alte Mann ihn nicht belogen hatte, aber wenn es stimmte, daß dieses Etwas in ihm Teil der Welt der Sternengeborenen war – war ein Zusammenleben mit ihnen dann überhaupt möglich?

Er fand keine Antwort auf diese Frage, aber sie hinterließ etwas wie einen schlechten Geschmack in seiner Seele. Er war mit diesem Fluch geboren und hatte wahrlich Zeit genug gehabt, sich daran zu gewöhnen, und doch war es ihm niemals gelungen, diese schreckliche destruktive Macht, die in einem verborgenen Winkel seiner Seele lauerte, als einen Teil von sich selbst zu akzeptieren. Im Gegenteil – seine Angst davor wuchs beständig, und er war überzeugt, den Verstand zu verlieren und wahrscheinlich zu sterben, wenn er seinem dunklen Bruder jemals erlaubte, wirkliche Gewalt über ihn zu erlangen.

»Warum antwortest du nicht?« fragte Del, der sein Schweigen vollkommen falsch deutete. »Kommen dir vielleicht Zweifel an Drasks Worten?«

Skar setzte zu einer ärgerlichen Entgegnung an, beließ es dann aber bei einem lautlosen Seufzen. Wie sollte er Del etwas erklären, was er selbst nicht verstand?

»Mir kommen Zweifel«, gab er zu, obwohl ihn eine innere Stimme warnte, überhaupt weiterzusprechen, »ob das alles hier richtig ist.«

Del blinzelte. Skar war sehr sicher, daß er jetzt auffahren würde, aber er starrte ihn nur für die Dauer eines Herzschlages lang verblüfft an und fragte dann: »Wie meinst du das?«

»Wir gehören nicht hierher«, antwortete Skar. »Ich nicht, und du nicht. Kein Satai sollte tun, was wir jetzt tun.«

»Was?« Del zog eine Grimasse. »Um die Freiheit Enwors kämpfen?«

Skar versuchte gleichzeitig zu nicken und den Kopf zu schütteln. »Nicht so«, sagte er. »Die Quorrl, ja. Die Krieger aus Kohon, die sich uns angeschlossen haben, und die Veden, vielleicht. Aber nicht wir.« Er atmete tief ein und zögerte noch einmal, ehe er fortfuhr. Dels Ruhe mochte täuschen. Aber er hatte sich schon zu weit vorgewagt, um jetzt noch zurück zu können. Und er wußte, daß er die Kraft für einen zweiten Anlauf nicht mehr aufbringen würde. »Diese Männer dort unten, Del«, behauptete er sehr ernst, »das sind keine Satai.«

Das war es. Er hatte es erst laut aussprechen müssen, um zu begreifen, was er im Grunde die ganze Zeit über schon gewußt hatte. Plötzlich hörte er noch einmal die Worte des Mannes, der an Dels Seite geritten war: Es sind Drachen, Herr. Und sie haben Scanner. Und mit einem Male wußte er, was falsch war. Der Mann hatte recht gehabt, tausendmal recht, und er hatte es auf die drastischste nur vorstellbare Weise demonstriert, indem er nämlich unter den Toten war, die sie zusammen mit den erschlagenen Errish auf der Ebene begraben hatten. Und trotzdem hätte Skar es spätestens in diesem Moment klar erkennen müssen.

»Wir hätten diesen Angriff niemals führen dürfen«, sagte er. Del schwieg, aber er sah ihn ohne Zorn und eindeutig auffordernd an, so daß er neuen Mut faßte und weitersprach: »Nicht so, Del. Satai reiten nicht in einem Heer, sie –«

»Tun das, was du getan hast«, unterbrach ihn Del. »Ich weiß. Du hast recht. Wir beide, du und ich, sind vielleicht die einzigen echten Satai, die es in dieser Festung gibt. Vielleicht die letzten überhaupt.«

Es dauerte lang, bis Skar bereit war zu glauben, was er da gerade gehört hatte. Dels Worte, obwohl – oder vielleicht gerade weil– er sie in ruhigem, ja fast beiläufigem Ton gesprochen hatte, trafen ihn wie ein eiskalter Wasserguß. Skar starrte ihn fassungslos an. »Aber –«

»Du weißt nichts, Skar«, fiel ihm Del abermals ins Wort. Plötzlich klang er doch zornig, aber es war ein Zorn, der nicht ihm galt, sondern wie etwas herausbrach, das schon lange Zeit in ihm brodelte. »Du hast nicht erlebt, was in den letzten Jahren geschehen ist!«

»Vielleicht bin ich deshalb der einzige, der noch sieht, was hier geschieht.«

»Was siehst du, Skar?« schnappte Del. »Ein Heer aus Quorrl und Satai, das sich anschickt, diese verfluchten Magierkönige dorthin zurückzujagen, wo sie hergekommen sind, und –«

»Ich sehe ein Heer, das es nicht geben dürfte«, unterbrach ihn Skar. »Die Satai sind keine Soldaten, die nach Belieben Heere aufstellen und diejenigen bestrafen, die ihnen nicht passen. Wir haben uns niemals in Dinge eingemischt, die uns nichts angehen.«

Del seufzte. Er war noch immer zornig, aber jetzt mischte sich auch so etwas wie Trauer in seinen Blick. »Du weißt nichts«, wiederholte er. »Du warst jahrelang verschwunden, Skar. Du … du hast nicht erlebt, wie sie sich die Macht erschlichen haben, erst in einer Stadt hier und einer Festung da, dann in einem kleinen Land, dann …« Er schwieg einen Moment und ballte die Fäuste, als wäre ihm allein die Erinnerung schon unerträglich.

»Wenn du gehen willst«, fuhr er schließlich fort, »dann reite nach Ikne. Geh nach Ikne oder Denwar oder Orkala oder in eine der anderen großen Städte und sieh dir an, was sie den Menschen dort angetan haben. Enwor war einmal frei. O ja, es war eine wilde Welt, eine, die dich schneller umbringen konnte, als du dir träumen läßt, aber sie war frei, Skar. Heute sind Besh-Ikne und die Länder, über welche die Zauberpriester herrschen, ein einziges Sklavenlager. Wir hatten keine Wahl. Glaubst du, es war meine Entscheidung?« Er sprang auf, versetzte seinem Stuhl einen wütenden Tritt und riß den schwarzen Umhang von seiner Schulter.

»Glaubst du, ich habe dieses Ding hier gewollt?« fragte er aufgebracht. »O nein, ganz bestimmt nicht. Aber ich mußte es nehmen. Ich mußte es nehmen, um Enwor zu retten. Um die Satai zu retten, Skar.« Er beugte sich erregt vor, stützte die Hände auf der Tischplatte ab und fuhr, fast schreiend, fort: »Sie hätten nicht an der Küste Halt gemacht. Früher oder später hätten sie uns vernichtet, so, wie sie wahrscheinlich schon die Errish vernichtet haben.«

»Und deshalb habt ihr euch zu einem Heer zusammengetan?« Das Wort ihr erschreckte ihn selbst, denn es verdeutlichte mehr als alles andere, daß er sich nicht einmal mehr mit den Männern in den schwarzen Mänteln der Satai identifizierte.

»Nein«, antwortete Del. »Oder ja, auch. Sicherlich.« Er seufzte, richtete sich wieder auf und begann, unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Er wirkte verstört, und Skar begriff, daß er der Wahrheit näher gekommen war, als Del wahrhaben wollte.

»Natürlich auch deshalb«, wiederholte Del noch einmal, und ohne ihn anzusehen. »Jedermann hat das Recht, um sein Überleben zu kämpfen, oder? Aber es war nicht der Hauptgrund. Ich … war dabei, als die Entscheidung fiel, Skar. Ich war auf dem Berg der Götter. Glaube mir, wir hatten keine andere Wahl.«

»Und diese … diese Söldner?« Skar gab sich nicht einmal Mühe, die Verachtung zu verhehlen, die er für die Männer empfand, die er hierher geführt hatte. Sein Gewissen meldete sich heftig zu Wort, denn schließlich waren sie es, die diese Burg für sie zurückerobert hatten, und trotzdem. Er verachtete sie, weil sie die Silbersterne der Satai trugen, das heilige Zeichen, das niemand, niemand! freveln durfte. Wäre es anders gewesen, hätten sie sich als das zu ihnen gesellt, was sie waren, nämlich bezahlte Krieger oder einfach nur Männer, die um die Freiheit ihres Landes kämpften, hätte er sich mit seinem Leben für jeden einzelnen von ihnen eingesetzt. So nicht.

»Was sollten wir tun?« fragte Del voller Wut. »Ein halbes Dutzend Männer losschicken und mit ihnen einen Krieg gewinnen?«

»Aber –«

»Verdammt, Skar, was glaubst du, wie viele Satai es noch gibt?« brüllte Del plötzlich. Sein Gesicht flammte vor Zorn und Schmerz. »Sie haben uns gejagt wie die Tiere! Sie haben uns abgeschlachtet, in den Jahren, in denen du fort warst. Sie haben Geldpreise auf unsere Köpfe gesetzt und uns für vogelfrei erklärt. Ich bin nicht aus Langeweile zu den Verbotenen Inseln gegangen, ich bin dorthin geflohen! Und ich war einer der letzten, dem es gelang«, fügte er etwas leiser hinzu.

Skar war erschüttert. In all den Wochen, die er jetzt zurück war, hatte Del nicht ein Wort von alledem erwähnt; weder er noch einer der anderen Satai oder Quorrl, mit denen er gesprochen hatte. Er versuchte sich vorzustellen, was Del ihm gerade erzählt hatte, aber es gelang ihm nicht.

»Wie viele?« fragte er mühsam. Seine Zunge war plötzlich trocken und weigerte sich fast, ihm zu gehorchen. Sein Herz hämmerte. »Wie viele von uns gibt es noch?«

»Ich weiß es nicht«, räumte Del düster ein. »Fünfzig, hundert, vielleicht auch nur noch dich und mich. Wir waren niemals viele, aber jetzt sind wir …« Er breitete in einer hilflosen Geste die Hände aus. »Nichts mehr. Diese Männer dort draußen, dieses riesige Heer, das in wenigen Tagen zu uns stoßen wird, und diejenigen, welche Denwar und Kohon besetzt halten – du hast recht. Sie sind keine Satai. Es sind … Krieger. Söldner. Einfache Männer, die unserem Ruf folgten, und ja, verdammt noch mal, auch eine Menge Raufbolde und Gesindel, die der Verlockung nicht widerstehen konnten. Wir haben versucht, die Schlimmsten wegzuschicken, aber auch wir machen Fehler. Wir brauchten sie.«

»Aber warum?« fragte Skar erschüttert. »Warum den heiligen Mantel der Satai, Del?! Warum habt ihr sie nicht einfach genommen und ausgebildet und in irgendeine Uniform gesteckt, und –« Plötzlich schrie auch er. »Weißt du, was passieren wird, wenn das alles hier vorüber ist? Die Satai werden nie wieder das sein, was sie einmal waren! Die Menschen hassen sie schon jetzt, und die meisten haben Angst vor uns!«

»Ich weiß«, antwortete Del leise. »Wir werden sie fortschicken, wenn alles vorüber ist. Der Kontrakt läuft zehn Jahre, und –«

»Und danach werden sie ihre Mäntel ablegen und vergessen, daß sie einmal Satai waren, wie?« höhnte Skar. »Stell dich nicht dumm. Ihr habt die Satai vernichtet, und das weißt du!«

Del starrte ihn an, aber Skar suchte vergeblich nach Zorn oder Vorwurf in seinem Blick. »Vielleicht hast du recht«, meinte er, sehr leise und voller Trauer und Niedergeschlagenheit. »Aber wenn wir Enwor damit retten, dann war es das Opfer wert.«

»Das glaubst du doch selbst nicht«, antwortete Skar wutentbrannt. »Das sind doch nur leere Sprüche, Del. Der Unsinn, den du vielleicht den anderen erzählen kannst, aber nicht mir. Das hier ist …« Er hob die Hände, als versuche er nach den Worten zu greifen, die er nicht fand. »… nicht mehr Enwor«, stieß er schließlich hervor.

»Doch«, widersprach Del, sehr leise, sehr ernst und jetzt ohne die mindeste Spur von Zorn. »Du täuschst dich, Skar«, beschwor er ihn. »Diese Welt ist dieselbe geblieben. Du bist es, der sich verändert hat.«

»Habe ich das?«

Del nickte. In seinem Blick war etwas, das Skar nicht deuten konnte und das ihm Angst einjagte; nein – nicht Angst: eine sonderbare Mischung aus Trauer und Verzweiflung, das Gefühl, etwas verloren zu haben, von dem er bisher nicht einmal gewußt hatte, daß es da war.

»Wir waren einmal Freunde, Skar«, sagte Del. »Erinnerst du dich noch?«

»Sind wir das jetzt nicht mehr?«

Del antwortete nicht.

6. Kapitel

Sie sprachen kein Wort mehr miteinander, bis die halbe Stunde abgelaufen war, die Del Bradburn gegeben hatte, um das Mädchen aufzuwecken, aber Skar widerstand auch der Versuchung, wie ein störrisches Kind einfach aus dem Raum zu laufen und sich irgendwo zu verkriechen, um sich selbst leid zu tun.

Er war sehr erleichtert, als sie den Thronsaal endlich verließen und in den Trakt der Festung gingen, den Bradburn und die anderen Heiler für sich reserviert hatten – erschreckend in seinen Ausmaßen, in dem erschreckend viele verwundete Männer und noch mehr verletzte Quorrl lagen. Skar war nur ein einziges Mal hier gewesen, gleich am ersten Tag, fast unmittelbar, nachdem die Burg gefallen war, und was er gesehen hatte, hatte ihn so bestürzt, daß er seither einen großen Bogen um diesen Teil der Anlage geschlagen hatte. Selbst ihn hatte die Schnelligkeit getäuscht, mit der Drasks gewaltiges Bollwerk gefallen war. Aber immerhin war es kein kleines Heer gewesen, das Del und er hierhergeführt hatten, sondern eine Walze aus vierzigtausend Quorrl und fünfhundert Satai-Kriegern, die die wenigen Verteidiger einfach durch ihre bloße Übermacht erstickt hatte. Den gewaltigen Blutzoll, den sie – und wieder einmal vor allem die Quorrl – dafür bezahlen mußten, hatte keiner von ihnen so richtig begriffen. Und er weigerte sich selbst jetzt noch, die Anzahl der Verwundeten und Sterbenden zu schätzen, an denen sie auf dem Weg zu Bradburns Ouartier vorbeikamen.

Das Mädchen war wach, als sie die kleine Kammer an der Ostseite der Festung betraten. Neben seinem Lager standen Bradburn und einer seiner Gehilfen, ein kleiner, ausgemergelt wirkender Quorrl, dessen Finger aussahen, als hätten sie die Gicht, aber trotzdem sehr geschickt zu sein schienen. Bradburn sah auf, als sie eintraten, und für einen Moment war Skar sehr sicher, daß der Prediger (Prediger? dachte er. Bradburn tat in ihrem Heer alles nur Denkbare, aber er hatte ihn niemals irgend etwas predigen hören. Er mußte sich bei Gelegenheit eine andere Bezeichnung für ihn einfallen lassen.) spürte, was zwischen Del und ihm vorgefallen war; es hätte Skar jedenfalls in keiner Weise überrascht, wenn man ihm die Verbitterung ansah, die dieses letzte Gespräch mit Del in ihm zurückgelassen hatte. Aber Bradburn sagte kein Wort dazu, sondern beschied seinem schuppigen Gehilfen nur mit einer knappen Geste, den Raum zu verlassen, und wandte sich dann ebenfalls um.

»Überanstrengt sie nicht«, riet er ihnen im Gehen, und so leise, daß das Mädchen die Worte nicht verstehen konnte. »Sie ist völlig erschöpft. Und sehr verwirrt.«

Del nickte knapp und wartete, bis sie allein waren. Dann versuchte er, sein Gesicht zu so etwas wie einem Lächeln zu zwingen, und trat mit zwei raschen Schritten an das Lager heran. Skar folgte ihm, etwas langsamer und in einigem Abstand.

Er erkannte das Mädchen kaum wieder. Bradburn hatte die Wunden verbunden und eine übelriechende, graue Salbe auf die Verbrennungen an Hals und Schulter aufgetragen, und jemand hatte ihm das Haar geschnitten, so daß es jetzt nur noch bis zu den Schultern reichte. Es sah jünger aus als am Morgen, als er es auf dem Rücken der Echse erblickt hatte, und sehr viel knabenhafter. Ein Kind.

Das Mädchen schaute einen Moment lang aufmerksam zu Del hoch – es schien sehr müde zu sein, aber sein Blick war klar und vollkommen wach –, drehte dann den Kopf und sah Skar an. »Bist du Skar?«

Skar nickte automatisch. Er war überrascht, und auch Del blickte verwirrt auf, trat dann aber wortlos zurück, damit Skar seinen Platz einnehmen konnte.

»Das bin ich«, bestätigte Skar, nachdem er es getan hatte. »Woher kennst du mich?«

»Ein Mann mit einer Narbe im Gesicht und brennenden Augen«, antwortete das Mädchen. »Die Beschreibung paßt.«

»Oh.« Skar hob ganz unbewußt die Hand und berührte die dünne weiße Linie, welche die linke Seite seines Gesichtes in zwei ungleichmäßige Hälften teilte. Er hatte diese Narbe schon so lange, daß er sie manchmal vergaß, obwohl sie es war, die ihm seinen Namen gegeben hatte. »Beschreibt man mich so?«

»Man nicht«, gab das Mädchen zur Antwort. »Meine Mutter. Sie hat mich hierhergeschickt. Zu dir. Ich bin Kiina.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2015
ISBN (eBook)
9783958244580
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
eBook Fantasy Abenteur Action Dystopie Kultroman Helden
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Titel: Enwor - Band 7: Das schweigende Netz
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